High Heels und Gummistiefel
Roman. Deutsche Erstveröffentlichung
Die Engländerin Daisy und die Französin Isabelle entscheiden sich, für ein Jahr ins Ausland zu gehen. Doch die beiden tauschen nicht nur ihre Wohnungen in Paris und London, sondern auch Mitbewohner und Freunde. Und das führt zu jeder Menge Turbulenzen.
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Produktdetails
Produktinformationen zu „High Heels und Gummistiefel “
Die Engländerin Daisy und die Französin Isabelle entscheiden sich, für ein Jahr ins Ausland zu gehen. Doch die beiden tauschen nicht nur ihre Wohnungen in Paris und London, sondern auch Mitbewohner und Freunde. Und das führt zu jeder Menge Turbulenzen.
Klappentext zu „High Heels und Gummistiefel “
Die perfekte Gute-Laune-Lektüre Die junge Engländerin Daisy und die französische Studentin Isabelle könnten nicht unterschiedlicher sein und haben doch eines gemeinsam: Sie wollen ein Jahr im Ausland verbringen. Daisy geht nach Paris, um sich in der Stadt ihrer Träume in die Welt der Mode zu stürzen und vielleicht sogar Monsieur Right zu treffen. Die ernsthafte Isabelle zieht es nach London, um Leben und Werk einer englischen Krimiautorin zu erforschen. Die beiden jungen Frauen tauschen für die nächsten zwölf Monate allerdings nicht nur die Wohnung, sondern damit auch Mitbewohner und einen ganzen Freundeskreis. Das führt zu einigen Überraschungen, vielen Turbulenzen und jeder Menge Herzklopfen ...
Eine bezaubernde Komödie um Liebe, Mode und zwei Happy Ends.
Lese-Probe zu „High Heels und Gummistiefel “
High Heels und Gummistiefel von Muriel Zagha 1Isabelle Näher als in den ersten E-Mails, in denen sie sich über ihren Wohnungstausch geeinigt hatten, waren Isabelle und Daisy sich nie gekommen.
WOHNUNGSTAUSCH. Seriöse, zuverlässige junge Französin möchte ab Anfang Juli für ein Jahr Wohnung in Paris (linkes Seine-Ufer) gegen ähnliche Wohnmöglichkeit (ruhige Lage bevorzugt) in London tauschen. Kontakt: isabelle.papillon@lenet.fr Von: dizzydaze@interweb.com
An: isabelle.papillon@lenet.fr
Salut Isabelle!
Je suis une fille anglaise avec un grand maison à Londres. Et je voudrais tellement échanger avec toi! Cela serait fantastique! Je partage avec mes deux »Mitbewohner« (ils louent une partie du maison), Chrissie et Jules, ils sont très sympa. Il y a un grand jardin. Là ou j’ habite, c’est comme une petite village dans Londres, très mignonne. Moi, j’adore Paris, c’est mon rêve depuis toujours de vivre là. Certainement tu vas avoir beaucoup d’applications mais s’il te plaît, il faut me choisir! Tu ne regretteras pas!!Alles Liebe
... mehr
Daisy xxxxxxx
Nachdem Isabelle etwas förmlicher – »Liebe Miss Keen«, »Mit freundlichen Grüßen« – geantwortet und erläutert hatte, dass sie Doktorandin sei und in London Recherchen durchführen wolle, stellte sich im Zuge weiterer E-Mails heraus, dass Daisy in der Modebranche tätig war. Das erklärte auch den grellen rosa Hintergrund und die verschnörkelte Schrift ihrer Mails, beides nach Isabelles Dafürhalten hochgradig unpassend. Sie selbst bevorzugte für derartige Schriftwechsel die saubere Lesbarkeit von Palatino und schlichtes Schwarz-Weiß, schließlich handelte es sich um geschäftliche Korrespondenz. Enfin, Daisy war keine Französin, daher sollte Isabelle Nachsicht mit ihr haben.
Während sie noch hin und her überlegte, gab Isabelles Freund Clothaire eines Morgens, als sie in seiner Wohnung im Bett lagen, zu bedenken, es wäre vielleicht besser, mit jemandem zu tauschen, der wie sie einen akademischen Hintergrund hatte.
