Gefährliche Junggesellen
Ein Roman zum Träumen von der Königin moderner Märchen.
Die Freunde Charlie, Adam und Gray sind überzeugte Junggesellen. Wie in jedem Jahr verbringen sie ihren Sommerurlaub auf Charlies luxuriöser Yacht. Doch...
Leider schon ausverkauft
Weltbild Ausgabe
4.99 €
Produktdetails
Produktinformationen zu „Gefährliche Junggesellen “
Ein Roman zum Träumen von der Königin moderner Märchen.
Die Freunde Charlie, Adam und Gray sind überzeugte Junggesellen. Wie in jedem Jahr verbringen sie ihren Sommerurlaub auf Charlies luxuriöser Yacht. Doch dieses Jahr treffen sie auf die attraktive New Yorker Galeristin Sylvia. Und die bringt die Männerclique ganz schön durcheinander.
Lese-Probe zu „Gefährliche Junggesellen “
Gefährliche Junggesellen von Danielle Steel1
... mehr
Die Sonne brannte auf das Deck der Blue Moon. Die Yacht war mehr als siebzig Meter lang und bestach
durch ihr elegantes Design. Pool, Hubschrauberlandeplatz, sechs luxuriöse Kabinen für Gäste, eine Mastersuite wie aus einem Film und eine perfekt geschulte 16-köpfige Crew. Die Blue Moon - und ihr Besitzer - war weltweit in jedem Yachtsport-Magazin vorgestellt worden. Charles Sumner Harrington hatte das Boot einige Zeit zuvor von einem saudischen Prinzen gekauft. Seine erste Yacht legte sich Charlie bereits im Alter von zweiundzwanzig Jahren zu. Über zwei Jahrzehnte später genoss er das Leben auf einem Boot noch genauso wie damals.
Mit Mitte vierzig war Charles Harrington nun ein glücklicher Mann. Das Leben schien es gut mit ihm zu meinen. Schon früh hatte er ein riesiges Vermögen geerbt und es in den folgenden Jahren verantwortungsvoll verwaltet und klug investiert. Außerdem leitete Charlie die von seiner Familie gegründete Stiftung. Er war sich darüber im Klaren, dass nur wenige Menschen auf dieser Erde so gesegnet waren wie er. Deshalb engagierte er sich über die Stiftung hinaus auch privat für die weniger Glücklichen unter ihnen. Leidenschaftlich setzte er sich für Jugendliche und Kinder ein. Er leistete beeindruckende Arbeit im Bildungsbereich, sicherte vor allem in Entwicklungsländern medizinische Unterstützung und hatte sich dem Kampf gegen Kindesmissbrauch verschrieben. Charles Harrington war eine Leitfigur der Gesellschaft, obwohl er seine wohltätige Arbeit möglichst unspektakulär verrichtete. Auch privat war Charlie ein fürsorglicher, gewissenhafter Mann. Er verheimlichte jedoch keineswegs, dass er verwöhnt war, und bat für die Art, wie er lebte, nicht um Entschuldigung. Charles Harrington konnte es sich nun einmal leisten, schließlich gab er jedes Jahr Millionen für das Wohlergehen anderer aus. Er hatte nie geheiratet, war kinderlos, genoss das gute Leben, und es bereitete ihm Spaß, seine Freunde daran teilhaben zu lassen.
Jedes Jahr verbrachten Charlie und seine beiden engsten Freunde, Adam Weiss und Gray Hawk, den August auf Charlies Yacht. Sie kreuzten im Mittelmeer und gingen vor Anker, wo es ihnen gerade gefiel. Seit zehn Jahren war dieser gemeinsame Urlaub zu einem festen Ritual geworden. Immer am ersten August flogen Adam und Gray nach Nizza und gingen dort an Bord der Blue Moon. Charlie war für gewöhnlich bereits den Juli über auf der Yacht und kehrte manchmal nicht vor Ende September zu seinem Wohnsitz nach New York zurück. Seine Investitionen und Entscheidungen bezüglich der Stiftung konnte er problemlos vom Boot aus tätigen.
Als Charlie an diesem Morgen auf dem Achterdeck frühstückte, lag das Boot im Hafen von St. Tropez vor Anker. Letzte Nacht war es spät geworden. Erst gegen vier Uhr am Morgen waren sie zurück aufs Schiff gekommen.
Trotzdem stand Charlie früh auf. Seine Erinnerungen an letzte Nacht waren verschwommen - so wie immer, wenn Gray und Adam mit von der Partie waren. Die drei schuldeten niemandem Rechenschaft. Keiner von ihnen war verheiratet oder lebte momentan in einer Beziehung. Sie hatten schon vor langem vereinbart, dass sie den Monat auf dem Boot immer als »Junggesellenurlaub« verbringen wollten, auch wenn sich ihre persönliche Situation einmal ändern sollte. Die übrige Zeit des Jahres widmeten sie sich ihrer Arbeit. Adam war Anwalt und Gray Künstler. Adam und Gray waren aus freien Stücken Junggesellen. Charlie hingegen behauptete stets, sein Singledasein sei einfach Pech. Er hätte gern geheiratet, aber bisher war ihm nicht die Richtige begegnet - obwohl er sein Leben lang nach ihr gesucht hatte. Und das tat er noch immer voller Entschlossenheit, obwohl er bereits viermal verlobt gewesen war. Seine erste Verlobte hatte drei Wochen vor der Hochzeit mit seinem ehemals besten Freund geschlafen. Es folgte ein gewaltiger Skandal, und Charlie war gar nichts anderes übriggeblieben, als die Verlobung zu lösen. Damals war er dreißig Jahre alt. Seine zweite Braut hatte kurz nach der Verlobung einen Job in London angenommen. Um sie dennoch regelmäßig zu sehen, hatte sich Charlie eine Wohnung in London gemietet und war gependelt. Allerdings ließ ihr die Arbeit bei der britischen Vogue kaum Zeit für ihn. Zwei Monate vor der Hochzeit gestand sie ihm, dass sie Karriere machen wolle und nicht bereit sei, ihren Job nach der Hochzeit aufzugeben. Da sich das jedoch nicht mit Charlies Vorstellungen der Rollenverteilung vertrug, entschieden sie, sich zu trennen - freundschaftlich natürlich. Für ihn war es eine große Enttäuschung. Trotzdem war er danach entschlossener denn je, seine Traumfrau zu finden. Ein Jahr später war er sicher, dass es ihm endlich gelungen war. Er und sie hatten vieles gemeinsam. Damals musste er häufig nach Südamerika, wo sich die Stiftung um Kinder in Entwicklungsländern kümmerte. Sie begleitete Charlie auf diesen Reisen und war sogar bereit, sich für ihn beruflich einzuschränken. Sechs Monate nach ihrer ersten Begegnung verlobten sie sich. Alles lief gut, bis es Charlie zunehmend störte, dass seine Verlobte und ihre Zwillingsschwester unzertrennlich waren. Seine zukünftige Frau bestand darauf, ihre Schwester überallhin mitzunehmen. Doch sie und Charlie hatten sich vom ersten Augenblick an nicht leiden können. Bei jedem Treffen gab es hitzige Auseinandersetzungen. Er war davon überzeugt, dass sich ihre gegenseitige Abneigung nicht legen würde. Deshalb lösten sie die Verlobung in gegenseitigem Einverständnis. Seiner Verlobten war ihre Zwillingsschwester zu wichtig, als dass sie jemanden heiraten konnte, der ihre Schwester nicht ausstehen konnte. Innerhalb eines Jahres heiratete sie einen anderen Mann, und ihre Schwester zog bei den beiden ein. Da wusste Charlie endgültig, dass er das Richtige getan hatte. Charlies vierte und letzte Verlobung hatte fünf Jahre zuvor ihr trauriges Ende gefunden. Seine Verlobte hatte ihn zwar geliebt, aber sie wollte keine Kinder. Daran änderte auch eine gemeinsame Paartherapie nichts. Anfangs hatte er gedacht, sie noch überzeugen zu können. Als er jedoch erkannte, dass ihm das nicht möglich war, trennten sie sich in aller Freundschaft.
