Elizabeth - Das goldene Königreich
Elizabeth Das goldene Königreich von Tasha Alexander
LESEPROBE
Kapiteleins
Englandhatte noch nie zuvor eine Königin gehabt wie sie. Elizabeth war nicht nur vonihrer Erscheinung her bemerkenswert - feines, rotes Haar fi el ihren Rückenhinab, und ihr blasser Teint strahlte -, sondern auch ihr scharfer Intellekt undihr Temperament machten sie zu einer würdigen Königin ihres Landes. IhreUntertanen waren wohlvertraut mit der Geschichteihres turbulenten Weges zum Thron, und sie bewunderten ihre Beharrlichkeit undihre aufrichtige Art, ohne auch nur einen Moment zu vermuten, dass sie ihnenein sorgfältig gestaltetes Bild beständiger Kraft präsentierte.
»Es istnicht sicher.« Lord Howard, zweiter Baron von Effingham und Cousin der Königin, sprach in leisem,beharrlichem Tonfall, während das königliche Galaboot die Themse entlang aufden Whitehall Palace zu glitt, ein weitläufiges Schloss mit Hunderten vonZimmern, das in London als Elizabeths offizielle Residenz diente. Die Sorgehatte tiefe Falten in Howards Gesicht gegraben, seine Haut war durch eine aufSee verbrachte Jugend wettergegerbt. »Ich sage es Euch offen - Ihr werdetermordet werden.«
»Euch wärees am liebsten, wenn ich immer im Palast bliebe, von einem Meer von Wächternbewacht«, sagte Elizabeth. Sie hasste schon den Gedanken daran. Es wäre wie einlähmender Tod. »Und wenn ich mich niemals unter mein Volk mischen würde. Aberdas werde ich nicht tun. Sie müssen mich sehen.«
»JederKatholik in England ist ein potenzieller Mörder«, sagte er.
»Und ichwerde mich auch nicht von eingebildeten Gewaltandrohungen als Geisel gefangenhalten lassen.«
»Wenn EureHaltung der katholischen Bedrohung gegenüber härter wäre «
»Ich sagtees bereits: Ich weigere mich, Fenster in die Seelen der Menschen zu schneiden«,erwiderte sie und beobachtete, wie der hellseidene Baldachin des Bootes flatterte,während ihre Ruderer pullten und sich die Ruder in perfektem Rhythmus hoben undsenkten. »Es gibt nur einen Jesus Christus, und der Rest ist ein Disput überKleinigkeiten.«
An denUfern des Flusses wimmelte es von Menschen, die meisten von ihnen lächelnd,winkend, erfreut, sich in so unmittelbarer Nähe der Königin zu befinden. Selbstdie einfachen Leute, die in Armut lebten, wurden von ihrer großen Ausstrahlungbezaubert. Den Reichen und dem neuen Händlerstand brachte ihre Politikdeutliche Vorteile, nicht nur in Gelddingen, sondern auch intellektuell, da dieBildung wuchs und mehr Schulen gebaut wurden. Und während englische Forscher indie Neue Welt aufbrachen, erweiterten sich die Grenzen eines Reiches, das zueinem Imperium werde28 könnte. Ein gesteigertes Gefühl von Wandel undMöglichkeiten lag in der Luft. London war eine Stadt, in der es vor Gelegenheitennur so wimmelte.
Unter denScharen begeisterter Untertanen, die die königliche Gesellschaft bejubelten,nahm niemand Notiz von zwei Männern - Anthony Babingtonund John Savage -, die aufmerksamer hinsahen als dieÜbrigen, die ohne Bewunderung hinsahen, ihre bösen Absichten aber sorgfältigverbargen, während sie in der Menge aufgingen.
»Bist dujemals nervös?«, fragte Savage,der die Menge beobachtete. »Wegen dem, was uns bevorsteht, wenn uns jemand entdeckt?«
»Das istalles Strategie, oder?« Babingtonscharrte mit den Füßen über die Erde. »Verhalte dich ruhig, lass dieprotestantischen Narren das Volk in die Irre führen, und wir werden dich nichttöten.« Die katholische Minderheit war davor gewarnt worden,die Königin zu verärgern, auf dass sie das Schwert derGerechtigkeit nicht gegen sie richten möge. Diejenigen, die sich aus derPolitik heraushielten und keine Aufmerksamkeit auf sich zogen, waren sicher.Den Übrigen drohten Folter und das Schafott. »Wir tun nur Gottes Werk. DieKönigin ist diejenige, die sich in eine gefährliche Lage bringt, indem sieketzerische Ansichten vertritt.«
»Ja. Siemuss sterben.« Savagehoffte, dass sein Begleiter die Angst in seiner Stimme nicht bemerkte.
