Geheimnisvolle Gabe / Der Kelch von Anavrin Bd.3
Roman
In einer einzigen Nacht verlor Randwulf of Greycliff alles, was ihm lieb und teuer war. Seither wird er nur noch von Rachegedanken beherrscht. Im Norden Englands sucht er nach dem Mann, der seine Familie zerstört hat. Dabei trifft er auf die...
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Produktinformationen zu „Geheimnisvolle Gabe / Der Kelch von Anavrin Bd.3 “
In einer einzigen Nacht verlor Randwulf of Greycliff alles, was ihm lieb und teuer war. Seither wird er nur noch von Rachegedanken beherrscht. Im Norden Englands sucht er nach dem Mann, der seine Familie zerstört hat. Dabei trifft er auf die schöne Serena, die augenblicklich sein Herz berührt. Kann sie die Wunden der Vergangenheit heilen?
Klappentext zu „Geheimnisvolle Gabe / Der Kelch von Anavrin Bd.3 “
In einer einzigen Nacht verlor Randwulf of Greycliff alles, was ihm lieb und teuer war. Seither wird er nur noch von Rachegedanken beherrscht. Im Norden Englands sucht er nach dem Mann, der seine Familie zerstört hat. Dabei trifft er auf die schöne Serena, die augenblicklich sein Herz berührt. Kann sie die Wunden der Vergangenheit heilen?
Lese-Probe zu „Geheimnisvolle Gabe / Der Kelch von Anavrin Bd.3 “
Geheimnisvolle Gabe von Tina St. John3. Kapitel
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Am Abend lag Serena im Bett und fand keinen Schlaf, da das schlechte Gewissen an ihr nagte. Wie sollte sie ruhen, wenn dort draußen in der Dunkelheit ein Mensch seinen womöglich letzten Atemzug tat? Er war hilflos, konnte sogar im Wechsel der Gezeiten ertrinken und vom Wasser wieder zurück ins Meer gezogen werden. In der Stille der kleinen Hütte legte Serena die Stirn in Falten, stieß die Decke dann entschlossen von sich und setzte sich in der schmalen Bettstatt auf.
Von der anderen Seite des Raums vernahm sie die leisen Atemgeräusche ihrer Mutter, die ruhig und friedlich auf ihrem Lager schlief.
Es erschien ihr ungerecht.
Sie hielt es nicht für richtig, dass ihre Mutter und sie nichts für den Fremden taten, der einsam und verlassen am Strand lag.
Serena hatte immer noch den Anhänger. Behutsam holte sie die Kette unter der dünnen Matratze hervor, unter der sie das Schmuckstück am Nachmittag versteckt hatte, damit ihre Mutter es nicht entdeckte und sie deswegen schalt. Schlangenförmig lagen die zierlichen goldenen Glieder in ihrer Hand, der fein gearbeitete Anhänger glitzerte im Mondlicht, das durch die nicht verdunkelten Fenster fiel. Sie hatte dem Mann das Kettchen nicht wegnehmen wollen, aber in ihrem Schrecken und bei ihrer überhasteten Flucht hatte sie es einfach mitgenommen.
Nun kam sie sich wie eine gemeine Diebin vor. Der Anhänger gehörte ihr nicht, sie durfte ihn nicht behalten. Sie musste dem Mann das Erinnerungsstück zurückbringen, ganz gleich, wie entkräftet der Fremde unten am Strand auch sein mochte.
Und insgeheim musste sie sich eingestehen, dass sie wissen wollte, ob es nicht doch noch eine Möglichkeit gab, dem Fremden zu helfen, auch wenn ihre Mutter sich vehement geweigert hatte.
Ganz vorsichtig und darauf bedacht, kein Geräusch zu machen, erhob sich Serena von ihrem Lager. Der Saum ihres langen Unterhemds umspielte ihre Füße in geisterhaftem Weiß, als sie lautlos über den aufgerauten Boden der Hütte ging. Keine zehn Schritte später streckte sie die Hand nach dem Riegel aus, der sich an der geölten Holztür befand. Die grob gezimmerte Tür gab ein leises Quietschen von sich, als sich Serena ins Freie stahl.
Unmittelbar hinter der Schwelle hielt sie inne und lauschte in die Stille der Hütte, um sich zu vergewissern, dass ihre Mutter noch immer schlief. Dann aber, den Anhänger fest in der Hand, trat sie in die mondhelle Nacht hinaus und hielt auf den Waldpfad zu, der zur Küste hinunterführte.
Die Brandung trieb schaumgekrönte Wellen an Land, die Flut hatte ihren Höhepunkt erreicht. Inzwischen hatte das Wasser den Strand bis zur Hälfte erobert und wich im Rhythmus der Wellen glitzernd ins Meer zurück. Sogleich ließ Serena den Blick über die Bucht schweifen und eilte zu der Stelle, an der sie früher am Tag gewesen war. Doch der Mann war nirgendwo zu sehen. Nichts als Sand und das Rauschen der Brandung.
Selbst das Treibgut und der Tang, in dem sich der verletzte Seemann verfangen hatte, waren verschwunden.
