Geliebter Husky
Die Huskyzüchterin Diana McCormick will unbedingt das Iditarod-Hunderennen mitfahren. Doch während einer Trainingsfahrt wird ihr Leithund erschossen. Da entdeckt sie zufällig den Hund Rebel, der verkauft werden soll. Und er ist genau der Richtige für sie.
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Produktinformationen zu „Geliebter Husky “
Die Huskyzüchterin Diana McCormick will unbedingt das Iditarod-Hunderennen mitfahren. Doch während einer Trainingsfahrt wird ihr Leithund erschossen. Da entdeckt sie zufällig den Hund Rebel, der verkauft werden soll. Und er ist genau der Richtige für sie.
Lese-Probe zu „Geliebter Husky “
Geliebter Husky von Christopher Ross1
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Der Tag war schon fast vorüber, und doch hatte Diane das Gefühl, es würde noch etwas ganz Besonderes passieren. Vielleicht lag es an den ersten Schneeflocken, die vom dunklen Himmel rieselten und zwischen den Fichten am Straßenrand verschwanden. In einigen Wochen würde der Winter das Land fest im Griff haben, und sie konnte endlich von ihrem Blockhaus in Moose Creek zu ihren Trainingsläufen starten. Der Winter war die schönste Jahreszeit in Alaska, wenn man zwanzig Huskys besaß und es nichts Schöneres gab, als mit dem Schlitten durch die Wildnis zu fahren.
Sie blieb einen Augenblick stehen und genoss die flüchtige Berührung der Schneeflocken auf ihrem Gesicht. Der erste Schnee kam früh in diesem Jahr, es war erst Anfang Oktober, und die Prognosen für einen langen und schneereichen Winter waren besser als in den vergangenen Jahren. Wie düstere Schatten hingen die Schneewolken am Himmel und verschmolzen mit der Dämmerung, die um diese Jahreszeit bereits am späten Nachmittag einsetzte. Nur am fernen Horizont waren noch helle Streifen zu erkennen.
»Hey, Diane! Ist was mit deinem Wagen?«, rief einer ihrer Kollegen.
»Nein, nein, alles okay«, antwortete sie.
Sie stieg in ihren Pick-up und ließ den Motor an. Mit einiger Verzögerung setzte die Klimaanlage ein und blies zuerst eiskalte und dann warme Luft ins Wageninnere. Der mit Federn geschmückte Traumfänger an ihrem Rückspiegel, den sie von einem befreundeten Musher geschenkt bekommen hatte, zappelte im Luftstrom. Die Scheibenwischer fegten den Schnee von der Windschutzscheibe und dem Rückfenster. Ihr Radio war eingeschaltet, KOOL 97,3, der einzige Sender, der auch mal die Stones oder Kinks brachte. Obwohl sie erst dreißig war, stand sie auf klassischen Rock aus den Sixties.
Ohne in den Rückspiegel zu blicken und ihr Aussehen zu überprüfen wie so viele Frauen, wendete Sie den Pick-up und fuhr nach Osten zurück. Sie wusste selbst, dass sie in ihrer Arbeitskluft keinen Schönheitswettbewerb gewinnen würde. Der blaue Overall, die karierte Holzfällerjacke, von der sie sich eigentlich längst hätte trennen sollen, und die klobigen Wanderschuhe unterschieden sie kaum von ihren männlichen Kollegen auf der Baustelle, und wenn sie ihre hochgesteckten Haare unter einer Mütze versteckte, musste man schon genau hinsehen, um sie als Frau zu erkennen. Nur wer ihr direkt gegenüberstand und in ihre blauen Augen blickte, bekam einen Einblick in ihre weibliche Seele. Sie wirkten träumerisch und doch entschlossen, waren ein Spiegelbild ihres Charakters: sanft und nachdenklich, wenn es um Gefühle ging, vor allem um ihren siebenjährigen Sohn, hellwach und willensstark in ihrem Sommerjob unter lauter Männern und auf dem Hundeschlitten, wenn sie ebenfalls gegen Männer antrat und ihr Husky-Team durch die verschneite Wildnis lenkte.
Sie hatten eine Stunde länger gearbeitet, um die schadhaften Stellen im Asphalt noch vor dem eisigen Frost zu teeren, und nun musste sie sich beeilen, wenn sie das heimatliche Blockhaus noch vor ihrem Sohn erreichen wollte. John-Boy, wie sie ihn nach einem Jungen in »The Waltons« nannte, einer Fernsehserie, die spätnachts auf einem obskuren Kabelkanal wiederholt wurde, war es gewohnt, dass sie ihn vom Schulbus abholte. Er ging in die zweite Klasse und gewöhnte sich nur langsam an seinen veränderten Tagesablauf.
Ein Blick auf die Uhr am Armaturenbrett ließ sie das Gaspedal durchtreten. Sie war eine sichere Fahrerin, und auch der plötzliche Wintereinbruch schreckte sie nicht. Auf ihren Ausflügen mit dem Hundeschlitten hatte sie mit viel schlimmeren Bedingungen zu kämpfen. In wenigen Minuten kam der Schulbus. Sie wohnten in Moose Lake, einem winzigen Ort westlich von Wasilla. Ihr zweistöckiges Blockhaus lag ungefähr eine Meile abseits des Highways am Waldrand mit Blick auf den Lake Lucille und die schneebedeckten Berge der Talkeetna Mountains im Norden. Wenn die Sonne schien, spiegelten sich die Gipfel im klaren See.
