Geborene der Nacht
Roman. Deutsche Erstausgabe
Die junge Angelica ist verzweifelt, denn eine blutrünstige Kreatur hat sie zu einer Vampirin gemacht. Sie versucht ihrer Natur zu widerstehen, doch der betörende Duft des Blutes von Jameson Bryant quält sie.
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Geborene der Nacht “
Die junge Angelica ist verzweifelt, denn eine blutrünstige Kreatur hat sie zu einer Vampirin gemacht. Sie versucht ihrer Natur zu widerstehen, doch der betörende Duft des Blutes von Jameson Bryant quält sie.
Klappentext zu „Geborene der Nacht “
Die Novizin Angelica kann es kaum erwarten, endlich ihr ersehntes Gelübde abzulegen und Nonne zu werden. Da wird sie eines Nachts von einer brutalen Kreatur angefallen und zur Vampirin gemacht. Verzweifelt versucht sie ihrer neuen, sündigen Natur zu widerstehen. Vergebens! Als sie Jameson Bryant begegnet, ist sie so betört vom Duft seines Blutes, dass sie sich nicht mehr länger zurückhalten kann. Voller Begierde stillt sie ihren blutigen Hunger und schenkt neun Monate später der kleinen Amber das Leben. Doch eine teuflische Macht droht nicht nur sie, sondern auch das Baby zu vernichten.
Lese-Probe zu „Geborene der Nacht “
Geborene der Nacht von Maggie Shayne 1. KapitelIch bin verflucht, verflucht, verflucht.
An nichts anderes konnte ich denken, als ich in jener ersten Nacht meines neuen Lebens durch die Straßen der Stadt stolperte. Strähniges Haar, zerrissene und schmutzige Kleidung. Passanten starrten mich an und wandten ihren Blick hastig und mit vor Schrecken – oder war es Verachtung? – geweiteten Augen ab, während sie einen großen Bogen um mich machten. Es schien fast, als wüssten sie es.
Ich war auf dem richtigen Weg gewesen. Dachte ich jedenfalls. Vielleicht verhielt ich mich in meiner Rechtschaffenheit etwas zu selbstbewusst. Schließlich kommt Hochmut vor dem Fall. Aber die Sünde des Stolzes rechtfertigte gewiss nicht diese drastische Strafe. Ganz sicher stieß nicht die Hand Gottes mich so tief hinab.
Nein. Nein, Gott hatte nichts damit zu tun. Auch Satan nicht, aber ein Monster. Eine Kreatur, bösartiger als es selbst Luzifer mit all seiner Macht je sein konnte.
... mehr
Dreizehn Jahre lang war ich so rein und heilig, wie es wohl nur Engel selbst sein konnten. Seit der dunkelsten Nacht meines Lebens – der Nacht, als mich meine Mutter mit dem Versprechen, sie würde bald wiederkommen, am Altar der Christophoruskirche zurückließ – hatte ich nur Gutes getan. Obwohl ich damals kaum alt genug war, um Gut und Böse unterscheiden zu können. Dennoch: Ein neunjähriges Kind, das von seiner Mutter ausgesetzt wurde, lernt schnell. Wenn ich nur immer gut wäre, würde sie bestimmt zu mir zurückkommen; davon war ich überzeugt.
Aber sie kam nicht. Mich bestärkte das freilich nur in der Überzeugung, dass ich nicht gut genug war. Es war mir ein Ansporn, noch besser zu sein.
Die Schwestern unterrichteten mich weise und lehrten mich, was sie über Wahrheit und Rechtschaffenheit in Seinem Namen wussten. Und als ich alt genug war, kehrte ich ihnen nicht den Rücken, sondern klammerte mich an den Halt, den ich bei ihnen gefunden hatte.
Mein Gelübde hätte ich eine Woche nach jener schrecklichen Nacht ablegen sollen. Nur eine Woche. Wäre ich vor dem Monster sicher gewesen, hätte ich den Schleier früher genommen? Kann ein fester Glaube Schutz vor solcher Übermacht sein?