»Wenn diese Frau beruflich mit Mode zu tun hat, ist sie höchstwahrscheinlich eine Spinnerin oder ein Flittchen«, sagte er und strich ihr übers Haar, während er die Le Monde Diplomatique überflog. »Sie ist bestimmt ganz anders als du. Macht dir das keine Sorgen?«
Tatsächlich hatte Clothaire nie besonders viel von Isabelles Plan gehalten und hatte sein Bestes getan, ihr den Tausch auszureden. London war ja für ein Wochenende ganz schön, aber warum länger bleiben? Ihr Freund, dachte Isabelle liebevoll, war ein Gewohnheitstier. Würde man ihm den Zugang zu den Buchhandlungen in Saint-Germain-des-Prés versagen, wo er so gern stöberte, die Spaziergänge im Jardin du Luxembourg, die Kinos auf dem Montparnasse und das Café, wo er je den Tag zwischen den Vorlesungen zu Mittag aß (Salade landaise und ein Glas Brouilly), so würde er wahrscheinlich anfangen, nach Luft zu schnappen wie ein Fisch auf dem Trockenen.
»Aber ich brauche doch nicht mit ihr zusammenzuwohnen«, wandte Isabelle in ihrem präzisen, melodischen Ton fall ein. »Genau genommen habe ich überhaupt keinen Grund, mich mit ihr zu treffen. Das ist ein rein geschäftliches Arrangement.«
Mit leicht verdrossener Miene legte Clothaire die Zeitung hin und nahm seine Schale mit Café au lait vom Frühstückstablett. »Du willst das also wirklich tun?«
»Es ist wichtig für meine Doktorarbeit, das weißt du doch. Ich muss die englischsprachigen Quellen auswerten. Und ich finde, ich sollte jetzt fahren, bevor wir heiraten und eine Familie gründen. Danach komme ich wahrscheinlich nicht mehr dazu.«
Eigentlich war das gar nicht Isabelles Meinung, sondern das, was Agathe gesagt hatte. Agathe war ihre beste Freundin und beriet Isabelle stets bei wichtigen Entscheidungen. Agathe mochte Clothaire – tatsächlich hatte sie Isabelle vor vier Jahren mit ihm bekannt gemacht. Isabelle könne von Glück sagen, dass sie so einen tollen Fang gemacht habe, sagte Agathe oft, um sie aufzuziehen. Andererseits hatte sie Isabelle immer zugeredet, nach London zu gehen. Es würde Clothaire gut tun, wenn er sie mal eine Weile vermisste, meinte Agathe. und er konnte ja ganz einfach mit dem Eurostar für ein Wochenende rüber fahren, wenn ihm der Sinn danach stand.
Jetzt schmollte Clothaire hinter seiner Zeitung.
»Es ist doch nur für ein Jahr«, beschwichtigte Isabelle. »und sehr weit weg ist es auch nicht.«
»Werd bloß nicht zur Engländerin, das ist alles«, knurrte Clothaire eingeschnappt. Isabelle lächelte ihn an und schlang die Arme um seinen Hals. Was für eine lächerliche Vorstellung. Sie war 25, und sie war Pariserin, kein naives kleines Provinzmäuschen. Sie war Großstädte gewöhnt. Wie könnte London sie irgendwie verändern?
Drei Monate später, im Juni, schaute Isabelle zum wiederholten Male verzweifelt auf ihren brandneuen Londoner Stadtplan, dann wanderte ihr Blick die Reihen roter Giebelhäuser hinauf und hinunter. Die verlassene Straße sah im morgendlichen Sonnenschein unheimlich aus, wie die Kulisse eines jener Angstträume, die sie immer vor Prüfungen oder vor einer wichtigen Vorlesung hatte. Zut, zut et zut, dachte sie gereizt. Das hier musste die richtige Straße sein, aber die Hausnummern endeten bei 45. Es gab kein Haus mit der Adresse Cavendish Gardens 80. Wie konnte das sein? Isabelle griff in ihre Tasche, zog die Klarsichthülle hervor, in der sie ihre Reiseunterlagen aufbewahrte, und las abermals den Ausdruck von Daisys letzter E-Mail. »Geh immer weiter, bis du ein Haus mit einer gelben Tür siehst. Et voilà!«, schloss die Mail triumphierend. Isabelle war jetzt mit ihrem kleinen Rollkoffer im Schlepptau schon zweimal die Straße hinauf- und hinunter marschiert und hatte Haustüren von fast jeder Farbe gesehen, außer Gelb. Obwohl sie der Jahreszeit entsprechend gekleidet war (dunkel blaue Jeans, ein eleganter Gürtel aus marineblauem Leder, gestärkte hellblaue Bluse und ein lose um die Schultern geknoteter grauer Pullover) wurde ihr all mählich heiß vor Ärger, und sie fühlte sich ein wenig verschwitzt.