Sie überholte einen knallroten Jeep, offensichtlich ein Urlauber aus südlichen Gefilden, der vor den winterlichen Bedingungen scheute, und beschleunigte noch etwas mehr. Bis Moose Lake, einer winzigen Siedlung, die nur aus ein paar versprengten Häusern bestand, waren es noch vier oder fünf Meilen. Vielleicht sollte sie ihrem Sohn doch ein Handy kaufen, dann könnte sie ihn jederzeit erreichen. Viele seiner Freunde besaßen eines.
Sie kniff die Augen gegen das leichte Schneetreiben zusammen. Ihre größte Sorge war es, als Mutter zu versagen, ein schwieriges Unterfangen, wenn man bedachte, dass sie seit drei Jahren geschieden war und kaum Unterhalt von ihrem Ex-Mann bekam. Im Sommer arbeitete sie auf einer Baustelle, im Winter half sie in einem Supermarkt in Wasilla aus, und den größten Teil ihrer Freizeit verbrachte sie mit ihren Huskys. Wenn sie beim großen Iditarod-Hundeschlittenrennen auf einem der vorderen Plätze landen wollte, musste sie zweimal die Woche und im Winter sogar jeden Tag trainieren. Ohne die wenn auch kärglichen Sponsorengelder eines Hundefutter-Herstellers wäre das gar nicht möglich gewesen. Ihr Blockhaus war noch lange nicht abbezahlt, und ein Kind kostete mehr Geld, als sie angenommen hatte.
In ihrem Außenspiegel tauchten die flackernden blauen und roten Lichter eines Streifenwagens auf. Ein weißer Explorer der Alaska State Troopers. Sie fuhr langsam an den Straßenrand und ließ die Hände auf dem Lenkrad liegen.
Leise fluchend beobachtete sie, wie der Trooper aus dem Explorer stieg, seinen Gürtel zurechtrückte und langsam näher kam. Sie kannte einige der Troopers von der Baustelle und hoffte, mit einer Ermahnung davonzukommen, aber sicher war das keineswegs. Sie war mindestens zwanzig Meilen zu schnell gewesen, und die Troopers verstanden keinen Spaß, wenn es um zu schnelles Fahren ging. Auf dem Parks Highway passierten zu viele Unfälle.
Ein Strafzettel würde sie teuer zu stehen kommen, befürchtete sie. Ausgerechnet diesen Monat, wo sie besonders knapp bei Kasse war. Vor ein paar Tagen hatte sie über hundert Dollar für eine Reparatur an ihrem Pick-up bezahlt. Der Wagen hatte schon über fünfzehn Jahre auf dem Buckel.
Sie ließ das Seitenfenster herunter und sah das ernste Gesicht des Troopers vor sich. Er war sehr groß und musste fast in die Knie zu gehen, um sie ansehen zu können. »Sie wissen, warum ich Sie anhalte, Mäam?«
»Ich war etwas zu schnell, ich weiß«, erklärte sie reumütig.
»Sie waren zwanzig Meilen zu schnell«, verbesserte er sie. Er war ein stattlicher Bursche, breitschultrig und durchtrainiert wie die meisten jungen Troopers, das verbarg selbst sein gefütterter Anorak nicht. Sein markantes Gesicht hatte einen leicht indianischen Einschlag und wirkte etwas kantig, dagegen waren seine dunklen Augen eher sanft, als würde ein schwaches Feuer in ihnen glimmen. Unter seinem breitkrempigen Hut lugte glattes schwarzes Haar hervor. Er blickte sie ernst an. »Ihre Papiere bitte, Mäam.«
Diane reichte sie ihm schweigend. Sie wusste, dass eine versuchte Ausrede alles nur noch viel schlimmer gemacht hätte. »Einen Augenblick bitte«, hörte sie ihn sagen. Im Rückspiegel beobachtete sie, wie er zu seinem Wagen ging und ihren Wagen und ihren Führerschein überprüfte. Immer die gleiche Prozedur, wenn man von einem Polizisten angehalten wurde. Das war's dann wohl, dachte sie mit einem Blick auf die Uhr, der Schulbus war sicher schon in Moose Lake. Ihr John-Boy würde wohl allein nach Hause gehen müssen.
Der Trooper kehrte zurück. Sein Anorak stand offen, und sie las »Rick Larsen« auf seinem Namensschild. Der Name passte zu dem ruhigen Mann. Ein attraktiver Bursche, wie sie widerwillig zugeben musste, auch wenn Polizisten in Uniformen auf den ersten Blick alle gleich auszusehen schienen. Rick Larsen war anders. Er passte nicht in das Schema eines Troopers, war weder der ernste und einsilbige Cop, der sich lässig wie ein Sheriff im Wilden Westen gebärdete, und auch nicht der zynische Bursche, der zu viele Krimis über die Arbeit der City Cops in Chicago oder New York gelesen hatte. Er wirkte ruhiger und nachdenklicher und wesentlich zugänglicher.
