Firmenjäger
Wie Raider Unternehmen kaufen, zerschlagen und verschachern
Hinter den Kulissen spektakulärer Übernahmen
Was vor einigen Jahren noch als eine amerikanische Besonderheit galt, ist inzwischen auch in Europa Realität geworden: Unternehmensübernahmen durch sogenannte Firmenjäger. In seinem exakt recherchierten Buch...
Was vor einigen Jahren noch als eine amerikanische Besonderheit galt, ist inzwischen auch in Europa Realität geworden: Unternehmensübernahmen durch sogenannte Firmenjäger. In seinem exakt recherchierten Buch...
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Produktinformationen zu „Firmenjäger “
Klappentext zu „Firmenjäger “
Hinter den Kulissen spektakulärer ÜbernahmenWas vor einigen Jahren noch als eine amerikanische Besonderheit galt, ist inzwischen auch in Europa Realität geworden: Unternehmensübernahmen durch sogenannte Firmenjäger. In seinem exakt recherchierten Buch nimmt Hans Sedlmaier den Unternehmertyp des Raiders unter die Lupe. Mit viel Geld im Rücken kaufen sie Firmen ganz oder teilweise auf, krempeln sie um, zerlegen sie und verkaufen die Einzelteile mit hohem Gewinn weiter. Dabei suchen sie sich mit Vorliebe unterbewertete Firmen, die meist zwei Dinge gemeinsam haben: ein hohes Vermögen und einen niedrigen Aktienkurs. Ihre Strategie ist zunächst unauffällig: Sie kaufen nach und nach ein größeres Aktienpaket und gehen erst dann an die Öffentlichkeit. Vor und hinter den Kulissen beginnen sie, Druck auf das Management auszuüben. Die Rede ist vom Unternehmertyp des Firmenjägers.
In Deutschland waren Firmenjäger bis vor wenigen Jahren kaum bekannt. Große Firmen werden hier meist von hoch bezahlten Managern geleitet, die Angestellte des Unternehmens sind. Lange galt die "Deutschland-AG" als abgeschottetes Terrain, auf dem ausländische Firmen kein Bein auf den Boden bekamen. Feindliche Übernahmen, also der Kauf einer Firma gegen den Willen des Managements, wie sie in den USA gang und gäbe sind, schienen undenkbar. Das ist spätestens seit dem aufsehenerregenden Mannesmann-Kauf durch Vodafone im Frühjahr 2000 vorbei.
Hans Sedlmaier geht in seinem Buch der Frage nach, warum Firmenjäger nun auch in Deutschland aktiv sind, und stellt markante Vertreter der Zunft vor.
Lese-Probe zu „Firmenjäger “
Die Firmenjäger mischen mitKein anderer Firmenjäger hat sich so schnell, konsequent und erfolgreich ins deutsche Wirtschaftsleben eingemischt wie der Amerikaner Guy Wyser-Pratte. Der Geschäftsmann, schon wegen seiner knappen 2 Meter Körperlänge eine imposante Erscheinung, meldete sich in Deutschland erstmals im Dezember 1999 zu Wort.
"Riecht ihr das Napalm?" - Rambo-Raider Guy Wyser-Pratte
Während der Übernahmeschlacht von Mannesmann durch Vodafone forderte er Mannesmann-Chef Klaus Esser zu ernsthaften Verhandlungen auf. Nun bekamen auch deutsche Manager die Entschlossenheit und Kampfbereitschaft des Ex-Marine-Offiziers zu spüren. Falls die Mannesmann-Führung das britische Angebot nur abblocke, so drohte Wyser-Pratte, dann werde er zusammen mit anderen Aktionären auf eine außerordentliche Hauptversammlung drängen, um eine ernsthafte Prüfung des Angebots zu erzwingen. Dabei hatte er nur geschätzte 150000 Mannesmann-Aktien in der Tasche - bei weitem nicht genug, um wirklich etwas zu bewegen. Schon hier ließ sich Wyser-Prattes Methode auf einen Nenner bringen: Ihm geht es darum, mit einem relativ kleinen Anteil eine möglichst große Wirkung zu erzielen.
