Heiß geküsst / Light Dragons Trilogie Bd.3
Roman
Ysolde de Bouchier muss die Fehler ihrer Vergangenheit ausbügeln, und ihr bleibt nur noch wenig Zeit dafür. Zum Glück hat sie schon einen Plan, der jedoch nicht ganz einfach umzusetzen ist. Da wird auch noch ein Mitglied ihrer Familie...
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Produktinformationen zu „Heiß geküsst / Light Dragons Trilogie Bd.3 “
Ysolde de Bouchier muss die Fehler ihrer Vergangenheit ausbügeln, und ihr bleibt nur noch wenig Zeit dafür. Zum Glück hat sie schon einen Plan, der jedoch nicht ganz einfach umzusetzen ist. Da wird auch noch ein Mitglied ihrer Familie entführt, und jemand versucht, Ysolde zu erpressen.
Klappentext zu „Heiß geküsst / Light Dragons Trilogie Bd.3 “
Ysolde de Bouchier muss die Fehler ihrer Vergangenheit ausbügeln, und ihr bleibt nur noch wenig Zeit dafür. Zum Glück hat sie schon einen Plan, der jedoch nicht ganz einfach umzusetzen ist. Da wird auch noch ein Mitglied ihrer Familie entführt, und jemand versucht, Ysolde zu erpressen.
Lese-Probe zu „Heiß geküsst / Light Dragons Trilogie Bd.3 “
Light Dragons von Katie MacAlisterIns Deutsche übertragen von Margarethe van Pée
1
»Die Lady ist hier und will dich sehen.«
Baltic zuckte erschreckt zusammen und drehte sich nach der Stimme um. Er hatte offensichtlich geglaubt, allein im oberen Flur zu sein. »Was soll der Unfug?«
Die Holzvertäfelung im Flur der dreihundert Jahre alten Gastwirtschaft löste sich auf und verwandelte sich in eine Szenerie mit seltsamen hölzernen Gestalten. Baltic nahm sie finster in Augenschein, dann blickte er den Mann an, der ihm entgegenkam. »Ysolde! Warum hast du mich in eine deiner Visionen von der Vergangenheit hineingezogen? Und warum muss dieser mordlustige Bastard auch noch darin vorkommen?«
»Daran ist nur der Drache in mir schuld.« Seufzend umklammerte ich ein paar Hemden, die ich gerade in den Schrank hatte hängen wollen, der sich jedoch, genau wie der Flur vor unserem Schlafzimmer, in die Szene vor uns aufgelöst hatte. »Aber da ich ja auch Episoden aus deiner Vergangenheit mit ansehen muss, ist es nur richtig, dass du auch dabei bist. Wer ist das? Oh, Constantine. Und guck mal, da ist auch Baltic in der Version 1.0, sexy und mit nacktem Oberkörper, und hackt mit seinem Schwert um sich.«
»Ich habe Besseres zu tun, als unwichtige Ereignisse noch einmal zu erleben«, grollte mein Baltic, der Baltic der Gegenwart, und ließ seinen finsteren Blick von Constantine, dem ehemaligen Wyvern der silbernen Drachen, der früher einmal sein Freund war, später jedoch sein größter Feind wurde, zu mir gleiten. »Mach dieser Vision ein Ende.«
»Das würde ich ja gerne, aber es hört immer erst auf, wenn es fertig ist ... Hey, wohin gehst du?«
... mehr
Baltic wandte sich fluchend ab und marschierte davon. »Ich bin in den letzten zwölf Tagen Thala durch ganz Europa und halb Asien hinterhergejagt. Ich habe zu tun, Gefährtin. Du kannst dich ja meinetwegen mit diesen Nichtigkeiten aufhalten, ich jedenfalls nicht.«
»Nichtigkeiten? Na, das ist ja großartig! Das sind keine Nichtigkeiten. Und du kannst nicht einfach so meine Vision verlassen! «, schrie ich ihm nach und beobachtete empört, wie er um eine kleine Hütte herum verschwand. »Das sind wertvolle Informationsquellen! Kaawa sagt, wir sollen daraus lernen und erkennen, was wichtig für uns ist. Baltic? Verdammt noch mal! Er ist einfach abgehauen, der blöde Kerl!«
Frustriert drehte ich mich um. Die Vision von Constantine trat zu dem anderen Mann, der zwischen Stechpuppen und mannsgroßen Zielscheiben stand.
»Nun, ich jedenfalls werde versuchen zu lernen, was der Drache in mir mir sagen will. Lass mal sehen. Was haben wir denn hier? Offensichtlich sind wir auf einer Art Übungsplatz, und da Baltic beim Anblick Constantines keinen Schaum vor dem Mund hat, scheinen sie ja immer noch Freunde zu sein. Hallo, Liebling, ich nehme nicht an, dass du mich hören, geschweige denn sehen kannst?«
Baltics Vision reagierte nicht, aber das hatte ich auch gar nicht erwartet. Die Personen in den Visionen, die der Drache in mir, der lange geschlafen hatte und erst kürzlich wieder erwacht war, produzierte, waren genau das - Visionen von Ereignissen in der Vergangenheit. Ich konnte zuhören und zuschauen, aber nicht eingreifen.
Constantine trug Wollleggings und eine Tunika mit einem goldbestickten Drachen. Sein Gesicht war mitleidig verzogen, als er auf Baltic zutrat. »Hast du mich gehört?«, fragte er und blieb neben dem Mann stehen, der immer noch mit einem riesigen Schwert auf das Ziel aus Stroh und Holz einhackte.
»Ja, ich habe dich gehört. Aber es ist für mich nicht von Belang. «
Bewundernd betrachtete ich das Spiel seiner Muskeln, während Baltic auf die Zielscheibe eindrosch. Sein nackter Rücken glänzte vor Schweiß.
»Mir werden immer die Knie weich, wenn ich sehe, wie du ein Schwert schwingst«, sagte ich zu der Vision. Ich ging um ihn herum, um ihn auch von vorne zu betrachten. Sein Gesicht sah anders aus, wenngleich vertraut. Damals waren seine Haare noch rabenschwarz gewesen und sein Kinn fester. »Mir gefällt es, dass deine Haare jetzt schokoladenbraun sind. Und auch dein Kinn gefällt mir, so wie es jetzt ist, obwohl du natürlich unglaublich sexy aussahst, bevor Thala dich wiedererweckt hat. Und dein Brustkorb ... oh, Mann.« Ich fächelte mir mit einem der Hemden, die ich in der Hand hielt, Luft zu.
»Alexei sagt, du hast keine Wahl. Er sagt, dein Vater hat es befohlen.« Constantine zog eine Augenbraue hoch und wich rasch einen Schritt zurück, als Baltic weit ausholte.
»Du siehst genauso aus wie immer«, ließ ich Constantine wissen. »Als Schatten zurückgebracht zu werden, hat anscheinend deine Erscheinung nicht beeinträchtigt. Bei Wiedererweckung ist das wohl anders. Interessant. Ich muss Kaawa danach fragen, wenn ich sie das nächste Mal sehe. Du hast wirklich gut ausgesehen damals, Constantine. Wenngleich du Baltic natürlich nie das Wasser reichen konntest.«
»Mein Vater hat nicht über mein Leben zu bestimmen«, fuhr Baltic ihn an. Sein Atem ging stoßweise, als er mit dem Schwert auf die menschenähnliche Zielscheibe einschlug. »Und Alexei auch nicht.«
Ich lehnte mich an eine der Zielscheiben, um alles genau beobachten und studieren zu können.
»Er ist unser Wyvern. Du schuldest ihm Vasallentreue«, sagte Constantine steif. »Du musst tun, was er sagt. Du musst dich mit der Lady treffen.«
»Halt mir keine Vorträge, Constantine«, knurrte Baltic. Schweißtropfen glitzerten auf seiner Stirn und dem dunklen Haar auf seiner Brust. Constantine trat einen Schritt zurück, als Baltic das Schwert auf ihn richtete. »Du bist Alexeis Erbe, nicht der Wyvern, und ich lasse mich nicht herumkommandieren.«
»Frieden!«, sagte Constantine und hob die Hände. »Ich bin nicht hier, um mit dir zu streiten, alter Freund. Ich wollte dich nur warnen, dass die Lady gekommen ist und Alexei von dir erwartet, dass du deine Pflicht tust und sie zu deiner Gefährtin erklärst.«
Ich hatte mich schon gefragt, wann genau dieser Moment stattgefunden hatte - den Kommentaren nach zu urteilen, war es nicht nur vor meiner Geburt gewesen, sondern sogar noch vor der Zeit, als Baltic der Wyvern der schwarzen Drachen gewesen war -, aber als die beiden Männer sich jetzt stritten, durchzuckte mich ein Gedanke.