Als er ihr die Papiere zurückreichte, lächelte er sogar. »Diesmal will ich es bei einer Ermahnung belassen, Ma'am. Aber ich rate Ihnen dringend, bei diesem Wetter etwas langsamer und vorsichtiger zu fahren.« Sie konnte ihr Glück kaum fassen und bedankte sich artig. »Kommt der Winter hier immer so früh? Ich hab gehört, in Alaska geht im Winter kaum noch die Sonne auf. «
»Dafür bleibt es im Sommer länger hell.« Sie konnte es kaum erwarten, endlich weiterzufahren und John-Boy vielleicht noch an der Bushaltestelle abzupassen, wagte jedoch nicht, den Trooper zu verärgern. Sie steckte ihre Papiere hinter die Sonnenblende. »Sie sind wohl nicht von hier, Officer?«
»Breckenridge, Colorado«, antwortete er. »Ein kleiner Ort in der Nähe von Denver. Ich hab mich vor einem halben Jahr versetzen lassen. Wollte mal sehen, wie es hier oben aussieht.« Er deutete auf den Boxenaufbau mit den vergitterten Fenstern, der die gesamte Ladefläche ihres Pick-ups einnahm. »Da sind Schlittenhunde drin, stimmt's? Bei uns in Colorado gibt es auch Hundeschlittenrennen. Nicht so aufregend wie hier, aber immerhin.« Er schien völlig vergessen zu haben, warum er sie angehalten hatte. »Sind Sie etwa Musherin? Wollen Sie das Iditarod gewinnen? So heißt doch das große Rennen?«
»Kommt ganz darauf an, wie gut meine Hunde und ich in Form sind.« Sie blickte ungeduldig auf die Uhr. »Tut mir leid, Officer. Ich hab's furchtbar eilig, deshalb war ich auch ... äh ... ein wenig zu schnell. Meine Hunde warten, und was noch viel schlimmer ist, mein kleiner Sohn kommt aus der Schule ... «
»Wo wohnen Sie?«
»Moose Lake. Ungefähr drei Meilen die Straße runter.« »Kenne ich«, sagte er. »Fahren Sie hinter mir her!«
Er lief zu seinem Wagen zurück und fuhr mit flackernden Warnlichtern an ihr vorbei. Durch ein Handzeichen gab er ihr zu verstehen, ihm zu folgen. Sie ließ sich nicht zweimal bitten, fuhr in seinem Windschatten nach Osten und erreichte die Abzweigung zu ihrem Blockhaus. Ihr Sohn war gerade aus dem Schulbus gestiegen. Sie hielt neben ihm und winkte der Fahrerin des Schulbusses zu, während sie aus ihrem Pick-up stieg. Betty erwiderte ihren Gruß nur flüchtig, sie hatte mehr Augen für den Trooper, der Diane mit seinem Streifenwagen nach Hause begleitet hatte. Beim Bingo-Abend des Frauenclubs in Wasilla würden Diane und der unbekannte Trooper das Gesprächsthema Nummer eins sein.
»Hey, John-Boy«, begrüßte Diane ihren Sohn. »Alles klar?«
»Alles roger, Mom.« Er umarmte sie und blickte in einer Mischung aus Ehrfurcht und Erstaunen auf den Streifenwagen. »Hast du was angestellt?«
Der Trooper hatte das Fenster heruntergelassen. Sie drehte sich zu ihm um und nickte ihm lächelnd zu. »Ich musste heute länger arbeiten, John-Boy. Der Officer war so freundlich, mich herzubegleiten. Ohne ihn hätte ich es bestimmt nicht pünktlich geschafft.« Dass er sie angehalten hatte, weil sie zu schnell gefahren war, brauchte ihr Sohn nicht zu wissen. »Sag dem Officer guten Tag.«
»Guten Tag, Officer.«
Der Schulbus fuhr weiter, und sie waren mit dem Trooper allein. »Hey ... John-Boy, nicht wahr?«, rief er. »Ich heiße Rick. Auch für Sie, Ma'am.« Er wurde verlegen und fragte: »Haben wir uns schon mal irgendwo gesehen?«
Zuerst hielt sie den Satz für eine misslungene Anmache, doch schon im nächsten Augenblick wurde ihr klar, dass er recht haben könnte. »Diane«, korrigierte sie ihn. »Kein >Ma'am< und kein >Di< und vor allem keine blöden Witze wegen dieser englischen Prinzessin, die kann ich nicht mehr hören.« Sie blickte an sich herunter und genierte sich plötzlich für ihren schmutzigen Overall. »Ich arbeite auf der Baustelle an der Big Lake Road. Dort kommen öfter mal Trooper vorbei. Wir teeren die Straße an der großen Kreuzung.«
»Meine Mom fährt eine Dampfwalze«, ergänzte John-Boy stolz.
»Ehrlich?«, fragte der Trooper beeindruckt.
Diane war an Erstaunen gewöhnt, wenn sie von ihrem Sommerjob berichtete. Sie lächelte. »So eine Dampfwalze ist leichter zu steuern als Ihr Explorer, Officer, und wenn mir jemand in den Weg kommt, mache ich ihn platt.« Ihren kleinen Standardscherz konnte sie sich nicht verkneifen. »Von irgendwas muss der Mensch leben, und zum Model tauge ich leider nicht.«
»Mir gefallen Sie auch im Overall«, erwiderte der Trooper. »Diese Models bestehen doch sowieso nur aus teuren Outfits und pfundweise Make-up. Wollen ... wollen Sie wirklich beim Iditarod mitmachen? Ist das nicht gefährlich?«
Sie gab ihrem Sohn durch eine Kopfbewegung zu verstehen, in den Pick-up zu klettern, und grinste. »Eigentlich nicht. Letztes Mal musste ich einen Grizzly, den ich beim Winterschlaf gestört hatte, mit den bloßen Händen erledigen und einen Elch mit meiner .357er Magnum vertreiben, aber sonst ging es relativ ruhig auf dem Trail zu. Nun ja, abgesehen von dem Blizzard, der mich auf dem zugefrorenen Ozean erwischte, und den bangen Minuten, als meine Hunde durchgingen und ich drei Stunden brauchte, um sie mehrere Meilen vom Trail entfernt in einem Canyon wiederzufinden.«
»Na, dann«, sagte er ebenfalls lächelnd, »war mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen, Ma'am ... Diane. Und fahren Sie nächstes Mal etwas langsamer.«
»Mach ich«, sagte sie, obwohl er bereits sein Fenster geschlossen hatte und davonfuhr. Sie blickte ihm nach, wunderte sich darüber, wie sie dazu kam, sich mit einem State Trooper anzufreunden, und kletterte in ihren Pick-up.