War ihre unerwartete Entdeckung am Morgen doch nichts weiter als ein düsterer Traum gewesen?
Nun stand sie mit bloßen Füßen im seichten Salzwasser und ließ sich von den schäumenden Wellen umspülen. Ein Gefühl der Schuld durchflutete sie bis hinauf zum Hals, als sie an den Fremden dachte, dem sie in ihrer Furcht jegliche Hilfe versagt hatte. Trieb er nun irgendwo dort draußen in der schwarzen, weiten See leblos auf den Wogen?
Wenn dem so war, so war sie schuld an seinem Tod. Der Mann hatte nicht nur den Sturm, sondern auch die aufgewühlte See überlebt, und sie hatte ihn am Strand zurückgelassen. Die Gewissheit drückte ihr schier das Herz ab. Reue lastete auf ihr, während sie den Blick auf den fernen dunklen Horizont richtete.
»Es tut mir so leid«, murmelte sie, während die Kette mit dem Anhänger lose von ihrer Hand hing.
Plötzlich spürte sie etwas an ihrem Fuß. Eine Welle umspülte ihre Knöchel und wurde wieder von der Kraft des Meeres zurückgezogen. Es war ihr fehlender Handschuh, den sie in ihrer Angst hatte fallen lassen. Serena bückte sich, um ihn aufzuheben, das Rauschen der See im Ohr. Das einst feine Leder, nunmehr spröde vom salzigen Nass, hatte sich mit Wasser vollgesogen, das nun zu Serenas Füßen zu Boden tropfte. Sie wrang den Handschuh aus und war schon im Begriff, den Heimweg anzutreten.
Da versperrte ihr eine große, schemenhafte Gestalt den Weg.
»Was hast du damit gemacht, Frau?«
Zu Tode erschrocken wich Serena zurück, schaute sie doch in die von Zorn beherrschten Züge des Fremden, der düster vor ihr aufragte.
»Du hast mir etwas gestohlen«, stieß der Mann hervor, doch seine Stimme kam nicht über ein raues, heiseres Krächzen hinaus, das Serena erschauern ließ. »Verflucht, Frau! Sag mir endlich, was du damit gemacht hast!«
»Hier«, stammelte sie und hielt ihm das Kettchen hin. „Ich wollte es Euch nicht wegnehmen.«
Eine große Hand schnellte vor und griff nach dem Anhänger. Serena zog den Arm in dem Augenblick zurück, als sich die kräftigen Finger um die goldene Kette schlossen. Erleichterung durchströmte sie, hatte sie doch die Geistesgegenwart besessen, den Fremden nicht zu berühren. Sein raues Lachen klang freudlos.
»So, habe ich es also mit einer schönen Diebin zu tun?« Der Anhänger verschwand in seiner Faust. »Keine Spielchen mehr. Gib mir die anderen Gegenstände, die du mir entwendet hast, als ich blutend und bewusstlos zu deinen Füßen lag.«
„Ich ... ich weiß nicht, was ihr meint. Ich habe nichts anderes genommen, das schwöre ich.«
Er trat einen Schritt vor und war ihr nun gefährlich nah. Serena wich weiter zurück und watete durch das Wasser. Nasser Sand gab unter ihren Füßen nach, als die Flut eine weitere Welle an Land spülte. Das dunkle Wasser benetzte den Saum ihres langen Hemds. Das feuchte Gewebe legte sich um ihre Fußknöchel, sodass sie beinahe gestolpert wäre.
»Was hast du aus diesem Beutel genommen?«, bedrängte er sie und schleuderte die leere Ledertasche in ihre Richtung.
Serena fing sie auf und blickte den zornigen Mann verblüfft und hilflos an. „Ich habe nichts genommen. Dieser Beutel hing Euch um die Schulter, als ich Euch heute früh fand, aber ich weiß nicht, was ihr darin hattet. Soweit ich das richtig gesehen habe, war der Beutel schon leer.«
„Lüg mich nicht an!«, fuhr er sie an.
Er hatte die Fäuste in die Seiten gestemmt, und im schwachen Mondlicht flammte etwas Wildes in seinen Augen auf.
Eine weitere Vorwarnung war ihr nicht vergönnt, denn da machte der Fremde bereits einen Satz in ihre Richtung. Serena schrie vor Angst, konnte sich seinem Griff aber gerade noch entziehen. Sie schlug mit dem Lederbeutel nach ihm und hörte, wie das nasse Leder seine Wange traf, ehe sie dem Mann mit einer geschickten Drehung auswich.
Sämtliche Warnungen ihrer Mutter wirbelten ihr nun im Kopf herum: all die mahnenden Worte, mit denen Calandra sie vor dem groben, gefühlskalten Wesen der Männer gewarnt hatte. Was war sie doch für eine Närrin, dass sie auch nur einen Augenblick lang an ihrer Mutter gezweifelt hatte!
Serena lief den Strand hinauf, aber der Mann war hinter ihr. Seine Schritte klangen schleppend, er schwankte leicht vor Erschöpfung und kam in dem tiefen Sand nur schwer voran. Dennoch blieb er ihr auf den Fersen. Schließlich hatte er sie eingeholt. Eine feste, schwere Hand legte sich um ihre Schulter und brachte Serena aus dem Gleichgewicht. Der Fremde riss sie herum, und seine Zähne blitzten im Halbdunkel auf. Zischend entwich ihm der Atem.
