Hitler gegen Stalin - Der verbrecherische Krieg zweier Massenmörder
Mit mehr als 300 Fotos dokumentiert dieser Band den mit beispielloser Härte geführten deutsch-sowjetischen Krieg. Am 22. Juni 1941 gab Adolf Hitler den Befehl für den Angriff auf die Sowjetunion (»Unternehmen Barbarossa«), der in...
Leider schon ausverkauft
versandkostenfrei
Weltbild Ausgabe
7.99 €
- Lastschrift, Kreditkarte, Paypal, Rechnung
- Kostenlose Rücksendung
Produktdetails
Produktinformationen zu „Hitler gegen Stalin - Der verbrecherische Krieg zweier Massenmörder “
Mit mehr als 300 Fotos dokumentiert dieser Band den mit beispielloser Härte geführten deutsch-sowjetischen Krieg. Am 22. Juni 1941 gab Adolf Hitler den Befehl für den Angriff auf die Sowjetunion (»Unternehmen Barbarossa«), der in einer Tragödie mit Millionen von Opfern endete.
Lese-Probe zu „Hitler gegen Stalin - Der verbrecherische Krieg zweier Massenmörder “
Hitler gegen Stalin1939-1941 GEFÄHRLICHE ILLUSIONEN
Nach der Unterzeichnung des als Hitler-Stalin-Pakts bekannten deutsch-sowjetischen Nichtangriffpakts vom 23. August 1939 war Stalin hochzufrieden. Er hatte Hitler fürs Erste getäuscht. Die Sowjetunion konnte über das Schicksal der baltischen Staaten, Finnlands, Bessarabiens und der Bukowina entscheiden. Der Einmarsch der Roten Armee in die polnischen Ostprovinzen am 17. September 1939 brachte einen Gebietszuwachs. Mit der Perspektive weiterer Gebietsgewinne, insbesondere eines Zugangs zur Ostsee, konnte Stalin bequem den Zweiten Weltkrieg aussitzen und dann die Erschöpfung der Kriegsparteien ausnutzen. Die Sowjetunion selbst würde unbeschädigt bleiben.
Täuschung und Irrtum nährten einander. Der Sowjetunion schien in puncto Sicherheit die Quadratur des Kreises gelungen zu sein. Eine klug ausgedachte »Neutralität« würde ihr das Leid eines großen Krieges ersparen. Geheime Territorialabkommen gaben Stalin die Möglichkeit, Russland zu seinen alten strategischen Grenzen zu verhelfen. Allerdings führte dieses Streben nach Sicherheit zwangsläufig zu einer Expansion, die immer wieder die deutsche Einflusssphäre tangierte. Um den östlichen Teil der Ostsee abzuriegeln, führte Stalin im Winter 1939-1940 Krieg gegen Finnland. Die militärische Leistung der Roten Armee war kläglich, sie verlor 391000 Mann an Toten, Vermissten und Verwundeten und hatte nicht die elementarsten Beweise militärischer Leistungsfähigkeit erbracht. Marschall Woroschilow mochte prahlen: »Genossen, unsere Armee ist unbesiegbar« - es war eine Blamage, die nicht nur das deutsche Oberkommando dazu brachte, die Rote Armee zu unterschätzen.
... mehr
Im Juni 1940 wurde Stalin durch den Triumph der Wehrmacht in Westeuropa und die Kapitulation Frankreichs aus seinen Illusionen gerissen. Er verfluchte Briten und Franzosen, die eine allzu leichte Beute gewesen waren. Hitler würde sich nun unweigerlich nach Osten wenden. Stalin reagierte hektisch und ließ die Rote Armee im Norden in die baltischen Staaten und im Süden in Bessarabien und die Nordbukowina einmarschieren, wobei er sich auf die im geheimen Zusatzprotokoll zum Pakt von 1939 vorgesehenen Optionen berief.