Ein Offizier und Gentleman - der Background von Guy Wyser-Pratte
So knallhart er in geschäftlichen Dingen agiert, so kultiviert und gentlemanlike erscheint Guy Wyser-Pratte im persönlichen Umgang. Er lebt mit seiner Frau Vivien, mit der er drei Kinder hat, in New York. Auch nach den Anschlägen vom 11. September 2001 dachte er keine Sekunde daran, die Finanzmetropole zu verlassen. Die Ängste von manch einem traumatisierten New Yorker teilt er nicht: "Mein Nachbar ist Henry Kissinger. Ich glaube, sicherer könnte ich nicht leben."1 Das Wochenende verbringt der leidenschaftliche Tennisspieler gerne im Kreis der Familie, zu der auch drei Enkelkinder zählen.
Die beinahe altmodische Korrektheit im persönlichen Umgang, die Guy Wyser-Pratte auszeichnet, lässt sich auf seine Herkunft zurückführen. Die Wurzeln
... mehr
des amerikanischen Geschäftsmannes liegen dies- und jenseits des Atlantiks - amerikanischer Staatsbürger wurde er erst mit 13 Jahren. Seine Mutter entstammte einer konservativen Grazer Familie, die nach dem Ersten Weltkrieg nach Frankreich gegangen war. Dort lernte sie seinen Vater Eugène kennen. Dieser, ein gebürtiger Franzose, gründete 1929 in Paris ein Arbitrage-Geschäft. Der Begriff Arbitrage bezeichnet den Handel von Devisen, Effekten, Termingeld oder Edelmetallen, bei dem ein Gewinn aus den unterschiedlich hohen Kursen an verschiedenen Handelsplätzen entsteht. Der Arbitrageur schließt mehrere Verträge, Kauf- und Verkaufsverträge ab, sein Gewinn ergibt sich aus der Kursdifferenz. Immer bestens informiert zu sein, ist im Arbitrage-Geschäft der entscheidende Faktor für den Erfolg. Diese Lektion, die der Vater dem Sohn schon früh mit auf den Weg gab, wird jenem Jahrzehnte danach im Geschäftsleben zum eigenen Erfolg verhelfen.
Guy Wyser-Pratte kam 1940 in Vichy zur Welt, wohin die Familie aus Paris geflohen war, als die Nazis im Anmarsch waren. "Da ich einen Onkel in der Wehrmacht hatte, wollten wir nicht unbedingt in Paris sein, wenn er dort ankommt",2 erzählt er später über die Gründe seiner Eltern, die französische Hauptstadt zu verlassen. Als er sieben Jahre alt und der Krieg endlich vorbei war, ging die Familie in die USA. Noch im gleichen Jahr, 1947, eröffnete der Vater in New York erneut ein Arbitrage-Geschäft. Der polyglotte Guy lernte mit seinen beiden Brüdern in Vichy Französisch, später Englisch. Deutsch wurde trotz der österreichischen Mutter zu Hause nicht gesprochen. Der einzige deutsche Ausdruck, an den er sich aus seiner Kindheit erinnern könne, sagt Wyser-Pratte mit schelmischem Grinsen, sei eine wiederholte Klage seiner Mutter über ihn gewesen: "Furchtbares Kind!" habe sie immer wieder gerufen.