Charlie schaffte es, mit allen Ex-Freundinnen befreundet zu bleiben. Zur Weihnachtszeit bekam er unzählige Karten von Frauen, mit denen er irgendwann einmal zusammen gewesen war - die jetzt aber mit einem anderen verheiratet waren. Wenn er sich Fotos von ihnen ansah, dann waren sie sich alle ähnlich: attraktive blonde Frauen aus gutem Hause, die auf renommierten Schulen gewesen waren und renommierte Männer geheiratet hatten. Sie lächelten ihn von ihren Weihnachtskarten an, den erfolgreichen Ehemann neben sich und die flachsköpfigen Kinder ringsum.
Seine Freunde Adam und Gray rieten ihm ständig, endlich die Finger von diesen »Debütantinnen« zu lassen und mit »richtigen« Frauen auszugehen, deren Definition sich entsprechend ihrer jeweiligen Laune unterschied. Aber Charlie wusste ganz genau, was er wollte. Eine intelligente, betuchte Frau, die seine Werte und Ideale teilte und aus einer angesehenen Familie kam. Das war ihm wichtig. Den Stammbaum seiner eigenen Familie konnte man bis ins fünfzehnte Jahrhundert nach England zurückverfolgen. Sein Vermögen war etliche Generationen alt, und wie schon sein Vater und Großvater war auch Charlie in Princeton gewesen. Seine Mutter hatte ebenso wie seine Schwester die private Mädchenschule Miss Porter's und anschließend mehrere Internate in Europa besucht. Eine solche Frau wollte Charlie heiraten. Seine Sichtweise war altmodisch und versnobt, aber Charlie wusste eben, was er wollte und was zu ihm passte. Er selbst war in vielen Dingen altmodisch und hing althergebrachten Werten an, wählte die Konservativen und führte ein solides Leben. Charlie war Eleganz und Würde in Person - ein vollkommener Gentleman. Er war aufmerksam, nett, großzügig, charmant, und seine Manieren waren tadellos. Für die New Yorker Frauen war er schon lange zu einer lohnenswerten Eroberung geworden.
Charles Harrington zu heiraten wäre für jede Frau das große Los gewesen. Aber wie der schöne Prinz im Märchen, so suchte auch er auf der ganzen Welt nach der perfekten Frau. Stattdessen fand er Frauen, die zwar auf den ersten Blick reizend und attraktiv wirkten, die aber jedes Mal einen verhängnisvollen Schönheitsfehler aufwiesen, der ihn unweigerlich den Weg zum Altar abbrechen ließ. Aber wo auch immer sich die richtige Frau versteckte, er war nach wie vor fest entschlossen, sie zu finden. Und Charlie war sicher, dass ihm das eines Tages gelingen würde. Er wusste nur nicht, wann das sein würde. Sein einziger Trost bestand darin, dass er bisher zumindest nicht die Falsche geheiratet hatte.
Charlies Gesicht war der Sonne zugewandt, die Augen hielt er geschlossen. Eine Stewardess servierte ihm Frühstück und schenkte ihm eine zweite Tasse Kaffee ein. Letzte Nacht hatte er Champagner und etliche Martinis getrunken. Aber seit er vor dem Frühstück schwimmen gewesen war, ging es ihm besser. Er war ein ausdauernder Schwimmer. In Princeton hatte er das Schwimmteam angeführt. Trotz seines Alters war er sportlich und durchtrainiert. Mit Begeisterung fuhr er Ski, surfte, spielte im Winter regelmäßig Squash und im Sommer Tennis. Das tat nicht nur seiner Gesundheit gut, sondern erhielt ihm auch die Figur eines Dreiundzwanzigjährigen. Charlie war groß, schlank und hatte sandfarbenes Haar, in dem die wenigen grauen Haare nicht auffielen, die er im Laufe der Zeit bekommen hatte. Er hatte blaue Augen, und da er den letzten Monat auf dem Boot verbracht hatte, war er tief gebräunt.