Paradoxerweise schien die Sicherheit der Sowjetunion in dem Maße brüchig zu werden, in dem sie ihre Grenzen nach Westen und Südwesten verschob. Fertige Mobilisierungspläne wurden zur Makulatur. An der Heimatfront musste die Industrie de facto auf Kriegswirtschaft umstellen. Die Arbeiter wurden streng kontrolliert, wer am Arbeitsplatz fehlte, machte sich strafbar. Die Rote Armee wurde drastischen Disziplinarregeln unterworfen. Der Kriegsplan von 1938 musste eilends überarbeitet werden. Diese Revision nahm zu Stalins großem Missvergnügen die Einschätzungen von 1938 wieder auf, nach denen jede größere deutsche Offensive nördlich der Pripjetsümpfe erfolgen würde. Im Verein mit Verteidigungskommissar Timoschenko forderte Stalin eine umgehende Revision gemäß seiner Überzeugung, dass der Hauptangriff aus dem Südwesten erfolgen und sich gegen Kiew und die Ukraine richten würde. Stalin argumentierte, Hitler würde ukrainisches Getreide und Kohle aus dem Donezbecken benötigen, um einen langen Krieg zu führen. Der neue Plan sah deshalb auf Stalins Drängen einen südwestlichen Kriegsschauplatz als wahrscheinlich an. Die Rote Armee begann hier substanzielle Verstärkungen zusammenzuziehen, der Anfang jener schlecht geplanten Truppenaufmärsche, zu denen es hier kurz vor Juni 1941 kam.
Am 12. November 1940 traf Außenminister Molotow mit Hitler in Berlin zusammen. Er lehnte den deutschen Vorschlag ab, die Sowjetunion solle sich mit der Achse verbünden. Stalin, besorgt über das deutsche Vorrücken auf dem Balkan, verlangte Garantien und Zugeständnisse. Hitler erboste sich und bezeichnete ihn als »kaltblütigen Erpresser«. Der Hitler- Stalin-Pakt wurde immer brüchiger. Hitler verlor jegliches Interesse an Verhandlungen und erließ nur einen Monat und sechs Tage später, am 18. Dezember 1940, Weisung Nr. 21: »Die deutsche Wehrmacht muss darauf vorbereitet sein, auch vor Beendigung des Krieges gegen England Sowjetrussland in einem schnellen Feldzug niederzuwerfen (Fall Barbarossa). « Hitler suchte den Krieg, Stalin wollte ihn vermeiden.
Schon im Januar 1941 war der sowjetische Geheimdienst über Hitlers Absichten und deutsche Truppenbewegungen Richtung Osten informiert. Die Rote Armee begann sich zu reorganisieren und aufzurüsten, allerdings ziemlich planlos. Angesichts der Erfolge der deutschen Panzer im Westen befahl Stalin die Wiederaufstellung der zuvor aufgelösten Panzer- und motorisierten Einheiten. Der »Jahrgang 1940«, von Stalin kurz zuvor als Ersatz für die im Zuge der »Säuberungen« ermordeten Offiziere ernannte Generäle und Admiräle, wurde wieder auf die Schulbank geschickt. Im Januar 1941 testete man in geheimen strategischen Kriegsspielen den revidierten Kriegsplan. Der Vorrang der Südwestfront wurde bestätigt, an einen möglichen Überraschungsangriff dachten die auf einen Schlag gegen die Ukraine fixierten Strategen nicht. Die Gefechte an den Grenzen würden 10 bis 15 Tage dauern, dann hätten beide Armeen ihren Aufmarsch beendet. Die Rote Armee sollte zunächst abwehren, dann zum Gegenschlag ansetzen und den Krieg ins Feindesland tragen. Die Sowjetunion bereitete sich, wie ein russischer Kommandeur später sagte, auf den Krieg von 1914 vor, nicht auf den von 1941.
Schukows revidierter Kriegsplan von Mitte März 1941 war eine bloße Neuformulierung dieser Gedanken, obschon der sowjetische Geheimdienst bereits zunehmende deutsche Truppenverlegungen Richtung Osten meldete. Die Wehrmacht drang auf dem Balkan immer weiter vor, positionierte sich in Ungarn, Rumänien und Bulgarien und rückte damit immer näher an Russland heran. Im April 1941 marschierte sie in Jugoslawien ein, dann in Griechenland. Stalin zuckte zusammen, doch seine Reaktion beschränkte sich auf eine verspätete und leere Geste gegenüber Jugoslawien. Die Warnung, Deutschland würde nun Russland angreifen, und zwar im Juni, schien ihn wie andere Warnungen in seiner Entschlossenheit zu bestärken, einen Krieg mit Deutschland einstweilen zu vermeiden. Gezielt wurden Signale ausgesandt, um die Treue zum Vertrag von 1939 zu bestätigen. Auch die Unterzeichnung des Neutralitätsvertrags mit Japan am 13. April war für Stalin Anlass, die Freundschaft mit Deutschland »in jedem Falle« zu bekräftigen.