»Warum läufst du vor mir fort, wenn du nichts vor mir zu verbergen hast, Frau?«
„Lasst mich los!«
Serena versuchte, sich dem harten Griff zu entziehen, doch es gelang ihr nicht. Fest umklammerte er ihre Schultern und starrte sie böse an. Ehe sie sich recht besann, hob sie schützend die Hände und stemmte sich gegen seine harte Brust.
Heilige Muttergottes!
Sie berührte ihn.
Sie berührte ihn ohne die schützende Schicht der ledernen Handschuhe.
Sogleich brachen die Wahrnehmungen über sie herein, ein wahrer Gefühlssturm erfasste sie. Dort, wo sie mit ihren Handflächen gegen seinen Oberkörper drückte, verspürte sie eine sengende Hitze, die eine erwachende Klarsicht mit sich brachte. Zu sehr von den Empfindungen vereinnahmt und von der Macht ihrer Gabe überwältigt, vermochte sich Serena nicht zu rühren und schaute nur stumm in die zornigen Gesichtszüge des Fremden. Durch die Berührung nahm sie all den Zorn und Hass in seinem Herzen wahr - blickte gleichsam in die Seele dieses Mannes.
Zorn.
Zerstörung.
Blutvergießen.
Seelenqualen.
Die Leere im Herzen.
Rache.
So viel Schmerz konnte man nicht ertragen. Sie atmete schnell und flach, als sie sich von den schwarzen Gefühlen umgeben sah. Es zehrte an ihrer Kraft, drohte sie wie eine böse Seuche zu vernichten, rasch und unbarmherzig. Serena spürte, wie ihr die Knie weich wurden. Eine Flut aus Schmerz und Gewalt brach über sie herein, die sie nicht aufzuhalten vermochte. Die aufgewühlten Gefühle, die wie ein Sturm in diesem Mann tosten, strömten in sie hinein, als gehörten sie auch zu ihr.
»Beim Allmächtigen, was ist mit dir?«
Die Worte des Fremden erreichten sie wie aus weiter Ferne. Er schüttelte sie, doch dadurch geriet sie auf ihren schwachen Beinen umso stärker ins Schwanken. Sie konnte sich nicht mehr halten. Ihr Denken setzte aus. Sie war nicht mehr in der Lage, ihn zu bitten, sie loszulassen. Die Gabe der Ahnung hatte sie vollends vereinnahmt, erbarmungslos und unnachgiebig.
Schatten drängten sich in ihr Blickfeld ...
Das Gesicht des Fremden verschwamm vor ihren Augen, und dann spürte sie, wie sie kraftlos gegen die Brust des Mannes sackte.
Rand stieß einen unwirschen Laut aus, sah er sich doch nun gezwungen, die Frau aufzufangen, die ihm ohnmächtig in die Arme sank. Seine Finger schlossen sich um ihren zierlichen Leib. Er spürte ihre warme, weiche Haut und ihre weiblichen Rundungen, die von dem dünnen Gewebe nur unzureichend verdeckt wurden. Kleine, feste Brüste drückten gegen seine bloße Brust und lösten ein plötzliches, unbestimmtes Empfinden in ihm aus.
Doch der Zorn überschattete sein Gefühl.
Zierliches weibliches Geschöpf hin oder her, diese Frau hatte ihr kaltes Herz gezeigt, als sie ihn hilflos bei steigender Flut am Strand zurückgelassen hatte, zum Sterben verdammt. Und wenn sich Empfindungen in ihm regten, da er die junge Frau in Armen hielt, so waren sie von Misstrauen und Argwohn bestimmt. Und von Zorn. Schroff schob er sie von sich und hielt sie unterhalb ihrer schlaffen Arme fest.
»Wach auf, Frau.«
Bei dem strengen Befehl zuckte sie zusammen, konnte den Kopf jedoch nicht heben. Ihr langes ebenholzfarbenes Haar fiel ihr wie ein glänzender Schleier bis über die Hüften, eine Fülle seidiger Pracht, die erzitterte, als Rand sie heftig schüttelte.
»Schau mich an«, befahl er, denn für weibliche Ohnmachtsanfälle hatte er nichts übrig - zumal ihm diese Frau jegliche Hilfe verweigert und ihn obendrein auch noch ausgeraubt hatte. »Wach auf, sage ich. Oder ich lasse dich fallen.«
Es war keine leere Drohung, denn obwohl ihm die junge Frau leicht wie ein Kind erschien, machte ihm bereits dieses geringe Gewicht zu schaffen. Seine Muskeln schmerzten noch von dem Kampf gegen die Wellen, und die Wunden, die er von der Auseinandersetzung mit dem Gestaltwandler davongetragen hatte, bluteten erneut. Er brauchte Nahrung, Ruhe und Wundversorgung. Und er musste den wertvollen Kelch wiederfinden, der sich noch in seinem Beutel befunden hatte, als er an Land gespült worden war.
Oder hatte er ihn gar in der tosenden See verloren?
