Gondeln aus Glas
Commissario Trons dritter Fall
Die stärkste Konkurrenz für Commissario Brunetti!
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Gondeln aus Glas “
Die stärkste Konkurrenz für Commissario Brunetti!
Klappentext zu „Gondeln aus Glas “
Der Tizian ist verschwunden, der Kunsthändler tot.Venedig, 1864: Als Commissario Tron mitten in der Nacht zur Leiche eines Kunsthändlers gerufen wird, ahnt er noch nicht, dass ihn seine Ermittlungen in die allerhöchsten Kreise der Habsburgermonarchie führen werden. Denn bald mehren sich die Anzeichen, dass Marie Sophie, die Königin von Neapel und Schwester der Kaiserin Elisabeth, in den Mord verwickelt ist. Marie Sophie hält sich inkognito in Venedig auf - und sie hütet ein Geheimnis von einer solchen Brisanz, dass selbst der wackere Commissario um sein Leben bangen muss ...
Lese-Probe zu „Gondeln aus Glas “
Gondeln aus Glas von Nicolas Remin LESEPROBE Prolog«Nunc et in hora mortis nostrae. Amen.»
Die letzten Worte des Tischgebetes, mit müder, lispelnder Stimme gesprochen, flatterten aus dem Mund des Königs beider Sizilien wie dürres Laub. Einen Moment schloss Franz II. die Augen, so als wollte er seinen Erlöser um Vergebung für die fleischlichen Gelüste bitten, die ihn jetzt dazu zwangen, eine Mahlzeit einzunehmen. Dann schlug er die Augen wieder auf, löste seine Finger umständlich voneinander und hob den Kopf- das Signal für die wartenden Diener, an den Tisch zu treten und die Suppe zu servieren.
Marie Sophie nahm den Löffel von der Tischdecke und beobachtete angewidert, wie die linke Hand ihres Gatten automatisch den Sitz der Serviette prüfte, bevor er ebenfalls zum Löffel griff. Seine gestärkte Serviette, riesig und erstaunlich weiß, verursachte bei jeder seiner Bewegungen ein knisterndes Rascheln. Zu diesem Geräusch würde gleich - laut wie Pelotonfeuer - das röchelnde Schlürfen kommen, das ihre Schwiegermutter jedes Mal von sich gab, wenn ihre wulstigen Lippen den Suppenlöffel berührten.
... mehr
Die Handschuhe der Diener, voller verkrusteter Flecken, passten zur schmutzigen, seit einer Woche nicht mehr gewechselten Tischdecke. Dass die Wäsche im Palazzo Farnese nur alle zehn Tage gewaschen wurde, war Teil der Sparmaßnahmen ihrer Schwiegermutter. Dazu gehörte ebenfalls, dass übrig gebliebenes Essen vom Vortag erneut serviert wurde. Die säuerlich riechende Suppe kannte Marie Sophie bereits - Hallo, Suppe! - vom gestrigen und vorgestrigen Abendessen.
Marie Sophie legte den Löffel, den sie bereits in ihren Teller getaucht hatte, wieder auf das Tischtuch und wischte sich den Mund ab - eine sinnlose Geste, die ihr sofort einen misstrauischen Blick ihrer Schwiegermutter eintrug - aus Augen, kalt wie Eissplitter. Augen, die überall Verrat witterten.
Großer Gott, dachte sie, wie ich diese Frau hasse.
Allerdings war das habituelle Misstrauen der Königinwitwe durchaus berechtigt. Denn dass Garibaldi mit knapp tausend Mann das Königreich beider Sizilien in weniger als sechs Monaten zu Fall gebracht und die königliche Familie aus ihrer Residenz in Neapel ins römische Exil vertrieben hatte, war nur durch Verrat möglich gewesen: durch Generäle, die heimlich mit den Rothemden paktiert hatten, durch Minister, die sich hinter dem Rücken des Königs mit Garibaldi arrangiert hatten, durch Feigheit und Fahnenflucht. Selbst im römischen Exil, wo sie seit nunmehr drei Jahren lebten, war der Verrat allgegenwärtig. Der Wunsch des Königs, den Thron beider Sizilien zurückzuerobern, wurde schamlos ausgenutzt. So verschwanden Unsummen in den Taschen windiger Söldner, wurden gigantische Beträge für Waffenlieferungen bezahlt, welche die königstreuen Briganten nie erreichten.