Das gute Aussehen hatten er und seine Schwester von ihrer Mutter geerbt. Charlies Eltern waren während eines Italienurlaubs bei einem Frontalzusammenstoß mit dem Auto ums Leben gekommen. Charlie war damals sechzehn Jahre alt gewesen und seine Schwester Ellen einundzwanzig. Damals verließ Ellen ihr College in Vassar während des dritten Studienjahrs, um nach Hause zu kommen und sich um Charlie und die Stiftung zu kümmern. Ihm stiegen noch immer Tränen in die Augen, wenn er an seine Schwester dachte. Ellen hatte gesagt, sie wolle ans College zurückkehren, sobald er mit dem Studium anfing. Sie wäre bereit, dieses Opfer für ihn zu bringen. Ellen war eine außergewöhnliche Frau gewesen, und Charlie hatte sie über alles geliebt. Als Charlie dann ans College kam, ahnte er nicht, dass seine Schwester sterbenskrank war. Es gelang ihr, die Krankheit fast drei Jahre lang vor ihm geheim zu halten. Sie sagte, sie habe zu viel mit der Stiftung um die Ohren, um weiter studieren zu können, und er hatte ihr geglaubt. In Wahrheit litt sie an einem Gehirntumor. Sie wusste seit Jahren, dass der Tumor wegen seiner Lage inoperabel war. Ellen starb mit sechsundzwanzig Jahren, nur wenige Monate bevor Charlie in Princeton seinen Abschluss machte. Er hatte niemandem, der diesen wichtigen Tag mit ihm teilte.
Kurz nach seinem Abschluss kaufte er sich sein erstes Boot und umsegelte zwei Jahre lang die Welt. Es verging kaum ein Tag, an dem er nicht an seine Schwester und seine Eltern dachte. Ihr Familienleben war absolut harmonisch und liebevoll gewesen. In dem Moment, als alle, die ihn liebten und die er liebte, starben und ihn allein ließen, baute er um sein Innerstes eine Mauer auf. Seine größte Angst war, wieder jemanden zu lieben und ihn erneut an den Tod zu verlieren.
Als er von seiner Weltumseglung zurückkehrte, war er vierundzwanzig Jahre alt. Er ging an die Columbia Business School und machte dort seinen MBA, lernte viel über Investitionen und wie man eine Stiftung leitet. Er war reich und fand ein paar gut gewählte Freunde. Aber ihm war klar, dass er im Grunde so lange allein sein würde, bis er die richtige Frau fand. Er würde sich nicht mit weniger zufriedengeben als dem, was er zu verdienen meinte, eine Frau wie Ellen oder seine Mutter. Dass gerade diese beiden ihn allein zurückgelassen hatten, gestand er sich nur ungern ein. Es war nicht ihre Schuld gewesen, sondern lediglich eine grausame Wendung des Schicksals. Das machte es nur umso wichtiger für ihn, eine Partnerin zu finden, auf die er zählen konnte, die eine gute Mutter für seine Kinder sein würde - jemand, der in jeder Hinsicht nahezu perfekt war. In Charlies Augen war diese Frau es wert, auf sie zu warten.
»O Gott«, stöhnte jemand hinter ihm auf dem Deck. Charlie lachte und öffnete die Augen. In weißen Shorts und blauem T-Shirt kam Adam an den Tisch geschlurft und ließ sich Charlie gegenüber in einen Sessel fallen. Die Stewardess schenkte Adam eine Tasse Kaffee ein. Bevor Adam ein weiteres Wort sagte, trank er einen tiefen Schluck. »Was zur Hölle habe ich letzte Nacht getankt?«, brummte er dann. »Jemand muss mir etwas in den Drink geschüttet haben.« Adam hatte dunkle, fast ebenholzschwarze Augen. Auf eine Rasur hatte er diesen Morgen verzichtet. Mittelgroß, mit breiten Schultern und markanten Gesichtszügen war Adam kein so auffallend gut-aussehender Mann wie Charlie. Aber er besaß Intelligenz, Humor und Charme. Was ihm an Aussehen mangelte, machte er mit Verstand, Witz und Geld wieder wett. Und von Letzterem hatte er in den vergangenen Jahren eine Menge verdient.
»Soweit ich mich erinnere, hast du vor allem Rum und Tequila getrunken, aber das war nach der Flasche Wein zum Abendessen.« Sie hatten an Bord gespeist und dazu Château Haut-Brion getrunken. Anschließend waren sie an Land gegangen und in St. Tropez durch die Bars und Diskotheken gezogen. Charlie wusste, dass er dort nicht die perfekte Frau finden würde, aber es gab hier eine Menge andere, für die er die Suche einige Zeit unterbrach.
»Das dachte ich mir. Der Rum muss mich umgehauen haben. Auf diesem Boot verwandle ich mich jedes Jahr in einen Alkoholiker. Wenn ich zu Hause so viel trinken würde, wäre ich schnell aus dem Geschäft.« Adam Weiss blinzelte in das grelle Sonnenlicht, setzte eine dunkle Sonnenbrille auf und grinste. »Du hast einen verdammt schlechten Einfluss auf mich, aber du bist ein hervorragender Gastgeber. Um wie viel Uhr bin ich zurück an Bord gekommen?«
»Ich glaube, gegen vier.« Charlie urteilte nicht über seine Freunde. Er wollte einfach nur, dass sie ihren Spaß hatten. Adam und Gray waren die besten Freunde, die er je gehabt hatte, und was die drei miteinander verband, ging über reine Freundschaft hinaus. Sie waren wie Brüder und hatten einander in den letzten zehn Jahren oft beigestanden.
Charlie war Adam kurz nach dessen Scheidung von Rachel begegnet. Adam und Rachel hatten sich im zweiten Studienjahr in Harvard kennengelernt, wo sie beide Jura studierten. Rachel hatte ihr Examen im ersten Anlauf summa cum laude bestanden, danach jedoch nie als Anwältin gearbeitet. Adam schaffte seinen Abschluss überhaupt erst beim zweiten Versuch. Dennoch wurde er ein brillanter und erfolgreicher Anwalt. Er stieg in eine Kanzlei ein, die sich auf Rockstars und Spitzensportler spezialisiert hatte - und er liebte seine Arbeit. Rachel und er heirateten einen Tag nach seinem Examen. Ihre Familien kannten sich aus Long Island und begrüßten diese Verbindung. Erstaunlicherweise waren er und Rachel sich während der Highschool-Zeit nie begegnet, obwohl ihre Eltern schon lange befreundet waren. Allerdings hatte er sich auch immer dagegen gesträubt, sich mit Töchtern aus dem Bekanntenkreis seiner Eltern zu treffen. Natürlich wusste er vom ersten Moment an, wer Rachel war. Trotzdem schien sie die perfekte Frau für ihn zu sein.