Im Mai 1941 wurden die Hinweise auf einen bevorstehenden Militärschlag immer deutlicher. Sowjetische Agenten meldeten militärische Vorbereitungen der Deutschen, allerdings mit einer verhängnisvollen Fehleinschätzung: Deutschland würde vor dem Angriff ein Ultimatum stellen. Stalin wurde dadurch in seiner Beschwichtigungspolitik erneut bestärkt, auch wenn er am 5. Mai einräumte, bis Mitte des Sommers bestehe eine »Zeit der Gefahr«, danach könne man einen Krieg bis 1942 hinausschieben. Noch am selben Tag brach die Kriegsvermeidungspolitik zusammen. Denn der Geheimdienst der Roten Armee lieferte genaue Angaben: 103 bis 107 deutsche Divisionen, darunter zwölf Panzerdivisionen, stünden für einen Angriff auf die Sowjetunion bereit. Die seit langem offenkundige Bedrohung wurde konkret.
Für den sowjetischen Generalstab kam die Stunde der Wahrheit. Die Rote Armee musste eine sowjetische Version des Blitzkriegs liefern oder eine Generalmobilmachung durchführen. General Schukows Plan vom 15. Mai 1941 sah den Einsatz von 152 sowjetischen zur Vernichtung von 100 deutschen Divisionen vor. Stalin lehnte ihn als Katastrophenrezept ab und untersagte Offensive und Mobilmachung. Derart lahmgelegt konnte die Rote Armee weder angreifen noch verteidigen. Gleichzeitig wurde der Sowjetführer von neuen Hirngespinsten heimgesucht. Am 10. Mai unternahm Hitlers Stellvertreter Rudolf Hess seinen spektakulären Flug nach Schottland. Stalins Aufmerksamkeit wurde dadurch von der deutschen Bedrohung auf eine mögliche antisowjetische Verschwörung der Briten umgelenkt. Frühere britische Warnungen bezüglich der Folgen eines Bündnisses mit Deutschland legte er nun als finstere Drohungen aus. War die Ankunft von Hess Anzeichen einer englisch-deutschen Abmachung, die Deutschland freie Hand im Osten gab, oder ein neuer britischer Versuch, ihn in den Krieg hineinzuziehen? Dass der britische Geheimdienst den Hess-Flug gezielt zur Desinformation nutzte, bestärkte Stalin in seinen schlimmsten Verschwörungsängsten.
Die politische Strategie der »Kriegsvermeidung« einerseits und der militärische Ansatz, »sich an den Krieg heranzuschleichen«, andererseits waren verheerend für die sowjetischen Verteidigungsanstrengungen. Ein propagandistischer Zickzackkurs sorgte dafür, dass die Armee verwirrt und die Zivilbevölkerung abwechselnd beruhigt und verängstigt wurde. Der Mobilisierungsplan - MP-41 - machte nur sporadisch Fortschritte. Im Juni war die Revision des Kriegsplans noch nicht abgeschlossen, die Zeitpläne waren fehlerhaft, die Pläne für Militärbezirke nicht fertig. Es gab auch keinen Plan, sämtliche Einheiten zu voller Einsatzbereitschaft zu bringen. Der Generalstabsplan zur »Verteidigung der Staatsgrenzen« umriss den Aufmarsch der Streitkräfte, doch fehlten konkrete Einsatzbefehle. Die Grenzverteidigung basierte auf der Annahme, es werde keinen Überraschungsangriff geben, vor jedweder entscheidenden Aktion würde eine Kriegserklärung erfolgen. Zudem würde der Feind seine Operationen anfangs nur mit begrenzten Kräften durchführen. Auf diese Weise bliebe der Roten Armee ausreichend Zeit für eine Mobilisierung. Eingedenk der Tatsache, dass die Generalmobilmachung von 1914 den Krieg ausgelöst hatte, schloss Stalin eine solche Maßnahme aus und hielt darüber hinaus die Erlaubnis zur Steigerung der Einsatzbereitschaft zurück: Eine solche »Provokation« würde Deutschland bloß den Vorwand zum Angriff liefern. Sein einziges Zugeständnis war eine »verdeckte Mobilmachung«, die Einberufung von Reservisten zu Sommermanövern.
Wie die sowjetische Diplomatie immer wieder andeutete, sei »ein neuer Kompromiss« mit Berlin möglich und stehe sogar bevor. Mit der transsibirischen Eisenbahn wurden beschleunigt Wirtschaftsgüter aus dem Fernen Osten der Sowjetunion nach Deutschland transportiert. Berlin setzte darauf, Russland wirtschaftliche Zugeständnisse abzuringen, die über das Handelsabkommen vom Januar 1941 hinausgingen. Aus diesem Grund hielten viele, so auch der britische Geheimdienst, die deutschen Truppenkonzentrationen nur für ein Druckmittel, mit dem Berlin den Sowjets weitere Konzessionen abpressen wollte. Zudem war es für Stalin unvorstellbar, dass Hitler Deutschlands fundamentales Strategiekonzept aufgeben würde: Führe niemals einen Zweifrontenkrieg. Berlin wiederum deutete Verhandlungsbereitschaft an.