Die Königin lehnte sich seufzend zurück, um einem speckigen Handschuh die Gelegenheit zu geben, den Suppenteller zu entfernen und einen Teller mit Pollo con Peperoni vor sie hinzustellen. Auch dem Huhn - Hallo, Huhn! - begegnete sie zum zweiten Mal. Es hatte bereits vorgestern auf dem Tisch gestanden, und inzwischen sah es regelrecht mumifiziert aus. Also würde sie sich auch heute darauf beschränken, ein wenig Brot zu essen und vorsichtig an ihrem Weinglas mit dem sauren Falerner zu nippen.
Marie Sophie hielt die Augen niedergeschlagen, spürte jedoch, dass der Blick ihrer Schwiegermutter häufiger als gewöhnlich auf ihr ruhte. Sie fragte sich, ob sie ihr bereits auf der Spur war - womöglich von dem alarmierenden Brief wusste, den sie heute erhalten hatte.
Was natürlich Unsinn war, denn die einzige Person, die - außer ihrer Kammerzofe Marietta - ihr Geheimnis kannte, war Oberst Orlow, der Intendant des Hauses Borbone, ihr Reisemarschall und gelegentlicher Vertrauter. Und Orlow würde schweigen, schon allein deshalb, weil er - trotz seiner unbestrittenen Loyalität zum König - inzwischen viel zu tief in ihre Angelegenheiten verwickelt war.
Außerdem: konnte man es wirklich Verrat nennen, was sie getan hatte? Hatte sie sich irgendetwas zuschulden kommen lassen, das ihrem Gatten, dem König beider Sizilien, ernsthaft geschadet hätte? Nein, entschied sie. Zum Verrat würde es erst werden, wenn das Geschehene ans Licht kam. Doch das waren abstrakte, fast philosophische Überlegungen - ein Luxus, den sie sich im Moment nicht leisten konnte. Sie hatte das ganz konkrete Problem, mindestens fünfzigtausend Gulden auftreiben und die Summe so schnell wie möglich nach Brüssel schicken zu müssen.
Der Einfall, wie sie die Summe beschaffen konnte, kam ihr schließlich beim Dessert, einem angestaubten Stück Schokoladentorte, deren Bekanntschaft - Hallo, Torte! - sie bereits vor drei Tagen gemacht hatte. Die beiden Raffael-Zeichnungen, die Oberst Orlow auf seiner letzten Venedigreise an diesen Kostolany verkaufen konnte, hatten ihr Altes Geld eingebracht, und es sprach nichts dagegen, dies Geschäftsbeziehung zu erneuern. Und dem Händler etwas anzubieten, das erheblich kostbarer war.
Eine Stunde später stand sie in der Kapelle des Palazzo Farnese und zog vorsichtig das schwarze Tuch herab, das über einer Darstellung der heiligen Magdalena hing: das Brustbild einer im Gebet versunkenen, etwas fülligen Blondine. Das Gemälde, ein Tizian, war relativ klein, man konnte es mühelos in einem größeren Koffer verstauen.
Das handliche Format hatte sie vor einem halben Jahr auf den Gedanken gebracht, eine Kopie für ihren Verwandten, den Erzherzog Maximilian, anfertigen zu lassen - damals hatte sie erfahren, dass der Erzherzog nach Mexiko gehen würde. Alle hatten das für eine gute Idee gehalten, doch dann hatte ihre Schwiegermutter plötzlich behauptet, der verklärte Gesichtsausdruck der heiligen Magdalena, der halb geöffnete, feucht glänzende Mund und die glasig verzückten Augen würden auch eine ganz andere Deutung zulassen. Das hatte dem bigotten König sofort eingeleuchtet und ihn dazu bewogen, eigenhändig ein schwarzes Tuch über die Magdalena zu breiten. Die angefertigte Kopie lehnte seither unbeachtet an der Kapellenwand, wo sie hinter einem Putzeimer und einem Stapel Gesangbüchern Staub ansetzte.
Marie Sophie nahm die Magdalena von der Wand, löste die Klammern, die das (auf Holz gemalte) Bild im Rahmen hielten, und stellte es vorsichtig ab. Dann zog sie die 141opie hinter den Gesangbüchern hervor und lehnte sie neben das Original. Sie konnte keinen Unterschied zwischen den Bildern erkennen. Allerdings - so hatte ihr Oberst Orlow erklärt - würde ein Experte sehr wohl in der tage sein, die Kopie des Bildes von seinem Original zu unterscheiden. Aber war der König ein Experte? Wohl kaum.. Außerdem hätte in absehbarer Zeit niemand einen vernünftigen Grund, das Tuch zu lüften.