»Hier geht es um die Forderung des Ersten Drachen, ich solle deine Ehre wiederherstellen, oder?«, sagte ich zu Baltic. »Es hat etwas mit den Flecken auf deiner Seele zu tun, die ich reinwaschen soll, nicht wahr? Aber das hatte doch was mit dem Tod eines Unschuldigen zu tun und ... eine Gefährtin?«
Es hatte ein wenig gedauert, bis Constantines Worte mich erreicht hatten, aber dann richteten sich die Härchen in meinem Nacken auf. Ich trat auf die beiden Männer zu und blickte das frühere Bild der Liebe meines Lebens finster an, ohne mich darum zu kümmern, dass es nur eine Vision war. »Du solltest eine andere Gefährtin nehmen? Wen?«
»Ich habe Alexei meine Entscheidung mitgeteilt«, erklärte Baltic. Er ergriff seine Tunika und wischte sich das Gesicht damit ab. Dann steckte er sein Schwert in die Scheide. »Ich habe meine Meinung nicht geändert.«
Er drehte sich um und stapfte den Hügel zur Vorburg einer alten Steinburg hinauf, blieb jedoch stehen, als Constantine ihm nachrief: »Und was ist mit dem Ersten Drachen? Bietest du ihm ebenso die Stirn wie Alexei? Du bist sein einziger noch lebender Sohn, Baltic.«
»Ich weiß, wer ich bin«, knurrte Baltic und ging weiter.
»Die Lady will dich. Und es heißt, der Erste Drache will auch, dass du sie zur Gefährtin nimmst. Alexei hat es befohlen, um einen Krieg zu verhindern. Glaubst du wirklich, du hast eine Wahl?«
Das Wort, das Baltic von sich gab, war archaisch, aber ziemlich ungezogen. Ironischerweise hatte sein gegenwärtiges Ich es vor Kurzem auch gerade von sich gegeben. Ich blickte der großen, gut aussehenden Gestalt nach, als sie in der Menge der Drachen verschwand, die ihren täglichen Geschäften nachgingen. Plötzlich lächelte Constantine. Ich kniff die Augen zusammen.
»Warum habe ich das Gefühl, dass du etwas weißt?«, fragte ich ihn.
Natürlich bekam ich keine Antwort. Schmunzelnd ging er ebenfalls auf das Schloss zu und ließ mich auf dem Übungsplatz zurück.
»Wer war sie?«, brüllte ich ihm nach. »Wer zum Teufel war sie?« Natürlich antwortete mir niemand. Verdammtes Pack.
»Nun, ich bleibe jetzt nicht brav hier stehen, ohne über wichtige Episoden aus der Vergangenheit aufgeklärt zu werden. Ich habe es satt! Ich werde herausfinden, was hier vor sich geht, und wenn es mich umbringt. Wieder einmal. Aber das passiert sowieso nicht. Ach, zum Teufel, jetzt rede ich auch noch mit mir selbst, während ich in einer Vision bin. Wirklich erbärmlich!«
Ich blickte mich um und versuchte herauszufinden, wo ich mich genau befand. An den Blättern auf den Bäumen erkannte ich, dass es in der kleinen Stadt am Hügel unter mir Herbst war. Hinter mir war ein großer Erdhügel, oben abgeflacht, mit einem kreisförmigen Stein und einem Holzturm, umgeben von einer hohen Holzpalisade. »Eine Turmhügelburg«, murmelte ich und durchforstete meine lückenhafte Erinnerung nach der Zeitperiode für diese Bauten.
Aber mir fiel lediglich ein, dass ungefähr über hundert Jahre vor meiner Geburt so gebaut worden war. Ich holte tief Luft und marschierte ebenfalls zur Burg hoch, wobei ich automatisch allen Personen und Gefährten auswich, die gar nicht wirklich vorhanden waren. Dabei schimpfte ich erbittert über die Drachen und ihre Sturheit, vor allem, was einen gewissen Drachen mit ebenholzschwarzen Augen betraf.
Die Burg war nichts Besonderes, nicht annähernd so prächtig, wie das steinerne Schloss meines Vaters gewesen war. Ich blieb vor der Tür zum Hauptturm stehen und überlegte, wer wohl hier residieren mochte. »Es müssen schwarze Drachen sein, weil Constantine Alexei erwähnt hat. Und Baltic war noch nicht sein Erbe. Das bedeutet, dass er wahrscheinlich mit den anderen Soldaten und unverheirateten Männern zusammen in der Garnison schläft.«
Als ich ein Kind war und bei den Menschen lebte, die ich für meine Familie hielt, war es meiner Schwester und mir streng verboten, auch nur die Fußspitze in die Unterkünfte der Soldaten zu setzen. Wie oft haben wir abends im Bett darüber spekuliert, was wohl im verbotenen unteren Teil der Burg vor sich ging, aber ein gesunder Respekt vor unserer Mutter hielt uns davon ab, diesen verlockenden Ort zu erkunden.
Später, als Baltic und ich uns endlich gefunden hatten, und er Dauva (seine Festung in Lettland) gebaut hatte, blieb ich aus Gewohnheit den Quartieren der Männer fern. Natürlich hätte ich als Baltics Gefährtin das Recht gehabt, sie zu besuchen, aber es war mir nie in den Sinn gekommen, gegen die Regeln zu verstoßen und einen solchen Ort aufzusuchen. Meine Erziehung hielt mich davon ab.
»Wir haben es weit gebracht, Baby«, sagte ich zu mir, als ich durch den unteren Teil der Burg schlenderte und mich interessiert umsah. Überall lagen Strohsäcke, auf denen Kleidungsstücke und Teile der Rüstung verstreut waren. Ein paar Männer schliefen, andere würfelten, und weiter hinten in dem verrauchten, schlecht beleuchteten Raum hockten ein paar von ihnen an den Kohlebecken. Sie hielten Trinkbecher in der Hand und unterhielten sich leise. »Das ist jetzt ein klein wenig enttäuschend«, sagte ich zu den Visionen der Drachen aus der Vergangenheit. »Wo sind denn die nackten Männer, die all die schrecklich unmoralischen Dinge tun, von denen meine Mutter immer geredet hat? Wo sind die Marketenderinnen, die es lustvoll mit den Männern treiben? Wo sind die Orgien? «
»Die Menschenfrau, die dich großgezogen hat, hatte keine Ahnung von den Drachen«, sagte eine laute Stimme hinter mir.
Ich fuhr herum. Baltic - mein Baltic - stand in der Tür, die Hände in die Hüften gestemmt.
»Ach, du bist also zurückgekommen? Ich wusste, dass du dich nicht von der Vergangenheit fernhalten kannst.«
Bei meinem neckenden Tonfall verdrehte er die Augen und trat zu mir. »Ich bin zu dir gekommen, weil du mich nicht begleitet hast, wie es sich für eine Gefährtin geziemt.«
»Oh, oh. Und, welcher Strohsack war deiner?«
»Warum interessiert dich das?«
Ich lächelte ihn an. »Ich möchte sehen, wo du dich nachts schlafen gelegt hast.«
»Warum?«, fragte er noch einmal.
»Weil es etwas aus deiner Vergangenheit ist. Hier hast du nackt gelegen und geschlafen und hattest schmutzige Gedanken. Und da wir gerade von schmutzigen Gedanken sprechen, wer ist denn diese Frau, die du zur Gefährtin nehmen solltest? «
Er ergriff meine Hand und zog mich tiefer in den Raum, wo eine Bretterwand einen Schlafbereich abtrennte, der für eine gewisse Privatsphäre sorgte, auch wenn es kein abgeschlossenes Zimmer war. »Ich habe nicht bei den anderen geschlafen. Ich hatte meinen Platz hier.«
»Wegen deines Vaters?«
Er nickte. Ich setzte mich auf das lange, schmale Bett und blickte mich um, wobei ich ein wenig auf und ab hüpfte.