Nach der Hochzeit erhofften sich die beiden ein glückliches Leben. Rachel wurde bereits in den Flitterwochen schwanger und bekam innerhalb von kurzer Zeit zwei Kinder, Amanda und Jacob, die mittlerweile dreizehn und vierzehn Jahre alt waren. Doch die Ehe hielt nur fünf Jahre. Adam arbeitete hart an seiner Karriere. Nachts kam er oft erst um drei Uhr nach Hause, da er seine Klienten noch auf Konzerte oder zu Sportveranstaltungen begleiten musste. Aber allen Versuchungen zum Trotz blieb er Rachel treu. Sie dagegen wurde es leid, ständig allein zu sein, und verliebte sich in einen Kinderarzt, den sie bereits seit der Highschool kannte. Während Adam damit beschäftigt war, das Geld für die Familie zu verdienen, begann sie eine Affäre. Drei Monate nachdem er in der Kanzlei zum Partner ernannt worden war, verließ sie ihn.
Sie sagte Adam, er käme gut ohne sie zurecht, nahm die Kinder, die Hälfte seines Geldes und heiratete den Kinderarzt, sobald die Tinte auf dem Scheidungspapier trocken war.
Zehn Jahre später war Adam noch immer derart wütend auf sie, dass er es kaum fertigbrachte, höflich mit ihr zu reden. Er hatte sich geschworen, nie wieder zu heiraten, um so etwas nicht noch einmal zu erleben. Als sie ihn damals mit den Kindern verließ, hatte ihn das beinahe umgebracht. Seitdem vermied er jedes Risiko, eine ernsthafte Bindung einzugehen, indem er sich nur mit Frauen traf, die halb so alt waren wie er - die in dem Milieu, in dem er arbeitete, leicht zu finden waren. Im Alter von einundvierzig Jahren ging er mit Mädchen aus, die Anfang zwanzig waren, Models, Starlets, Groupies, eben die Art von Frauen, die sich um Rockstars und Spitzensportler scharen. Meistens konnte er sich nicht einmal ihre Namen merken. Er war ihnen gegenüber großzügig, aber auch ehrlich. Von Anfang an stellte er klar, dass es bei ihrer Beziehung einfach darum ging, sich miteinander zu vergnügen. Es hielt nie länger als einen Monat - wenn überhaupt. Er ging ein paarmal mit ihnen aus und anschließend ins Bett. Und dann zog er weiter. Rachel hatte ihm sein Herz herausgerissen und es unter ihrem Absatz zertreten. Mit ihr redete er nur, wenn es sich nicht vermeiden ließ, und das passierte immer seltener, je älter die Kinder wurden. Meistens schickte er ihr kurze E-Mails oder ließ seine Sekretärin anrufen. Adam liebte seine neue Freiheit, und nichts auf der Welt würde ihn dazu bringen, diese noch einmal aufs Spiel zu setzen. Soweit es ihn betraf, waren Frauen für Sex und zum Vergnügen da, ansonsten hielt man sie auf Abstand. Wichtig waren ihm nur seine Kinder, seine Arbeit und seine Freunde. Rachel war seine Todfeindin, seine Mutter das Kreuz, das er zu tragen hatte, seine Schwester eine Plage - und die Frauen, mit denen er ausging, kaum mehr als Fremde.
»Ich glaube, ich habe mich gestern gut amüsiert.« Adam grinste verlegen. »Ich erinnere mich noch daran, dass ich mit ein paar Brasilianerinnen getanzt habe, die kein Wort Englisch verstanden. Aber die konnten sich vielleicht bewegen ... Ich habe bis zum Abwinken Samba getanzt und bestimmt zwei Dutzend Drinks gehabt. Diese Weiber waren unglaublich.«
Charlie lachte, und dann drehten beide Männer ihre Gesichter der Sonne zu. Adams Kopf dröhnte. Er amüsierte sich genauso exzessiv, wie er arbeitete. Adam war einer der Top-Anwälte in seinem Bereich, trug stets drei Handys und einen Pager bei sich und verbrachte den Großteil seines Lebens in Meetings oder in seiner Privatmaschine auf dem Weg zu Meetings. Er vertrat eine lange Liste bekannter Persönlichkeiten, die sich alle mit erschreckender Regelmäßigkeit in Schwierigkeiten brachten. Trotzdem liebte Adam seine Arbeit und hatte mit seinen Klienten mehr Geduld als mit irgendjemandem sonst - abgesehen von seinen Kindern. Sie waren ihm das Wichtigste in seinem Leben.
»Ich glaube, ich habe mich mit ihnen für heute Abend verabredet«, sagte Adam und lächelte beim Gedanken an die brasilianischen Schönheiten. »Aber da sie kein Wort verstanden haben, werden wir später hingehen müssen, um festzustellen, ob sie trotzdem kommen.« Nach der zweiten Tasse Kaffee erholten sich Adams Lebensgeister allmählich. In diesem Moment erschien Gray. Er trug ebenfalls eine dunkle Sonnenbrille, und seine ungekämmte Mähne weißer Haare stand in alle Richtungen ab. Stöhnend setzte er sich an den Tisch. Er hatte eine Badehose an und ein mit Farbflecken übersätes T-Shirt.
»Ich bin zu alt für so etwas«, sagte er und nahm dankbar eine Tasse Kaffee entgegen. Dann öffnete er eine Flasche Underberg. Der bittere Geschmack vertrieb die aufkommende Übelkeit. Im Vergleich zu Adam und Charlie sah er auffallend anders aus. Gray war groß und sehr dünn. Als Junge hatte er ausgesehen wie ein Strich in der Landschaft. Er war Künstler und lebte in West Village, wo er oft monatelang an einem Bild arbeitete. Wenn er pro Jahr zwei davon verkaufte, kam er damit gerade über die Runden. Wie Charlie hatte er nie geheiratet und war kinderlos. In der Kunstwelt war er anerkannt, er hatte es jedoch nie zu kommerziellem Erfolg gebracht. Aber das war ihm gleichgültig. Geld bedeutete ihm nichts. Für ihn zählte nur die Integrität seiner Arbeit. Er bot Adam und Charlie ebenfalls einen Underberg an, aber die verzogen beide das Gesicht. »Wie kannst du nur dieses Zeug trinken?« Adam schüttelte sich allein bei dem Geruch. »Es mag ja helfen, aber eher ertrage ich meinen Kater, als dass ich dieses Gebräu runterkriege.«
»Es hilft wirklich. Wenn wir weiterhin so viel trinken, solltet ihr es mir allerdings intravenös verabreichen. Ich vergesse immer, wie heftig unser Urlaub wird. Bestimmt nähme man uns mittlerweile sofort bei den Anonymen Alkoholikern«, sagte Gray und kippte einen weiteren Underberg herunter, spülte dann mit Kaffee hinterher und stürzte sich anschließend auf einen Teller Rührei.