Marie Sophie ließ sich auf ihre Knie nieder und betrachtete die beiden Gemälde eingehend. Sie studierte den umflorten Blick der Magdalena, ihren sinnlichen, halb geöffneten Mund - und plötzlich sah sie die zweideutige Erhitzung im Ausdruck der Heiligen, die ihr früher nie aufgefallen war. Ihre Schwiegermutter hatte Recht gehabt.
Jedenfalls war das Bild für ihre Zwecke, nicht nur wegen des Formates, genau das Richtige - pures Gold. Signor Kostolany, der angeblich für den russischen Hof (wo man gewagte Bilder schätzte) einkaufte, würde sich die Finger danach lecken und entsprechend zahlen.
Marie Sophie erhob sich, oder wollte sich erheben, denn in dem Moment, als sie sich aufrichtete, hörte sie ein Geräusch an der Kapellentür. Kniend drehte sie sich um, die Hände vor der Brust gefaltet - ein drittes Gesicht zwischen den beiden Magdalenen.
Es war Oberst Orlow, der reglos an der Tür stand. Er trug die Uniform einer Armee, die es nicht mehr gab, und seine hoch gewachsene Gestalt füllte den Türrahmen aus. Die brennende Kerze in seiner Hand war gerade wie ein Dolch. Einen Moment lang schien er verwirrt zu sein. «Ich wusste nicht, dass Königliche Hoheit ...» Er brach den Satz ab und räusperte sich nervös.
Was? Dass sie die Gewohnheit hatte, nach dem Abendessen in die Hauskapelle zu gehen, um zwei dampfende Blondinen anzubeten? «Ich wollte feststellen», sagte Marie Sophie ein wenig unwirsch, «ob diese Kopie noch existiert.»
Es war überflüssig, zu erwähnen, worum es ging. Der Oberst selbst hatte damals den Kopisten ausfindig gemacht und die Angelegenheit für sie abgewickelt.
Sie sah ihn an, als sie weitersprach. «Die Kopie existiert noch, und daraus ergeben sich ... interessante Möglichkeiten.»
Der Schluss des Satzes war ein wenig rätselhaft, was den Oberst dazu veranlasste, vorsorglich auf seine Ergebenheit hinzuweisen. Er deutete eine Verbeugung an. «Vielleicht kann ich Königlicher Hoheit behilflich sein.»
Marie Sophie senkte ihren Zeigefinger auf das linke der beiden Bilder. «Sie könnten das Bild im Rahmen befestigen und es wieder aufhängen.»
So also verfuhr der Oberst und verhüllte es anschließend mit dem schwarzen Tuch. «Und die Kopie?»
Das Wort Kopie traf den Sachverhalt nicht, aber das würde sie ihm später erklären. «Die tragen Sie in meinen Salon.»
«Wollen Königliche Hoheit das Bild aufhängen?»
Marie Sophie schüttelte den Kopf. «Ich will es mit auf eine Reise nehmen.» Sie nahm die Petroleumlampe von dem Betschemel und wandte sich zur Tür. «Und Sie werden mich dabei begleiten. Ich möchte einen alten Bekannten von Ihnen besuchen.»
«Einen alten Bekannten?»
Marie Sophie lächelte. «Signor Kostolany.»
Orlows Augenbrauen schossen ruckartig nach oben. «Das heißt, wir fahren ...»
Sie beendete den Satz für ihn. «Nach Venedig.»
© Rowohlt Verlag
Marie Sophie legte den Löffel, den sie bereits in ihren Teller getaucht hatte, wieder auf das Tischtuch und wischte sich den Mund ab - eine sinnlose Geste, die ihr sofort einen misstrauischen Blick ihrer Schwiegermutter eintrug - aus Augen, kalt wie Eissplitter. Augen, die überall Verrat witterten.
Großer Gott, dachte sie, wie ich diese Frau hasse.
Allerdings war das habituelle Misstrauen der Königinwitwe durchaus berechtigt. Denn dass Garibaldi mit knapp tausend Mann das Königreich beider Sizilien in weniger als sechs Monaten zu Fall gebracht und die königliche Familie aus ihrer Residenz in Neapel ins römische Exil vertrieben hatte, war nur durch Verrat möglich gewesen: durch Generäle, die heimlich mit den Rothemden paktiert hatten, durch Minister, die sich hinter dem Rücken des Königs mit Garibaldi arrangiert hatten, durch Feigheit und Fahnenflucht. Selbst im römischen Exil, wo sie seit nunmehr drei Jahren lebten, war der Verrat allgegenwärtig. Der Wunsch des Königs, den Thron beider Sizilien zurückzuerobern, wurde schamlos ausgenutzt. So verschwanden Unsummen in den Taschen windiger Söldner, wurden gigantische Beträge für Waffenlieferungen bezahlt, welche die königstreuen Briganten nie erreichten.
