Geisterstadt
Roman
In Downside tauchen einige grausam verstümmelte Leichen auf, und die Geisterjägerin Chess Putnam wird auf den Fall angesetzt. Dabei soll ein tödlicher Zauber dafür sorgen, dass sie niemandem etwas über ihre Ermittlungen verrät....
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Geisterstadt “
In Downside tauchen einige grausam verstümmelte Leichen auf, und die Geisterjägerin Chess Putnam wird auf den Fall angesetzt. Dabei soll ein tödlicher Zauber dafür sorgen, dass sie niemandem etwas über ihre Ermittlungen verrät. Doch als der berüchtigste Gangsterboss der Stadt - Chess' Drogendealer - Wind von der Sache bekommt, versucht er, Chess zu erpressen. Ein zwielichtiger Straßenverkäufer scheint mehr über den Fall zu wissen, will jedoch nicht mit Chess reden. Und der einzige Mann, auf dessen Hilfe die Geisterjägerin bauen könnte, hat allen Grund, ihr den Tod zu wünschen.
Klappentext zu „Geisterstadt “
In Downside tauchen einige grausam verstümmelte Leichen auf, und die Geisterjägerin Chess Putnam wird auf den Fall angesetzt. Dabei soll ein tödlicher Zauber dafür sorgen, dass sie niemandem etwas über ihre Ermittlungen verrät. Doch als der berüchtigste Gangsterboss der Stadt - Chess' Drogendealer - Wind von der Sache bekommt, versucht er, Chess zu erpressen. Ein zwielichtiger Straßenverkäufer scheint mehr über den Fall zu wissen, will jedoch nicht mit Chess reden. Und der einzige Mann, auf dessen Hilfe die Geisterjägerin bauen könnte, hat allen Grund, ihr den Tod zu wünschen.
Lese-Probe zu „Geisterstadt “
Chess Putnam - Geisterstadt von Stacia KaneNicht all deine Pflichten werden angenehm sein. Aber dieses Opfer musst du bringen. Vergiss nicht, dass du als Kirchenangestellter allen anderen Menschen gegenüber privilegiert bist. Mit gutem Beispiel vorangehen! Ein Leitfaden für Kirchenangestellte
Die Guillotine erwartete sie. Das geschwärzte Holz ragte düster und bedrohlich vor den nackten Betonwänden des Hinrichtungssaals auf.
Chess gab sich Mühe, nicht hinzusehen, als sie vorbeihumpelte. Versuchte zu vergessen, dass sie es eigentlich verdient gehabt hätte, davor niederzuknien, den Hals auf den im Lauf der Jahre glatt polierten Block zu legen und auf die Klinge zu warten. Sie hatte einen Psychopomp getötet. Verdammt, sie hatte Menschen umgebracht!
Nur auf den Tod des Falken stand automatisch die Todesstrafe.
Doch niemand wusste davon. Oder wenigstens niemand, der über die Macht verfügte, sie zum Tode zu verurteilen. Im Augenblick war sie sicher.
Leider fühlte sie sich überhaupt nicht sicher. Sie fühlte sich kein bisschen so, wie es eigentlich hätte sein sollen. Bei jedem Schritt in den Kirchenschuhen mit den flachen Absätzen gemahnte sie ein dumpfer Schmerz im Oberschenkel an die fast verheilte Schusswunde. Ihr Humpeln erinnerte auch alle anderen daran und lenkte die Aufmerksamkeit ausgerechnet jetzt auf sie, zu einem Zeitpunkt, da sie Aufmerksamkeit noch viel weniger brauchen konnte als sonst.
Die Hand des Ältesten Griffin legte sich warm auf ihren Ellbogen. »Sie dürfen sitzen bleiben, während das Urteil verkündet und vollstreckt wird, Cesaria.«
»Oh nein, wirklich, ich bin ...«
Er schüttelte den Kopf und sah sie mit ernstem Blick an. Was sollte das denn jetzt? Zugegeben, eine Hinrichtung war auch nicht gerade ein knalliges Partyevent, aber das galt für so
... mehr
ziemlich jeden Kirchentermin. Doch der Älteste Griffin sah heute noch ernster aus als sonst, noch bedrückter.