...
Übersetzung: Silvia Kinkel
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH,
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
Die Sonne brannte auf das Deck der Blue Moon. Die Yacht war mehr als siebzig Meter lang und bestach
durch ihr elegantes Design. Pool, Hubschrauberlandeplatz, sechs luxuriöse Kabinen für Gäste, eine Mastersuite wie aus einem Film und eine perfekt geschulte 16-köpfige Crew. Die Blue Moon - und ihr Besitzer - war weltweit in jedem Yachtsport-Magazin vorgestellt worden. Charles Sumner Harrington hatte das Boot einige Zeit zuvor von einem saudischen Prinzen gekauft. Seine erste Yacht legte sich Charlie bereits im Alter von zweiundzwanzig Jahren zu. Über zwei Jahrzehnte später genoss er das Leben auf einem Boot noch genauso wie damals.
Mit Mitte vierzig war Charles Harrington nun ein glücklicher Mann. Das Leben schien es gut mit ihm zu meinen. Schon früh hatte er ein riesiges Vermögen geerbt und es in den folgenden Jahren verantwortungsvoll verwaltet und klug investiert. Außerdem leitete Charlie die von seiner Familie gegründete Stiftung. Er war sich darüber im Klaren, dass nur wenige Menschen auf dieser Erde so gesegnet waren wie er. Deshalb engagierte er sich über die Stiftung hinaus auch privat für die weniger Glücklichen unter ihnen. Leidenschaftlich setzte er sich für Jugendliche und Kinder ein. Er leistete beeindruckende Arbeit im Bildungsbereich, sicherte vor allem in Entwicklungsländern medizinische Unterstützung und hatte sich dem Kampf gegen Kindesmissbrauch verschrieben. Charles Harrington war eine Leitfigur der Gesellschaft, obwohl er seine wohltätige Arbeit möglichst unspektakulär verrichtete. Auch privat war Charlie ein fürsorglicher, gewissenhafter Mann. Er verheimlichte jedoch keineswegs, dass er verwöhnt war, und bat für die Art, wie er lebte, nicht um Entschuldigung. Charles Harrington konnte es sich nun einmal leisten, schließlich gab er jedes Jahr Millionen für das Wohlergehen anderer aus. Er hatte nie geheiratet, war kinderlos, genoss das gute Leben, und es bereitete ihm Spaß, seine Freunde daran teilhaben zu lassen.
Jedes Jahr verbrachten Charlie und seine beiden engsten Freunde, Adam Weiss und Gray Hawk, den August auf Charlies Yacht. Sie kreuzten im Mittelmeer und gingen vor Anker, wo es ihnen gerade gefiel. Seit zehn Jahren war dieser gemeinsame Urlaub zu einem festen Ritual geworden. Immer am ersten August flogen Adam und Gray nach Nizza und gingen dort an Bord der Blue Moon. Charlie war für gewöhnlich bereits den Juli über auf der Yacht und kehrte manchmal nicht vor Ende September zu seinem Wohnsitz nach New York zurück. Seine Investitionen und Entscheidungen bezüglich der Stiftung konnte er problemlos vom Boot aus tätigen.
Als Charlie an diesem Morgen auf dem Achterdeck frühstückte, lag das Boot im Hafen von St. Tropez vor Anker. Letzte Nacht war es spät geworden. Erst gegen vier Uhr am Morgen waren sie zurück aufs Schiff gekommen.
Trotzdem stand Charlie früh auf. Seine Erinnerungen an letzte Nacht waren verschwommen - so wie immer, wenn Gray und Adam mit von der Partie waren. Die drei schuldeten niemandem Rechenschaft. Keiner von ihnen war verheiratet oder lebte momentan in einer Beziehung. Sie hatten schon vor langem vereinbart, dass sie den Monat auf dem Boot immer als »Junggesellenurlaub« verbringen wollten, auch wenn sich ihre persönliche Situation einmal ändern sollte. Die übrige Zeit des Jahres widmeten sie sich ihrer Arbeit. Adam war Anwalt und Gray Künstler. Adam und Gray waren aus freien Stücken Junggesellen. Charlie hingegen behauptete stets, sein Singledasein sei einfach Pech. Er hätte gern geheiratet, aber bisher war ihm nicht die Richtige begegnet - obwohl er sein Leben lang nach ihr gesucht hatte. Und das tat er noch immer voller Entschlossenheit, obwohl er bereits viermal verlobt gewesen war. Seine erste Verlobte hatte drei Wochen vor der Hochzeit mit seinem ehemals besten Freund geschlafen. Es folgte ein gewaltiger Skandal, und Charlie war gar nichts anderes übriggeblieben, als die Verlobung zu lösen. Damals war er dreißig Jahre alt. Seine zweite Braut hatte kurz nach der Verlobung einen Job in London angenommen. Um sie dennoch regelmäßig zu sehen, hatte sich Charlie eine Wohnung in London gemietet und war gependelt. Allerdings ließ ihr die Arbeit bei der britischen Vogue kaum Zeit für ihn. Zwei Monate vor der Hochzeit gestand sie ihm, dass sie Karriere machen wolle und nicht bereit sei, ihren Job nach der Hochzeit aufzugeben. Da sich das jedoch nicht mit Charlies Vorstellungen der Rollenverteilung vertrug, entschieden sie, sich zu trennen - freundschaftlich natürlich. Für ihn war es eine große Enttäuschung. Trotzdem war er danach entschlossener denn je, seine Traumfrau zu finden. Ein Jahr später war er sicher, dass es ihm endlich gelungen war. Er und sie hatten vieles gemeinsam. Damals musste er häufig nach Südamerika, wo sich die Stiftung um Kinder in Entwicklungsländern kümmerte. Sie begleitete Charlie auf diesen Reisen und war sogar bereit, sich für ihn beruflich einzuschränken. Sechs Monate nach ihrer ersten Begegnung verlobten sie sich. Alles lief gut, bis es Charlie zunehmend störte, dass seine Verlobte und ihre Zwillingsschwester unzertrennlich waren. Seine zukünftige Frau bestand darauf, ihre Schwester überallhin mitzunehmen. Doch sie und Charlie hatten sich vom ersten Augenblick an nicht leiden können. Bei jedem Treffen gab es hitzige Auseinandersetzungen. Er war davon überzeugt, dass sich ihre gegenseitige Abneigung nicht legen würde. Deshalb lösten sie die Verlobung in gegenseitigem Einverständnis. Seiner Verlobten war ihre Zwillingsschwester zu wichtig, als dass sie jemanden heiraten konnte, der ihre Schwester nicht ausstehen konnte. Innerhalb eines Jahres heiratete sie einen anderen Mann, und ihre Schwester zog bei den beiden ein. Da wusste Charlie endgültig, dass er das Richtige getan hatte. Charlies vierte und letzte Verlobung hatte fünf Jahre zuvor ihr trauriges Ende gefunden. Seine Verlobte hatte ihn zwar geliebt, aber sie wollte keine Kinder. Daran änderte auch eine gemeinsame Paartherapie nichts. Anfangs hatte er gedacht, sie noch überzeugen zu können. Als er jedoch erkannte, dass ihm das nicht möglich war, trennten sie sich in aller Freundschaft.