Nach all den Qualen, die er hatte ertragen müssen, war er sich plötzlich nicht mehr sicher.
Er hätte schwören können, die Form des juwelenbesetzten Kelchs noch in dem nassen Lederbeutel gesehen zu haben, als er bis ins Mark erschöpft auf den feuchten Sand gefallen war. Er hatte das Gewicht des Artefakts gespürt, als die Wellen der steigenden Flut an dem Beutel zerrten und er den Gurt fest umklammert hielt.
Und er war fest davon überzeugt, dass dort eine Frau gewesen war - genau diese Frau -, die ihn mithilfe eines langen Stockes auf den Rücken gedreht hatte. Der Saum ihres grob gesponnenen Rocks hatte seine bloße Haut gestreift, als sie um ihn herumgegangen war. Ihre Neugier hatte er als grausam empfunden, da die Frau kein Mitgefühl für sein Leiden gezeigt hatte. Sie hatte zugegeben, Elspeths Kette genommen zu haben; was hätte sie daran hindern sollen, auch den weitaus kostbareren Kelch zu stehlen?
Mit einem leisen Fluch legte er der Frau einen Arm um die Taille und ergriff ihre leblose Hand. Erneut schüttelte er sie kräftig und drückte unsanft ihre Hand.
»Verflucht, wach auf! Was auch immer du für ein Spiel mit mir treibst, ich habe keine Zeit dafür!«
Endlich hatte er Erfolg.
Sie riss die Augen weit auf und starrte unter langen Wimpern zu ihm auf, entgeistert und benommen. Ihre zierliche Hand zuckte in seinem festen Griff. Mit einem Mal versteifte sie sich.
»N...nein!« Scharf sog sie den Atem ein. „Lasst mich los!«
Doch er gab sie nicht frei. Obwohl er sie unnachgiebig festhielt, war es nicht seine Absicht, ihr wehzutun. Sofern sie ihn nicht zwang. Doch trotz seiner Bemühungen, ihre kleine Hand nicht zu quetschen, wand sich die Frau unter seinem Griff, als habe er ihre Hand in glühendes Eisen gelegt. Sie schrie auf, und der schrille Schmerzensschrei gellte durch die Nacht. Wenn sie nun versuchte, Schmerzen vorzutäuschen, um ihn dadurch milde zu stimmen, war sie an den Falschen geraten. Dennoch, selbst er musste zugeben, dass ihr Verhalten überzeugend wirkte.
Rand war mit seiner Geduld am Ende. „Ich warne dich, Frau, treib kein Spiel mit mir.«
»Bitte«, flehte sie mit schwankender, beinahe wimmernder Stimme. „Lasst mich los. Ich halte das nicht länger aus ...«
Durchdringend und starr haftete ihr Blick auf ihm. Ihre Pupillen wirkten im Mondlicht so unnatürlich groß, als hätten sie die Dunkelheit der Nacht aufgesogen.
Doch ihr Blick schien noch weitaus mehr aufgefangen zu haben.
Allmählich erlahmte ihr Widerstand, aber die seltsame Steifheit ihrer Glieder blieb. Rand glaubte schon, sie fiele erneut in Ohnmacht, doch ehe er weiter darüber nachdenken konnte, vernahm er plötzlich ein Geräusch aus dem dichten Waldgürtel hinter ihnen. Ein schriller, gespenstischer Schrei drang an seine Ohren, und als Rand sich umwandte, sah er eine geisterhafte Gestalt mit wehendem Haar auf sich zustürzen.
„Lasst sie los!« Furcht und Zorn schwangen in der Stimme der Frau mit. Ein kleiner Dolch blitzte im Mondlicht auf, als sie sich auf ihn stürzte, bereit, zum tödlichen Stich auszuholen. »Hände weg von meinem Kind!«
Rand ließ die junge Frau los und wirbelte herum, ehe die ältere Frau ihm die Klinge in den Rücken rammen konnte. Sie sprang ihn wie eine fauchende Wildkatze an und schlug schon auf ihn ein. Ihr schlichtes Gewand roch nach Gewürzen, fruchtbarer Erde und Kräuterseife - vielleicht war sie dem Irrsinn verfallen, aber sie wirkte sauber und noch dazu machte sie einen erstaunlich gewandten Eindruck.
Er behielt die Waffe im Auge, und dank seiner langjährigen Kampferfahrung gelang es ihm, der wild fuchtelnden Frau den Dolch zu entreißen. Denn Rand war kräftiger und besonnener als die verzweifelte Mutter, die ihr Kind zu schützen versuchte. Mit einem Ruck schleuderte er sie zu Boden. Hart schlug sie auf dem feuchten Sand auf, wo ihre Tochter wie benommen mit untergeschlagenen Beinen hockte. Ihr dunkles Haar fiel ihr über das nach unten gewandte Gesicht; die Arme hatte sie schützend um ihre Taille geschlungen und wippte leicht vor und zurück.