“Ich bin verflucht”, murmelte ich abermals und sank auf die Stufen einer prachtvollen Kathedrale nieder. Weder die Türme noch die prächtigen Buntglasfenster interessierten mich. Ich konnte sie nicht ansehen. Meine Augen schienen vor dem himmlischen Blau und Grün und Gold zurückzuscheuen. Einzig und allein die scharlachroten Scherben fesselten meinen Blick. Dann regte sich Gier in den tiefsten Tiefen meiner Seele. Eine sündige Gier, die ich nicht stillen konnte – nicht stillen wollte.
Ich war, den ernst gemeinten Warnungen der Schwestern zum Trotz, in jener Winternacht allein hinausgegangen ...
Die weichen Sohlen meiner Schuhe quietschten, als ich die Holztreppe zu meiner Kammer hinunterlief. Ich konnte es kaum erwarten. Es schneite! Der erste Schnee des Winters, und ich liebte Schnee so sehr. Kurze Zeit zuvor war ich in meiner Kammer auf und ab gegangen, konnte mich aber weder auf meine Studien noch auf sonst etwas konzentrieren. Ich beobachtete unablässig die kleine, weiße Uhr an der Wand, und registrierte stirnrunzelnd, wie langsam die Zeiger vorrückten, ehe ich mich wieder dem kleinen Fenster zuwandte und sehnsüchtig hinausblickte.
Streng genommen waren wir kein klösterlicher Orden. Wir gingen hinaus in die Welt, aber nur, um dem Herrn zu dienen oder wenn Mutter Mary Ruth es für zwingend nötig hielt. Heute sollte ich im wenige Häuserblocks entfernten Obdachlosenasyl arbeiten. Eigentlich hätte ich mich darüber freuen sollen, dass ich meinen Mitmenschen in Zeiten der Not helfen und damit Gott dienen durfte – doch ich wollte einfach nur in den frisch gefallenen Schnee hinaus.
Ich legte mir einen leichten Schal über meine Tracht, eine einfachere Version der vorgeschriebenen Kleidung für die Schwestern. Bald würde ich eine solche Tracht auch tragen dürfen. In etwas mehr als einer Woche würde ich mein feierliches Gelübde ablegen.
Beim Anblick von Schwester Rebecca verlangsamten sich meine Schritte. Wir sollten gemeinsam zum Obdachlosenasyl gehen, doch nun stand sie am Treppenpfosten und sah aus, als wäre ihr schrecklich übel.
“Schwester, was ist los?” Ich befürchtete bereits, mein Ausflug in den Schnee könnte doch noch vereitelt werden. Im Obdachlosenasyl arbeiteten wir stets zu zweit. Gingen stets gemeinsam hin und wieder zurück.
“Darmvirus, vermute ich”, antwortete sie niedergeschlagen. Sie war jung, wie ich. Ihr feierliches Gelübde hatte sie erst vor einem Jahr abgelegt, und eigentlich war es ein Jammer, dass sie, so schön sie war, nie geheiratet und Kinder bekommen hatte. Bei dem Gedanken stahlen sich leise Anflüge von Zweifel über mein eigenes Handeln, doch ich verdrängte sie. Ein anderes Leben als dieses hatte ich nie gekannt. An die Zeit, bevor meine Mutter mich hier ablieferte, erinnerte ich mich kaum. Ich hätte mich in der Welt nicht zurechtgefunden. Außerdem wollte ich gut sein. Und es gab keine bessere Möglichkeit, oder?
“Keine Bange”, meinte Schwester Rebecca, hob tapfer den Kopf und versuchte, die gequälte Miene mit einem Lächeln zu kaschieren. “Ich kneife nicht. Du hast dich den ganzen Tag darauf gefreut.”
Sah man mir das so deutlich an? Ich wandte das Gesicht ab. “Nein, Schwester Rebecca. Du darfst nicht ausgehen, wenn du dich so schlecht fühlst. Du müsstest das Bett hüten.” Ich drückte ihr eine Hand auf die Stirn und spürte die Wärme. Dann drehte ich sie um und half ihr die Treppe hinauf. “Geh nach oben und ruh dich aus. Ich kann mich auch ohne eine Gefährtin am Rande des Zusammenbruchs um die Bedürfnisse der Obdachlosen kümmern.”