John-Boy empfing sie mit einem fröhlichen Lachen. »Ziemlich cool, der Officer. Meinst du, er nimmt mich mal in seinem Streifenwagen mit, Mom?«
»Keine Ahnung. Ich weiß nicht, ob wir ihn noch mal wiedersehen.«
»Der kommt bestimmt wieder. Und wenn nicht, fährst du einfach zu schnell, dann hält er dich garantiert an, und du bringst ihn nach Hause mit.«
»Du hast Ideen«, sagte sie, fand den Gedanken aber gar nicht abwegig.
Über die holprige Schotterstraße, die am Waldrand entlangführte, lenkte sie den Pick-up zu ihrem Blockhaus. Es war noch dunkler geworden, und die Lichtkegel ihrer Scheinwerfer tasteten sich über den harten Boden. Inzwischen hatte es zu schneien aufgehört, und nur noch vereinzelt wirbelten Schneeflocken durch die Luft. Der Pick-up ächzte wie ein altersschwaches Monster. Immer noch besser als der Schlamm im Hochsommer, dachte sie.
Sie blickte ihren Sohn an. »Wie war's in der Schule?«
»Ich musste vorlesen. Aus einem Buch über das Iditarod.«
»Über den Wettlauf? Als die Leute in Nome krank wurden und vielleicht alle gestorben wären, wenn die Musher ihre Medizin nicht mit dem Hundeschlitten gebracht hätten? Die Geschichte von Balto, dem tapferen Schlittenhund?«
John-Boy staunte. »Die kennst du?«
»Jeder Musher kennt sie«, klärte Diane ihn auf. »Diesen Männern zu Ehren findet das Iditarod doch statt. Wir fahren die gleiche Strecke wie damals.« Sie wich einem Schlagloch aus. »Hattet ihr heute nicht Sport? Du wolltest dem Coach doch zeigen, was für ein guter Basketballer du bist.«
»Er will mich mal mitspielen lassen.«
»Immerhin.«
»Aber Coach Walker sagt, ich soll mir nicht allzu große Hoffnungen machen. Die anderen Jungs hätten mehr Chancen, weil sie größer sind. Ich soll Eishockey spielen. Coach Werner bräuchte noch einen Goalie für sein Team.«
»Eishockey-Torwart? Das wäre doch nicht übel.«
»Ich spiel lieber Basketball. Ich werde es ihnen schon zeigen!«
Dagegen wusste Diane nichts zu sagen. Wenn John-Boy sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, ging er stur darauf los, und wenn die Chancen noch so schlecht standen. Eine Eigenschaft, die Diane nicht fremd war. In jeder freien Minute übte er an dem Korb, der über dem Garagentor hing.
Sie hatten das Haus erreicht und parkten vor den Strohballen, die ein Lieferant am Nachmittag abgeladen hatte. Die Rechnung lag sicher im Briefkasten an der Straße. Sie brauchte das Stroh für die Nachtlager der Huskys, die sich bereits durch aufgeregtes Bellen bemerkbar machten. Zwanzig Hunde lagerten in ihren Hütten oder auf einem offenen Strohlager hinter dem Haus, nur Rebel, der erfahrene Leithund, durfte hinein und rannte ihr jaulend entgegen, als sie die Tür öffnete. Ein schwarzer sibirischer Husky mit weißen Fesseln und dem entschlossenen Blick eines starken Hundes, der es gar nicht erwarten konnte, endlich wieder einen Schlitten zu ziehen. Ihn hatte der Anblick der wirbelnden Schneeflocken wahrscheinlich genauso erfreut wie Diane. Im Sommer waren Räder unter dem Schlitten, aber nur im Winter, wenn er und die anderen Hunde durch den Schnee tollen durften, machte es Spaß.
Diane ging in die Hocke und umarmte ihren Leithund. Er jaulte aufgeregt und leckte ihre Wangen ab. »Schon gut, Rebel«, beruhigte sie ihn, während sie ihn auf die Wangen und zwischen die Augen küsste, »ich hab den Schnee auch gesehen. Leider bleibt er noch nicht liegen. Aber wie wär's, wenn wir morgen früh in die Berge fahren und dort trainieren? Zeit genug hätten wir ja. John-Boy verbringt das Wochenende bei Grandma. Stimmt's, John-Boy?«
»Stimmt. Sie will mich zu einem Rock-Konzert mitnehmen.«
»Zu einem Rock-Konzert?« Diane vergaß immer, dass ihre Mutter erst fünfzig war und mit den Beatles, Rolling Stones und Eagles aufgewachsen war. »In der Highschool spielt eine Band, die wären besser als die Kings.«
»Die Kinks«, verbesserte Diane. Ihre Vorliebe für den Rock der sechziger und siebziger Jahre hatte sie von ihrer Mutter geerbt. Sie summte den Refrain von »You Really Got Me«, erinnerte sich aber gleich wieder an ihre Pflichten. »Hilfst du mir beim Füttern, John-Boy? Danach fahren wir zu Grandma. Sie hat uns zum Essen eingeladen. Ihre Spezial-Cheeseburger mit dem flüssigen Pizza-Käse. Was meinst du? Wollen wir uns die genehmigen?«
»Und ob«, rief John-Boy begeistert.
Sie gab Rebel einen Klaps. »Aber zuerst kommen die Hunde dran. Du weißt doch: Eine Musherin, die ihre Hunde schlecht behandelt, landet irgendwann im Schnee und sieht ihr Team nie wieder. Und wenn das passiert, ist sie aufgeschmissen.« Sie blickte den Leithund an. »Hab ich recht, Rebel?«
Rebel antwortete mit einem lauten Bellen.