»Du hattest ein richtiges Bett, mit Federn! Ist das die Truhe, die in Dauva gestanden hat?«
»Ja. Bist du fertig? Ich möchte in den Pub zurückkehren. Ich habe eine Menge zu tun.«
Ich ließ meine Hand unter das Bärenfell auf dem Bett gleiten und stützte mich auf die Ellbogen. »Hattest du in diesem kleinen Zimmer hier Mädchen bei dir, mein Liebster?«
Ich sah ihm an, dass er am liebsten wieder die Augen verdreht hätte, aber er zog nur die Augenbrauen hoch. »Willst du wissen, wie viele Geliebte ich vor dir hatte?«
»Nein, ich will nur wissen, ob jemand dieses kleine Liebesnest mit dir geteilt hat.«
»Nein.«
»Ah. Gut.« Lächelnd schlüpfte ich aus meinen Sandalen und rieb verführerisch meine Füße über das Fell. »Vielleicht möchtest du das ändern?«
Seine Augen signalisierten kurz Interesse, aber sein Mund strafte mich dafür, dass ich seine wertvolle Zeit verschwendete. »Bist du sicher, dass du nicht lieber warten möchtest, bis ich hier mit einer anderen Frau liege?«, erkundigte er sich, ohne eine Miene zu verziehen. »Ich weiß doch, wie es dich anmacht, mich zu lieben, wenn andere anwesend sind.«
»Oh!« Ich setzte mich auf. »Ich habe keine perversen Sexfantasien! Es ist doch nichts dabei, wenn es mich anmacht, unseren Gestalten aus der Vergangenheit beim Liebesakt zuzusehen! Ich möchte dich niemals mit einer anderen Frau sehen! Höchstens mit meinem vergangenen Ich ... äh ... ich war zu der Zeit der Vision doch noch gar nicht geboren, oder?«
»Nein.«
»Okay, dann sind wir also alleine. Nur du und ich. In deinem alten Bett. Und um uns herum sind die Jungs in der Garnison.«
Er verdrehte zwar die Augen, entledigte sich aber rasch seiner Kleidung. »Ich will dir deinen Willen geben, aber nur weil wir getrennt waren, und das bei Drachen eben so üblich ist, wenn sie zurückkehren.«
Kichernd wand ich mich aus meiner Bluse. »Das hast du doch bereits gemacht, als du um drei Uhr heute früh zurückgekommen bist. Zweimal. Ich war noch Stunden danach außer Atem.«
»Jetzt scheinst du aber wieder zu Atem gekommen zu sein«, murmelte er. Er kniete sich auf das Bett und streichelte mit seiner Hand von meinem Bauch zu meinen Brüsten hinauf.
Bebend vor Lust ließ ich meine Hände über seine muskulösen Arme und Schultern gleiten. »Ich erwarte von dir, dass du etwas dagegen unternimmst.«
»Vielleicht«, murmelte er und machte sich daran, meinen Büstenhalter zu öffnen, um mit seiner Wange über meine Brüste zu streichen.
Eine Hand glitt zum Bund meiner Jeans und wollte gerade den Reißverschluss herunterziehen, als ich nach Luft schnappte, weil plötzlich ein Schatten über uns auftauchte.
Der schwarzhaarige Baltic der Vergangenheit stürmte ins Zimmer, zog sich rasch aus und warf sich aufs Bett, genau auf die Stelle, wo ich lag.
»Großer Gott«, stieß ich hervor und rutschte bis an die Kante. »Jetzt habe ich mich aber erschrocken. Bleibt er länger?«
»Woher zum Teufel soll ich das wissen?« Baltic rollte mürrisch von mir herunter.
»Na ja, er ist schließlich du. Kannst du dich nicht mehr erinnern, wie lange du hier warst?«
Der Blick, den er mir zuwarf, sprach Bände. Offenbar hielt er meinen Verstand für nicht allzu brillant. »Nein, Gefährtin, ich kann mich zufällig nicht an jeden einzelnen Tag meiner mehr als tausendjährigen Existenz erinnern.«
»Du bist doch erst vor knapp vierzig Jahren wiedererweckt worden, hast also dreihundert Jahre verpasst«, erwiderte ich. Voller Interesse beobachtete ich den vergangenen Baltic, der sich unruhig herumwarf, bis er schließlich auf dem Rücken lag, die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Unwillkürlich glitt mein Blick tiefer.
»Ysolde«, sagte Baltic warnend.
»Ich habe nur geguckt, völlig wertfrei. Außerdem habe ich dir schon mal gesagt, dass deine wiedererweckte Gestalt ein wenig robuster ist, deshalb brauchst du mich gar nicht so finster anzusehen. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass ich genau denselben Körper in der Vergangenheit schon gesehen habe.«
»Komm«, sagte er und streckte die Hand aus. »Nun, ich hatte eigentlich vor ... na, egal. Es ist wirklich nicht angebracht, es hier zu treiben.«
»Und erstrebenswert auch nicht. Wir werden in unserem eigenen Bett weitermachen.«
Zögernd stand ich auf und nahm die Kleidungsstücke entgegen, die Baltic mir hinhielt. Ein bisschen traurig blickte ich mich nach seinem früheren Ich um, als wir uns anzogen. »Obwohl, wenn du dich genau auf die gleiche Stelle legen würdest wie er jetzt ...«
Der Vortrag, den er mir hielt, als er mich aus der Burg zerrte, hatte sich gewaschen, ist es aber nicht wert, wiederholt zu werden. »Und in Zukunft verzichtest du bitte darauf, mich in deine Visionen einzubeziehen. Hast du mich verstanden, Ysolde? «
»Phhh«, erwiderte ich und kniff ihn ins Hinterteil. »Deine Fähigkeit, dich einmal auf etwas anderes einzulassen, ist nicht gerade ausgeprägt.« Wir gingen gerade um die Hütte neben dem Übungsplatz.
»Ich habe wichtigere Dinge zu tun«, rief er und verschwand.
»Nichts ist wichtiger als der Auftrag, den dein Vater mir gegeben hat. Ach, übrigens, Baltic, du hast mir nicht gesagt, wer die Frau war. Wer war sie?«
»Wer war wer?«, fragte eine Stimme hinter mir. Ich fuhr herum und taumelte leicht, weil sich einen Moment lang alles um mich herum drehte. Schließlich stand ich jedoch in einem vertrauten, wenn auch langweiligen Schlafzimmer oben im alten Pub. »Ist alles in Ordnung? Du machst so ein komisches Gesicht, als ob es nach Kohl riechen würde.«
»Mir geht es gut, mein Schatz.« Ich lächelte den braunhaarigen Jungen an, der mich aus Augen musterte, die für seine neun Jahre viel zu alt wirkten. »Und an Kohl gibt es nichts auszusetzen, auch wenn dein Stiefvater immer behauptet hat, er wachse nur, um seine Geduld auf die Probe zu stellen. Dieser gebratene Kohl mit Erdnusssauce, den Pavel gestern Abend gemacht hat, war doch zum Niederknien, was du auch finden würdest, wenn du davon probiert hättest.«
Brom zog die Nase kraus. Er war immer ein friedliches, wenn auch ein wenig exzentrisches Kind gewesen, aber in dem Monat seit der Zerstörung unseres Hauses schien er Baltic zu einer Heldenfigur auserkoren zu haben. Mehr als einmal ertappte ich ihn dabei, wie er Baltic eingehend musterte, als ob ihn das Verhalten des Wyvern faszinieren würde, aber ich glaube, es steckte mehr dahinter als reine Neugier an den Drachen, mit denen wir jetzt zusammenlebten. Er hatte bereits Baltics Vorlieben und Abneigungen übernommen, wobei er sogar so weit ging, Speisen zu verschmähen, die er sonst ganz gerne gegessen hatte.
»Fährst du heute nach London?«
»Geschickter Themenwechsel. Ja, ich fahre nach London.« Ich schüttelte den letzten Rest Ärger darüber ab, dass der Erste Drache versucht hatte, Baltic zu zwingen, eine Gefährtin zu nehmen, und räumte endlich die Hemden weg, die ich in einem Laden am Ort gekauft hatte. »Wo führt Nico dich heute hin?«
»Er möchte in ein historisches Museum.« Brom blickte mich nachdenklich an. »Es gibt dort Schiffe und so, aber keine Leichen. Allerdings meinte Nico, es gäbe vielleicht ein paar chirurgische Werkzeuge. Wann haben wir denn endlich wieder ein eigenes Haus, damit ich mein Labor wieder einrichten kann? Du hast gesagt, du machst dich sofort auf die Suche, dabei dauert es schon eine Ewigkeit.«
»Vier Wochen sind nicht gerade eine Ewigkeit.« Lächelnd gab ich ihm einen der drei Küsse, die er mir täglich zugestand. »Aber ich frage Baltic noch einmal. Würde es dir denn etwas ausmachen, wenn wir nicht in England wohnen würden? Er will wahrscheinlich in die Nähe von Dauva ziehen, um die Restaurierungsarbeiten besser überwachen zu können. Ich finde es schrecklich, wenn er ständig zwischen Riga und hier hin- und herpendelt ...«
»Gibt es Mumien in ...« Er überlegte.