Er wusste doch wohl nicht Bescheid, oder? Hatte Oliver Fletcher ihm von dem Psychopomp erzählt und davon, was sie ihm angetan hatte? Wenn dieser Bast ... Nein. Das war nur blöde Paranoia. Oliver hatte ihm ganz bestimmt nichts verraten. Wann denn auch? Soweit sie wusste, hatten die beiden Männer sich seit jener Nacht nur einmal unterhalten - seit der Nacht, in der sie den Psychopomp getötet hatte, der Nacht, in der Terrible ...
Der Atem rasselte in ihrer Brust. Ach ja, richtig. Hier und jetzt waren solche Gedanken wirklich fehl am Platz. Hier fand eine Hinrichtung statt, sie musste eine Zeugenaussage machen, und deshalb hieß es jetzt verflucht noch mal Ruhe bewahren und die Aussage zu Protokoll geben.
Also setzte sie sich auf den harten Holzstuhl mit der geraden Rückenlehne, sog den penetranten Desinfektionsmittelgestank ein und sah zu, wie sich die anderen im Gänsemarsch in den Raum schoben. Da war der Älteste Murray, dessen geschminkte Augenringe auf der tiefdunklen Haut beinahe verschwanden, obwohl sie so schwarz wie sein Haar waren. Dann kam Dana Wright, die andere Debunkerin, die bei der Razzia im Keller von Madame Lupita dabei gewesen war, mit den hellen Locken ums Gesicht.
Für Lupita selbst war niemand gekommen. Jeder, dem vielleicht etwas an ihr lag oder der in den letzten Minuten ihrer sterblichen Existenz gerne bei ihr gewesen wäre, war entweder bereits selbst hingerichtet worden oder schmorte in einer Gefängniszelle.
Als Letzter - bevor die Verurteilte selbst eintraf - kam der Henker, das Gesicht von einer schweren schwarzen Kapuze verhüllt. In der ausgestreckten Rechten trug er einen Hundeschädel - seinen Psychopomp, der schon bald Madame Lupita ins Geistergefängnis tragen würde. In der linken Hand hielt er eine Kette, und am Ende der Kette ging Madame Lupita, deren Arme und Handgelenke mit eisernen Schellen gefesselt waren.
Mit dumpfem Krachen fiel die Tür hinter ihnen zu, und das Schloss klickte; es würde sich erst in einer halben Stunde wieder öffnen. Zeit genug für die Hinrichtung und den Abtransport der Seele in die Stadt der Ewigkeit. Diese Zeitschlösser hatte man in der Gründungszeit der Kirche eingeführt, nachdem eine Verkettung unglücklicher Umstände dazu geführt hatte, dass ein Geist die Tür geöffnet hatte und entkommen war. Wie alles, was die Kirche tat, hatten auch die Zeitschlösser ihren Sinn, aber dennoch konnte Chess einen leichten Anflug von Panik nicht unterdrücken. Sie war eingesperrt. Das konnte sie grundsätzlich nicht leiden.
Der Henker befestigte sein Ende der Kette an der Guillotine und machte sich daran, den Schädel am Sockel des fest installierten Altars aufzustellen. Rauch quoll aus seiner Räucherschale und überdeckte den Gestank von Bleichmittel und Ammoniak; der starke, beißende Geruch von Melidia, um Lupitas Seele ins Geistergefängnis zu schicken, dazu gemahlener Ingwer, Teufelskraut und brennende Eibenspäne, die Chess in der Nase juckten.
Die Energie im Raum änderte sich; magische Kraft schlängelte sich an ihren Beinen empor, sorgte dafür, dass sich ihre Nackenhaare aufrichteten und gab ihr diesen ganz speziellen kleinen Kick, der sie immer zum Lächeln brachte.
Doch das verkniff sie sich. Nicht heute. Stattdessen biss sie die Zähne zusammen und sah sich die Verurteilte an.