»Dann geben wir ihnen lieber doppelt zu fressen«, schlug John-Boy vor. »Dann strengen sie sich vielleicht doppelt an, und du gewinnst das Rennen.«
»Schön wär's«, erwiderte sie, »aber so einfach funktioniert das nicht.«
...
Copyright © 2011 by Verlagsgruppe Weltbild GmbH,
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
Der Tag war schon fast vorüber, und doch hatte Diane das Gefühl, es würde noch etwas ganz Besonderes passieren. Vielleicht lag es an den ersten Schneeflocken, die vom dunklen Himmel rieselten und zwischen den Fichten am Straßenrand verschwanden. In einigen Wochen würde der Winter das Land fest im Griff haben, und sie konnte endlich von ihrem Blockhaus in Moose Creek zu ihren Trainingsläufen starten. Der Winter war die schönste Jahreszeit in Alaska, wenn man zwanzig Huskys besaß und es nichts Schöneres gab, als mit dem Schlitten durch die Wildnis zu fahren.
Sie blieb einen Augenblick stehen und genoss die flüchtige Berührung der Schneeflocken auf ihrem Gesicht. Der erste Schnee kam früh in diesem Jahr, es war erst Anfang Oktober, und die Prognosen für einen langen und schneereichen Winter waren besser als in den vergangenen Jahren. Wie düstere Schatten hingen die Schneewolken am Himmel und verschmolzen mit der Dämmerung, die um diese Jahreszeit bereits am späten Nachmittag einsetzte. Nur am fernen Horizont waren noch helle Streifen zu erkennen.
»Hey, Diane! Ist was mit deinem Wagen?«, rief einer ihrer Kollegen.
»Nein, nein, alles okay«, antwortete sie.
Sie stieg in ihren Pick-up und ließ den Motor an. Mit einiger Verzögerung setzte die Klimaanlage ein und blies zuerst eiskalte und dann warme Luft ins Wageninnere. Der mit Federn geschmückte Traumfänger an ihrem Rückspiegel, den sie von einem befreundeten Musher geschenkt bekommen hatte, zappelte im Luftstrom. Die Scheibenwischer fegten den Schnee von der Windschutzscheibe und dem Rückfenster. Ihr Radio war eingeschaltet, KOOL 97,3, der einzige Sender, der auch mal die Stones oder Kinks brachte. Obwohl sie erst dreißig war, stand sie auf klassischen Rock aus den Sixties.
Ohne in den Rückspiegel zu blicken und ihr Aussehen zu überprüfen wie so viele Frauen, wendete Sie den Pick-up und fuhr nach Osten zurück. Sie wusste selbst, dass sie in ihrer Arbeitskluft keinen Schönheitswettbewerb gewinnen würde. Der blaue Overall, die karierte Holzfällerjacke, von der sie sich eigentlich längst hätte trennen sollen, und die klobigen Wanderschuhe unterschieden sie kaum von ihren männlichen Kollegen auf der Baustelle, und wenn sie ihre hochgesteckten Haare unter einer Mütze versteckte, musste man schon genau hinsehen, um sie als Frau zu erkennen. Nur wer ihr direkt gegenüberstand und in ihre blauen Augen blickte, bekam einen Einblick in ihre weibliche Seele. Sie wirkten träumerisch und doch entschlossen, waren ein Spiegelbild ihres Charakters: sanft und nachdenklich, wenn es um Gefühle ging, vor allem um ihren siebenjährigen Sohn, hellwach und willensstark in ihrem Sommerjob unter lauter Männern und auf dem Hundeschlitten, wenn sie ebenfalls gegen Männer antrat und ihr Husky-Team durch die verschneite Wildnis lenkte.
Sie hatten eine Stunde länger gearbeitet, um die schadhaften Stellen im Asphalt noch vor dem eisigen Frost zu teeren, und nun musste sie sich beeilen, wenn sie das heimatliche Blockhaus noch vor ihrem Sohn erreichen wollte. John-Boy, wie sie ihn nach einem Jungen in »The Waltons« nannte, einer Fernsehserie, die spätnachts auf einem obskuren Kabelkanal wiederholt wurde, war es gewohnt, dass sie ihn vom Schulbus abholte. Er ging in die zweite Klasse und gewöhnte sich nur langsam an seinen veränderten Tagesablauf.
Ein Blick auf die Uhr am Armaturenbrett ließ sie das Gaspedal durchtreten. Sie war eine sichere Fahrerin, und auch der plötzliche Wintereinbruch schreckte sie nicht. Auf ihren Ausflügen mit dem Hundeschlitten hatte sie mit viel schlimmeren Bedingungen zu kämpfen. In wenigen Minuten kam der Schulbus. Sie wohnten in Moose Lake, einem winzigen Ort westlich von Wasilla. Ihr zweistöckiges Blockhaus lag ungefähr eine Meile abseits des Highways am Waldrand mit Blick auf den Lake Lucille und die schneebedeckten Berge der Talkeetna Mountains im Norden. Wenn die Sonne schien, spiegelten sich die Gipfel im klaren See.
Sie überholte einen knallroten Jeep, offensichtlich ein Urlauber aus südlichen Gefilden, der vor den winterlichen Bedingungen scheute, und beschleunigte noch etwas mehr. Bis Moose Lake, einer winzigen Siedlung, die nur aus ein paar versprengten Häusern bestand, waren es noch vier oder fünf Meilen. Vielleicht sollte sie ihrem Sohn doch ein Handy kaufen, dann könnte sie ihn jederzeit erreichen. Viele seiner Freunde besaßen eines.