Während der Vater sein Arbitrage-Geschäft in New York mit Erfolg weiterführte, plante er seinen Sohn bereits als Nachfolger ein. Der war zwar keiner der jungen Rebellen der frühen 60er Jahre. Doch suchte er sich nach dem BA-Abschluss in Geschichte an der University of Rochester seinen eigenen Weg in die Welt. 1962, gerade 22 Jahre alt, verpflichtete er sich für vier Jahre bei den Marines - eine Zeit, über die er heute noch mit patriotischer Begeisterung und leuchtenden Augen spricht. Nie tritt er in der Öffentlichkeit ohne seine Marine-Anstecknadel am Revers auf. Als Mitglied der 3. Marine-Division wurde der junge Guy in den Fernen Osten geschickt. "Mein erster Einsatz fand in einem Aufklärungsbataillon statt. Ich war an jedem Ort vor der Küste Asiens", erzählt er über die Zeit, bevor die USA flächendeckend in Indochina Krieg führten. Später meldete sich der junge Soldat für den Kampfeinsatz gegen den Vietcong. Die Front in Vietnam lernte er aber nie kennen - ständig kam etwas dazwischen. Glück für ihn, denn "bereits der Junge, der beim ersten für mich vorgesehenen Kampfeinsatz meinen Platz einnahm, wurde getötet". Die Faszination, die das Militär auf Wyser-Pratte ausübt, ist dennoch ungebrochen. Er war Mitglied des Council on Foreign Relations, eines Expertenrats für Außen- und Sicherheitspolitik. Und als Firmenjäger wurde er in den Folgejahren immer wieder bei Rüstungsfirmen aktiv. Allerdings sieht der Amerikaner auch die dunkle Seite der glänzenden Uniformknöpfe: das Leid und Elend, das Kriege mit sich bringen. Deshalb engagiert sich Guy Wyser-Pratte bei der Flüchtlingsorganisation International Rescue Committee. Der Einsatz für die humanitäre Sache hat ihn dann viele Jahre später noch einmal nach Asien gebracht: Er besuchte die Flüchtlingslager in Kambodscha, entlang der Grenze zu Thailand und Vietnam. Als er aber 1966 nach New York zurückkehrte, wartete auf den Ex-Marine-Captain harte Arbeit. Er sah seine Zukunft im Finanzbusiness und wollte unbedingt den akademischen Abschluss eines "Master of Business Administration" (MBA) erwerben. Der Vater, ein Praktiker alter Schule, fragte nur verständnislos: "Was ist das denn?" Schließlich willigte er ein: "Gut, mach das abends, aber tagsüber arbeitest du für mich." Pflichtbewusst, aber ohne Begeisterung folgte der Sohn.
Er nutzte den Freiraum, den die Universität ihm bot. Seine Abschlussarbeit über "Risikoarbitrage"3 erregte Aufsehen. Die Universität veröffentlichte das Werk, und es wurde, sagt Wyser-Pratte mit dem Selbstbewusstsein des Erfolgreichen, "das bestverkaufte Buch, das die Graduate School of Business Administration der New York University jemals veröffentlicht hat - jeder wollte es." Tatsächlich wurde das Buch zu einer Art Pflichtlektüre bei Finanzvorlesungen und prägte eine ganze Generation von Arbitrageuren in den USA. Sein Erfolg gründete darin, dass es sehr praxisorientiert war und das Handwerkszeug einer Branche vermittelte, die bis dahin nur Insidern zugänglich und verständlich gewesen war. "Ich hatte das Gefühl, dass wir mehr Transparenz brauchten", sagt Wyser-Pratte im Rückblick, "auch wenn uns das mehr Wettbewerb eingebracht hat - ich habe nichts gegen Wettbewerb."
Trotz seines Erfolges an der Universität war Wyser-Pratte die gesamte Zeit über im Finanzgeschäft geblieben. 1967 hatte Vater Eugène seine Firma an die Investmentbank Bache & Co. verkauft, die 1981 von der Prudential Insurance Company übernommen wurde und in Prudential-Bache Securities Inc. umfirmierte. Wyser-Pratte war bei Bache als Portfoliomanager mit eingestiegen. 1971 schließlich, mit dem frisch erworbenen Grad des "Masters of Business Administration" im Rücken, wurde er Leiter der Arbitrage-Abteilung. Da er in dieser Führungsposition die nächsten 20 Jahre lang tätig blieb, hätte der weitere Berufsweg bis zur Rente eigentlich vorhersehbar ruhig verlaufen können. Doch nicht so bei Wyser-Pratte, der immer wieder für Überraschungen sorgt. 1992 verließ er seinen Arbeitgeber, machte sich selbstständig und fing mit über 50 Jahren noch einmal neu an. Der Schritt erfolgte allerdings eher notgedrungen, da er sich nach eigenen Worten bei Prudential-Bache durchaus wohl gefühlt hatte. Und er gibt auch zu: "Es war schon sehr bequem. Ich musste mich um nichts kümmern, wie zum Beispiel Marketing. Außerdem zahlten sie gut und gaben mir alles, was ich brauchte: auch exakt das Personal, das ich wollte." Doch es war eine Welle von Skandalen über Prudential-Bache geschwappt. Die Führungsspitze war völlig zerstritten - es war Zeit zu gehen.