Lupita hatte sich sehr verändert seit ihrer letzten Begegnung mit Chess in jenem erbärmlichen, überhitzten kleinen Keller, in dem es nach Angst, verbrannten Kräutern und Gift gestunken hatte. Ihr massiger Körper schien geschrumpft zu sein. Statt des lächerlichen Turbans, an den Chess sich erinnerte, trug sie nur noch ihr eigenes kurz geschorenes Haar, und anstelle des albernen Zirkuskaftans verhüllte nun die schlichte schwarze Robe der Todeskandidaten ihren dicken Körper.
Aber ihre Augen waren noch dieselben. Sie schweiften über die kleine Versammlung, blieben an Chess hängen und starrten sie finster an. In ihnen brannte ein so glühender Hass, dass Chess das Gefühl hatte, es versenge ihr die Haut.
Sie zwang sich, dem Blick standzuhalten. Diese Frau hätte sie beinahe umgebracht, indem sie ihr Gift ins Getränk gemischt hatte; sie hätte beinahe einen ganzen Keller voller unschuldiger Menschen getötet, indem sie einen blutrünstigen, tobenden Geist beschworen hatte. Scheiß auf sie! Heute würde sie sterben, und Chess würde zusehen.
Etwas huschte durch die Tiefen von Lupitas Augen.
Chess stockte der Atem. Hatte sie das gerade wirklich gesehen? Dieses silbrige Aufblitzen? Das Aufleuchten, das verriet, dass Lupita einen Geist in ihrem Körper beherbergte?
Sie riss die Augen auf und musterte Lupita jetzt scharf, während sie abwartete. Eigentlich war das unmöglich. Lupita hatte bei ihrer Festnahme keinen Geist in sich getragen - das wäre bei der Inhaftierung sofort aufgeflogen -, und sie konnte nie und nimmer mitten in den Kirchengefängnissen Kontakt zu einem Geist hergestellt und sich mit ihm verbündet haben. Das war einfach völlig unmöglich.
Das Aufblitzen zeigte sich nicht noch einmal. Nein. Sie bildete sich da was ein. Der ganze Stress, die Spannungen in ihrem Privatleben - sofern man bei ihr überhaupt von einem Privatleben sprechen konnte - und die erdrückende Fürsorglichkeit der Ältesten und der anderen Debunker, die sie mit der ewigen Besorgnis wegen ihres Beins und all den guten Absichten förmlich erstickten. Dazu dann noch ein paar Cepts extra und eine Panda sowie eine halbe Nip zum Wachbleiben ... Kein Wunder, dass sie langsam Halluzinationen bekam. Was denn noch, vielleicht weiße Mäuse?
Der Älteste Griffin stand vor der Guillotine und räusperte sich.
»Irene Lowe, auch bekannt als Madame Lupita, die Kirche hat Sie der Beschwörung von Geistern auf diese Erde für schuldig befunden. Außerdem hat man Sie des versuchten Mordes an Debunkerin Cesaria Putnam für schuldig befunden. Cesaria, ist diese Frau für die genannten Verbrechen verantwortlich?«
Obwohl ihre rechte Hüfte protestierte und trotz eines leichten Stirnrunzelns des Ältesten Griffin, erhob sich Chess. »Ja, Ältester. «
»Und Sie erklären dies auf welcher Grundlage?«
»Ich war Zeugin, wie diese Frau die Verbrechen beging, Ältester. «
»Und Sie schwören, dass Sie Fakt und Wahrheit sprechen?«
»Das tue ich, Ältester.«
Der Älteste Griffin nickte ihr knapp zu und wandte sich dann Dana Wright zu, während Chess sich wieder in den Stuhl sinken ließ. Eine Frau würde aufgrund ihrer Aussage sterben. Dabei war ihr Wort das Wort eines Junkies, einer Lügnerin, das Wort einer Frau, die ihren einzigen echten Freund betrogen hatte, und es war einen Scheißdreck wert.
Er würde nie wieder mit ihr reden. Letzte Woche hatte sie es endgültig aufgegeben, ihn anzurufen. Sie hatte auch die Hoffnung begraben, dass sie ihn im Trickster's oder Chuck's treffen würde. Sie stand auch nicht mehr ständig in der Kälte auf dem Markt rum, nur um zu sehen, ob er sich da vielleicht mal blicken ließ. Natürlich war er immer noch da draußen unterwegs. Es gab Leute, die ihn gesehen hatten.