»Lettland«, beendete ich die Frage für ihn. »Ich habe keine Ahnung, aber es ist in der Nähe von St. Petersburg, wo es meines Wissens ein paar sehr schöne Museen gibt. Ob sie dort allerdings Mumien haben, weiß ich nicht. Frag doch Nico. Vielleicht weiß er das ja.«
»Okay. Kommt er denn auch mit? Ich meine ja nur, weil er ein grüner Drache ist und nicht zu Baltics Sippe gehört.«
»Ich bin sicher, dass Drake es ihm erlaubt, schließlich hat er ja zugestimmt, dass Nico ein Jahr lang dein Lehrer ist. Oh, du hast noch gar kein Taschengeld bekommen, oder? Warte, ich hole mein Portemonnaie.«
Brom verzog peinlich berührt das Gesicht, dann sackten seine Schultern herab, und er sagte zögernd: »Baltic hat es mir heute früh gegeben, als er aus Nepal gekommen ist.«
»Oh, oh. Hattest du vor, mir das zu sagen, oder wolltest du doppelt einkassieren?«
Seine Lippen zuckten. »Na ja ... nein. Aber wenn du mir auch welches geben willst, ist das in Ordnung.«
Lachend tätschelte ich ihm die Schulter. »Es tut mir leid, wenn ich deine Hoffnung zunichtemache, von uns beiden Geld zu bekommen, aber mehr als ein Taschengeld in der Woche brauchst du wirklich nicht.«
»Wie soll ich denn meine Geräte kaufen, wenn wir wieder ein Haus haben?«, fragte er. Ich scheuchte ihn vor mir her in den schmalen Flur. Die unebenen Bodendielen vermittelten mir immer das Gefühl, schief zu laufen, aber ich beklagte mich nicht. Der kleine Pub, der einem der Menschenfreunde von Pavel, Baltics zweitem Leibwächter, gehörte, war gemütlich und pittoresk in seinem elisabethanischen Stil. Baltic meinte, hier würden wir in Sicherheit sein, falls Thala, seine ehemalige Stellvertreterin, erneut versuchen sollte, uns zu töten. Ich hatte keinen Zweifel daran, dass er uns überall auf der Welt beschützen würde, aber genau wie Brom war ich es leid, ständig umzuziehen, und ich sehnte mich nach einem eigenen Haus, in dem wir uns ein für alle Mal niederlassen konnten.
»Wenn wir die Möglichkeit haben, dir wieder ein Mumifizierungslabor einzurichten, dann kaufe ich dir ein paar Geräte. Obwohl, wirklich, Brom, konntest du dir kein anderes Hobby aussuchen, als Tiere zu mumifizieren?«
»Du hast doch gesagt, es sei verboten, Menschen zu mumifizieren «, erwiderte er. Ich klopfte an die Zimmertür seines Lehrers. »Außerdem wüsste ich gar nicht, wo ich einen toten Menschen hernehmen sollte.«
Nico, ein gelehrter grüner Drache mir rotbraunen Haaren, der Brom seit ein paar Monaten unterrichtete, begrüßte mich und griff nach einem kleinen Rucksack. »Hat Brom Ihnen gesagt, dass wir heute ins Schiffsmuseum gehen?«
»Ja, obwohl es dort keine Leichen gibt.« Ich lächelte Nico an. Dann ermahnte ich Brom, er solle sich benehmen. »Ich komme erst kurz vor dem Abendessen zurück, aber Pavel hat gesagt, er wolle heute etwas ganz Besonderes kochen, also seid pünktlich um sechs zu Hause.«
»Das werden wir.« Nico warf einen Blick auf die Uhr und eilte mit Brom die Treppe hinunter. Ich hörte eine Männerstimme unten und wartete, wobei ich mir überlegte, wie ich das Thema meiner Vision am besten ansprechen sollte.
Baltic erschien auf der Treppe. Als er mich sah, zog er die Hand schnell aus der Tasche.
»Das glaube ich jetzt nicht!« Ich runzelte die Stirn, als Pavel hinter ihm auftauchte. »Baltic, wirklich, das ist nicht in Ordnung! «
Schuldbewusst schlug er die Augen nieder, zog mich aber sofort in seine Arme und hüllte mich mit Drachenfeuer ein. »Chérie, warum runzelst du die Stirn? Könnte es sein, dass du mich in den letzten fünf Minuten genauso vermisst hast wie ich dich?«
»Immer wenn du mich Chérie nennst, hast du ein schlechtes Gewissen«, erwiderte ich mit einem Kichern und schmiegte mich an ihn. »Ja, natürlich habe ich dich vermisst, und nicht nur in den letzten fünf Minuten. Es waren höllische zwölf Tage, als du nach Thala gesucht hast, nicht nur weil ich mir so schreckliche Sorgen um dich gemacht habe, sondern auch weil du nicht hier warst, um mich vor Verlangen um den Verstand zu bringen. Aber darum geht es gar nicht. Brom braucht keineswegs mehr Geld. Und versuch nicht zu leugnen, dass du ihm etwas gegeben hast, denn ich habe gesehen, wie du deine Brieftasche wieder eingesteckt hast.«
»Über dieses Thema haben wir doch schon gesprochen«, murmelte er an meinem Mund und zog mich an seine Hüften. »Wenn du heute brav bist, erlaube ich dir später, mit mir zu machen, was du willst.«
»Wenn ich brav ...« Empört schaute ich ihn an, schnurrte aber beinahe, als er mich küsste. Ich konnte ihm nie lange böse sein.
Ich gab mich seinem Feuer hin, genoss seinen festen Körper an meinem, seinen Duft, diesen maskulinen, würzigen Duft, der mein eigenes Drachenfeuer schürte. Und wenn seine Lippen sich auf meine drückten, dann wusste ich, dass ich keine Chance hatte. Ich erwiderte seinen Kuss mit all meiner Leidenschaft und zog an seinen Haaren, um wortlos mehr von seinem Feuer einzufordern.
Pavel ging an uns vorbei und murmelte, er würde im Wohnzimmer auf Baltic warten, aber selbst das hielt mich nicht davon ab, Baltics Drachenfeuer mit einem leisen Stöhnen willkommen zu heißen. Seine Zunge brannte in meinem Mund, als er mich hart an die Wand drückte. Ich klammerte mich an seine Schultern und rieb mich an ihm, als sein Feuer uns beide einhüllte.
»Ysolde, wenn du nicht aufhörst, mich im Flur verführen zu wollen, dann nehme ich dich auf der Stelle«, sagte Baltic leise und leidenschaftlich. »Ich würde zwar nur zu gerne diese geheime Fantasie von dir erfüllen, aber wir laufen Gefahr, jeden, der die Treppe hinaufkommt, zu schockieren.«
Ich kniff ihn in sein hinreißendes Hinterteil. »Zum letzten Mal, du unglaublich sexy Drache, ich habe nur völlig normale sexuelle Fantasien, und Voyeurismus gehört bestimmt nicht dazu. Und bevor du es erwähnst: In der Burg hätte uns niemand gesehen, auch nicht dein vergangenes Ich. Ich will jedoch gerne zugeben, dass gewisse Körperteile von mir immer noch summen, seit du mich heute früh, als du nach Hause gekommen bist, begrüßt hast. Das war wundervoll.«
»Ich habe dir nur die Aufmerksamkeit geschenkt, die du verdient hast.« Baltic zog die Augenbrauen hoch und machte sich dann mit Mund und Händen über meine Brüste her. Ich wand mich unter seinen Berührungen, wobei ich mich fragte, ob wir noch Zeit haben würden, unser Verlangen zu stillen, aber in diesem Augenblick vibrierte mein Telefon in meiner Tasche und gab ein befehlendes »Ysolde!« von sich.
Baltic, der gerade das Tal zwischen meinen Brüsten geleckt hatte, hob den Kopf und blickte mich stirnrunzelnd an. »Gefährtin! Ich habe dir doch gesagt, du sollst deinen Klingelton ändern.«
Kichernd knabberte ich an seiner Unterlippe. »Aber er ist einfach perfekt! Nichts erregt meine Aufmerksamkeit mehr, als wenn du meinen Namen sagst. Und apropos Aufmerksamkeit, ich möchte gerne mit dir über diese Vision reden.«
Er ignorierte meine Worte, schlang die Arme um meine Taille und hob mich hoch. »Du stellst meine Geduld auf eine harte Probe, Frau. Ich habe keine Zeit für Erinnerungen an das, was in der Vergangenheit passiert ist. Ich habe durch die Jagd auf Thala zwölf Tage verloren, und ich muss in kürzester Zeit viel Arbeit nachholen.«
Ich holte tief Luft. »Ich wünschte, ich könnte die Visionen ignorieren, aber das kann ich nicht. Du bist nicht der Einzige, der zwölf Tage verloren hat, mein Liebling. Als der Erste Drache verlangt hat, ich solle deine Ehre wiederherstellen ...«
»Ich habe dir schon einmal gesagt, dass mit meiner Ehre alles in Ordnung ist.«
»Wenn dein Vater, der göttliche Vorfahr jedes Drachen, mir sagt, ich solle deine Ehre retten, dann werde ich das keineswegs ignorieren. Vor allem, da du es mir nicht gerade leicht machst.«
»Wenn du gerne deine Zeit verschwenden möchtest ...«
»Meine Zeit verschwenden? Meine Zeit verschwenden!« Ich keuchte und versetzte ihm einen Stoß. »Ich fasse es nicht! Du bezeichnest meine Visionen als Zeitverschwendung!«
»Reg dich nicht so auf, Ysolde«, setzte er an, aber ich schlug ihn mit beiden Händen auf die Brust. Mein Blick war so finster, dass ihm eigentlich sämtliche Haare hätten ausfallen müssen.