Mit gefurchter Stirn schürzte sie die Lippen. Was sollte sie tun? Sie hatte Daisys Anweisungen mit äußerster Sorgfalt befolgt. Doch rein gar nichts lief nach Plan – sehr zu ihrem Verdruss. London schien sich gegen sie verschworen zu haben. Seit ihrer Ankunft heute Morgen war sie endlos in der überfüllten und ihr völlig unvertrauten U-Bahn unterwegs gewesen und zweimal in die falsche Linie eingestiegen, weil Daisys Anweisungen nicht genau genug waren. Dann war sie vom Bahnhof aus meilenweit zu Fuß gegangen und immer mal wieder rechts oder links abgebogen, durch Straßen gewandert, die alle gleich aussahen und einander kreuzten wie in einem Labyrinth. und immer noch keine gelbe Haustür. Um das Maß voll zu machen, funktionierte auch noch ihr Handy in diesem sonderbaren Land nicht, also konnte sie nicht bei Daisys Mitbewohnern anrufen und nach dem Weg fragen. Dieser Jules sollte heute Vormittag zu Hause sein und auf Isabelle warten, um ihr einen Hausschlüssel zu geben.
Isabelle schaute nach unten, wollte nach ihrem Koffer greifen und fuhr ein wenig zusammen. Eine weiße Katze stand vor ihren Füßen und schnupperte an der grob gerippten Schleife auf ihrem marineblauen Schuh. Als sie sah, wie die Katze plötzlich kehrtmachte und um die Ecke stolzierte, folgte Isabelle ihr instinktiv ein paar Schritte. Wie hieß diese Straße? Ein Straßenschild war nicht vorhanden, und auch der Stadtplan half ihr nicht wirklich weiter. An der Stelle, wo sie sich im Augenblick anscheinend befand, war nur ein Gewirr aus einander überlappenden Namen in winzigen Lettern zu erkennen. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, einen so kleinen Straßenplan zu kaufen, doch Isabelle hatte gern alles ordentlich und kompakt. Sie ging noch ein Stückchen weiter und folgte dabei der Katze, die immer wieder anhielt und dann weiter trottete. Nach dem die Hausnummern bei 121 an gefangen hatten, wurden sie jetzt kleiner. Schließlich blieb die Katze vor einem Haus stehen, und als Isabelle sie einholte, sah sie die Zahl 80, die über einer gelben Haustür stand. Die Tür stand einen Spalt weit offen.
Konnte dies das richtige Haus sein? Sachte drückte Isabelle auf die Klingel. Nichts geschah. Die Katze hatte dicht vor der Türöffnung Position bezogen. Gerade als Isabelle beschloss, abermals zu klingeln, wurde die Tür weit aufgerissen. Eine junge Frau in ihrem Alter, die eine große Brille mit dunklem Gestell trug, stand auf der Schwelle. Bekleidet war sie mit kurzen schwarzen Hosen, einem schwarzen T-Shirt, auf dem in grellroten Lettern »Rampage!« über einem Piraten -Totenschädel stand, sowie mit schweren Motorradstiefeln. Ihr schwarzes Haar war zu einem Prinz-Eisenherz-Bob
mit langem Pony geschnitten, und ihr Gesicht war auffallend blass. Sie kam Isabelle ungeheuer groß vor.
»Verzeihung.« Isabelle errötete ein wenig. »ich, heu, enfin ... « Nein, es schien nicht ein einziges englisches Wort kommen zu wollen. L’horreur totale! ihr Kopf war vollkommen leer. Sie hatte ja gewusst, dass sie einen Auffrischungskurs hätte machen sollen, bevor sie hier her kam.
»Ich sehe, du hast Raven gefunden. Prima«, sagte die junge Frau, ohne zu lächeln. Sie hob die weiße Katze hoch, dann stand sie mit dem Tier im Arm da und sah Isabelle an, die ein wenig von ihrer Fassung zurück gewonnen hatte.
»Können Sie mir sagen, ob das hier das Haus von Daisy Keen ist?«
»Naja, kommt ganz drauf an.«
Isabelle starrte sie an. Die Engländer waren seltsame Leute. Sie zog Daisys E-Mail hervor und zeigte auf die Adresse, die darin angegeben war.