Sie kniff die Augen gegen das leichte Schneetreiben zusammen. Ihre größte Sorge war es, als Mutter zu versagen, ein schwieriges Unterfangen, wenn man bedachte, dass sie seit drei Jahren geschieden war und kaum Unterhalt von ihrem Ex-Mann bekam. Im Sommer arbeitete sie auf einer Baustelle, im Winter half sie in einem Supermarkt in Wasilla aus, und den größten Teil ihrer Freizeit verbrachte sie mit ihren Huskys. Wenn sie beim großen Iditarod-Hundeschlittenrennen auf einem der vorderen Plätze landen wollte, musste sie zweimal die Woche und im Winter sogar jeden Tag trainieren. Ohne die wenn auch kärglichen Sponsorengelder eines Hundefutter-Herstellers wäre das gar nicht möglich gewesen. Ihr Blockhaus war noch lange nicht abbezahlt, und ein Kind kostete mehr Geld, als sie angenommen hatte.
In ihrem Außenspiegel tauchten die flackernden blauen und roten Lichter eines Streifenwagens auf. Ein weißer Explorer der Alaska State Troopers. Sie fuhr langsam an den Straßenrand und ließ die Hände auf dem Lenkrad liegen.
Leise fluchend beobachtete sie, wie der Trooper aus dem Explorer stieg, seinen Gürtel zurechtrückte und langsam näher kam. Sie kannte einige der Troopers von der Baustelle und hoffte, mit einer Ermahnung davonzukommen, aber sicher war das keineswegs. Sie war mindestens zwanzig Meilen zu schnell gewesen, und die Troopers verstanden keinen Spaß, wenn es um zu schnelles Fahren ging. Auf dem Parks Highway passierten zu viele Unfälle.
Ein Strafzettel würde sie teuer zu stehen kommen, befürchtete sie. Ausgerechnet diesen Monat, wo sie besonders knapp bei Kasse war. Vor ein paar Tagen hatte sie über hundert Dollar für eine Reparatur an ihrem Pick-up bezahlt. Der Wagen hatte schon über fünfzehn Jahre auf dem Buckel.
Sie ließ das Seitenfenster herunter und sah das ernste Gesicht des Troopers vor sich. Er war sehr groß und musste fast in die Knie zu gehen, um sie ansehen zu können. »Sie wissen, warum ich Sie anhalte, Mäam?«
»Ich war etwas zu schnell, ich weiß«, erklärte sie reumütig.
»Sie waren zwanzig Meilen zu schnell«, verbesserte er sie. Er war ein stattlicher Bursche, breitschultrig und durchtrainiert wie die meisten jungen Troopers, das verbarg selbst sein gefütterter Anorak nicht. Sein markantes Gesicht hatte einen leicht indianischen Einschlag und wirkte etwas kantig, dagegen waren seine dunklen Augen eher sanft, als würde ein schwaches Feuer in ihnen glimmen. Unter seinem breitkrempigen Hut lugte glattes schwarzes Haar hervor. Er blickte sie ernst an. »Ihre Papiere bitte, Mäam.«
Diane reichte sie ihm schweigend. Sie wusste, dass eine versuchte Ausrede alles nur noch viel schlimmer gemacht hätte. »Einen Augenblick bitte«, hörte sie ihn sagen. Im Rückspiegel beobachtete sie, wie er zu seinem Wagen ging und ihren Wagen und ihren Führerschein überprüfte. Immer die gleiche Prozedur, wenn man von einem Polizisten angehalten wurde. Das war's dann wohl, dachte sie mit einem Blick auf die Uhr, der Schulbus war sicher schon in Moose Lake. Ihr John-Boy würde wohl allein nach Hause gehen müssen.
Der Trooper kehrte zurück. Sein Anorak stand offen, und sie las »Rick Larsen« auf seinem Namensschild. Der Name passte zu dem ruhigen Mann. Ein attraktiver Bursche, wie sie widerwillig zugeben musste, auch wenn Polizisten in Uniformen auf den ersten Blick alle gleich auszusehen schienen. Rick Larsen war anders. Er passte nicht in das Schema eines Troopers, war weder der ernste und einsilbige Cop, der sich lässig wie ein Sheriff im Wilden Westen gebärdete, und auch nicht der zynische Bursche, der zu viele Krimis über die Arbeit der City Cops in Chicago oder New York gelesen hatte. Er wirkte ruhiger und nachdenklicher und wesentlich zugänglicher.
Als er ihr die Papiere zurückreichte, lächelte er sogar. »Diesmal will ich es bei einer Ermahnung belassen, Ma'am. Aber ich rate Ihnen dringend, bei diesem Wetter etwas langsamer und vorsichtiger zu fahren.« Sie konnte ihr Glück kaum fassen und bedankte sich artig. »Kommt der Winter hier immer so früh? Ich hab gehört, in Alaska geht im Winter kaum noch die Sonne auf. «
»Dafür bleibt es im Sommer länger hell.« Sie konnte es kaum erwarten, endlich weiterzufahren und John-Boy vielleicht noch an der Bushaltestelle abzupassen, wagte jedoch nicht, den Trooper zu verärgern. Sie steckte ihre Papiere hinter die Sonnenblende. »Sie sind wohl nicht von hier, Officer?«
»Breckenridge, Colorado«, antwortete er. »Ein kleiner Ort in der Nähe von Denver. Ich hab mich vor einem halben Jahr versetzen lassen. Wollte mal sehen, wie es hier oben aussieht.« Er deutete auf den Boxenaufbau mit den vergitterten Fenstern, der die gesamte Ladefläche ihres Pick-ups einnahm. »Da sind Schlittenhunde drin, stimmt's? Bei uns in Colorado gibt es auch Hundeschlittenrennen. Nicht so aufregend wie hier, aber immerhin.« Er schien völlig vergessen zu haben, warum er sie angehalten hatte. »Sind Sie etwa Musherin? Wollen Sie das Iditarod gewinnen? So heißt doch das große Rennen?«
»Kommt ganz darauf an, wie gut meine Hunde und ich in Form sind.« Sie blickte ungeduldig auf die Uhr. »Tut mir leid, Officer. Ich hab's furchtbar eilig, deshalb war ich auch ... äh ... ein wenig zu schnell. Meine Hunde warten, und was noch viel schlimmer ist, mein kleiner Sohn kommt aus der Schule ... «
»Wo wohnen Sie?«
»Moose Lake. Ungefähr drei Meilen die Straße runter.« »Kenne ich«, sagte er. »Fahren Sie hinter mir her!«
Er lief zu seinem Wagen zurück und fuhr mit flackernden Warnlichtern an ihr vorbei. Durch ein Handzeichen gab er ihr zu verstehen, ihm zu folgen. Sie ließ sich nicht zweimal bitten, fuhr in seinem Windschatten nach Osten und erreichte die Abzweigung zu ihrem Blockhaus. Ihr Sohn war gerade aus dem Schulbus gestiegen. Sie hielt neben ihm und winkte der Fahrerin des Schulbusses zu, während sie aus ihrem Pick-up stieg. Betty erwiderte ihren Gruß nur flüchtig, sie hatte mehr Augen für den Trooper, der Diane mit seinem Streifenwagen nach Hause begleitet hatte. Beim Bingo-Abend des Frauenclubs in Wasilla würden Diane und der unbekannte Trooper das Gesprächsthema Nummer eins sein.