»Ich rege mich nicht auf!«, schrie ich. Meine Stimme hallte von den Holzwänden im Flur wider. Baltic zog seine glänzenden schokoladebraunen Augenbrauen hoch. »Nun ja, gut. Ich rege mich doch auf. Aber ich kann nichts dafür. Das sind meine Hormone.«
»Bist du gerade in deinen kritischen Tagen? Heute früh warst du das noch nicht. Hoffentlich ist es bald wieder vorbei. Ich warte nicht gerne, bis es vorbei ist«, sagte er und blickte mich voller Leidenschaft an.
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2014 bei EGMONT Verlagsgesellschaften mbH Alle Rechte vorbehalten
Baltic wandte sich fluchend ab und marschierte davon. »Ich bin in den letzten zwölf Tagen Thala durch ganz Europa und halb Asien hinterhergejagt. Ich habe zu tun, Gefährtin. Du kannst dich ja meinetwegen mit diesen Nichtigkeiten aufhalten, ich jedenfalls nicht.«
»Nichtigkeiten? Na, das ist ja großartig! Das sind keine Nichtigkeiten. Und du kannst nicht einfach so meine Vision verlassen! «, schrie ich ihm nach und beobachtete empört, wie er um eine kleine Hütte herum verschwand. »Das sind wertvolle Informationsquellen! Kaawa sagt, wir sollen daraus lernen und erkennen, was wichtig für uns ist. Baltic? Verdammt noch mal! Er ist einfach abgehauen, der blöde Kerl!«
Frustriert drehte ich mich um. Die Vision von Constantine trat zu dem anderen Mann, der zwischen Stechpuppen und mannsgroßen Zielscheiben stand.
»Nun, ich jedenfalls werde versuchen zu lernen, was der Drache in mir mir sagen will. Lass mal sehen. Was haben wir denn hier? Offensichtlich sind wir auf einer Art Übungsplatz, und da Baltic beim Anblick Constantines keinen Schaum vor dem Mund hat, scheinen sie ja immer noch Freunde zu sein. Hallo, Liebling, ich nehme nicht an, dass du mich hören, geschweige denn sehen kannst?«
Baltics Vision reagierte nicht, aber das hatte ich auch gar nicht erwartet. Die Personen in den Visionen, die der Drache in mir, der lange geschlafen hatte und erst kürzlich wieder erwacht war, produzierte, waren genau das - Visionen von Ereignissen in der Vergangenheit. Ich konnte zuhören und zuschauen, aber nicht eingreifen.
Constantine trug Wollleggings und eine Tunika mit einem goldbestickten Drachen. Sein Gesicht war mitleidig verzogen, als er auf Baltic zutrat. »Hast du mich gehört?«, fragte er und blieb neben dem Mann stehen, der immer noch mit einem riesigen Schwert auf das Ziel aus Stroh und Holz einhackte.
»Ja, ich habe dich gehört. Aber es ist für mich nicht von Belang. «
Bewundernd betrachtete ich das Spiel seiner Muskeln, während Baltic auf die Zielscheibe eindrosch. Sein nackter Rücken glänzte vor Schweiß.
»Mir werden immer die Knie weich, wenn ich sehe, wie du ein Schwert schwingst«, sagte ich zu der Vision. Ich ging um ihn herum, um ihn auch von vorne zu betrachten. Sein Gesicht sah anders aus, wenngleich vertraut. Damals waren seine Haare noch rabenschwarz gewesen und sein Kinn fester. »Mir gefällt es, dass deine Haare jetzt schokoladenbraun sind. Und auch dein Kinn gefällt mir, so wie es jetzt ist, obwohl du natürlich unglaublich sexy aussahst, bevor Thala dich wiedererweckt hat. Und dein Brustkorb ... oh, Mann.« Ich fächelte mir mit einem der Hemden, die ich in der Hand hielt, Luft zu.
»Alexei sagt, du hast keine Wahl. Er sagt, dein Vater hat es befohlen.« Constantine zog eine Augenbraue hoch und wich rasch einen Schritt zurück, als Baltic weit ausholte.
»Du siehst genauso aus wie immer«, ließ ich Constantine wissen. »Als Schatten zurückgebracht zu werden, hat anscheinend deine Erscheinung nicht beeinträchtigt. Bei Wiedererweckung ist das wohl anders. Interessant. Ich muss Kaawa danach fragen, wenn ich sie das nächste Mal sehe. Du hast wirklich gut ausgesehen damals, Constantine. Wenngleich du Baltic natürlich nie das Wasser reichen konntest.«
»Mein Vater hat nicht über mein Leben zu bestimmen«, fuhr Baltic ihn an. Sein Atem ging stoßweise, als er mit dem Schwert auf die menschenähnliche Zielscheibe einschlug. »Und Alexei auch nicht.«
Ich lehnte mich an eine der Zielscheiben, um alles genau beobachten und studieren zu können.
»Er ist unser Wyvern. Du schuldest ihm Vasallentreue«, sagte Constantine steif. »Du musst tun, was er sagt. Du musst dich mit der Lady treffen.«
»Halt mir keine Vorträge, Constantine«, knurrte Baltic. Schweißtropfen glitzerten auf seiner Stirn und dem dunklen Haar auf seiner Brust. Constantine trat einen Schritt zurück, als Baltic das Schwert auf ihn richtete. »Du bist Alexeis Erbe, nicht der Wyvern, und ich lasse mich nicht herumkommandieren.«
»Frieden!«, sagte Constantine und hob die Hände. »Ich bin nicht hier, um mit dir zu streiten, alter Freund. Ich wollte dich nur warnen, dass die Lady gekommen ist und Alexei von dir erwartet, dass du deine Pflicht tust und sie zu deiner Gefährtin erklärst.«
Ich hatte mich schon gefragt, wann genau dieser Moment stattgefunden hatte - den Kommentaren nach zu urteilen, war es nicht nur vor meiner Geburt gewesen, sondern sogar noch vor der Zeit, als Baltic der Wyvern der schwarzen Drachen gewesen war -, aber als die beiden Männer sich jetzt stritten, durchzuckte mich ein Gedanke.
»Hier geht es um die Forderung des Ersten Drachen, ich solle deine Ehre wiederherstellen, oder?«, sagte ich zu Baltic. »Es hat etwas mit den Flecken auf deiner Seele zu tun, die ich reinwaschen soll, nicht wahr? Aber das hatte doch was mit dem Tod eines Unschuldigen zu tun und ... eine Gefährtin?«
Es hatte ein wenig gedauert, bis Constantines Worte mich erreicht hatten, aber dann richteten sich die Härchen in meinem Nacken auf. Ich trat auf die beiden Männer zu und blickte das frühere Bild der Liebe meines Lebens finster an, ohne mich darum zu kümmern, dass es nur eine Vision war. »Du solltest eine andere Gefährtin nehmen? Wen?«
»Ich habe Alexei meine Entscheidung mitgeteilt«, erklärte Baltic. Er ergriff seine Tunika und wischte sich das Gesicht damit ab. Dann steckte er sein Schwert in die Scheide. »Ich habe meine Meinung nicht geändert.«
Er drehte sich um und stapfte den Hügel zur Vorburg einer alten Steinburg hinauf, blieb jedoch stehen, als Constantine ihm nachrief: »Und was ist mit dem Ersten Drachen? Bietest du ihm ebenso die Stirn wie Alexei? Du bist sein einziger noch lebender Sohn, Baltic.«
»Ich weiß, wer ich bin«, knurrte Baltic und ging weiter.
»Die Lady will dich. Und es heißt, der Erste Drache will auch, dass du sie zur Gefährtin nimmst. Alexei hat es befohlen, um einen Krieg zu verhindern. Glaubst du wirklich, du hast eine Wahl?«
Das Wort, das Baltic von sich gab, war archaisch, aber ziemlich ungezogen. Ironischerweise hatte sein gegenwärtiges Ich es vor Kurzem auch gerade von sich gegeben. Ich blickte der großen, gut aussehenden Gestalt nach, als sie in der Menge der Drachen verschwand, die ihren täglichen Geschäften nachgingen. Plötzlich lächelte Constantine. Ich kniff die Augen zusammen.