Ihr Gegenüber schob die Brille zur Nasenspitze herunter und las, dann richtete sie ihre ausdruckslosen dunklen Augen auf Isabelle. »Na, was sagt man dazu. Da gibt’s nichts zu wollen, fürchte ich. Du wirst wohl reinkommen müssen.«
Als Isabelle ihr mit einigem Zögern ins Haus folgte, sagte die junge Frau: »Die Hausnummern sind total komisch, und die Straße macht ständig irgendwelche Biegungen, wo man’s nicht er wartet. Aber du hast uns ja gefunden. Ich bin übrigens Jules. Du bist bestimmt la belle Isabelle.«
»Oh, du sprichst Französisch?« Genau genommen hatte Isabelle vorgehabt, während ihres Londonaufenthaltes ihr Englisch zu verbessern, aber das würde alles so viel leichter machen, besonders am ersten Tag.
Die Frau namens Jules musterte sie streng durch ihre Stirn fransen hin durch. »Ganz bestimmt nicht. Wie kommst du denn darauf?«
Sie blickte auf Isabelles Köfferchen hinunter. »Wo ist der Rest von deinen Sachen?«
»Das ist mein ganzes Gepäck.«
»Echt? Mann, Daze könnte echt was von dir lernen.« Sie hob Isabelles Koffer auf und ging voran, trampelte mit ihren schweren Stiefeln die Treppe hinauf.
Während sie allmählich die Tatsache verdaute, dass Jules kein Junge, sondern ein Mädchen war, schickte Isabelle sich an, ihr zu folgen. »Chris sie wohnt im Erdgeschoss«, erklärte Jules. »ich bin im ersten Stock, und du bist im zweiten, in Dazes Zimmer.« Als sie den zweiten Stock erreichten, stieß Jules eine Tür zur Rechten auf.
»Hier. Das Bad ist gegenüber. Na dann.« und sie stampfte die Treppe wieder hinunter. Die Katze Raven war ebenfalls verschwunden.
Isabelle warf einen ersten Blick in Daisys Schlafzimmer und taumelte zurück. Dort drin schien es kein freies Fleckchen auf dem Fußboden zu geben. Stattdessen war dieser von einem knöcheltiefen Teppich aus in einander verschlungenen Kleidungsstücken bedeckt. und von Schuhen: ein Meer aus Schuhen in allen Regenbogenfarben. An der gegenüberliegenden Wand, die in grellem Pink gestrichen war, hingen zahlreiche Hüte und Handtaschen. Isabelle fragte sich, wo Daisy wohl ihre Bücher aufbewahrte. Alles, was sie sehen konnte, waren Hunderte von Modezeitschriften, die gefährlich hoch aufgestapelt waren und aussahen, als könnten sie jeden Moment umkippen. Isabelle blinzelte. Ganz kurz dachte sie an ihr schlichtes weißes Schlafzimmer in Paris mit dem einsamen Matisse-Poster, so karg wie eine Mönchszelle.
Zumindest gab es in diesem Zimmer auch ein Bett, stellte sie einigermaßen erleichtert fest.
Copyright © der Originalausgabe 2010 by Muriel Zagha
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2010 by Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Übersetzung:»Marie-Luise Bezzenberger«
Nachdem Isabelle etwas förmlicher – »Liebe Miss Keen«, »Mit freundlichen Grüßen« – geantwortet und erläutert hatte, dass sie Doktorandin sei und in London Recherchen durchführen wolle, stellte sich im Zuge weiterer E-Mails heraus, dass Daisy in der Modebranche tätig war. Das erklärte auch den grellen rosa Hintergrund und die verschnörkelte Schrift ihrer Mails, beides nach Isabelles Dafürhalten hochgradig unpassend. Sie selbst bevorzugte für derartige Schriftwechsel die saubere Lesbarkeit von Palatino und schlichtes Schwarz-Weiß, schließlich handelte es sich um geschäftliche Korrespondenz. Enfin, Daisy war keine Französin, daher sollte Isabelle Nachsicht mit ihr haben.
Während sie noch hin und her überlegte, gab Isabelles Freund Clothaire eines Morgens, als sie in seiner Wohnung im Bett lagen, zu bedenken, es wäre vielleicht besser, mit jemandem zu tauschen, der wie sie einen akademischen Hintergrund hatte.