Sie erstarrte, wie nicht anders zu erwarten. “Du gehst auf keinen Fall allein hinaus! Du kennst die Regeln der Mutter Oberin!”
“Sie würde bestimmt eine Ausnahme machen, wenn sie wüsste, dass du krank bist.”
“Nein. Sie würde darauf bestehen, dass du hier bleibst.”
“Ein Glück für mich, dass sie nicht da ist.”
Schwester Rebecca schüttelte langsam den Kopf. “Sieh dich nur an! Deine Augen leuchten regelrecht. Was versetzt dich so in Aufregung, Angelica?”
“Der Schnee”, sagte ich, wirbelte herum und blieb stehen, als ich das Fenster und die Schneeflocken sah, die draußen im Licht der Straßenlampe tanzten. “Ich möchte draußen sein. Ihn auf dem Gesicht spüren.”
Sie legte mir sanft eine Hand auf die Schulter. “Es ist nicht der letzte Schnee, Angelica.”
“Aber der erste. Bitte lass mich gehen. Ich bin eine erwachsene Frau. Erwachsene Frauen gehen jeden Tag allein durch diese Stadt.”
“Keine Frauen dieses Ordens”, begann sie.
“An sich gehöre ich nicht zu diesem Orden ... noch nicht. Also kann ich tun und lassen, was ich will.”
“Angelica ...”
Auf dem Weg zur Tür blieb ich stehen und dreht mich noch einmal zu ihr um.
Sie lächelte, die glänzenden Augen und rosigen Wangen verrieten das Fieber. Eine blonde Locke ragte unter der Haube hervor und schmiegte sich an ihre Wange. “Du bist eine sehr willensstarke junge Frau, Angelica”, sagte sie, immer noch lächelnd. “Und abenteuerlustig, und mehr als nur ein wenig schalkhaft. Manchmal frage ich mich, ob du wirklich gründlich genug über deine Entscheidung nachgedacht hast.”
Ich zuckte nur mit den Achseln. “Ich gehe zum Obdachlosenasyl. Mutter Oberin kann mir eine Standpauke halten, wenn ich zurückkehre, aber bis dahin war ich wenigstens draußen.”
Sie nickte und gab sich geschlagen. “Dann beeil dich. Verpass nicht den Bus. Falls doch, kommst du unverzüglich wieder hierher ...” Aber ich war schon zur Tür hinaus.
Oh, dieser wunderbare Schnee! Ich hatte den Winter immer geliebt. Ich hob das Gesicht, ließ die eiskalten, nassen Flocken auf Wangen und Nase fallen und kostete sie sogar wie ein kleines Kind. Sie überzogen alles, so weit das Auge reichte, parkende Autos und Bürgersteige und Fenstersimse und Treppenstufen. Ich bummelte, völlig verzaubert von der weißen Kulisse. Der erste Schnee des Winters ist ein bisschen wie Magie. Als wäre ein Märchen Wirklichkeit geworden. Eigentlich war ich ja viel zu alt, um deswegen derart in Aufregung zu geraten. Darin zu tanzen wie ein kleines Mädchen. Aber ich konnte nicht anders. Ich war aufgeregt.
Und es war falsch, so durch und durch falsch, dass ich allein loszog und mich so unbekümmert über die Regeln des Ordens hinwegsetzte. Doch das hatte ich früher schon oft getan, so dass die Schwestern inzwischen bereits damit rechneten. Regeln missfielen mir. Vermutlich musste ich meine rebellische Art ein wenig ablegen und mich anpassen, wenn ich das Gelübde abgelegt hatte, aber bis dahin schien mir das nicht nötig. Und danach ...
Wieder dieser Hauch von Zweifel. Und wieder schüttelte ich ihn ab. Ich würde später darüber nachdenken. Nicht jetzt. Im Augenblick wollte ich nur allein durch die Nacht gehen, bei jedem Schritt die Regeln brechen und die winterliche Zauberlandschaft genießen.