»Serena! Oh, Himmel. Was hat er dir angetan?«, rief die Frau und wandte sich kurz von Rand ab. Sie hatte die Blutspuren auf dem Hemd ihrer Tochter gesehen, die allerdings von Rands Wunden stammten. Im schwachen Mondlicht sahen die Flecken schwarz aus und hoben sich von dem weißen Gewebe auffällig ab. Die Mutter unterdrückte ein schweres Seufzen. Ihre anklagenden Augen huschten erneut zu Rand hin und verengten sich zu gefährlichen Schlitzen, als wolle sie ihn mit ihrem Blick durchbohren.
© 2012 LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH
Am Abend lag Serena im Bett und fand keinen Schlaf, da das schlechte Gewissen an ihr nagte. Wie sollte sie ruhen, wenn dort draußen in der Dunkelheit ein Mensch seinen womöglich letzten Atemzug tat? Er war hilflos, konnte sogar im Wechsel der Gezeiten ertrinken und vom Wasser wieder zurück ins Meer gezogen werden. In der Stille der kleinen Hütte legte Serena die Stirn in Falten, stieß die Decke dann entschlossen von sich und setzte sich in der schmalen Bettstatt auf.
Von der anderen Seite des Raums vernahm sie die leisen Atemgeräusche ihrer Mutter, die ruhig und friedlich auf ihrem Lager schlief.
Es erschien ihr ungerecht.
Sie hielt es nicht für richtig, dass ihre Mutter und sie nichts für den Fremden taten, der einsam und verlassen am Strand lag.
Serena hatte immer noch den Anhänger. Behutsam holte sie die Kette unter der dünnen Matratze hervor, unter der sie das Schmuckstück am Nachmittag versteckt hatte, damit ihre Mutter es nicht entdeckte und sie deswegen schalt. Schlangenförmig lagen die zierlichen goldenen Glieder in ihrer Hand, der fein gearbeitete Anhänger glitzerte im Mondlicht, das durch die nicht verdunkelten Fenster fiel. Sie hatte dem Mann das Kettchen nicht wegnehmen wollen, aber in ihrem Schrecken und bei ihrer überhasteten Flucht hatte sie es einfach mitgenommen.
Nun kam sie sich wie eine gemeine Diebin vor. Der Anhänger gehörte ihr nicht, sie durfte ihn nicht behalten. Sie musste dem Mann das Erinnerungsstück zurückbringen, ganz gleich, wie entkräftet der Fremde unten am Strand auch sein mochte.
Und insgeheim musste sie sich eingestehen, dass sie wissen wollte, ob es nicht doch noch eine Möglichkeit gab, dem Fremden zu helfen, auch wenn ihre Mutter sich vehement geweigert hatte.
Ganz vorsichtig und darauf bedacht, kein Geräusch zu machen, erhob sich Serena von ihrem Lager. Der Saum ihres langen Unterhemds umspielte ihre Füße in geisterhaftem Weiß, als sie lautlos über den aufgerauten Boden der Hütte ging. Keine zehn Schritte später streckte sie die Hand nach dem Riegel aus, der sich an der geölten Holztür befand. Die grob gezimmerte Tür gab ein leises Quietschen von sich, als sich Serena ins Freie stahl.
Unmittelbar hinter der Schwelle hielt sie inne und lauschte in die Stille der Hütte, um sich zu vergewissern, dass ihre Mutter noch immer schlief. Dann aber, den Anhänger fest in der Hand, trat sie in die mondhelle Nacht hinaus und hielt auf den Waldpfad zu, der zur Küste hinunterführte.
Die Brandung trieb schaumgekrönte Wellen an Land, die Flut hatte ihren Höhepunkt erreicht. Inzwischen hatte das Wasser den Strand bis zur Hälfte erobert und wich im Rhythmus der Wellen glitzernd ins Meer zurück. Sogleich ließ Serena den Blick über die Bucht schweifen und eilte zu der Stelle, an der sie früher am Tag gewesen war. Doch der Mann war nirgendwo zu sehen. Nichts als Sand und das Rauschen der Brandung.
Selbst das Treibgut und der Tang, in dem sich der verletzte Seemann verfangen hatte, waren verschwunden.
War ihre unerwartete Entdeckung am Morgen doch nichts weiter als ein düsterer Traum gewesen?
Nun stand sie mit bloßen Füßen im seichten Salzwasser und ließ sich von den schäumenden Wellen umspülen. Ein Gefühl der Schuld durchflutete sie bis hinauf zum Hals, als sie an den Fremden dachte, dem sie in ihrer Furcht jegliche Hilfe versagt hatte. Trieb er nun irgendwo dort draußen in der schwarzen, weiten See leblos auf den Wogen?
Wenn dem so war, so war sie schuld an seinem Tod. Der Mann hatte nicht nur den Sturm, sondern auch die aufgewühlte See überlebt, und sie hatte ihn am Strand zurückgelassen. Die Gewissheit drückte ihr schier das Herz ab. Reue lastete auf ihr, während sie den Blick auf den fernen dunklen Horizont richtete.
»Es tut mir so leid«, murmelte sie, während die Kette mit dem Anhänger lose von ihrer Hand hing.