»Warum habe ich das Gefühl, dass du etwas weißt?«, fragte ich ihn.
Natürlich bekam ich keine Antwort. Schmunzelnd ging er ebenfalls auf das Schloss zu und ließ mich auf dem Übungsplatz zurück.
»Wer war sie?«, brüllte ich ihm nach. »Wer zum Teufel war sie?« Natürlich antwortete mir niemand. Verdammtes Pack.
»Nun, ich bleibe jetzt nicht brav hier stehen, ohne über wichtige Episoden aus der Vergangenheit aufgeklärt zu werden. Ich habe es satt! Ich werde herausfinden, was hier vor sich geht, und wenn es mich umbringt. Wieder einmal. Aber das passiert sowieso nicht. Ach, zum Teufel, jetzt rede ich auch noch mit mir selbst, während ich in einer Vision bin. Wirklich erbärmlich!«
Ich blickte mich um und versuchte herauszufinden, wo ich mich genau befand. An den Blättern auf den Bäumen erkannte ich, dass es in der kleinen Stadt am Hügel unter mir Herbst war. Hinter mir war ein großer Erdhügel, oben abgeflacht, mit einem kreisförmigen Stein und einem Holzturm, umgeben von einer hohen Holzpalisade. »Eine Turmhügelburg«, murmelte ich und durchforstete meine lückenhafte Erinnerung nach der Zeitperiode für diese Bauten.
Aber mir fiel lediglich ein, dass ungefähr über hundert Jahre vor meiner Geburt so gebaut worden war. Ich holte tief Luft und marschierte ebenfalls zur Burg hoch, wobei ich automatisch allen Personen und Gefährten auswich, die gar nicht wirklich vorhanden waren. Dabei schimpfte ich erbittert über die Drachen und ihre Sturheit, vor allem, was einen gewissen Drachen mit ebenholzschwarzen Augen betraf.
Die Burg war nichts Besonderes, nicht annähernd so prächtig, wie das steinerne Schloss meines Vaters gewesen war. Ich blieb vor der Tür zum Hauptturm stehen und überlegte, wer wohl hier residieren mochte. »Es müssen schwarze Drachen sein, weil Constantine Alexei erwähnt hat. Und Baltic war noch nicht sein Erbe. Das bedeutet, dass er wahrscheinlich mit den anderen Soldaten und unverheirateten Männern zusammen in der Garnison schläft.«
Als ich ein Kind war und bei den Menschen lebte, die ich für meine Familie hielt, war es meiner Schwester und mir streng verboten, auch nur die Fußspitze in die Unterkünfte der Soldaten zu setzen. Wie oft haben wir abends im Bett darüber spekuliert, was wohl im verbotenen unteren Teil der Burg vor sich ging, aber ein gesunder Respekt vor unserer Mutter hielt uns davon ab, diesen verlockenden Ort zu erkunden.
Später, als Baltic und ich uns endlich gefunden hatten, und er Dauva (seine Festung in Lettland) gebaut hatte, blieb ich aus Gewohnheit den Quartieren der Männer fern. Natürlich hätte ich als Baltics Gefährtin das Recht gehabt, sie zu besuchen, aber es war mir nie in den Sinn gekommen, gegen die Regeln zu verstoßen und einen solchen Ort aufzusuchen. Meine Erziehung hielt mich davon ab.
»Wir haben es weit gebracht, Baby«, sagte ich zu mir, als ich durch den unteren Teil der Burg schlenderte und mich interessiert umsah. Überall lagen Strohsäcke, auf denen Kleidungsstücke und Teile der Rüstung verstreut waren. Ein paar Männer schliefen, andere würfelten, und weiter hinten in dem verrauchten, schlecht beleuchteten Raum hockten ein paar von ihnen an den Kohlebecken. Sie hielten Trinkbecher in der Hand und unterhielten sich leise. »Das ist jetzt ein klein wenig enttäuschend«, sagte ich zu den Visionen der Drachen aus der Vergangenheit. »Wo sind denn die nackten Männer, die all die schrecklich unmoralischen Dinge tun, von denen meine Mutter immer geredet hat? Wo sind die Marketenderinnen, die es lustvoll mit den Männern treiben? Wo sind die Orgien? «
»Die Menschenfrau, die dich großgezogen hat, hatte keine Ahnung von den Drachen«, sagte eine laute Stimme hinter mir.
Ich fuhr herum. Baltic - mein Baltic - stand in der Tür, die Hände in die Hüften gestemmt.
»Ach, du bist also zurückgekommen? Ich wusste, dass du dich nicht von der Vergangenheit fernhalten kannst.«
Bei meinem neckenden Tonfall verdrehte er die Augen und trat zu mir. »Ich bin zu dir gekommen, weil du mich nicht begleitet hast, wie es sich für eine Gefährtin geziemt.«
»Oh, oh. Und, welcher Strohsack war deiner?«
»Warum interessiert dich das?«
Ich lächelte ihn an. »Ich möchte sehen, wo du dich nachts schlafen gelegt hast.«
»Warum?«, fragte er noch einmal.
»Weil es etwas aus deiner Vergangenheit ist. Hier hast du nackt gelegen und geschlafen und hattest schmutzige Gedanken. Und da wir gerade von schmutzigen Gedanken sprechen, wer ist denn diese Frau, die du zur Gefährtin nehmen solltest? «
Er ergriff meine Hand und zog mich tiefer in den Raum, wo eine Bretterwand einen Schlafbereich abtrennte, der für eine gewisse Privatsphäre sorgte, auch wenn es kein abgeschlossenes Zimmer war. »Ich habe nicht bei den anderen geschlafen. Ich hatte meinen Platz hier.«
»Wegen deines Vaters?«
Er nickte. Ich setzte mich auf das lange, schmale Bett und blickte mich um, wobei ich ein wenig auf und ab hüpfte.
»Du hattest ein richtiges Bett, mit Federn! Ist das die Truhe, die in Dauva gestanden hat?«
»Ja. Bist du fertig? Ich möchte in den Pub zurückkehren. Ich habe eine Menge zu tun.«
Ich ließ meine Hand unter das Bärenfell auf dem Bett gleiten und stützte mich auf die Ellbogen. »Hattest du in diesem kleinen Zimmer hier Mädchen bei dir, mein Liebster?«
Ich sah ihm an, dass er am liebsten wieder die Augen verdreht hätte, aber er zog nur die Augenbrauen hoch. »Willst du wissen, wie viele Geliebte ich vor dir hatte?«
»Nein, ich will nur wissen, ob jemand dieses kleine Liebesnest mit dir geteilt hat.«
»Nein.«
»Ah. Gut.« Lächelnd schlüpfte ich aus meinen Sandalen und rieb verführerisch meine Füße über das Fell. »Vielleicht möchtest du das ändern?«
Seine Augen signalisierten kurz Interesse, aber sein Mund strafte mich dafür, dass ich seine wertvolle Zeit verschwendete. »Bist du sicher, dass du nicht lieber warten möchtest, bis ich hier mit einer anderen Frau liege?«, erkundigte er sich, ohne eine Miene zu verziehen. »Ich weiß doch, wie es dich anmacht, mich zu lieben, wenn andere anwesend sind.«
»Oh!« Ich setzte mich auf. »Ich habe keine perversen Sexfantasien! Es ist doch nichts dabei, wenn es mich anmacht, unseren Gestalten aus der Vergangenheit beim Liebesakt zuzusehen! Ich möchte dich niemals mit einer anderen Frau sehen! Höchstens mit meinem vergangenen Ich ... äh ... ich war zu der Zeit der Vision doch noch gar nicht geboren, oder?«
»Nein.«
»Okay, dann sind wir also alleine. Nur du und ich. In deinem alten Bett. Und um uns herum sind die Jungs in der Garnison.«
Er verdrehte zwar die Augen, entledigte sich aber rasch seiner Kleidung. »Ich will dir deinen Willen geben, aber nur weil wir getrennt waren, und das bei Drachen eben so üblich ist, wenn sie zurückkehren.«
Kichernd wand ich mich aus meiner Bluse. »Das hast du doch bereits gemacht, als du um drei Uhr heute früh zurückgekommen bist. Zweimal. Ich war noch Stunden danach außer Atem.«
»Jetzt scheinst du aber wieder zu Atem gekommen zu sein«, murmelte er. Er kniete sich auf das Bett und streichelte mit seiner Hand von meinem Bauch zu meinen Brüsten hinauf.
Bebend vor Lust ließ ich meine Hände über seine muskulösen Arme und Schultern gleiten. »Ich erwarte von dir, dass du etwas dagegen unternimmst.«
»Vielleicht«, murmelte er und machte sich daran, meinen Büstenhalter zu öffnen, um mit seiner Wange über meine Brüste zu streichen.