Sie gehörte allerdings nicht dazu. Sie hätte nie gedacht, dass man jemandem so hartnäckig aus dem Weg gehen konnte. Es war, als könnte er es spüren, wenn sie sich näherte.
In der Menge entstand Bewegung, und sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Ereignisse im Saal. Die eigentliche Hinrichtung stand jetzt unmittelbar bevor.
Der Raum vibrierte inzwischen vor magischer Macht, die wie ein gewaltiger Herzschlag alles um sie herum zum Dröhnen brachte - langsam, satt und gleichmäßig. Ein Kreis war nicht nötig; der Raum selbst war ja kreisförmig und glich mit dem Eisenmantel in den Betonwänden einer magischen Festung.
Der Älteste Griffin begann die Trommel zu schlagen und ließ dabei zwischen den einzelnen Schlägen die Hand gerade so lange in der Luft schweben, dass Chess sich beim atemlosen Warten ertappte. Sie konnte sich kaum rühren oder Luft holen, bis das nächste tiefe Dröhnen erklang. Die Magie des Saals strömte in sie, füllte die Leere in ihr und machte sie zu einem mächtigeren Wesen. Es fühlte sich gut an. So gut, dass sie am liebsten die Augen geschlossen und sich der Empfindung ganz hingegeben hätte, um alles und jeden zu vergessen und nur noch in dieser Energie zu existieren.
Das konnte sie natürlich nicht. Sie wusste, dass sie es nicht konnte. Also sah sie stattdessen zu, wie der Psychopomp des Henkers Gestalt annahm. Der Hund wuchs aus dem Schädel wie ein Fluss, der von einem Berggipfel strömt, und bildete nach und nach Beine, einen Schwanz und glänzendes schwarzes Fell aus, das die eben noch nackte Haut über den Knochen bedeckte.
Der Trommelschlag beschleunigte sich. Trommeln ... auch bei Lupitas Séance in jener Nacht hatte es Trommeln gegeben, die von einem völlig mit Speed zugeknallten Duo gespielt worden waren, mit Augen so groß wie Kugellager. Und jetzt wurden wieder Trommeln geschlagen und begleiteten die Worte des Ältesten Griffin mit einem monotonen, schleppenden Rhythmus.
»Irene Lowe, Sie wurden von einem Tribunal aus Kirchenältesten für schuldig befunden und zum Tode verurteilt. Dieses Urteil soll nun vollstreckt werden. Wenn Sie noch irgendwelche letzten Worte zu verkünden haben, haben Sie jetzt Gelegenheit dazu.«
Lupita starrte auf den Boden und schüttelte den Kopf. Chess streckte die eigenen magischen Fühler aus und versuchte, dieser Frau ein bisschen auf den Zahn zu fühlen. Spürte sie Furcht, Wut, irgendetwas? Lupita war zu still. Zu gelassen. Irgendwas stimmte hier nicht.
Der Henker half Lupita auf die Knie und drückte ihren Hals in die Lünette. Der Trommelwirbel wurde lauter und schneller, lauter selbst als Chess' Herzschlag oder das Ein- und Ausströmen der magiegesättigten Luft in ihren Lungen. Lauter als ihre Gedanken.
Sie verstärkte ihre magische Berührung, tastete Lupitas Haut mit ihrer Energie ab, auf der Suche nach irgendetwas ...
Oh Scheiße!
Ihr Bein knickte ein, als sie aufsprang, sodass sie fast gestürzt wäre. »Nein! Nein, nicht ...«
Zu spät.
© 2011 LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH
Er wusste doch wohl nicht Bescheid, oder? Hatte Oliver Fletcher ihm von dem Psychopomp erzählt und davon, was sie ihm angetan hatte? Wenn dieser Bast ... Nein. Das war nur blöde Paranoia. Oliver hatte ihm ganz bestimmt nichts verraten. Wann denn auch? Soweit sie wusste, hatten die beiden Männer sich seit jener Nacht nur einmal unterhalten - seit der Nacht, in der sie den Psychopomp getötet hatte, der Nacht, in der Terrible ...