»Wenn diese Frau beruflich mit Mode zu tun hat, ist sie höchstwahrscheinlich eine Spinnerin oder ein Flittchen«, sagte er und strich ihr übers Haar, während er die Le Monde Diplomatique überflog. »Sie ist bestimmt ganz anders als du. Macht dir das keine Sorgen?«
Tatsächlich hatte Clothaire nie besonders viel von Isabelles Plan gehalten und hatte sein Bestes getan, ihr den Tausch auszureden. London war ja für ein Wochenende ganz schön, aber warum länger bleiben? Ihr Freund, dachte Isabelle liebevoll, war ein Gewohnheitstier. Würde man ihm den Zugang zu den Buchhandlungen in Saint-Germain-des-Prés versagen, wo er so gern stöberte, die Spaziergänge im Jardin du Luxembourg, die Kinos auf dem Montparnasse und das Café, wo er je den Tag zwischen den Vorlesungen zu Mittag aß (Salade landaise und ein Glas Brouilly), so würde er wahrscheinlich anfangen, nach Luft zu schnappen wie ein Fisch auf dem Trockenen.
»Aber ich brauche doch nicht mit ihr zusammenzuwohnen«, wandte Isabelle in ihrem präzisen, melodischen Ton fall ein. »Genau genommen habe ich überhaupt keinen Grund, mich mit ihr zu treffen. Das ist ein rein geschäftliches Arrangement.«
Mit leicht verdrossener Miene legte Clothaire die Zeitung hin und nahm seine Schale mit Café au lait vom Frühstückstablett. »Du willst das also wirklich tun?«
»Es ist wichtig für meine Doktorarbeit, das weißt du doch. Ich muss die englischsprachigen Quellen auswerten. Und ich finde, ich sollte jetzt fahren, bevor wir heiraten und eine Familie gründen. Danach komme ich wahrscheinlich nicht mehr dazu.«
Eigentlich war das gar nicht Isabelles Meinung, sondern das, was Agathe gesagt hatte. Agathe war ihre beste Freundin und beriet Isabelle stets bei wichtigen Entscheidungen. Agathe mochte Clothaire – tatsächlich hatte sie Isabelle vor vier Jahren mit ihm bekannt gemacht. Isabelle könne von Glück sagen, dass sie so einen tollen Fang gemacht habe, sagte Agathe oft, um sie aufzuziehen. Andererseits hatte sie Isabelle immer zugeredet, nach London zu gehen. Es würde Clothaire gut tun, wenn er sie mal eine Weile vermisste, meinte Agathe. und er konnte ja ganz einfach mit dem Eurostar für ein Wochenende rüber fahren, wenn ihm der Sinn danach stand.
Jetzt schmollte Clothaire hinter seiner Zeitung.
»Es ist doch nur für ein Jahr«, beschwichtigte Isabelle. »und sehr weit weg ist es auch nicht.«
»Werd bloß nicht zur Engländerin, das ist alles«, knurrte Clothaire eingeschnappt. Isabelle lächelte ihn an und schlang die Arme um seinen Hals. Was für eine lächerliche Vorstellung. Sie war 25, und sie war Pariserin, kein naives kleines Provinzmäuschen. Sie war Großstädte gewöhnt. Wie könnte London sie irgendwie verändern?
Drei Monate später, im Juni, schaute Isabelle zum wiederholten Male verzweifelt auf ihren brandneuen Londoner Stadtplan, dann wanderte ihr Blick die Reihen roter Giebelhäuser hinauf und hinunter. Die verlassene Straße sah im morgendlichen Sonnenschein unheimlich aus, wie die Kulisse eines jener Angstträume, die sie immer vor Prüfungen oder vor einer wichtigen Vorlesung hatte. Zut, zut et zut, dachte sie gereizt. Das hier musste die richtige Straße sein, aber die Hausnummern endeten bei 45. Es gab kein Haus mit der Adresse Cavendish Gardens 80. Wie konnte das sein? Isabelle griff in ihre Tasche, zog die Klarsichthülle hervor, in der sie ihre Reiseunterlagen aufbewahrte, und las abermals den Ausdruck von Daisys letzter E-Mail. »Geh immer weiter, bis du ein Haus mit einer gelben Tür siehst. Et voilà!«, schloss die Mail triumphierend. Isabelle war jetzt mit ihrem kleinen Rollkoffer im Schlepptau schon zweimal die Straße hinauf- und hinunter marschiert und hatte Haustüren von fast jeder Farbe gesehen, außer Gelb. Obwohl sie der Jahreszeit entsprechend gekleidet war (dunkel blaue Jeans, ein eleganter Gürtel aus marineblauem Leder, gestärkte hellblaue Bluse und ein lose um die Schultern geknoteter grauer Pullover) wurde ihr all mählich heiß vor Ärger, und sie fühlte sich ein wenig verschwitzt.