Als Spielführer Wyser-Pratte Prudential Securities verließ, ging sein gesamtes zwölfköpfiges Team mit ihm. Mit wenigen Veränderungen arbeitet diese Mannschaft bis heute in einem Großraumbüro im 24. Stock eines Hochhauses an der Wall Street für ihn. Prudential Securities bereitete dieser personelle Aderlass - nach Wyser-Prattes Auskunft - enorme Probleme. Es macht ihm noch heute, zehn Jahre später, erkennbares Vergnügen, die Abhängigkeit seines früheren Arbeitgebers von seinen Fähigkeiten zu schildern: "Wir waren die Hauptgeldbringer. Ich habe das mal errechnen und an einem Chart darstellen lassen. Daraus ergibt sich, dass wir über 25 Jahre hinweg 110 Prozent [sic!] des Nettoeinkommens der Firma verdient haben." Tatsächlich sei das Unternehmen nach seinem Weggang trotz Umstrukturierung und Kosteneinsparungen "viele Jahre lang unprofitabel" gewesen. Der Erfolgsmensch Wyser-Pratte nahm nicht nur seine eingespielte Mitarbeiterschar mit. Er hat wohl auch - Auskunft darüber gibt er nicht - einige der ehemaligen Prudential-Kunden dazu gebracht, ihr Geld ihm anzuvertrauen. Herr über eine halbe Milliarde Dollar
Wyser-Prattes vielfältige Beziehungen zu Finanzkreisen, aber auch in die Politik und zu großen institutionellen Anlegern ermöglichen es ihm inzwischen, über ein Investitionsvolumen von 500 Millionen Dollar zu verfügen. Woher das Geld genau kommt, sagt der Finanzexperte nicht, das sei Berufsgeheimnis. Dass große Pensionsfonds, Versicherungen und Privatpersonen auf sein Gespür fürs Geldverdienen vertrauen, ist die einzige Aussage, die er sich dazu entlocken lässt. Reiche Privatanleger können ab einer halben Million Dollar aufwärts bei ihm einsteigen, bei institutionellen Investoren ist die Minimumanlage 5 Millionen Dollar. Neben amerikanischen Pensionsfonds sollen weitere ausländische Rentenfonds zu Wyser-Prattes Geldgebern gehören. Auch amerikanische Universitäten sowie Stiftungen, die zum Teil über Milliardenvermögen verfügen, legen dem Vernehmen nach bei dem aggressiven Raider an. Sie sind sehr kritisch in der Auswahl ihrer Geldanlagen und offensichtlich von seinen Fähigkeiten überzeugt, da sie ihm ihr Geld ohne garantierte Rendite überlassen und das Risiko seiner Transaktionen voll mittragen.
Inzwischen pirscht Wyser-Pratte nicht nur als Firmenjäger durch die deutsche Unternehmenslandschaft, er macht auch Marketing in eigener Sache. Konsequent baut er Kontakte zu deutschen Finanzinstituten auf, etwa zu Versicherungen, die ebenfalls über hohe Summen verfügen, die sie zum Wohl ihrer Kunden möglichst gewinnbringend anlegen wollen. Gemeinsame geschäftliche Aktivitäten des Firmenjägers mit deutschen Traditionsunternehmen sind wohl nur noch eine Frage der Zeit. So erzählt Wyser-Pratte, dass es im Frühjahr 2002 beim Tauziehen um den Verkauf der Howaldtswerke-Deutsche Werft AG (HDW) eine Anfrage von Allianz Capital Partners (ACP), der Beteiligungsgesellschaft des Münchener Versicherungs- und Finanzkonzerns, an ihn gegeben habe, gemeinsam Anteile der Werft zu kaufen. Allerdings, so der alte Hase, seien "die jungen Kerle" von ACP dann von der Allianz-Spitze zurückgepfiffen worden. Danach habe man den Deal nicht weiter verfolgt.