Die Königin lehnte sich seufzend zurück, um einem speckigen Handschuh die Gelegenheit zu geben, den Suppenteller zu entfernen und einen Teller mit Pollo con Peperoni vor sie hinzustellen. Auch dem Huhn - Hallo, Huhn! - begegnete sie zum zweiten Mal. Es hatte bereits vorgestern auf dem Tisch gestanden, und inzwischen sah es regelrecht mumifiziert aus. Also würde sie sich auch heute darauf beschränken, ein wenig Brot zu essen und vorsichtig an ihrem Weinglas mit dem sauren Falerner zu nippen.
Marie Sophie hielt die Augen niedergeschlagen, spürte jedoch, dass der Blick ihrer Schwiegermutter häufiger als gewöhnlich auf ihr ruhte. Sie fragte sich, ob sie ihr bereits auf der Spur war - womöglich von dem alarmierenden Brief wusste, den sie heute erhalten hatte.
Was natürlich Unsinn war, denn die einzige Person, die - außer ihrer Kammerzofe Marietta - ihr Geheimnis kannte, war Oberst Orlow, der Intendant des Hauses Borbone, ihr Reisemarschall und gelegentlicher Vertrauter. Und Orlow würde schweigen, schon allein deshalb, weil er - trotz seiner unbestrittenen Loyalität zum König - inzwischen viel zu tief in ihre Angelegenheiten verwickelt war.
Außerdem: konnte man es wirklich Verrat nennen, was sie getan hatte? Hatte sie sich irgendetwas zuschulden kommen lassen, das ihrem Gatten, dem König beider Sizilien, ernsthaft geschadet hätte? Nein, entschied sie. Zum Verrat würde es erst werden, wenn das Geschehene ans Licht kam. Doch das waren abstrakte, fast philosophische Überlegungen - ein Luxus, den sie sich im Moment nicht leisten konnte. Sie hatte das ganz konkrete Problem, mindestens fünfzigtausend Gulden auftreiben und die Summe so schnell wie möglich nach Brüssel schicken zu müssen.
Der Einfall, wie sie die Summe beschaffen konnte, kam ihr schließlich beim Dessert, einem angestaubten Stück Schokoladentorte, deren Bekanntschaft - Hallo, Torte! - sie bereits vor drei Tagen gemacht hatte. Die beiden Raffael-Zeichnungen, die Oberst Orlow auf seiner letzten Venedigreise an diesen Kostolany verkaufen konnte, hatten ihr Altes Geld eingebracht, und es sprach nichts dagegen, dies Geschäftsbeziehung zu erneuern. Und dem Händler etwas anzubieten, das erheblich kostbarer war.
Eine Stunde später stand sie in der Kapelle des Palazzo Farnese und zog vorsichtig das schwarze Tuch herab, das über einer Darstellung der heiligen Magdalena hing: das Brustbild einer im Gebet versunkenen, etwas fülligen Blondine. Das Gemälde, ein Tizian, war relativ klein, man konnte es mühelos in einem größeren Koffer verstauen.
Das handliche Format hatte sie vor einem halben Jahr auf den Gedanken gebracht, eine Kopie für ihren Verwandten, den Erzherzog Maximilian, anfertigen zu lassen - damals hatte sie erfahren, dass der Erzherzog nach Mexiko gehen würde. Alle hatten das für eine gute Idee gehalten, doch dann hatte ihre Schwiegermutter plötzlich behauptet, der verklärte Gesichtsausdruck der heiligen Magdalena, der halb geöffnete, feucht glänzende Mund und die glasig verzückten Augen würden auch eine ganz andere Deutung zulassen. Das hatte dem bigotten König sofort eingeleuchtet und ihn dazu bewogen, eigenhändig ein schwarzes Tuch über die Magdalena zu breiten. Die angefertigte Kopie lehnte seither unbeachtet an der Kapellenwand, wo sie hinter einem Putzeimer und einem Stapel Gesangbüchern Staub ansetzte.
Marie Sophie nahm die Magdalena von der Wand, löste die Klammern, die das (auf Holz gemalte) Bild im Rahmen hielten, und stellte es vorsichtig ab. Dann zog sie die 141opie hinter den Gesangbüchern hervor und lehnte sie neben das Original. Sie konnte keinen Unterschied zwischen den Bildern erkennen. Allerdings - so hatte ihr Oberst Orlow erklärt - würde ein Experte sehr wohl in der tage sein, die Kopie des Bildes von seinem Original zu unterscheiden. Aber war der König ein Experte? Wohl kaum.. Außerdem hätte in absehbarer Zeit niemand einen vernünftigen Grund, das Tuch zu lüften.