»Hey, John-Boy«, begrüßte Diane ihren Sohn. »Alles klar?«
»Alles roger, Mom.« Er umarmte sie und blickte in einer Mischung aus Ehrfurcht und Erstaunen auf den Streifenwagen. »Hast du was angestellt?«
Der Trooper hatte das Fenster heruntergelassen. Sie drehte sich zu ihm um und nickte ihm lächelnd zu. »Ich musste heute länger arbeiten, John-Boy. Der Officer war so freundlich, mich herzubegleiten. Ohne ihn hätte ich es bestimmt nicht pünktlich geschafft.« Dass er sie angehalten hatte, weil sie zu schnell gefahren war, brauchte ihr Sohn nicht zu wissen. »Sag dem Officer guten Tag.«
»Guten Tag, Officer.«
Der Schulbus fuhr weiter, und sie waren mit dem Trooper allein. »Hey ... John-Boy, nicht wahr?«, rief er. »Ich heiße Rick. Auch für Sie, Ma'am.« Er wurde verlegen und fragte: »Haben wir uns schon mal irgendwo gesehen?«
Zuerst hielt sie den Satz für eine misslungene Anmache, doch schon im nächsten Augenblick wurde ihr klar, dass er recht haben könnte. »Diane«, korrigierte sie ihn. »Kein >Ma'am< und kein >Di< und vor allem keine blöden Witze wegen dieser englischen Prinzessin, die kann ich nicht mehr hören.« Sie blickte an sich herunter und genierte sich plötzlich für ihren schmutzigen Overall. »Ich arbeite auf der Baustelle an der Big Lake Road. Dort kommen öfter mal Trooper vorbei. Wir teeren die Straße an der großen Kreuzung.«
»Meine Mom fährt eine Dampfwalze«, ergänzte John-Boy stolz.
»Ehrlich?«, fragte der Trooper beeindruckt.
Diane war an Erstaunen gewöhnt, wenn sie von ihrem Sommerjob berichtete. Sie lächelte. »So eine Dampfwalze ist leichter zu steuern als Ihr Explorer, Officer, und wenn mir jemand in den Weg kommt, mache ich ihn platt.« Ihren kleinen Standardscherz konnte sie sich nicht verkneifen. »Von irgendwas muss der Mensch leben, und zum Model tauge ich leider nicht.«
»Mir gefallen Sie auch im Overall«, erwiderte der Trooper. »Diese Models bestehen doch sowieso nur aus teuren Outfits und pfundweise Make-up. Wollen ... wollen Sie wirklich beim Iditarod mitmachen? Ist das nicht gefährlich?«
Sie gab ihrem Sohn durch eine Kopfbewegung zu verstehen, in den Pick-up zu klettern, und grinste. »Eigentlich nicht. Letztes Mal musste ich einen Grizzly, den ich beim Winterschlaf gestört hatte, mit den bloßen Händen erledigen und einen Elch mit meiner .357er Magnum vertreiben, aber sonst ging es relativ ruhig auf dem Trail zu. Nun ja, abgesehen von dem Blizzard, der mich auf dem zugefrorenen Ozean erwischte, und den bangen Minuten, als meine Hunde durchgingen und ich drei Stunden brauchte, um sie mehrere Meilen vom Trail entfernt in einem Canyon wiederzufinden.«
»Na, dann«, sagte er ebenfalls lächelnd, »war mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen, Ma'am ... Diane. Und fahren Sie nächstes Mal etwas langsamer.«
»Mach ich«, sagte sie, obwohl er bereits sein Fenster geschlossen hatte und davonfuhr. Sie blickte ihm nach, wunderte sich darüber, wie sie dazu kam, sich mit einem State Trooper anzufreunden, und kletterte in ihren Pick-up.
John-Boy empfing sie mit einem fröhlichen Lachen. »Ziemlich cool, der Officer. Meinst du, er nimmt mich mal in seinem Streifenwagen mit, Mom?«
»Keine Ahnung. Ich weiß nicht, ob wir ihn noch mal wiedersehen.«
»Der kommt bestimmt wieder. Und wenn nicht, fährst du einfach zu schnell, dann hält er dich garantiert an, und du bringst ihn nach Hause mit.«
»Du hast Ideen«, sagte sie, fand den Gedanken aber gar nicht abwegig.