Charlie schaffte es, mit allen Ex-Freundinnen befreundet zu bleiben. Zur Weihnachtszeit bekam er unzählige Karten von Frauen, mit denen er irgendwann einmal zusammen gewesen war - die jetzt aber mit einem anderen verheiratet waren. Wenn er sich Fotos von ihnen ansah, dann waren sie sich alle ähnlich: attraktive blonde Frauen aus gutem Hause, die auf renommierten Schulen gewesen waren und renommierte Männer geheiratet hatten. Sie lächelten ihn von ihren Weihnachtskarten an, den erfolgreichen Ehemann neben sich und die flachsköpfigen Kinder ringsum.
Seine Freunde Adam und Gray rieten ihm ständig, endlich die Finger von diesen »Debütantinnen« zu lassen und mit »richtigen« Frauen auszugehen, deren Definition sich entsprechend ihrer jeweiligen Laune unterschied. Aber Charlie wusste ganz genau, was er wollte. Eine intelligente, betuchte Frau, die seine Werte und Ideale teilte und aus einer angesehenen Familie kam. Das war ihm wichtig. Den Stammbaum seiner eigenen Familie konnte man bis ins fünfzehnte Jahrhundert nach England zurückverfolgen. Sein Vermögen war etliche Generationen alt, und wie schon sein Vater und Großvater war auch Charlie in Princeton gewesen. Seine Mutter hatte ebenso wie seine Schwester die private Mädchenschule Miss Porter's und anschließend mehrere Internate in Europa besucht. Eine solche Frau wollte Charlie heiraten. Seine Sichtweise war altmodisch und versnobt, aber Charlie wusste eben, was er wollte und was zu ihm passte. Er selbst war in vielen Dingen altmodisch und hing althergebrachten Werten an, wählte die Konservativen und führte ein solides Leben. Charlie war Eleganz und Würde in Person - ein vollkommener Gentleman. Er war aufmerksam, nett, großzügig, charmant, und seine Manieren waren tadellos. Für die New Yorker Frauen war er schon lange zu einer lohnenswerten Eroberung geworden.
Charles Harrington zu heiraten wäre für jede Frau das große Los gewesen. Aber wie der schöne Prinz im Märchen, so suchte auch er auf der ganzen Welt nach der perfekten Frau. Stattdessen fand er Frauen, die zwar auf den ersten Blick reizend und attraktiv wirkten, die aber jedes Mal einen verhängnisvollen Schönheitsfehler aufwiesen, der ihn unweigerlich den Weg zum Altar abbrechen ließ. Aber wo auch immer sich die richtige Frau versteckte, er war nach wie vor fest entschlossen, sie zu finden. Und Charlie war sicher, dass ihm das eines Tages gelingen würde. Er wusste nur nicht, wann das sein würde. Sein einziger Trost bestand darin, dass er bisher zumindest nicht die Falsche geheiratet hatte.
Charlies Gesicht war der Sonne zugewandt, die Augen hielt er geschlossen. Eine Stewardess servierte ihm Frühstück und schenkte ihm eine zweite Tasse Kaffee ein. Letzte Nacht hatte er Champagner und etliche Martinis getrunken. Aber seit er vor dem Frühstück schwimmen gewesen war, ging es ihm besser. Er war ein ausdauernder Schwimmer. In Princeton hatte er das Schwimmteam angeführt. Trotz seines Alters war er sportlich und durchtrainiert. Mit Begeisterung fuhr er Ski, surfte, spielte im Winter regelmäßig Squash und im Sommer Tennis. Das tat nicht nur seiner Gesundheit gut, sondern erhielt ihm auch die Figur eines Dreiundzwanzigjährigen. Charlie war groß, schlank und hatte sandfarbenes Haar, in dem die wenigen grauen Haare nicht auffielen, die er im Laufe der Zeit bekommen hatte. Er hatte blaue Augen, und da er den letzten Monat auf dem Boot verbracht hatte, war er tief gebräunt.
Das gute Aussehen hatten er und seine Schwester von ihrer Mutter geerbt. Charlies Eltern waren während eines Italienurlaubs bei einem Frontalzusammenstoß mit dem Auto ums Leben gekommen. Charlie war damals sechzehn Jahre alt gewesen und seine Schwester Ellen einundzwanzig. Damals verließ Ellen ihr College in Vassar während des dritten Studienjahrs, um nach Hause zu kommen und sich um Charlie und die Stiftung zu kümmern. Ihm stiegen noch immer Tränen in die Augen, wenn er an seine Schwester dachte. Ellen hatte gesagt, sie wolle ans College zurückkehren, sobald er mit dem Studium anfing. Sie wäre bereit, dieses Opfer für ihn zu bringen. Ellen war eine außergewöhnliche Frau gewesen, und Charlie hatte sie über alles geliebt. Als Charlie dann ans College kam, ahnte er nicht, dass seine Schwester sterbenskrank war. Es gelang ihr, die Krankheit fast drei Jahre lang vor ihm geheim zu halten. Sie sagte, sie habe zu viel mit der Stiftung um die Ohren, um weiter studieren zu können, und er hatte ihr geglaubt. In Wahrheit litt sie an einem Gehirntumor. Sie wusste seit Jahren, dass der Tumor wegen seiner Lage inoperabel war. Ellen starb mit sechsundzwanzig Jahren, nur wenige Monate bevor Charlie in Princeton seinen Abschluss machte. Er hatte niemandem, der diesen wichtigen Tag mit ihm teilte.