Und genau das machte ich. Als ich endlich zur Bushaltestelle an der Ecke kam, sah ich mein Transportmittel gerade noch ohne mich davonfahren.
Das brachte mich aus der Fassung, aber nur für einen Moment. Schließlich war ich schon so fast eine Nonne. Und ich war gut. Ich hatte mein Leben in den Dienst Gottes gestellt, und ganz sicher nahm niemand seine Aufgabe ernster als ich. Gewiss konnte ich mir, wo immer ich auch hinging, der Gnade Seines Schutzes sicher sein. Ich glaube, ich fühlte mich unverwundbar. Bei den Schwestern hatte ich das sicher nicht gelernt, und durch meine Studien auch nicht. Dennoch kam es mir so vor. Mir schien, als wäre ich von einem Schutzschild umgeben, in dem mir kein Leid zustoßen konnte, daher fasste ich den törichten Entschluss, die sechs Häuserblocks bis zum Obdachlosenasyl zu Fuß zu gehen. Und das, so wurde mir später klar, war der hochmütige Stolz, der zu meinem Untergang führte.
© Mira Taschenbuch
Übersetzung: Andreas Kasprzak
Aber sie kam nicht. Mich bestärkte das freilich nur in der Überzeugung, dass ich nicht gut genug war. Es war mir ein Ansporn, noch besser zu sein.
Die Schwestern unterrichteten mich weise und lehrten mich, was sie über Wahrheit und Rechtschaffenheit in Seinem Namen wussten. Und als ich alt genug war, kehrte ich ihnen nicht den Rücken, sondern klammerte mich an den Halt, den ich bei ihnen gefunden hatte.
Mein Gelübde hätte ich eine Woche nach jener schrecklichen Nacht ablegen sollen. Nur eine Woche. Wäre ich vor dem Monster sicher gewesen, hätte ich den Schleier früher genommen? Kann ein fester Glaube Schutz vor solcher Übermacht sein?
“Ich bin verflucht”, murmelte ich abermals und sank auf die Stufen einer prachtvollen Kathedrale nieder. Weder die Türme noch die prächtigen Buntglasfenster interessierten mich. Ich konnte sie nicht ansehen. Meine Augen schienen vor dem himmlischen Blau und Grün und Gold zurückzuscheuen. Einzig und allein die scharlachroten Scherben fesselten meinen Blick. Dann regte sich Gier in den tiefsten Tiefen meiner Seele. Eine sündige Gier, die ich nicht stillen konnte – nicht stillen wollte.
Ich war, den ernst gemeinten Warnungen der Schwestern zum Trotz, in jener Winternacht allein hinausgegangen ...
Die weichen Sohlen meiner Schuhe quietschten, als ich die Holztreppe zu meiner Kammer hinunterlief. Ich konnte es kaum erwarten. Es schneite! Der erste Schnee des Winters, und ich liebte Schnee so sehr. Kurze Zeit zuvor war ich in meiner Kammer auf und ab gegangen, konnte mich aber weder auf meine Studien noch auf sonst etwas konzentrieren. Ich beobachtete unablässig die kleine, weiße Uhr an der Wand, und registrierte stirnrunzelnd, wie langsam die Zeiger vorrückten, ehe ich mich wieder dem kleinen Fenster zuwandte und sehnsüchtig hinausblickte.
Streng genommen waren wir kein klösterlicher Orden. Wir gingen hinaus in die Welt, aber nur, um dem Herrn zu dienen oder wenn Mutter Mary Ruth es für zwingend nötig hielt. Heute sollte ich im wenige Häuserblocks entfernten Obdachlosenasyl arbeiten. Eigentlich hätte ich mich darüber freuen sollen, dass ich meinen Mitmenschen in Zeiten der Not helfen und damit Gott dienen durfte – doch ich wollte einfach nur in den frisch gefallenen Schnee hinaus.
Ich legte mir einen leichten Schal über meine Tracht, eine einfachere Version der vorgeschriebenen Kleidung für die Schwestern. Bald würde ich eine solche Tracht auch tragen dürfen. In etwas mehr als einer Woche würde ich mein feierliches Gelübde ablegen.
