Go Set a Watchman

Alabama, 50er Jahre. Eine junge Frau verbringt wie jedes Jahr zwei Wochen in ihrer Heimatstadt. Für einen jungen Rechtsanwalt ist sie von Kindheit an die Liebe seines Lebens. Geht man uneingenommen an den Roman heran - man könnte eine nette Liebesgeschichte mit Happy End erwarten. In Wirklichkeit kommt aber alles doch ganz anders.
Ohne Mutter aufgewachsen fühlt sich junge Frau von ihrem liebe- und verständnisvollen Vater ganz plötzlich enttäuscht und verraten. Mit Hilfe des Onkels, der ebenfalls wesentlich an der Erziehung der jungen Frau beteiligt war, kommt es schließlich zur Lösung des Konflikts -auch wenn dies nach meiner Ansicht etwas zu schnell geschieht.
Das Buch liest sich flüssig und wird nie langweilig. Das doch ernste Thema wird durch meist lustige Rückblenden in die Kindheit der Protagonistin aufgelockert. Diese Einblicke in die Vergangenheit bringen dem Leser außerdem die Charaktere näher.
Ich sehe das Buch als Entwicklungsroman einer jungen, bisher immer unabhängigen Frau -wenn auch, wie schon erwähnt, das Ende doch etwas abrupt erfolgt. Sie ist hin- und her gerissen zwischen New York und ihrer Heimatstadt, zwischen der Aussicht auf ein glückliches Leben mit ihrem Freund seit Kindheitstagen und den möglichen Konsequenzen, mit denen sie würde leben müssen: Kleinstadtleben, Kaffeeklatsch, Anpassung an Konventionen, ... Sie zweifelt im Lauf der Geschichte auch immer wieder an sich selbst: wird sie gut genug sein als Ehefrau? Sind ihr Vater und ihr Freund im Recht, und sie vielleicht im Unrecht? Sieht sie Situationen nicht klar genug, ist sie blind dafür?
Noch einmal meine Feststellung, dass die "Lösung" dieser Probleme für mich einfach viel zu schnell erfolgt, aber dennoch als Fazit: ein gut geschriebenes Buch (auch stilistisch gesehen), das zwar unterhält, dabei aber auch einen wichtigen Aspekt der amerikanischen Politik seit den 50ern beleuchtet.