Plötzlich spürte sie etwas an ihrem Fuß. Eine Welle umspülte ihre Knöchel und wurde wieder von der Kraft des Meeres zurückgezogen. Es war ihr fehlender Handschuh, den sie in ihrer Angst hatte fallen lassen. Serena bückte sich, um ihn aufzuheben, das Rauschen der See im Ohr. Das einst feine Leder, nunmehr spröde vom salzigen Nass, hatte sich mit Wasser vollgesogen, das nun zu Serenas Füßen zu Boden tropfte. Sie wrang den Handschuh aus und war schon im Begriff, den Heimweg anzutreten.
Da versperrte ihr eine große, schemenhafte Gestalt den Weg.
»Was hast du damit gemacht, Frau?«
Zu Tode erschrocken wich Serena zurück, schaute sie doch in die von Zorn beherrschten Züge des Fremden, der düster vor ihr aufragte.
»Du hast mir etwas gestohlen«, stieß der Mann hervor, doch seine Stimme kam nicht über ein raues, heiseres Krächzen hinaus, das Serena erschauern ließ. »Verflucht, Frau! Sag mir endlich, was du damit gemacht hast!«
»Hier«, stammelte sie und hielt ihm das Kettchen hin. „Ich wollte es Euch nicht wegnehmen.«
Eine große Hand schnellte vor und griff nach dem Anhänger. Serena zog den Arm in dem Augenblick zurück, als sich die kräftigen Finger um die goldene Kette schlossen. Erleichterung durchströmte sie, hatte sie doch die Geistesgegenwart besessen, den Fremden nicht zu berühren. Sein raues Lachen klang freudlos.
»So, habe ich es also mit einer schönen Diebin zu tun?« Der Anhänger verschwand in seiner Faust. »Keine Spielchen mehr. Gib mir die anderen Gegenstände, die du mir entwendet hast, als ich blutend und bewusstlos zu deinen Füßen lag.«
„Ich ... ich weiß nicht, was ihr meint. Ich habe nichts anderes genommen, das schwöre ich.«
Er trat einen Schritt vor und war ihr nun gefährlich nah. Serena wich weiter zurück und watete durch das Wasser. Nasser Sand gab unter ihren Füßen nach, als die Flut eine weitere Welle an Land spülte. Das dunkle Wasser benetzte den Saum ihres langen Hemds. Das feuchte Gewebe legte sich um ihre Fußknöchel, sodass sie beinahe gestolpert wäre.
»Was hast du aus diesem Beutel genommen?«, bedrängte er sie und schleuderte die leere Ledertasche in ihre Richtung.
Serena fing sie auf und blickte den zornigen Mann verblüfft und hilflos an. „Ich habe nichts genommen. Dieser Beutel hing Euch um die Schulter, als ich Euch heute früh fand, aber ich weiß nicht, was ihr darin hattet. Soweit ich das richtig gesehen habe, war der Beutel schon leer.«
„Lüg mich nicht an!«, fuhr er sie an.
Er hatte die Fäuste in die Seiten gestemmt, und im schwachen Mondlicht flammte etwas Wildes in seinen Augen auf.
Eine weitere Vorwarnung war ihr nicht vergönnt, denn da machte der Fremde bereits einen Satz in ihre Richtung. Serena schrie vor Angst, konnte sich seinem Griff aber gerade noch entziehen. Sie schlug mit dem Lederbeutel nach ihm und hörte, wie das nasse Leder seine Wange traf, ehe sie dem Mann mit einer geschickten Drehung auswich.
Sämtliche Warnungen ihrer Mutter wirbelten ihr nun im Kopf herum: all die mahnenden Worte, mit denen Calandra sie vor dem groben, gefühlskalten Wesen der Männer gewarnt hatte. Was war sie doch für eine Närrin, dass sie auch nur einen Augenblick lang an ihrer Mutter gezweifelt hatte!
Serena lief den Strand hinauf, aber der Mann war hinter ihr. Seine Schritte klangen schleppend, er schwankte leicht vor Erschöpfung und kam in dem tiefen Sand nur schwer voran. Dennoch blieb er ihr auf den Fersen. Schließlich hatte er sie eingeholt. Eine feste, schwere Hand legte sich um ihre Schulter und brachte Serena aus dem Gleichgewicht. Der Fremde riss sie herum, und seine Zähne blitzten im Halbdunkel auf. Zischend entwich ihm der Atem.
»Warum läufst du vor mir fort, wenn du nichts vor mir zu verbergen hast, Frau?«
„Lasst mich los!«
Serena versuchte, sich dem harten Griff zu entziehen, doch es gelang ihr nicht. Fest umklammerte er ihre Schultern und starrte sie böse an. Ehe sie sich recht besann, hob sie schützend die Hände und stemmte sich gegen seine harte Brust.
Heilige Muttergottes!
Sie berührte ihn.
Sie berührte ihn ohne die schützende Schicht der ledernen Handschuhe.
Sogleich brachen die Wahrnehmungen über sie herein, ein wahrer Gefühlssturm erfasste sie. Dort, wo sie mit ihren Handflächen gegen seinen Oberkörper drückte, verspürte sie eine sengende Hitze, die eine erwachende Klarsicht mit sich brachte. Zu sehr von den Empfindungen vereinnahmt und von der Macht ihrer Gabe überwältigt, vermochte sich Serena nicht zu rühren und schaute nur stumm in die zornigen Gesichtszüge des Fremden. Durch die Berührung nahm sie all den Zorn und Hass in seinem Herzen wahr - blickte gleichsam in die Seele dieses Mannes.