Kurz nach seinem Abschluss kaufte er sich sein erstes Boot und umsegelte zwei Jahre lang die Welt. Es verging kaum ein Tag, an dem er nicht an seine Schwester und seine Eltern dachte. Ihr Familienleben war absolut harmonisch und liebevoll gewesen. In dem Moment, als alle, die ihn liebten und die er liebte, starben und ihn allein ließen, baute er um sein Innerstes eine Mauer auf. Seine größte Angst war, wieder jemanden zu lieben und ihn erneut an den Tod zu verlieren.
Als er von seiner Weltumseglung zurückkehrte, war er vierundzwanzig Jahre alt. Er ging an die Columbia Business School und machte dort seinen MBA, lernte viel über Investitionen und wie man eine Stiftung leitet. Er war reich und fand ein paar gut gewählte Freunde. Aber ihm war klar, dass er im Grunde so lange allein sein würde, bis er die richtige Frau fand. Er würde sich nicht mit weniger zufriedengeben als dem, was er zu verdienen meinte, eine Frau wie Ellen oder seine Mutter. Dass gerade diese beiden ihn allein zurückgelassen hatten, gestand er sich nur ungern ein. Es war nicht ihre Schuld gewesen, sondern lediglich eine grausame Wendung des Schicksals. Das machte es nur umso wichtiger für ihn, eine Partnerin zu finden, auf die er zählen konnte, die eine gute Mutter für seine Kinder sein würde - jemand, der in jeder Hinsicht nahezu perfekt war. In Charlies Augen war diese Frau es wert, auf sie zu warten.
»O Gott«, stöhnte jemand hinter ihm auf dem Deck. Charlie lachte und öffnete die Augen. In weißen Shorts und blauem T-Shirt kam Adam an den Tisch geschlurft und ließ sich Charlie gegenüber in einen Sessel fallen. Die Stewardess schenkte Adam eine Tasse Kaffee ein. Bevor Adam ein weiteres Wort sagte, trank er einen tiefen Schluck. »Was zur Hölle habe ich letzte Nacht getankt?«, brummte er dann. »Jemand muss mir etwas in den Drink geschüttet haben.« Adam hatte dunkle, fast ebenholzschwarze Augen. Auf eine Rasur hatte er diesen Morgen verzichtet. Mittelgroß, mit breiten Schultern und markanten Gesichtszügen war Adam kein so auffallend gut-aussehender Mann wie Charlie. Aber er besaß Intelligenz, Humor und Charme. Was ihm an Aussehen mangelte, machte er mit Verstand, Witz und Geld wieder wett. Und von Letzterem hatte er in den vergangenen Jahren eine Menge verdient.
»Soweit ich mich erinnere, hast du vor allem Rum und Tequila getrunken, aber das war nach der Flasche Wein zum Abendessen.« Sie hatten an Bord gespeist und dazu Château Haut-Brion getrunken. Anschließend waren sie an Land gegangen und in St. Tropez durch die Bars und Diskotheken gezogen. Charlie wusste, dass er dort nicht die perfekte Frau finden würde, aber es gab hier eine Menge andere, für die er die Suche einige Zeit unterbrach.
»Das dachte ich mir. Der Rum muss mich umgehauen haben. Auf diesem Boot verwandle ich mich jedes Jahr in einen Alkoholiker. Wenn ich zu Hause so viel trinken würde, wäre ich schnell aus dem Geschäft.« Adam Weiss blinzelte in das grelle Sonnenlicht, setzte eine dunkle Sonnenbrille auf und grinste. »Du hast einen verdammt schlechten Einfluss auf mich, aber du bist ein hervorragender Gastgeber. Um wie viel Uhr bin ich zurück an Bord gekommen?«
»Ich glaube, gegen vier.« Charlie urteilte nicht über seine Freunde. Er wollte einfach nur, dass sie ihren Spaß hatten. Adam und Gray waren die besten Freunde, die er je gehabt hatte, und was die drei miteinander verband, ging über reine Freundschaft hinaus. Sie waren wie Brüder und hatten einander in den letzten zehn Jahren oft beigestanden.
Charlie war Adam kurz nach dessen Scheidung von Rachel begegnet. Adam und Rachel hatten sich im zweiten Studienjahr in Harvard kennengelernt, wo sie beide Jura studierten. Rachel hatte ihr Examen im ersten Anlauf summa cum laude bestanden, danach jedoch nie als Anwältin gearbeitet. Adam schaffte seinen Abschluss überhaupt erst beim zweiten Versuch. Dennoch wurde er ein brillanter und erfolgreicher Anwalt. Er stieg in eine Kanzlei ein, die sich auf Rockstars und Spitzensportler spezialisiert hatte - und er liebte seine Arbeit. Rachel und er heirateten einen Tag nach seinem Examen. Ihre Familien kannten sich aus Long Island und begrüßten diese Verbindung. Erstaunlicherweise waren er und Rachel sich während der Highschool-Zeit nie begegnet, obwohl ihre Eltern schon lange befreundet waren. Allerdings hatte er sich auch immer dagegen gesträubt, sich mit Töchtern aus dem Bekanntenkreis seiner Eltern zu treffen. Natürlich wusste er vom ersten Moment an, wer Rachel war. Trotzdem schien sie die perfekte Frau für ihn zu sein.
Nach der Hochzeit erhofften sich die beiden ein glückliches Leben. Rachel wurde bereits in den Flitterwochen schwanger und bekam innerhalb von kurzer Zeit zwei Kinder, Amanda und Jacob, die mittlerweile dreizehn und vierzehn Jahre alt waren. Doch die Ehe hielt nur fünf Jahre. Adam arbeitete hart an seiner Karriere. Nachts kam er oft erst um drei Uhr nach Hause, da er seine Klienten noch auf Konzerte oder zu Sportveranstaltungen begleiten musste. Aber allen Versuchungen zum Trotz blieb er Rachel treu. Sie dagegen wurde es leid, ständig allein zu sein, und verliebte sich in einen Kinderarzt, den sie bereits seit der Highschool kannte. Während Adam damit beschäftigt war, das Geld für die Familie zu verdienen, begann sie eine Affäre. Drei Monate nachdem er in der Kanzlei zum Partner ernannt worden war, verließ sie ihn.