Eine Hand glitt zum Bund meiner Jeans und wollte gerade den Reißverschluss herunterziehen, als ich nach Luft schnappte, weil plötzlich ein Schatten über uns auftauchte.
Der schwarzhaarige Baltic der Vergangenheit stürmte ins Zimmer, zog sich rasch aus und warf sich aufs Bett, genau auf die Stelle, wo ich lag.
»Großer Gott«, stieß ich hervor und rutschte bis an die Kante. »Jetzt habe ich mich aber erschrocken. Bleibt er länger?«
»Woher zum Teufel soll ich das wissen?« Baltic rollte mürrisch von mir herunter.
»Na ja, er ist schließlich du. Kannst du dich nicht mehr erinnern, wie lange du hier warst?«
Der Blick, den er mir zuwarf, sprach Bände. Offenbar hielt er meinen Verstand für nicht allzu brillant. »Nein, Gefährtin, ich kann mich zufällig nicht an jeden einzelnen Tag meiner mehr als tausendjährigen Existenz erinnern.«
»Du bist doch erst vor knapp vierzig Jahren wiedererweckt worden, hast also dreihundert Jahre verpasst«, erwiderte ich. Voller Interesse beobachtete ich den vergangenen Baltic, der sich unruhig herumwarf, bis er schließlich auf dem Rücken lag, die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Unwillkürlich glitt mein Blick tiefer.
»Ysolde«, sagte Baltic warnend.
»Ich habe nur geguckt, völlig wertfrei. Außerdem habe ich dir schon mal gesagt, dass deine wiedererweckte Gestalt ein wenig robuster ist, deshalb brauchst du mich gar nicht so finster anzusehen. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass ich genau denselben Körper in der Vergangenheit schon gesehen habe.«
»Komm«, sagte er und streckte die Hand aus. »Nun, ich hatte eigentlich vor ... na, egal. Es ist wirklich nicht angebracht, es hier zu treiben.«
»Und erstrebenswert auch nicht. Wir werden in unserem eigenen Bett weitermachen.«
Zögernd stand ich auf und nahm die Kleidungsstücke entgegen, die Baltic mir hinhielt. Ein bisschen traurig blickte ich mich nach seinem früheren Ich um, als wir uns anzogen. »Obwohl, wenn du dich genau auf die gleiche Stelle legen würdest wie er jetzt ...«
Der Vortrag, den er mir hielt, als er mich aus der Burg zerrte, hatte sich gewaschen, ist es aber nicht wert, wiederholt zu werden. »Und in Zukunft verzichtest du bitte darauf, mich in deine Visionen einzubeziehen. Hast du mich verstanden, Ysolde? «
»Phhh«, erwiderte ich und kniff ihn ins Hinterteil. »Deine Fähigkeit, dich einmal auf etwas anderes einzulassen, ist nicht gerade ausgeprägt.« Wir gingen gerade um die Hütte neben dem Übungsplatz.
»Ich habe wichtigere Dinge zu tun«, rief er und verschwand.
»Nichts ist wichtiger als der Auftrag, den dein Vater mir gegeben hat. Ach, übrigens, Baltic, du hast mir nicht gesagt, wer die Frau war. Wer war sie?«
»Wer war wer?«, fragte eine Stimme hinter mir. Ich fuhr herum und taumelte leicht, weil sich einen Moment lang alles um mich herum drehte. Schließlich stand ich jedoch in einem vertrauten, wenn auch langweiligen Schlafzimmer oben im alten Pub. »Ist alles in Ordnung? Du machst so ein komisches Gesicht, als ob es nach Kohl riechen würde.«
»Mir geht es gut, mein Schatz.« Ich lächelte den braunhaarigen Jungen an, der mich aus Augen musterte, die für seine neun Jahre viel zu alt wirkten. »Und an Kohl gibt es nichts auszusetzen, auch wenn dein Stiefvater immer behauptet hat, er wachse nur, um seine Geduld auf die Probe zu stellen. Dieser gebratene Kohl mit Erdnusssauce, den Pavel gestern Abend gemacht hat, war doch zum Niederknien, was du auch finden würdest, wenn du davon probiert hättest.«
Brom zog die Nase kraus. Er war immer ein friedliches, wenn auch ein wenig exzentrisches Kind gewesen, aber in dem Monat seit der Zerstörung unseres Hauses schien er Baltic zu einer Heldenfigur auserkoren zu haben. Mehr als einmal ertappte ich ihn dabei, wie er Baltic eingehend musterte, als ob ihn das Verhalten des Wyvern faszinieren würde, aber ich glaube, es steckte mehr dahinter als reine Neugier an den Drachen, mit denen wir jetzt zusammenlebten. Er hatte bereits Baltics Vorlieben und Abneigungen übernommen, wobei er sogar so weit ging, Speisen zu verschmähen, die er sonst ganz gerne gegessen hatte.
»Fährst du heute nach London?«
»Geschickter Themenwechsel. Ja, ich fahre nach London.« Ich schüttelte den letzten Rest Ärger darüber ab, dass der Erste Drache versucht hatte, Baltic zu zwingen, eine Gefährtin zu nehmen, und räumte endlich die Hemden weg, die ich in einem Laden am Ort gekauft hatte. »Wo führt Nico dich heute hin?«
»Er möchte in ein historisches Museum.« Brom blickte mich nachdenklich an. »Es gibt dort Schiffe und so, aber keine Leichen. Allerdings meinte Nico, es gäbe vielleicht ein paar chirurgische Werkzeuge. Wann haben wir denn endlich wieder ein eigenes Haus, damit ich mein Labor wieder einrichten kann? Du hast gesagt, du machst dich sofort auf die Suche, dabei dauert es schon eine Ewigkeit.«
»Vier Wochen sind nicht gerade eine Ewigkeit.« Lächelnd gab ich ihm einen der drei Küsse, die er mir täglich zugestand. »Aber ich frage Baltic noch einmal. Würde es dir denn etwas ausmachen, wenn wir nicht in England wohnen würden? Er will wahrscheinlich in die Nähe von Dauva ziehen, um die Restaurierungsarbeiten besser überwachen zu können. Ich finde es schrecklich, wenn er ständig zwischen Riga und hier hin- und herpendelt ...«
»Gibt es Mumien in ...« Er überlegte.
»Lettland«, beendete ich die Frage für ihn. »Ich habe keine Ahnung, aber es ist in der Nähe von St. Petersburg, wo es meines Wissens ein paar sehr schöne Museen gibt. Ob sie dort allerdings Mumien haben, weiß ich nicht. Frag doch Nico. Vielleicht weiß er das ja.«
»Okay. Kommt er denn auch mit? Ich meine ja nur, weil er ein grüner Drache ist und nicht zu Baltics Sippe gehört.«
»Ich bin sicher, dass Drake es ihm erlaubt, schließlich hat er ja zugestimmt, dass Nico ein Jahr lang dein Lehrer ist. Oh, du hast noch gar kein Taschengeld bekommen, oder? Warte, ich hole mein Portemonnaie.«
Brom verzog peinlich berührt das Gesicht, dann sackten seine Schultern herab, und er sagte zögernd: »Baltic hat es mir heute früh gegeben, als er aus Nepal gekommen ist.«
»Oh, oh. Hattest du vor, mir das zu sagen, oder wolltest du doppelt einkassieren?«
Seine Lippen zuckten. »Na ja ... nein. Aber wenn du mir auch welches geben willst, ist das in Ordnung.«
Lachend tätschelte ich ihm die Schulter. »Es tut mir leid, wenn ich deine Hoffnung zunichtemache, von uns beiden Geld zu bekommen, aber mehr als ein Taschengeld in der Woche brauchst du wirklich nicht.«
»Wie soll ich denn meine Geräte kaufen, wenn wir wieder ein Haus haben?«, fragte er. Ich scheuchte ihn vor mir her in den schmalen Flur. Die unebenen Bodendielen vermittelten mir immer das Gefühl, schief zu laufen, aber ich beklagte mich nicht. Der kleine Pub, der einem der Menschenfreunde von Pavel, Baltics zweitem Leibwächter, gehörte, war gemütlich und pittoresk in seinem elisabethanischen Stil. Baltic meinte, hier würden wir in Sicherheit sein, falls Thala, seine ehemalige Stellvertreterin, erneut versuchen sollte, uns zu töten. Ich hatte keinen Zweifel daran, dass er uns überall auf der Welt beschützen würde, aber genau wie Brom war ich es leid, ständig umzuziehen, und ich sehnte mich nach einem eigenen Haus, in dem wir uns ein für alle Mal niederlassen konnten.