Über die holprige Schotterstraße, die am Waldrand entlangführte, lenkte sie den Pick-up zu ihrem Blockhaus. Es war noch dunkler geworden, und die Lichtkegel ihrer Scheinwerfer tasteten sich über den harten Boden. Inzwischen hatte es zu schneien aufgehört, und nur noch vereinzelt wirbelten Schneeflocken durch die Luft. Der Pick-up ächzte wie ein altersschwaches Monster. Immer noch besser als der Schlamm im Hochsommer, dachte sie.
Sie blickte ihren Sohn an. »Wie war's in der Schule?«
»Ich musste vorlesen. Aus einem Buch über das Iditarod.«
»Über den Wettlauf? Als die Leute in Nome krank wurden und vielleicht alle gestorben wären, wenn die Musher ihre Medizin nicht mit dem Hundeschlitten gebracht hätten? Die Geschichte von Balto, dem tapferen Schlittenhund?«
John-Boy staunte. »Die kennst du?«
»Jeder Musher kennt sie«, klärte Diane ihn auf. »Diesen Männern zu Ehren findet das Iditarod doch statt. Wir fahren die gleiche Strecke wie damals.« Sie wich einem Schlagloch aus. »Hattet ihr heute nicht Sport? Du wolltest dem Coach doch zeigen, was für ein guter Basketballer du bist.«
»Er will mich mal mitspielen lassen.«
»Immerhin.«
»Aber Coach Walker sagt, ich soll mir nicht allzu große Hoffnungen machen. Die anderen Jungs hätten mehr Chancen, weil sie größer sind. Ich soll Eishockey spielen. Coach Werner bräuchte noch einen Goalie für sein Team.«
»Eishockey-Torwart? Das wäre doch nicht übel.«
»Ich spiel lieber Basketball. Ich werde es ihnen schon zeigen!«
Dagegen wusste Diane nichts zu sagen. Wenn John-Boy sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, ging er stur darauf los, und wenn die Chancen noch so schlecht standen. Eine Eigenschaft, die Diane nicht fremd war. In jeder freien Minute übte er an dem Korb, der über dem Garagentor hing.
Sie hatten das Haus erreicht und parkten vor den Strohballen, die ein Lieferant am Nachmittag abgeladen hatte. Die Rechnung lag sicher im Briefkasten an der Straße. Sie brauchte das Stroh für die Nachtlager der Huskys, die sich bereits durch aufgeregtes Bellen bemerkbar machten. Zwanzig Hunde lagerten in ihren Hütten oder auf einem offenen Strohlager hinter dem Haus, nur Rebel, der erfahrene Leithund, durfte hinein und rannte ihr jaulend entgegen, als sie die Tür öffnete. Ein schwarzer sibirischer Husky mit weißen Fesseln und dem entschlossenen Blick eines starken Hundes, der es gar nicht erwarten konnte, endlich wieder einen Schlitten zu ziehen. Ihn hatte der Anblick der wirbelnden Schneeflocken wahrscheinlich genauso erfreut wie Diane. Im Sommer waren Räder unter dem Schlitten, aber nur im Winter, wenn er und die anderen Hunde durch den Schnee tollen durften, machte es Spaß.
Diane ging in die Hocke und umarmte ihren Leithund. Er jaulte aufgeregt und leckte ihre Wangen ab. »Schon gut, Rebel«, beruhigte sie ihn, während sie ihn auf die Wangen und zwischen die Augen küsste, »ich hab den Schnee auch gesehen. Leider bleibt er noch nicht liegen. Aber wie wär's, wenn wir morgen früh in die Berge fahren und dort trainieren? Zeit genug hätten wir ja. John-Boy verbringt das Wochenende bei Grandma. Stimmt's, John-Boy?«
»Stimmt. Sie will mich zu einem Rock-Konzert mitnehmen.«
»Zu einem Rock-Konzert?« Diane vergaß immer, dass ihre Mutter erst fünfzig war und mit den Beatles, Rolling Stones und Eagles aufgewachsen war. »In der Highschool spielt eine Band, die wären besser als die Kings.«
»Die Kinks«, verbesserte Diane. Ihre Vorliebe für den Rock der sechziger und siebziger Jahre hatte sie von ihrer Mutter geerbt. Sie summte den Refrain von »You Really Got Me«, erinnerte sich aber gleich wieder an ihre Pflichten. »Hilfst du mir beim Füttern, John-Boy? Danach fahren wir zu Grandma. Sie hat uns zum Essen eingeladen. Ihre Spezial-Cheeseburger mit dem flüssigen Pizza-Käse. Was meinst du? Wollen wir uns die genehmigen?«
»Und ob«, rief John-Boy begeistert.
Sie gab Rebel einen Klaps. »Aber zuerst kommen die Hunde dran. Du weißt doch: Eine Musherin, die ihre Hunde schlecht behandelt, landet irgendwann im Schnee und sieht ihr Team nie wieder. Und wenn das passiert, ist sie aufgeschmissen.« Sie blickte den Leithund an. »Hab ich recht, Rebel?«
Rebel antwortete mit einem lauten Bellen.
»Dann geben wir ihnen lieber doppelt zu fressen«, schlug John-Boy vor. »Dann strengen sie sich vielleicht doppelt an, und du gewinnst das Rennen.«
»Schön wär's«, erwiderte sie, »aber so einfach funktioniert das nicht.«
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Copyright © 2011 by Verlagsgruppe Weltbild GmbH,
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
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Bibliographische Angaben
- Autor: Christopher Ross
- 2011, 1, 239 Seiten, Maße: 13,3 x 19,1 cm, Gebunden
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3868006540
- ISBN-13: 9783868006544
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