Marie Sophie ließ sich auf ihre Knie nieder und betrachtete die beiden Gemälde eingehend. Sie studierte den umflorten Blick der Magdalena, ihren sinnlichen, halb geöffneten Mund - und plötzlich sah sie die zweideutige Erhitzung im Ausdruck der Heiligen, die ihr früher nie aufgefallen war. Ihre Schwiegermutter hatte Recht gehabt.
Jedenfalls war das Bild für ihre Zwecke, nicht nur wegen des Formates, genau das Richtige - pures Gold. Signor Kostolany, der angeblich für den russischen Hof (wo man gewagte Bilder schätzte) einkaufte, würde sich die Finger danach lecken und entsprechend zahlen.
Marie Sophie erhob sich, oder wollte sich erheben, denn in dem Moment, als sie sich aufrichtete, hörte sie ein Geräusch an der Kapellentür. Kniend drehte sie sich um, die Hände vor der Brust gefaltet - ein drittes Gesicht zwischen den beiden Magdalenen.
Es war Oberst Orlow, der reglos an der Tür stand. Er trug die Uniform einer Armee, die es nicht mehr gab, und seine hoch gewachsene Gestalt füllte den Türrahmen aus. Die brennende Kerze in seiner Hand war gerade wie ein Dolch. Einen Moment lang schien er verwirrt zu sein. «Ich wusste nicht, dass Königliche Hoheit ...» Er brach den Satz ab und räusperte sich nervös.
Was? Dass sie die Gewohnheit hatte, nach dem Abendessen in die Hauskapelle zu gehen, um zwei dampfende Blondinen anzubeten? «Ich wollte feststellen», sagte Marie Sophie ein wenig unwirsch, «ob diese Kopie noch existiert.»
Es war überflüssig, zu erwähnen, worum es ging. Der Oberst selbst hatte damals den Kopisten ausfindig gemacht und die Angelegenheit für sie abgewickelt.
Sie sah ihn an, als sie weitersprach. «Die Kopie existiert noch, und daraus ergeben sich ... interessante Möglichkeiten.»
Der Schluss des Satzes war ein wenig rätselhaft, was den Oberst dazu veranlasste, vorsorglich auf seine Ergebenheit hinzuweisen. Er deutete eine Verbeugung an. «Vielleicht kann ich Königlicher Hoheit behilflich sein.»
Marie Sophie senkte ihren Zeigefinger auf das linke der beiden Bilder. «Sie könnten das Bild im Rahmen befestigen und es wieder aufhängen.»
So also verfuhr der Oberst und verhüllte es anschließend mit dem schwarzen Tuch. «Und die Kopie?»
Das Wort Kopie traf den Sachverhalt nicht, aber das würde sie ihm später erklären. «Die tragen Sie in meinen Salon.»
«Wollen Königliche Hoheit das Bild aufhängen?»
Marie Sophie schüttelte den Kopf. «Ich will es mit auf eine Reise nehmen.» Sie nahm die Petroleumlampe von dem Betschemel und wandte sich zur Tür. «Und Sie werden mich dabei begleiten. Ich möchte einen alten Bekannten von Ihnen besuchen.»
«Einen alten Bekannten?»
Marie Sophie lächelte. «Signor Kostolany.»
Orlows Augenbrauen schossen ruckartig nach oben. «Das heißt, wir fahren ...»
Sie beendete den Satz für ihn. «Nach Venedig.»
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Autoren-Porträt von Nicolas Remin
Nicolas Remin wurde 1948 in Berlin geboren, studierte Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft, Philosophie und Kunstgeschichte in Berlin und Santa Barbara. Eigenen Angaben zufolge hat er sein Leben hauptsächlich lesend auf dem Sofa verbracht an der kalifornischen Küste, in der Toskana und in der Lüneburger Heide.
Bibliographische Angaben
- Autor: Nicolas Remin
- 2008, 368 Seiten, Maße: 12 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Rowohlt TB.
- ISBN-10: 349924201X
- ISBN-13: 9783499242014
Rezension zu „Gondeln aus Glas “
Ein historischer Krimi mit aufregendem Plot, atmosphärischem Schauplatz, einzigartigen Figuren und einer literarischen, exakten Sprache. Bücher
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