Mit gefurchter Stirn schürzte sie die Lippen. Was sollte sie tun? Sie hatte Daisys Anweisungen mit äußerster Sorgfalt befolgt. Doch rein gar nichts lief nach Plan – sehr zu ihrem Verdruss. London schien sich gegen sie verschworen zu haben. Seit ihrer Ankunft heute Morgen war sie endlos in der überfüllten und ihr völlig unvertrauten U-Bahn unterwegs gewesen und zweimal in die falsche Linie eingestiegen, weil Daisys Anweisungen nicht genau genug waren. Dann war sie vom Bahnhof aus meilenweit zu Fuß gegangen und immer mal wieder rechts oder links abgebogen, durch Straßen gewandert, die alle gleich aussahen und einander kreuzten wie in einem Labyrinth. und immer noch keine gelbe Haustür. Um das Maß voll zu machen, funktionierte auch noch ihr Handy in diesem sonderbaren Land nicht, also konnte sie nicht bei Daisys Mitbewohnern anrufen und nach dem Weg fragen. Dieser Jules sollte heute Vormittag zu Hause sein und auf Isabelle warten, um ihr einen Hausschlüssel zu geben.
Isabelle schaute nach unten, wollte nach ihrem Koffer greifen und fuhr ein wenig zusammen. Eine weiße Katze stand vor ihren Füßen und schnupperte an der grob gerippten Schleife auf ihrem marineblauen Schuh. Als sie sah, wie die Katze plötzlich kehrtmachte und um die Ecke stolzierte, folgte Isabelle ihr instinktiv ein paar Schritte. Wie hieß diese Straße? Ein Straßenschild war nicht vorhanden, und auch der Stadtplan half ihr nicht wirklich weiter. An der Stelle, wo sie sich im Augenblick anscheinend befand, war nur ein Gewirr aus einander überlappenden Namen in winzigen Lettern zu erkennen. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, einen so kleinen Straßenplan zu kaufen, doch Isabelle hatte gern alles ordentlich und kompakt. Sie ging noch ein Stückchen weiter und folgte dabei der Katze, die immer wieder anhielt und dann weiter trottete. Nach dem die Hausnummern bei 121 an gefangen hatten, wurden sie jetzt kleiner. Schließlich blieb die Katze vor einem Haus stehen, und als Isabelle sie einholte, sah sie die Zahl 80, die über einer gelben Haustür stand. Die Tür stand einen Spalt weit offen.
Konnte dies das richtige Haus sein? Sachte drückte Isabelle auf die Klingel. Nichts geschah. Die Katze hatte dicht vor der Türöffnung Position bezogen. Gerade als Isabelle beschloss, abermals zu klingeln, wurde die Tür weit aufgerissen. Eine junge Frau in ihrem Alter, die eine große Brille mit dunklem Gestell trug, stand auf der Schwelle. Bekleidet war sie mit kurzen schwarzen Hosen, einem schwarzen T-Shirt, auf dem in grellroten Lettern »Rampage!« über einem Piraten -Totenschädel stand, sowie mit schweren Motorradstiefeln. Ihr schwarzes Haar war zu einem Prinz-Eisenherz-Bob
mit langem Pony geschnitten, und ihr Gesicht war auffallend blass. Sie kam Isabelle ungeheuer groß vor.
»Verzeihung.« Isabelle errötete ein wenig. »ich, heu, enfin ... « Nein, es schien nicht ein einziges englisches Wort kommen zu wollen. L’horreur totale! ihr Kopf war vollkommen leer. Sie hatte ja gewusst, dass sie einen Auffrischungskurs hätte machen sollen, bevor sie hier her kam.
»Ich sehe, du hast Raven gefunden. Prima«, sagte die junge Frau, ohne zu lächeln. Sie hob die weiße Katze hoch, dann stand sie mit dem Tier im Arm da und sah Isabelle an, die ein wenig von ihrer Fassung zurück gewonnen hatte.