Zorn.
Zerstörung.
Blutvergießen.
Seelenqualen.
Die Leere im Herzen.
Rache.
So viel Schmerz konnte man nicht ertragen. Sie atmete schnell und flach, als sie sich von den schwarzen Gefühlen umgeben sah. Es zehrte an ihrer Kraft, drohte sie wie eine böse Seuche zu vernichten, rasch und unbarmherzig. Serena spürte, wie ihr die Knie weich wurden. Eine Flut aus Schmerz und Gewalt brach über sie herein, die sie nicht aufzuhalten vermochte. Die aufgewühlten Gefühle, die wie ein Sturm in diesem Mann tosten, strömten in sie hinein, als gehörten sie auch zu ihr.
»Beim Allmächtigen, was ist mit dir?«
Die Worte des Fremden erreichten sie wie aus weiter Ferne. Er schüttelte sie, doch dadurch geriet sie auf ihren schwachen Beinen umso stärker ins Schwanken. Sie konnte sich nicht mehr halten. Ihr Denken setzte aus. Sie war nicht mehr in der Lage, ihn zu bitten, sie loszulassen. Die Gabe der Ahnung hatte sie vollends vereinnahmt, erbarmungslos und unnachgiebig.
Schatten drängten sich in ihr Blickfeld ...
Das Gesicht des Fremden verschwamm vor ihren Augen, und dann spürte sie, wie sie kraftlos gegen die Brust des Mannes sackte.
Rand stieß einen unwirschen Laut aus, sah er sich doch nun gezwungen, die Frau aufzufangen, die ihm ohnmächtig in die Arme sank. Seine Finger schlossen sich um ihren zierlichen Leib. Er spürte ihre warme, weiche Haut und ihre weiblichen Rundungen, die von dem dünnen Gewebe nur unzureichend verdeckt wurden. Kleine, feste Brüste drückten gegen seine bloße Brust und lösten ein plötzliches, unbestimmtes Empfinden in ihm aus.
Doch der Zorn überschattete sein Gefühl.
Zierliches weibliches Geschöpf hin oder her, diese Frau hatte ihr kaltes Herz gezeigt, als sie ihn hilflos bei steigender Flut am Strand zurückgelassen hatte, zum Sterben verdammt. Und wenn sich Empfindungen in ihm regten, da er die junge Frau in Armen hielt, so waren sie von Misstrauen und Argwohn bestimmt. Und von Zorn. Schroff schob er sie von sich und hielt sie unterhalb ihrer schlaffen Arme fest.
»Wach auf, Frau.«
Bei dem strengen Befehl zuckte sie zusammen, konnte den Kopf jedoch nicht heben. Ihr langes ebenholzfarbenes Haar fiel ihr wie ein glänzender Schleier bis über die Hüften, eine Fülle seidiger Pracht, die erzitterte, als Rand sie heftig schüttelte.
»Schau mich an«, befahl er, denn für weibliche Ohnmachtsanfälle hatte er nichts übrig - zumal ihm diese Frau jegliche Hilfe verweigert und ihn obendrein auch noch ausgeraubt hatte. »Wach auf, sage ich. Oder ich lasse dich fallen.«
Es war keine leere Drohung, denn obwohl ihm die junge Frau leicht wie ein Kind erschien, machte ihm bereits dieses geringe Gewicht zu schaffen. Seine Muskeln schmerzten noch von dem Kampf gegen die Wellen, und die Wunden, die er von der Auseinandersetzung mit dem Gestaltwandler davongetragen hatte, bluteten erneut. Er brauchte Nahrung, Ruhe und Wundversorgung. Und er musste den wertvollen Kelch wiederfinden, der sich noch in seinem Beutel befunden hatte, als er an Land gespült worden war.
Oder hatte er ihn gar in der tosenden See verloren?
Nach all den Qualen, die er hatte ertragen müssen, war er sich plötzlich nicht mehr sicher.
Er hätte schwören können, die Form des juwelenbesetzten Kelchs noch in dem nassen Lederbeutel gesehen zu haben, als er bis ins Mark erschöpft auf den feuchten Sand gefallen war. Er hatte das Gewicht des Artefakts gespürt, als die Wellen der steigenden Flut an dem Beutel zerrten und er den Gurt fest umklammert hielt.
Und er war fest davon überzeugt, dass dort eine Frau gewesen war - genau diese Frau -, die ihn mithilfe eines langen Stockes auf den Rücken gedreht hatte. Der Saum ihres grob gesponnenen Rocks hatte seine bloße Haut gestreift, als sie um ihn herumgegangen war. Ihre Neugier hatte er als grausam empfunden, da die Frau kein Mitgefühl für sein Leiden gezeigt hatte. Sie hatte zugegeben, Elspeths Kette genommen zu haben; was hätte sie daran hindern sollen, auch den weitaus kostbareren Kelch zu stehlen?