»Wenn wir die Möglichkeit haben, dir wieder ein Mumifizierungslabor einzurichten, dann kaufe ich dir ein paar Geräte. Obwohl, wirklich, Brom, konntest du dir kein anderes Hobby aussuchen, als Tiere zu mumifizieren?«
»Du hast doch gesagt, es sei verboten, Menschen zu mumifizieren «, erwiderte er. Ich klopfte an die Zimmertür seines Lehrers. »Außerdem wüsste ich gar nicht, wo ich einen toten Menschen hernehmen sollte.«
Nico, ein gelehrter grüner Drache mir rotbraunen Haaren, der Brom seit ein paar Monaten unterrichtete, begrüßte mich und griff nach einem kleinen Rucksack. »Hat Brom Ihnen gesagt, dass wir heute ins Schiffsmuseum gehen?«
»Ja, obwohl es dort keine Leichen gibt.« Ich lächelte Nico an. Dann ermahnte ich Brom, er solle sich benehmen. »Ich komme erst kurz vor dem Abendessen zurück, aber Pavel hat gesagt, er wolle heute etwas ganz Besonderes kochen, also seid pünktlich um sechs zu Hause.«
»Das werden wir.« Nico warf einen Blick auf die Uhr und eilte mit Brom die Treppe hinunter. Ich hörte eine Männerstimme unten und wartete, wobei ich mir überlegte, wie ich das Thema meiner Vision am besten ansprechen sollte.
Baltic erschien auf der Treppe. Als er mich sah, zog er die Hand schnell aus der Tasche.
»Das glaube ich jetzt nicht!« Ich runzelte die Stirn, als Pavel hinter ihm auftauchte. »Baltic, wirklich, das ist nicht in Ordnung! «
Schuldbewusst schlug er die Augen nieder, zog mich aber sofort in seine Arme und hüllte mich mit Drachenfeuer ein. »Chérie, warum runzelst du die Stirn? Könnte es sein, dass du mich in den letzten fünf Minuten genauso vermisst hast wie ich dich?«
»Immer wenn du mich Chérie nennst, hast du ein schlechtes Gewissen«, erwiderte ich mit einem Kichern und schmiegte mich an ihn. »Ja, natürlich habe ich dich vermisst, und nicht nur in den letzten fünf Minuten. Es waren höllische zwölf Tage, als du nach Thala gesucht hast, nicht nur weil ich mir so schreckliche Sorgen um dich gemacht habe, sondern auch weil du nicht hier warst, um mich vor Verlangen um den Verstand zu bringen. Aber darum geht es gar nicht. Brom braucht keineswegs mehr Geld. Und versuch nicht zu leugnen, dass du ihm etwas gegeben hast, denn ich habe gesehen, wie du deine Brieftasche wieder eingesteckt hast.«
»Über dieses Thema haben wir doch schon gesprochen«, murmelte er an meinem Mund und zog mich an seine Hüften. »Wenn du heute brav bist, erlaube ich dir später, mit mir zu machen, was du willst.«
»Wenn ich brav ...« Empört schaute ich ihn an, schnurrte aber beinahe, als er mich küsste. Ich konnte ihm nie lange böse sein.
Ich gab mich seinem Feuer hin, genoss seinen festen Körper an meinem, seinen Duft, diesen maskulinen, würzigen Duft, der mein eigenes Drachenfeuer schürte. Und wenn seine Lippen sich auf meine drückten, dann wusste ich, dass ich keine Chance hatte. Ich erwiderte seinen Kuss mit all meiner Leidenschaft und zog an seinen Haaren, um wortlos mehr von seinem Feuer einzufordern.
Pavel ging an uns vorbei und murmelte, er würde im Wohnzimmer auf Baltic warten, aber selbst das hielt mich nicht davon ab, Baltics Drachenfeuer mit einem leisen Stöhnen willkommen zu heißen. Seine Zunge brannte in meinem Mund, als er mich hart an die Wand drückte. Ich klammerte mich an seine Schultern und rieb mich an ihm, als sein Feuer uns beide einhüllte.
»Ysolde, wenn du nicht aufhörst, mich im Flur verführen zu wollen, dann nehme ich dich auf der Stelle«, sagte Baltic leise und leidenschaftlich. »Ich würde zwar nur zu gerne diese geheime Fantasie von dir erfüllen, aber wir laufen Gefahr, jeden, der die Treppe hinaufkommt, zu schockieren.«
Ich kniff ihn in sein hinreißendes Hinterteil. »Zum letzten Mal, du unglaublich sexy Drache, ich habe nur völlig normale sexuelle Fantasien, und Voyeurismus gehört bestimmt nicht dazu. Und bevor du es erwähnst: In der Burg hätte uns niemand gesehen, auch nicht dein vergangenes Ich. Ich will jedoch gerne zugeben, dass gewisse Körperteile von mir immer noch summen, seit du mich heute früh, als du nach Hause gekommen bist, begrüßt hast. Das war wundervoll.«
»Ich habe dir nur die Aufmerksamkeit geschenkt, die du verdient hast.« Baltic zog die Augenbrauen hoch und machte sich dann mit Mund und Händen über meine Brüste her. Ich wand mich unter seinen Berührungen, wobei ich mich fragte, ob wir noch Zeit haben würden, unser Verlangen zu stillen, aber in diesem Augenblick vibrierte mein Telefon in meiner Tasche und gab ein befehlendes »Ysolde!« von sich.
Baltic, der gerade das Tal zwischen meinen Brüsten geleckt hatte, hob den Kopf und blickte mich stirnrunzelnd an. »Gefährtin! Ich habe dir doch gesagt, du sollst deinen Klingelton ändern.«
Kichernd knabberte ich an seiner Unterlippe. »Aber er ist einfach perfekt! Nichts erregt meine Aufmerksamkeit mehr, als wenn du meinen Namen sagst. Und apropos Aufmerksamkeit, ich möchte gerne mit dir über diese Vision reden.«
Er ignorierte meine Worte, schlang die Arme um meine Taille und hob mich hoch. »Du stellst meine Geduld auf eine harte Probe, Frau. Ich habe keine Zeit für Erinnerungen an das, was in der Vergangenheit passiert ist. Ich habe durch die Jagd auf Thala zwölf Tage verloren, und ich muss in kürzester Zeit viel Arbeit nachholen.«
Ich holte tief Luft. »Ich wünschte, ich könnte die Visionen ignorieren, aber das kann ich nicht. Du bist nicht der Einzige, der zwölf Tage verloren hat, mein Liebling. Als der Erste Drache verlangt hat, ich solle deine Ehre wiederherstellen ...«
»Ich habe dir schon einmal gesagt, dass mit meiner Ehre alles in Ordnung ist.«
»Wenn dein Vater, der göttliche Vorfahr jedes Drachen, mir sagt, ich solle deine Ehre retten, dann werde ich das keineswegs ignorieren. Vor allem, da du es mir nicht gerade leicht machst.«
»Wenn du gerne deine Zeit verschwenden möchtest ...«
»Meine Zeit verschwenden? Meine Zeit verschwenden!« Ich keuchte und versetzte ihm einen Stoß. »Ich fasse es nicht! Du bezeichnest meine Visionen als Zeitverschwendung!«
»Reg dich nicht so auf, Ysolde«, setzte er an, aber ich schlug ihn mit beiden Händen auf die Brust. Mein Blick war so finster, dass ihm eigentlich sämtliche Haare hätten ausfallen müssen.
»Ich rege mich nicht auf!«, schrie ich. Meine Stimme hallte von den Holzwänden im Flur wider. Baltic zog seine glänzenden schokoladebraunen Augenbrauen hoch. »Nun ja, gut. Ich rege mich doch auf. Aber ich kann nichts dafür. Das sind meine Hormone.«
»Bist du gerade in deinen kritischen Tagen? Heute früh warst du das noch nicht. Hoffentlich ist es bald wieder vorbei. Ich warte nicht gerne, bis es vorbei ist«, sagte er und blickte mich voller Leidenschaft an.
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2014 bei EGMONT Verlagsgesellschaften mbH Alle Rechte vorbehalten
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Autoren-Porträt von Katie MacAlister
Katie MacAlister hat über dreißig Romane verfasst und wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt. Insbesondere mit ihren Romantic-Fantasy-Romanen um Vampire und Drachen hat sie eine große Leserschaft gewonnen und landet regelmäßig auf den internationalen Bestsellerlisten.
Bibliographische Angaben
- Autor: Katie MacAlister
- 2014, 1. Aufl., 352 Seiten, Maße: 12,4 x 18 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Theda Krohm-Linke
- Verlag: LYX
- ISBN-10: 3802592492
- ISBN-13: 9783802592492
- Erscheinungsdatum: 04.02.2014
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