»Können Sie mir sagen, ob das hier das Haus von Daisy Keen ist?«
»Naja, kommt ganz drauf an.«
Isabelle starrte sie an. Die Engländer waren seltsame Leute. Sie zog Daisys E-Mail hervor und zeigte auf die Adresse, die darin angegeben war.
Ihr Gegenüber schob die Brille zur Nasenspitze herunter und las, dann richtete sie ihre ausdruckslosen dunklen Augen auf Isabelle. »Na, was sagt man dazu. Da gibt’s nichts zu wollen, fürchte ich. Du wirst wohl reinkommen müssen.«
Als Isabelle ihr mit einigem Zögern ins Haus folgte, sagte die junge Frau: »Die Hausnummern sind total komisch, und die Straße macht ständig irgendwelche Biegungen, wo man’s nicht er wartet. Aber du hast uns ja gefunden. Ich bin übrigens Jules. Du bist bestimmt la belle Isabelle.«
»Oh, du sprichst Französisch?« Genau genommen hatte Isabelle vorgehabt, während ihres Londonaufenthaltes ihr Englisch zu verbessern, aber das würde alles so viel leichter machen, besonders am ersten Tag.
Die Frau namens Jules musterte sie streng durch ihre Stirn fransen hin durch. »Ganz bestimmt nicht. Wie kommst du denn darauf?«
Sie blickte auf Isabelles Köfferchen hinunter. »Wo ist der Rest von deinen Sachen?«
»Das ist mein ganzes Gepäck.«
»Echt? Mann, Daze könnte echt was von dir lernen.« Sie hob Isabelles Koffer auf und ging voran, trampelte mit ihren schweren Stiefeln die Treppe hinauf.
Während sie allmählich die Tatsache verdaute, dass Jules kein Junge, sondern ein Mädchen war, schickte Isabelle sich an, ihr zu folgen. »Chris sie wohnt im Erdgeschoss«, erklärte Jules. »ich bin im ersten Stock, und du bist im zweiten, in Dazes Zimmer.« Als sie den zweiten Stock erreichten, stieß Jules eine Tür zur Rechten auf.
»Hier. Das Bad ist gegenüber. Na dann.« und sie stampfte die Treppe wieder hinunter. Die Katze Raven war ebenfalls verschwunden.
Isabelle warf einen ersten Blick in Daisys Schlafzimmer und taumelte zurück. Dort drin schien es kein freies Fleckchen auf dem Fußboden zu geben. Stattdessen war dieser von einem knöcheltiefen Teppich aus in einander verschlungenen Kleidungsstücken bedeckt. und von Schuhen: ein Meer aus Schuhen in allen Regenbogenfarben. An der gegenüberliegenden Wand, die in grellem Pink gestrichen war, hingen zahlreiche Hüte und Handtaschen. Isabelle fragte sich, wo Daisy wohl ihre Bücher aufbewahrte. Alles, was sie sehen konnte, waren Hunderte von Modezeitschriften, die gefährlich hoch aufgestapelt waren und aussahen, als könnten sie jeden Moment umkippen. Isabelle blinzelte. Ganz kurz dachte sie an ihr schlichtes weißes Schlafzimmer in Paris mit dem einsamen Matisse-Poster, so karg wie eine Mönchszelle.
Zumindest gab es in diesem Zimmer auch ein Bett, stellte sie einigermaßen erleichtert fest.
Copyright © der Originalausgabe 2010 by Muriel Zagha
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2010 by Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Übersetzung:»Marie-Luise Bezzenberger«
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Autoren-Porträt von Muriel Zagha
Muriel Zagha wuchs in Paris auf, wo sie Englische Literaturwissenschaft studierte. Mit 21 Jahren kam sie als Dozentin nach Cambridge, und es gefiel ihr in England so gut, dass sie vergaß, nach Hause zurückzukehren. Nach Abschluss ihrer Dissertation verließ sie den Elfenbeinturm und stürzte sich in Londons Modewelt. Heute arbeitet sie als freie Journalistin unter anderem für den "Sunday Telegraph", "World of Interiors", das "Times Literary Supplement" und den "Guardian". Muriel Zagha ist mit einem Engländer verheiratet, hat einen Sohn und lebt in London.
Bibliographische Angaben
- Autor: Muriel Zagha
- 2010, 3, 412 Seiten, Maße: 13,6 x 20,6 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Übersetzer: Marie-Luise Bezzenberger
- Verlag: MANHATTAN
- ISBN-10: 3442546745
- ISBN-13: 9783442546749
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