Wyser-Pratte veränderte seine Investitionsmethode in den vergangenen Jahren nach eigenem Bekunden immer mehr. Anfangs habe er viel häufiger Merger-Arbitrage betrieben, verrät er und meint damit die passive Seite des Geschäfts bei Unternehmensfusionen oder Übernahmen. Hier ist das Erkennen und Antizipieren von Entwicklungen besonders wichtig, denn nur so ist viel Geld zu verdienen. Konkret kann das der frühzeitige Einstieg in eine Firma sein, die im Begriff steht, von einer anderen übernommen zu werden. Gibt ein Unternehmen ein Übernahmeangebot für ein anderes Unternehmen bekannt, so steigt der Kurs des Übernahmekandidaten oft sehr schnell bis zu dem Preis, den die übernehmende Firma zahlen will. Dies gilt aber nur, wenn die Anleger an der Börse davon ausgehen, dass der Kauf zustande kommt. Bestehen daran Zweifel, dann schwankt der Kurs. Er steigt und fällt je nach neuer Nachrichtenlage. Merger-Arbitrage, wie Wyser-Pratte es betrieb und noch betreibt, ist also ein Aufspringen auf einen Zug, der bereits Fahrt aufnimmt. Ist man früh genug bei einem niedrigen Kurs eingestiegen, und kommt der Kauf oder die Fusion tatsächlich zustande, dann liegt der Gewinn des Merger-Arbitrageurs in der Differenz zwischen dem Einstiegskurs und dem Verkaufskurs. Durch den geschickten Einsatz von Optionsscheinen lässt sich der Profit weiter steigern. Das Engagement von Wyser-Pratte bei Mannesmann im Jahr 1999 war also ein klassischer Fall von Merger-Arbitrage, auch wenn er Mannesmann-Chef Klaus Esser öffentlichkeitswirksam zu ernsthaften Verhandlungen mit Vodafone aufforderte. Denn angestoßen hatte Wyser-Pratte den Deal nicht, er war ein Trittbrettfahrer und Profiteur wie andere auch.
Guy Wyser-Pratte kam 1940 in Vichy zur Welt, wohin die Familie aus Paris geflohen war, als die Nazis im Anmarsch waren. "Da ich einen Onkel in der Wehrmacht hatte, wollten wir nicht unbedingt in Paris sein, wenn er dort ankommt",2 erzählt er später über die Gründe seiner Eltern, die französische Hauptstadt zu verlassen. Als er sieben Jahre alt und der Krieg endlich vorbei war, ging die Familie in die USA. Noch im gleichen Jahr, 1947, eröffnete der Vater in New York erneut ein Arbitrage-Geschäft. Der polyglotte Guy lernte mit seinen beiden Brüdern in Vichy Französisch, später Englisch. Deutsch wurde trotz der österreichischen Mutter zu Hause nicht gesprochen. Der einzige deutsche Ausdruck, an den er sich aus seiner Kindheit erinnern könne, sagt Wyser-Pratte mit schelmischem Grinsen, sei eine wiederholte Klage seiner Mutter über ihn gewesen: "Furchtbares Kind!" habe sie immer wieder gerufen.