Der Atem rasselte in ihrer Brust. Ach ja, richtig. Hier und jetzt waren solche Gedanken wirklich fehl am Platz. Hier fand eine Hinrichtung statt, sie musste eine Zeugenaussage machen, und deshalb hieß es jetzt verflucht noch mal Ruhe bewahren und die Aussage zu Protokoll geben.
Also setzte sie sich auf den harten Holzstuhl mit der geraden Rückenlehne, sog den penetranten Desinfektionsmittelgestank ein und sah zu, wie sich die anderen im Gänsemarsch in den Raum schoben. Da war der Älteste Murray, dessen geschminkte Augenringe auf der tiefdunklen Haut beinahe verschwanden, obwohl sie so schwarz wie sein Haar waren. Dann kam Dana Wright, die andere Debunkerin, die bei der Razzia im Keller von Madame Lupita dabei gewesen war, mit den hellen Locken ums Gesicht.
Für Lupita selbst war niemand gekommen. Jeder, dem vielleicht etwas an ihr lag oder der in den letzten Minuten ihrer sterblichen Existenz gerne bei ihr gewesen wäre, war entweder bereits selbst hingerichtet worden oder schmorte in einer Gefängniszelle.
Als Letzter - bevor die Verurteilte selbst eintraf - kam der Henker, das Gesicht von einer schweren schwarzen Kapuze verhüllt. In der ausgestreckten Rechten trug er einen Hundeschädel - seinen Psychopomp, der schon bald Madame Lupita ins Geistergefängnis tragen würde. In der linken Hand hielt er eine Kette, und am Ende der Kette ging Madame Lupita, deren Arme und Handgelenke mit eisernen Schellen gefesselt waren.
Mit dumpfem Krachen fiel die Tür hinter ihnen zu, und das Schloss klickte; es würde sich erst in einer halben Stunde wieder öffnen. Zeit genug für die Hinrichtung und den Abtransport der Seele in die Stadt der Ewigkeit. Diese Zeitschlösser hatte man in der Gründungszeit der Kirche eingeführt, nachdem eine Verkettung unglücklicher Umstände dazu geführt hatte, dass ein Geist die Tür geöffnet hatte und entkommen war. Wie alles, was die Kirche tat, hatten auch die Zeitschlösser ihren Sinn, aber dennoch konnte Chess einen leichten Anflug von Panik nicht unterdrücken. Sie war eingesperrt. Das konnte sie grundsätzlich nicht leiden.
Der Henker befestigte sein Ende der Kette an der Guillotine und machte sich daran, den Schädel am Sockel des fest installierten Altars aufzustellen. Rauch quoll aus seiner Räucherschale und überdeckte den Gestank von Bleichmittel und Ammoniak; der starke, beißende Geruch von Melidia, um Lupitas Seele ins Geistergefängnis zu schicken, dazu gemahlener Ingwer, Teufelskraut und brennende Eibenspäne, die Chess in der Nase juckten.
Die Energie im Raum änderte sich; magische Kraft schlängelte sich an ihren Beinen empor, sorgte dafür, dass sich ihre Nackenhaare aufrichteten und gab ihr diesen ganz speziellen kleinen Kick, der sie immer zum Lächeln brachte.
Doch das verkniff sie sich. Nicht heute. Stattdessen biss sie die Zähne zusammen und sah sich die Verurteilte an.
Lupita hatte sich sehr verändert seit ihrer letzten Begegnung mit Chess in jenem erbärmlichen, überhitzten kleinen Keller, in dem es nach Angst, verbrannten Kräutern und Gift gestunken hatte. Ihr massiger Körper schien geschrumpft zu sein. Statt des lächerlichen Turbans, an den Chess sich erinnerte, trug sie nur noch ihr eigenes kurz geschorenes Haar, und anstelle des albernen Zirkuskaftans verhüllte nun die schlichte schwarze Robe der Todeskandidaten ihren dicken Körper.