Beim Anblick von Schwester Rebecca verlangsamten sich meine Schritte. Wir sollten gemeinsam zum Obdachlosenasyl gehen, doch nun stand sie am Treppenpfosten und sah aus, als wäre ihr schrecklich übel.
“Schwester, was ist los?” Ich befürchtete bereits, mein Ausflug in den Schnee könnte doch noch vereitelt werden. Im Obdachlosenasyl arbeiteten wir stets zu zweit. Gingen stets gemeinsam hin und wieder zurück.
“Darmvirus, vermute ich”, antwortete sie niedergeschlagen. Sie war jung, wie ich. Ihr feierliches Gelübde hatte sie erst vor einem Jahr abgelegt, und eigentlich war es ein Jammer, dass sie, so schön sie war, nie geheiratet und Kinder bekommen hatte. Bei dem Gedanken stahlen sich leise Anflüge von Zweifel über mein eigenes Handeln, doch ich verdrängte sie. Ein anderes Leben als dieses hatte ich nie gekannt. An die Zeit, bevor meine Mutter mich hier ablieferte, erinnerte ich mich kaum. Ich hätte mich in der Welt nicht zurechtgefunden. Außerdem wollte ich gut sein. Und es gab keine bessere Möglichkeit, oder?
“Keine Bange”, meinte Schwester Rebecca, hob tapfer den Kopf und versuchte, die gequälte Miene mit einem Lächeln zu kaschieren. “Ich kneife nicht. Du hast dich den ganzen Tag darauf gefreut.”
Sah man mir das so deutlich an? Ich wandte das Gesicht ab. “Nein, Schwester Rebecca. Du darfst nicht ausgehen, wenn du dich so schlecht fühlst. Du müsstest das Bett hüten.” Ich drückte ihr eine Hand auf die Stirn und spürte die Wärme. Dann drehte ich sie um und half ihr die Treppe hinauf. “Geh nach oben und ruh dich aus. Ich kann mich auch ohne eine Gefährtin am Rande des Zusammenbruchs um die Bedürfnisse der Obdachlosen kümmern.”
Sie erstarrte, wie nicht anders zu erwarten. “Du gehst auf keinen Fall allein hinaus! Du kennst die Regeln der Mutter Oberin!”
“Sie würde bestimmt eine Ausnahme machen, wenn sie wüsste, dass du krank bist.”
“Nein. Sie würde darauf bestehen, dass du hier bleibst.”
“Ein Glück für mich, dass sie nicht da ist.”
Schwester Rebecca schüttelte langsam den Kopf. “Sieh dich nur an! Deine Augen leuchten regelrecht. Was versetzt dich so in Aufregung, Angelica?”
“Der Schnee”, sagte ich, wirbelte herum und blieb stehen, als ich das Fenster und die Schneeflocken sah, die draußen im Licht der Straßenlampe tanzten. “Ich möchte draußen sein. Ihn auf dem Gesicht spüren.”
Sie legte mir sanft eine Hand auf die Schulter. “Es ist nicht der letzte Schnee, Angelica.”
“Aber der erste. Bitte lass mich gehen. Ich bin eine erwachsene Frau. Erwachsene Frauen gehen jeden Tag allein durch diese Stadt.”
“Keine Frauen dieses Ordens”, begann sie.
“An sich gehöre ich nicht zu diesem Orden ... noch nicht. Also kann ich tun und lassen, was ich will.”
“Angelica ...”
Auf dem Weg zur Tür blieb ich stehen und dreht mich noch einmal zu ihr um.
Sie lächelte, die glänzenden Augen und rosigen Wangen verrieten das Fieber. Eine blonde Locke ragte unter der Haube hervor und schmiegte sich an ihre Wange. “Du bist eine sehr willensstarke junge Frau, Angelica”, sagte sie, immer noch lächelnd. “Und abenteuerlustig, und mehr als nur ein wenig schalkhaft. Manchmal frage ich mich, ob du wirklich gründlich genug über deine Entscheidung nachgedacht hast.”
Ich zuckte nur mit den Achseln. “Ich gehe zum Obdachlosenasyl. Mutter Oberin kann mir eine Standpauke halten, wenn ich zurückkehre, aber bis dahin war ich wenigstens draußen.”