Während der Vater sein Arbitrage-Geschäft in New York mit Erfolg weiterführte, plante er seinen Sohn bereits als Nachfolger ein. Der war zwar keiner der jungen Rebellen der frühen 60er Jahre. Doch suchte er sich nach dem BA-Abschluss in Geschichte an der University of Rochester seinen eigenen Weg in die Welt. 1962, gerade 22 Jahre alt, verpflichtete er sich für vier Jahre bei den Marines - eine Zeit, über die er heute noch mit patriotischer Begeisterung und leuchtenden Augen spricht. Nie tritt er in der Öffentlichkeit ohne seine Marine-Anstecknadel am Revers auf. Als Mitglied der 3. Marine-Division wurde der junge Guy in den Fernen Osten geschickt. "Mein erster Einsatz fand in einem Aufklärungsbataillon statt. Ich war an jedem Ort vor der Küste Asiens", erzählt er über die Zeit, bevor die USA flächendeckend in Indochina Krieg führten. Später meldete sich der junge Soldat für den Kampfeinsatz gegen den Vietcong. Die Front in Vietnam lernte er aber nie kennen - ständig kam etwas dazwischen. Glück für ihn, denn "bereits der Junge, der beim ersten für mich vorgesehenen Kampfeinsatz meinen Platz einnahm, wurde getötet". Die Faszination, die das Militär auf Wyser-Pratte ausübt, ist dennoch ungebrochen. Er war Mitglied des Council on Foreign Relations, eines Expertenrats für Außen- und Sicherheitspolitik. Und als Firmenjäger wurde er in den Folgejahren immer wieder bei Rüstungsfirmen aktiv. Allerdings sieht der Amerikaner auch die dunkle Seite der glänzenden Uniformknöpfe: das Leid und Elend, das Kriege mit sich bringen. Deshalb engagiert sich Guy Wyser-Pratte bei der Flüchtlingsorganisation International Rescue Committee. Der Einsatz für die humanitäre Sache hat ihn dann viele Jahre später noch einmal nach Asien gebracht: Er besuchte die Flüchtlingslager in Kambodscha, entlang der Grenze zu Thailand und Vietnam. Als er aber 1966 nach New York zurückkehrte, wartete auf den Ex-Marine-Captain harte Arbeit. Er sah seine Zukunft im Finanzbusiness und wollte unbedingt den akademischen Abschluss eines "Master of Business Administration" (MBA) erwerben. Der Vater, ein Praktiker alter Schule, fragte nur verständnislos: "Was ist das denn?" Schließlich willigte er ein: "Gut, mach das abends, aber tagsüber arbeitest du für mich." Pflichtbewusst, aber ohne Begeisterung folgte der Sohn.
Er nutzte den Freiraum, den die Universität ihm bot. Seine Abschlussarbeit über "Risikoarbitrage"3 erregte Aufsehen. Die Universität veröffentlichte das Werk, und es wurde, sagt Wyser-Pratte mit dem Selbstbewusstsein des Erfolgreichen, "das bestverkaufte Buch, das die Graduate School of Business Administration der New York University jemals veröffentlicht hat - jeder wollte es." Tatsächlich wurde das Buch zu einer Art Pflichtlektüre bei Finanzvorlesungen und prägte eine ganze Generation von Arbitrageuren in den USA. Sein Erfolg gründete darin, dass es sehr praxisorientiert war und das Handwerkszeug einer Branche vermittelte, die bis dahin nur Insidern zugänglich und verständlich gewesen war. "Ich hatte das Gefühl, dass wir mehr Transparenz brauchten", sagt Wyser-Pratte im Rückblick, "auch wenn uns das mehr Wettbewerb eingebracht hat - ich habe nichts gegen Wettbewerb."
Trotz seines Erfolges an der Universität war Wyser-Pratte die gesamte Zeit über im Finanzgeschäft geblieben. 1967 hatte Vater Eugène seine Firma an die Investmentbank Bache & Co. verkauft, die 1981 von der Prudential Insurance Company übernommen wurde und in Prudential-Bache Securities Inc. umfirmierte. Wyser-Pratte war bei Bache als Portfoliomanager mit eingestiegen. 1971 schließlich, mit dem frisch erworbenen Grad des "Masters of Business Administration" im Rücken, wurde er Leiter der Arbitrage-Abteilung. Da er in dieser Führungsposition die nächsten 20 Jahre lang tätig blieb, hätte der weitere Berufsweg bis zur Rente eigentlich vorhersehbar ruhig verlaufen können. Doch nicht so bei Wyser-Pratte, der immer wieder für Überraschungen sorgt. 1992 verließ er seinen Arbeitgeber, machte sich selbstständig und fing mit über 50 Jahren noch einmal neu an. Der Schritt erfolgte allerdings eher notgedrungen, da er sich nach eigenen Worten bei Prudential-Bache durchaus wohl gefühlt hatte. Und er gibt auch zu: "Es war schon sehr bequem. Ich musste mich um nichts kümmern, wie zum Beispiel Marketing. Außerdem zahlten sie gut und gaben mir alles, was ich brauchte: auch exakt das Personal, das ich wollte." Doch es war eine Welle von Skandalen über Prudential-Bache geschwappt. Die Führungsspitze war völlig zerstritten - es war Zeit zu gehen.