Aber ihre Augen waren noch dieselben. Sie schweiften über die kleine Versammlung, blieben an Chess hängen und starrten sie finster an. In ihnen brannte ein so glühender Hass, dass Chess das Gefühl hatte, es versenge ihr die Haut.
Sie zwang sich, dem Blick standzuhalten. Diese Frau hätte sie beinahe umgebracht, indem sie ihr Gift ins Getränk gemischt hatte; sie hätte beinahe einen ganzen Keller voller unschuldiger Menschen getötet, indem sie einen blutrünstigen, tobenden Geist beschworen hatte. Scheiß auf sie! Heute würde sie sterben, und Chess würde zusehen.
Etwas huschte durch die Tiefen von Lupitas Augen.
Chess stockte der Atem. Hatte sie das gerade wirklich gesehen? Dieses silbrige Aufblitzen? Das Aufleuchten, das verriet, dass Lupita einen Geist in ihrem Körper beherbergte?
Sie riss die Augen auf und musterte Lupita jetzt scharf, während sie abwartete. Eigentlich war das unmöglich. Lupita hatte bei ihrer Festnahme keinen Geist in sich getragen - das wäre bei der Inhaftierung sofort aufgeflogen -, und sie konnte nie und nimmer mitten in den Kirchengefängnissen Kontakt zu einem Geist hergestellt und sich mit ihm verbündet haben. Das war einfach völlig unmöglich.
Das Aufblitzen zeigte sich nicht noch einmal. Nein. Sie bildete sich da was ein. Der ganze Stress, die Spannungen in ihrem Privatleben - sofern man bei ihr überhaupt von einem Privatleben sprechen konnte - und die erdrückende Fürsorglichkeit der Ältesten und der anderen Debunker, die sie mit der ewigen Besorgnis wegen ihres Beins und all den guten Absichten förmlich erstickten. Dazu dann noch ein paar Cepts extra und eine Panda sowie eine halbe Nip zum Wachbleiben ... Kein Wunder, dass sie langsam Halluzinationen bekam. Was denn noch, vielleicht weiße Mäuse?
Der Älteste Griffin stand vor der Guillotine und räusperte sich.
»Irene Lowe, auch bekannt als Madame Lupita, die Kirche hat Sie der Beschwörung von Geistern auf diese Erde für schuldig befunden. Außerdem hat man Sie des versuchten Mordes an Debunkerin Cesaria Putnam für schuldig befunden. Cesaria, ist diese Frau für die genannten Verbrechen verantwortlich?«
Obwohl ihre rechte Hüfte protestierte und trotz eines leichten Stirnrunzelns des Ältesten Griffin, erhob sich Chess. »Ja, Ältester. «
»Und Sie erklären dies auf welcher Grundlage?«
»Ich war Zeugin, wie diese Frau die Verbrechen beging, Ältester. «
»Und Sie schwören, dass Sie Fakt und Wahrheit sprechen?«
»Das tue ich, Ältester.«
Der Älteste Griffin nickte ihr knapp zu und wandte sich dann Dana Wright zu, während Chess sich wieder in den Stuhl sinken ließ. Eine Frau würde aufgrund ihrer Aussage sterben. Dabei war ihr Wort das Wort eines Junkies, einer Lügnerin, das Wort einer Frau, die ihren einzigen echten Freund betrogen hatte, und es war einen Scheißdreck wert.
Er würde nie wieder mit ihr reden. Letzte Woche hatte sie es endgültig aufgegeben, ihn anzurufen. Sie hatte auch die Hoffnung begraben, dass sie ihn im Trickster's oder Chuck's treffen würde. Sie stand auch nicht mehr ständig in der Kälte auf dem Markt rum, nur um zu sehen, ob er sich da vielleicht mal blicken ließ. Natürlich war er immer noch da draußen unterwegs. Es gab Leute, die ihn gesehen hatten.
Sie gehörte allerdings nicht dazu. Sie hätte nie gedacht, dass man jemandem so hartnäckig aus dem Weg gehen konnte. Es war, als könnte er es spüren, wenn sie sich näherte.