»Und wennes Gottes Wille ist, dass sie sterben soll, warum sollte ich dann Angst vor denKonsequenzen für mich selbst haben?«, fragte Babington. »Werden wir erwischt, werden uns die Ketzer zuglorreichen Märtyrern machen. Das ist etwas, was ich niemals fürchten könnte.«
Savageschluckte schwer. Er stimmte theoretisch allem zu, was Babingtonsagte, aber ihm fi el es etwas schwerer, die Realität zu akzeptieren. Er hattezu viele Geschichten über die Folter gehört, von ausgerenkten Gelenken, vonzerquetschten Körpern. Und er hatte mit eigenen Augen gesehen, wasstundenlanges Aufhängen an den Handgelenken seinem Vater angetan hatte. ImTower von London gab es keine Gnade. Diese Gedanken ängstigten ihn, also beteteer, und Gott gab ihm seine Konzentration zurück. Und so gingen sie weiterhin denFluss entlang und planten die Details ihres Angriffs, der, wie sie hofften, dieWelt verändern würde.
Das Boothatte Whitehall nördlich vom Westminster Palace erreicht. Elizabeths Vater,Henry VIII., hatte den mittelalterlichen Palast umfangreich renoviert, Turnier-und Tennisplätze hinzugefügt und einen perfekten königlichen Spielplatz fürsich geschaffen. Das Wasser der Themse leckte an der Hintertreppe, als diekönigliche Gesellschaft das Boot verließ, um durch Labyrinthe von Höfen undGebäuden zu schreiten, deren Struktur so gestaltet war, dass sie die Hierarchiedes Hofes widerspiegelte. Zuerst kamen die öffentlichen Räume, aber je weiterman in den Palast hineingelangte, desto weniger Menschen war der Zutritt durchdie bewachten Türen erlaubt. Am Ende befanden sich die Privaträume der8 Königin,zu denen nur einige wenige Auserwählte jemals Zutritt bekamen.
AberElizabeths Ziel war nicht der luxuriöse Komfort ihres Arbeits- oderMusikzimmers. Sie betrat das Privatgemach, in dessen Steinwänden die Geschickedes Königreichs gelenkt wurden und in dem ihre getreuesten Berater, ihr Kronrat,sie umgaben. Sir Francis Walsingham war vor seiner Ernennungzum Privatsekretär für ausländische und inländische Belange Botschafter inFrankreich gewesen, aber er war auch ihr Meisterspion, der alle verdecktenOperationen koordinierte. Sie hatte ihm wegen des dunklen Tons seiner olivfarbenen Haut den Spitznamen Moor gegeben, und er warzu einem Freund geworden.
»Ist esdas, was ich heute zu erwarten habe?«, fragteElizabeth ihn, als sie den Raum betrat. »Endloses Gerede über religiöse Streitigkeiten?«Sie wusste, dass es unvermeidlich war, dass der inbrünstige Glaube ihrerUntertanen, der protestantischen wie der katholischen,England auseinanderreißen könnte. Es war dieselbeblutige Schlacht, die quer durch Europa tobte, eine Schlacht, die initiiertwurde, als Martin Luther seine 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche zuWittenberg nagelte, und die selbst durch die unerbittliche Gewalt derspanischen Inquisition kaum aufzuhalten war.
»Es istnotwendig, Majestät«, sagt Walsingham. »Aber da istnoch etwas «
Sie sah diePapiere in seiner Hand und unterbrach ihn. »Nicht jetzt, Moor. Wir werdenspäter darüber sprechen. Viel später.« Er brachte ihr eine weitere Petition mitder Bitte, einen Ehemann zu erwählen - das hatte sie sofort erkannt. Ehe undReligion, die beiden beliebtesten Themen ihrer Minister - und ihre ungeliebtesten. Sie erwähnte gerne, dass ihr Vater, dersechs Ehefrauen gehabt hatte, oft genug für sie beide geheiratet hätte, abernur sie allein wusste den humoristischen Gehalt dieser Feststellung zuschätzen. »Ich möchte mich zuerst um Howard und seine Belange kümmern. «
Walsinghamverbeugte sich, trat beiseite und beobachtete, wie die Königin zu ihren übrigenBeratern ging, die um einen langen, englischen Holztisch unter einem wuchtigenPorträt Henrys VIII. saßen. Die kleinen Augen des Porträts schienen sie alle zubeobachten.
»Diekatholische Fraktion wird mit jedem Tag kühner, Majestät«, sagte Lord Howard.
»Inwiefernkühner?«, fragte Elizabeth. Dies war Howards typischeHaltung, und sie rechnete damit, dass er gleich die alten, warnendenErinnerungen an einen katholischen Aufstand unter den Grafen in Nordengland beschwor - eine Rebellion, die niederzuschlagen Howardmitgeholfen hatte.
»DieSpanier nennen Maria Stuart offen die noch nicht im Amt befindliche Königin«,fuhr Howard fort.
WilliamCecil, Lord Burghley, der schon seit der Zeit ihrer Krönungan ihrer Seite war, nickte. »Sie ist gefährlich, Majestät.«
© FischerVerlag
Übersetzung:Karin König
- Autor: Tasha Alexander
- 2007, 324 Seiten, Maße: 13 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: König, Karin
- Verlag: FISCHER Taschenbuch
- ISBN-10: 3596178991
- ISBN-13: 9783596178995
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