Als Spielführer Wyser-Pratte Prudential Securities verließ, ging sein gesamtes zwölfköpfiges Team mit ihm. Mit wenigen Veränderungen arbeitet diese Mannschaft bis heute in einem Großraumbüro im 24. Stock eines Hochhauses an der Wall Street für ihn. Prudential Securities bereitete dieser personelle Aderlass - nach Wyser-Prattes Auskunft - enorme Probleme. Es macht ihm noch heute, zehn Jahre später, erkennbares Vergnügen, die Abhängigkeit seines früheren Arbeitgebers von seinen Fähigkeiten zu schildern: "Wir waren die Hauptgeldbringer. Ich habe das mal errechnen und an einem Chart darstellen lassen. Daraus ergibt sich, dass wir über 25 Jahre hinweg 110 Prozent [sic!] des Nettoeinkommens der Firma verdient haben." Tatsächlich sei das Unternehmen nach seinem Weggang trotz Umstrukturierung und Kosteneinsparungen "viele Jahre lang unprofitabel" gewesen. Der Erfolgsmensch Wyser-Pratte nahm nicht nur seine eingespielte Mitarbeiterschar mit. Er hat wohl auch - Auskunft darüber gibt er nicht - einige der ehemaligen Prudential-Kunden dazu gebracht, ihr Geld ihm anzuvertrauen. Herr über eine halbe Milliarde Dollar
Wyser-Prattes vielfältige Beziehungen zu Finanzkreisen, aber auch in die Politik und zu großen institutionellen Anlegern ermöglichen es ihm inzwischen, über ein Investitionsvolumen von 500 Millionen Dollar zu verfügen. Woher das Geld genau kommt, sagt der Finanzexperte nicht, das sei Berufsgeheimnis. Dass große Pensionsfonds, Versicherungen und Privatpersonen auf sein Gespür fürs Geldverdienen vertrauen, ist die einzige Aussage, die er sich dazu entlocken lässt. Reiche Privatanleger können ab einer halben Million Dollar aufwärts bei ihm einsteigen, bei institutionellen Investoren ist die Minimumanlage 5 Millionen Dollar. Neben amerikanischen Pensionsfonds sollen weitere ausländische Rentenfonds zu Wyser-Prattes Geldgebern gehören. Auch amerikanische Universitäten sowie Stiftungen, die zum Teil über Milliardenvermögen verfügen, legen dem Vernehmen nach bei dem aggressiven Raider an. Sie sind sehr kritisch in der Auswahl ihrer Geldanlagen und offensichtlich von seinen Fähigkeiten überzeugt, da sie ihm ihr Geld ohne garantierte Rendite überlassen und das Risiko seiner Transaktionen voll mittragen.
Inzwischen pirscht Wyser-Pratte nicht nur als Firmenjäger durch die deutsche Unternehmenslandschaft, er macht auch Marketing in eigener Sache. Konsequent baut er Kontakte zu deutschen Finanzinstituten auf, etwa zu Versicherungen, die ebenfalls über hohe Summen verfügen, die sie zum Wohl ihrer Kunden möglichst gewinnbringend anlegen wollen. Gemeinsame geschäftliche Aktivitäten des Firmenjägers mit deutschen Traditionsunternehmen sind wohl nur noch eine Frage der Zeit. So erzählt Wyser-Pratte, dass es im Frühjahr 2002 beim Tauziehen um den Verkauf der Howaldtswerke-Deutsche Werft AG (HDW) eine Anfrage von Allianz Capital Partners (ACP), der Beteiligungsgesellschaft des Münchener Versicherungs- und Finanzkonzerns, an ihn gegeben habe, gemeinsam Anteile der Werft zu kaufen. Allerdings, so der alte Hase, seien "die jungen Kerle" von ACP dann von der Allianz-Spitze zurückgepfiffen worden. Danach habe man den Deal nicht weiter verfolgt.