Sie nickte und gab sich geschlagen. “Dann beeil dich. Verpass nicht den Bus. Falls doch, kommst du unverzüglich wieder hierher ...” Aber ich war schon zur Tür hinaus.
Oh, dieser wunderbare Schnee! Ich hatte den Winter immer geliebt. Ich hob das Gesicht, ließ die eiskalten, nassen Flocken auf Wangen und Nase fallen und kostete sie sogar wie ein kleines Kind. Sie überzogen alles, so weit das Auge reichte, parkende Autos und Bürgersteige und Fenstersimse und Treppenstufen. Ich bummelte, völlig verzaubert von der weißen Kulisse. Der erste Schnee des Winters ist ein bisschen wie Magie. Als wäre ein Märchen Wirklichkeit geworden. Eigentlich war ich ja viel zu alt, um deswegen derart in Aufregung zu geraten. Darin zu tanzen wie ein kleines Mädchen. Aber ich konnte nicht anders. Ich war aufgeregt.
Und es war falsch, so durch und durch falsch, dass ich allein loszog und mich so unbekümmert über die Regeln des Ordens hinwegsetzte. Doch das hatte ich früher schon oft getan, so dass die Schwestern inzwischen bereits damit rechneten. Regeln missfielen mir. Vermutlich musste ich meine rebellische Art ein wenig ablegen und mich anpassen, wenn ich das Gelübde abgelegt hatte, aber bis dahin schien mir das nicht nötig. Und danach ...
Wieder dieser Hauch von Zweifel. Und wieder schüttelte ich ihn ab. Ich würde später darüber nachdenken. Nicht jetzt. Im Augenblick wollte ich nur allein durch die Nacht gehen, bei jedem Schritt die Regeln brechen und die winterliche Zauberlandschaft genießen.
Und genau das machte ich. Als ich endlich zur Bushaltestelle an der Ecke kam, sah ich mein Transportmittel gerade noch ohne mich davonfahren.
Das brachte mich aus der Fassung, aber nur für einen Moment. Schließlich war ich schon so fast eine Nonne. Und ich war gut. Ich hatte mein Leben in den Dienst Gottes gestellt, und ganz sicher nahm niemand seine Aufgabe ernster als ich. Gewiss konnte ich mir, wo immer ich auch hinging, der Gnade Seines Schutzes sicher sein. Ich glaube, ich fühlte mich unverwundbar. Bei den Schwestern hatte ich das sicher nicht gelernt, und durch meine Studien auch nicht. Dennoch kam es mir so vor. Mir schien, als wäre ich von einem Schutzschild umgeben, in dem mir kein Leid zustoßen konnte, daher fasste ich den törichten Entschluss, die sechs Häuserblocks bis zum Obdachlosenasyl zu Fuß zu gehen. Und das, so wurde mir später klar, war der hochmütige Stolz, der zu meinem Untergang führte.
© Mira Taschenbuch
Übersetzung: Andreas Kasprzak
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Autoren-Porträt von Maggie Shayne
Nach Anne Rice gilt Maggie Shayne als eine der herausragendsten Autorinnen des Vampir-Genres.Andreas Kasprzak ist erfahrener Rollenspieler und Abenteurer. Seine Vorliebe für Adventures und strategische Rollenspiele und seine lockere, leichte und dabei kompetente Art Lösungsbücher zu schreiben, machen seine Bücher zu Begleitern durch das Spiel, die man nicht mehr missen möchte. Seine Fantasieromane sind spannende Lektüre.
Bibliographische Angaben
- Autor: Maggie Shayne
- 2009, 316 Seiten, Maße: 12,5 x 18,5 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Kasprzak, Andreas
- Übersetzer: Andreas Kasprzak
- Verlag: MIRA Taschenbuch
- ISBN-10: 3899415817
- ISBN-13: 9783899415810
Rezension zu „Geborene der Nacht “
"Maggie Shayne begeistert ihre Fans mit ihren sensationell spannenden und einfallsreichen Vampir-Romanen." - Romantic Times
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