Mit einem leisen Fluch legte er der Frau einen Arm um die Taille und ergriff ihre leblose Hand. Erneut schüttelte er sie kräftig und drückte unsanft ihre Hand.
»Verflucht, wach auf! Was auch immer du für ein Spiel mit mir treibst, ich habe keine Zeit dafür!«
Endlich hatte er Erfolg.
Sie riss die Augen weit auf und starrte unter langen Wimpern zu ihm auf, entgeistert und benommen. Ihre zierliche Hand zuckte in seinem festen Griff. Mit einem Mal versteifte sie sich.
»N...nein!« Scharf sog sie den Atem ein. „Lasst mich los!«
Doch er gab sie nicht frei. Obwohl er sie unnachgiebig festhielt, war es nicht seine Absicht, ihr wehzutun. Sofern sie ihn nicht zwang. Doch trotz seiner Bemühungen, ihre kleine Hand nicht zu quetschen, wand sich die Frau unter seinem Griff, als habe er ihre Hand in glühendes Eisen gelegt. Sie schrie auf, und der schrille Schmerzensschrei gellte durch die Nacht. Wenn sie nun versuchte, Schmerzen vorzutäuschen, um ihn dadurch milde zu stimmen, war sie an den Falschen geraten. Dennoch, selbst er musste zugeben, dass ihr Verhalten überzeugend wirkte.
Rand war mit seiner Geduld am Ende. „Ich warne dich, Frau, treib kein Spiel mit mir.«
»Bitte«, flehte sie mit schwankender, beinahe wimmernder Stimme. „Lasst mich los. Ich halte das nicht länger aus ...«
Durchdringend und starr haftete ihr Blick auf ihm. Ihre Pupillen wirkten im Mondlicht so unnatürlich groß, als hätten sie die Dunkelheit der Nacht aufgesogen.
Doch ihr Blick schien noch weitaus mehr aufgefangen zu haben.
Allmählich erlahmte ihr Widerstand, aber die seltsame Steifheit ihrer Glieder blieb. Rand glaubte schon, sie fiele erneut in Ohnmacht, doch ehe er weiter darüber nachdenken konnte, vernahm er plötzlich ein Geräusch aus dem dichten Waldgürtel hinter ihnen. Ein schriller, gespenstischer Schrei drang an seine Ohren, und als Rand sich umwandte, sah er eine geisterhafte Gestalt mit wehendem Haar auf sich zustürzen.
„Lasst sie los!« Furcht und Zorn schwangen in der Stimme der Frau mit. Ein kleiner Dolch blitzte im Mondlicht auf, als sie sich auf ihn stürzte, bereit, zum tödlichen Stich auszuholen. »Hände weg von meinem Kind!«
Rand ließ die junge Frau los und wirbelte herum, ehe die ältere Frau ihm die Klinge in den Rücken rammen konnte. Sie sprang ihn wie eine fauchende Wildkatze an und schlug schon auf ihn ein. Ihr schlichtes Gewand roch nach Gewürzen, fruchtbarer Erde und Kräuterseife - vielleicht war sie dem Irrsinn verfallen, aber sie wirkte sauber und noch dazu machte sie einen erstaunlich gewandten Eindruck.
Er behielt die Waffe im Auge, und dank seiner langjährigen Kampferfahrung gelang es ihm, der wild fuchtelnden Frau den Dolch zu entreißen. Denn Rand war kräftiger und besonnener als die verzweifelte Mutter, die ihr Kind zu schützen versuchte. Mit einem Ruck schleuderte er sie zu Boden. Hart schlug sie auf dem feuchten Sand auf, wo ihre Tochter wie benommen mit untergeschlagenen Beinen hockte. Ihr dunkles Haar fiel ihr über das nach unten gewandte Gesicht; die Arme hatte sie schützend um ihre Taille geschlungen und wippte leicht vor und zurück.
»Serena! Oh, Himmel. Was hat er dir angetan?«, rief die Frau und wandte sich kurz von Rand ab. Sie hatte die Blutspuren auf dem Hemd ihrer Tochter gesehen, die allerdings von Rands Wunden stammten. Im schwachen Mondlicht sahen die Flecken schwarz aus und hoben sich von dem weißen Gewebe auffällig ab. Die Mutter unterdrückte ein schweres Seufzen. Ihre anklagenden Augen huschten erneut zu Rand hin und verengten sich zu gefährlichen Schlitzen, als wolle sie ihn mit ihrem Blick durchbohren.
© 2012 LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH
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Autoren-Porträt von Tina St. John
Lara Adrian lebt mit ihrem Mann in Neuengland. Neben ihrer äußerst erfolgreichen Vampirserie hat sie unter dem Namen Tina St. John auch mit historischen Liebesromanen eine große Leserschaft gewonnen.
Bibliographische Angaben
- Autor: Tina St. John
- 2012, 384 Seiten, Maße: 12,4 x 18 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Holger Hanowell
- Verlag: LYX
- ISBN-10: 3802585208
- ISBN-13: 9783802585203
- Erscheinungsdatum: 05.11.2012
Kommentar zu "Geheimnisvolle Gabe / Der Kelch von Anavrin Bd.3"
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