Wyser-Pratte veränderte seine Investitionsmethode in den vergangenen Jahren nach eigenem Bekunden immer mehr. Anfangs habe er viel häufiger Merger-Arbitrage betrieben, verrät er und meint damit die passive Seite des Geschäfts bei Unternehmensfusionen oder Übernahmen. Hier ist das Erkennen und Antizipieren von Entwicklungen besonders wichtig, denn nur so ist viel Geld zu verdienen. Konkret kann das der frühzeitige Einstieg in eine Firma sein, die im Begriff steht, von einer anderen übernommen zu werden. Gibt ein Unternehmen ein Übernahmeangebot für ein anderes Unternehmen bekannt, so steigt der Kurs des Übernahmekandidaten oft sehr schnell bis zu dem Preis, den die übernehmende Firma zahlen will. Dies gilt aber nur, wenn die Anleger an der Börse davon ausgehen, dass der Kauf zustande kommt. Bestehen daran Zweifel, dann schwankt der Kurs. Er steigt und fällt je nach neuer Nachrichtenlage. Merger-Arbitrage, wie Wyser-Pratte es betrieb und noch betreibt, ist also ein Aufspringen auf einen Zug, der bereits Fahrt aufnimmt. Ist man früh genug bei einem niedrigen Kurs eingestiegen, und kommt der Kauf oder die Fusion tatsächlich zustande, dann liegt der Gewinn des Merger-Arbitrageurs in der Differenz zwischen dem Einstiegskurs und dem Verkaufskurs. Durch den geschickten Einsatz von Optionsscheinen lässt sich der Profit weiter steigern. Das Engagement von Wyser-Pratte bei Mannesmann im Jahr 1999 war also ein klassischer Fall von Merger-Arbitrage, auch wenn er Mannesmann-Chef Klaus Esser öffentlichkeitswirksam zu ernsthaften Verhandlungen mit Vodafone aufforderte. Denn angestoßen hatte Wyser-Pratte den Deal nicht, er war ein Trittbrettfahrer und Profiteur wie andere auch.
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Inhaltsverzeichnis zu „Firmenjäger “
EinleitungFirmenjäger:
Ein unbekannter Unternehmertyp
Charakteristika
Ein Blick zurück:
Raider-Reminiszenzen
Der Spieler mit der glücklichen Hand:
Sir James Goldsmith
Rückblick auf die wilden 80er Jahre in den USA
Jagdrevier Deutschland:
Die Schonzeit ist vorbei
Die Globalisierung schleift die Festung
der "Deutschland AG"
Der Wandel in den 90er Jahren
Vater Staat putzt die Börse für
den globalen Investor heraus
Die Wendemarke: Vodafone sackt Mannesmann ein
Das Kleingedruckte in der rot-grünen Steuerreform
Die Firmenjäger mischen mit
"Riecht ihr das Napalm?" -
Rambo-Raider Guy Wyser-Pratte
Die Waterkant-Connection:
Karl Ehlerding und seine Raider-Riege
"Cobra, übernehmen Sie!" -
Der Angriff auf die Commerzbank
Jagdrevier Schweiz:
Bei den Eidgenossen geht es rund
Shareholder-Value über alles: Martin Ebner
Renditejäger René Braginsky
Das offene Deutschland: Wirtschaftliche und
soziale Veränderungen durch Raider-Attacken
und feindliche Übernahmen
Feindliche Übernahme mit erfreulichen Folgen:
Mannesmann
Die Klöckner-Werke werden zerlegt,
und die Mitarbeiter freuen sich darüber
Ein Blick in die Zukunft
Anmerkungen und Bildnachweise
Register
Bibliographische Angaben
- Autor: Hans Sedlmaier
- 2003, 264 Seiten, mit Schwarz-Weiß-Abbildungen, mit Abbildungen, Maße: 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: CAMPUS VERLAG
- ISBN-10: 3593371839
- ISBN-13: 9783593371832
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