Sie sagte Adam, er käme gut ohne sie zurecht, nahm die Kinder, die Hälfte seines Geldes und heiratete den Kinderarzt, sobald die Tinte auf dem Scheidungspapier trocken war.
Zehn Jahre später war Adam noch immer derart wütend auf sie, dass er es kaum fertigbrachte, höflich mit ihr zu reden. Er hatte sich geschworen, nie wieder zu heiraten, um so etwas nicht noch einmal zu erleben. Als sie ihn damals mit den Kindern verließ, hatte ihn das beinahe umgebracht. Seitdem vermied er jedes Risiko, eine ernsthafte Bindung einzugehen, indem er sich nur mit Frauen traf, die halb so alt waren wie er - die in dem Milieu, in dem er arbeitete, leicht zu finden waren. Im Alter von einundvierzig Jahren ging er mit Mädchen aus, die Anfang zwanzig waren, Models, Starlets, Groupies, eben die Art von Frauen, die sich um Rockstars und Spitzensportler scharen. Meistens konnte er sich nicht einmal ihre Namen merken. Er war ihnen gegenüber großzügig, aber auch ehrlich. Von Anfang an stellte er klar, dass es bei ihrer Beziehung einfach darum ging, sich miteinander zu vergnügen. Es hielt nie länger als einen Monat - wenn überhaupt. Er ging ein paarmal mit ihnen aus und anschließend ins Bett. Und dann zog er weiter. Rachel hatte ihm sein Herz herausgerissen und es unter ihrem Absatz zertreten. Mit ihr redete er nur, wenn es sich nicht vermeiden ließ, und das passierte immer seltener, je älter die Kinder wurden. Meistens schickte er ihr kurze E-Mails oder ließ seine Sekretärin anrufen. Adam liebte seine neue Freiheit, und nichts auf der Welt würde ihn dazu bringen, diese noch einmal aufs Spiel zu setzen. Soweit es ihn betraf, waren Frauen für Sex und zum Vergnügen da, ansonsten hielt man sie auf Abstand. Wichtig waren ihm nur seine Kinder, seine Arbeit und seine Freunde. Rachel war seine Todfeindin, seine Mutter das Kreuz, das er zu tragen hatte, seine Schwester eine Plage - und die Frauen, mit denen er ausging, kaum mehr als Fremde.
»Ich glaube, ich habe mich gestern gut amüsiert.« Adam grinste verlegen. »Ich erinnere mich noch daran, dass ich mit ein paar Brasilianerinnen getanzt habe, die kein Wort Englisch verstanden. Aber die konnten sich vielleicht bewegen ... Ich habe bis zum Abwinken Samba getanzt und bestimmt zwei Dutzend Drinks gehabt. Diese Weiber waren unglaublich.«
Charlie lachte, und dann drehten beide Männer ihre Gesichter der Sonne zu. Adams Kopf dröhnte. Er amüsierte sich genauso exzessiv, wie er arbeitete. Adam war einer der Top-Anwälte in seinem Bereich, trug stets drei Handys und einen Pager bei sich und verbrachte den Großteil seines Lebens in Meetings oder in seiner Privatmaschine auf dem Weg zu Meetings. Er vertrat eine lange Liste bekannter Persönlichkeiten, die sich alle mit erschreckender Regelmäßigkeit in Schwierigkeiten brachten. Trotzdem liebte Adam seine Arbeit und hatte mit seinen Klienten mehr Geduld als mit irgendjemandem sonst - abgesehen von seinen Kindern. Sie waren ihm das Wichtigste in seinem Leben.
»Ich glaube, ich habe mich mit ihnen für heute Abend verabredet«, sagte Adam und lächelte beim Gedanken an die brasilianischen Schönheiten. »Aber da sie kein Wort verstanden haben, werden wir später hingehen müssen, um festzustellen, ob sie trotzdem kommen.« Nach der zweiten Tasse Kaffee erholten sich Adams Lebensgeister allmählich. In diesem Moment erschien Gray. Er trug ebenfalls eine dunkle Sonnenbrille, und seine ungekämmte Mähne weißer Haare stand in alle Richtungen ab. Stöhnend setzte er sich an den Tisch. Er hatte eine Badehose an und ein mit Farbflecken übersätes T-Shirt.
»Ich bin zu alt für so etwas«, sagte er und nahm dankbar eine Tasse Kaffee entgegen. Dann öffnete er eine Flasche Underberg. Der bittere Geschmack vertrieb die aufkommende Übelkeit. Im Vergleich zu Adam und Charlie sah er auffallend anders aus. Gray war groß und sehr dünn. Als Junge hatte er ausgesehen wie ein Strich in der Landschaft. Er war Künstler und lebte in West Village, wo er oft monatelang an einem Bild arbeitete. Wenn er pro Jahr zwei davon verkaufte, kam er damit gerade über die Runden. Wie Charlie hatte er nie geheiratet und war kinderlos. In der Kunstwelt war er anerkannt, er hatte es jedoch nie zu kommerziellem Erfolg gebracht. Aber das war ihm gleichgültig. Geld bedeutete ihm nichts. Für ihn zählte nur die Integrität seiner Arbeit. Er bot Adam und Charlie ebenfalls einen Underberg an, aber die verzogen beide das Gesicht. »Wie kannst du nur dieses Zeug trinken?« Adam schüttelte sich allein bei dem Geruch. »Es mag ja helfen, aber eher ertrage ich meinen Kater, als dass ich dieses Gebräu runterkriege.«
»Es hilft wirklich. Wenn wir weiterhin so viel trinken, solltet ihr es mir allerdings intravenös verabreichen. Ich vergesse immer, wie heftig unser Urlaub wird. Bestimmt nähme man uns mittlerweile sofort bei den Anonymen Alkoholikern«, sagte Gray und kippte einen weiteren Underberg herunter, spülte dann mit Kaffee hinterher und stürzte sich anschließend auf einen Teller Rührei.
...
Übersetzung: Silvia Kinkel
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH,
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
... weniger
Bibliographische Angaben
- Autor: Danielle Steel
- 429 Seiten, Maße: 14,4 x 22 cm, Geb. mit Su.
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 382899282X
- ISBN-13: 9783828992825
Kommentar zu "Gefährliche Junggesellen"
0 Gebrauchte Artikel zu „Gefährliche Junggesellen“
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
3 von 5 Sternen
5 Sterne 0Schreiben Sie einen Kommentar zu "Gefährliche Junggesellen".
Kommentar verfassen