In der Menge entstand Bewegung, und sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Ereignisse im Saal. Die eigentliche Hinrichtung stand jetzt unmittelbar bevor.
Der Raum vibrierte inzwischen vor magischer Macht, die wie ein gewaltiger Herzschlag alles um sie herum zum Dröhnen brachte - langsam, satt und gleichmäßig. Ein Kreis war nicht nötig; der Raum selbst war ja kreisförmig und glich mit dem Eisenmantel in den Betonwänden einer magischen Festung.
Der Älteste Griffin begann die Trommel zu schlagen und ließ dabei zwischen den einzelnen Schlägen die Hand gerade so lange in der Luft schweben, dass Chess sich beim atemlosen Warten ertappte. Sie konnte sich kaum rühren oder Luft holen, bis das nächste tiefe Dröhnen erklang. Die Magie des Saals strömte in sie, füllte die Leere in ihr und machte sie zu einem mächtigeren Wesen. Es fühlte sich gut an. So gut, dass sie am liebsten die Augen geschlossen und sich der Empfindung ganz hingegeben hätte, um alles und jeden zu vergessen und nur noch in dieser Energie zu existieren.
Das konnte sie natürlich nicht. Sie wusste, dass sie es nicht konnte. Also sah sie stattdessen zu, wie der Psychopomp des Henkers Gestalt annahm. Der Hund wuchs aus dem Schädel wie ein Fluss, der von einem Berggipfel strömt, und bildete nach und nach Beine, einen Schwanz und glänzendes schwarzes Fell aus, das die eben noch nackte Haut über den Knochen bedeckte.
Der Trommelschlag beschleunigte sich. Trommeln ... auch bei Lupitas Séance in jener Nacht hatte es Trommeln gegeben, die von einem völlig mit Speed zugeknallten Duo gespielt worden waren, mit Augen so groß wie Kugellager. Und jetzt wurden wieder Trommeln geschlagen und begleiteten die Worte des Ältesten Griffin mit einem monotonen, schleppenden Rhythmus.
»Irene Lowe, Sie wurden von einem Tribunal aus Kirchenältesten für schuldig befunden und zum Tode verurteilt. Dieses Urteil soll nun vollstreckt werden. Wenn Sie noch irgendwelche letzten Worte zu verkünden haben, haben Sie jetzt Gelegenheit dazu.«
Lupita starrte auf den Boden und schüttelte den Kopf. Chess streckte die eigenen magischen Fühler aus und versuchte, dieser Frau ein bisschen auf den Zahn zu fühlen. Spürte sie Furcht, Wut, irgendetwas? Lupita war zu still. Zu gelassen. Irgendwas stimmte hier nicht.
Der Henker half Lupita auf die Knie und drückte ihren Hals in die Lünette. Der Trommelwirbel wurde lauter und schneller, lauter selbst als Chess' Herzschlag oder das Ein- und Ausströmen der magiegesättigten Luft in ihren Lungen. Lauter als ihre Gedanken.
Sie verstärkte ihre magische Berührung, tastete Lupitas Haut mit ihrer Energie ab, auf der Suche nach irgendetwas ...
Oh Scheiße!
Ihr Bein knickte ein, als sie aufsprang, sodass sie fast gestürzt wäre. »Nein! Nein, nicht ...«
Zu spät.
© 2011 LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH
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Autoren-Porträt von Stacia Kane
Stacia Kane lebt mit ihrem Mann und zwei Töchtern in der Nähe von Atlanta. Ihre Karriere als Schriftstellerin begann sie 2008 mit dem Urban-Fantasy-Roman Personal Demons. Derzeit arbeitet sie an der Fortsetzung ihrer Geisterjäger-Serie.
Bibliographische Angaben
- Autor: Stacia Kane
- 2011, 509 Seiten, Maße: 12,6 x 17,8 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Ins Deutsche übertragen v. Jasper Nicolaisen
- Übersetzer: Jasper Nicolaisen
- Verlag: LYX
- ISBN-10: 3802583582
- ISBN-13: 9783802583582
Kommentar zu "Geisterstadt"
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