Am 14. Juni genehmigte Stalin eine Pressemitteilung, in der ein unmittelbar bevorstehender Kriegsausbruch dementiert und Gerüchte über einen deutschen Angriff als »völlig unbegründet« und von »falschen Freunden verbreitete provokatsiya« bezeichnet wurden. »Es ist anzunehmen, dass die neuesten Bewegungen deutscher Truppen, die ihre Operationen auf dem Balkan beendet haben, aus Gründen erfolgten, die mit den sowjetisch-deutschen Beziehungen nichts zu tun haben.« Am selben Tag erteilte das deutsche Oberkommando den deutschen Kommandeuren im Osten einen Befehl, mit dem das Codewort »Dortmund« für den Beginn der Operation Barbarossa festgelegt wurde. Sämtliche Vorbereitungen mussten am 15. Juni 1941 abgeschlossen sein.
Stalin wartete vergeblich auf eine Antwort aus Berlin. Das deutsche Oberkommando bestätigte am 15. Juni die Codewörter für Ort und Zeitpunkt des deutschen Angriffs: Tag B, Stunde Y (22. Juni 1941, 03.00 Uhr). Letzte Anordnungen sollten nach dem 18. Juni erfolgen. Die Panzerdivisionen sollten nachts in ihre Ausgangsstellungen vorrücken. Beunruhigte sowjetische Frontkommandeure, die verzweifelt nach Moskau telefonierten, erhielten die Auskunft: »Es wird keinen Krieg geben.« Genau das war der Grundgedanke des Berichts, den Lawrenti Beria, Leiter des NKWD, Stalin am 21. Juni vorlegte. Selbst als das sowjetische Militär die ersten deutschen Truppenbewegungen meldete und die Luftwaffe anfing, die auf ihren Flugplätzen ordentlich aufgereihten sowjetischen Flugzeuge zu zerstören, war Stalin nicht bereit, von seinem zwanghaften Glauben an »Provokationen« zu lassen, die diesmal auf das Konto ungehorsamer deutscher Offiziere gehen sollten. Marschall Timoschenko konnte ihn nicht davon überzeugen, dass es sich um einen richtigen Krieg handelte, und Stalin verbot Schukow, die Verteidigungspläne umzusetzen. Den sowjetischen Streitkräften wurde untersagt, die deutschen Frontlinien zu überschreiten, »mit Ausnahme der Luftwaffe«, die gerade am Boden vernichtet wurde. Die Wehrmacht rückte bereits gegen Russland vor, vor ihr kamen die Sturzkampfbomber. Nach ihren Bombenabwürfen im Hinterland konnten die sowjetischen Soldaten sie beim Rückflug beobachten. Um 4 Uhr morgens legte Außenminister Ribbentrop dem sowjetischen Botschafter Wladimir Dekanosow Gründe für die »militärischen Gegenmaßnahmen« Deutschlands vor. Die Telefonleitungen der sowjetischen Botschaft waren unterbrochen. Um sich zu informieren, mussten die Botschaftsangehörigen auf Radio Moskau die 6-Uhr-Nachrichten (Moskauer Zeit) hören. Zu ihrem Erstaunen brachten diese nach Gymnastikanweisungen und einer Einblendung für Kinder nur Meldungen über außerrussische Kriegsschauplätze und Fortschritte in der sowjetischen Industrie und Landwirtschaft.
»Mit Sicherheit weiß Hitler nichts davon.« Stalins verzweifelter Kommentar verriet seine Unfähigkeit zu erkennen, dass diese Ereignisse keine Einschüchterunggsversuche waren, mit denen ihm Hitler weitere Zugeständnisse abpressen wollte. Krieg ohne Ultimatum, ohne diplomatisches Vorspiel, ohne Vorwand, ohne formelle Kriegserklärung, das war eine niederträchtige Täuschung, über die sich nun ein Mann empörte, der 22 Monate zuvor stolz darauf gewesen war, Hitler hereingelegt zu haben. Stalin überließ es Molotow, am Sonntag, dem 22. Juni, mittags über den Rundfunk den Kriegszustand bekanntzugeben.
© 2001 Professor John Erickson Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH, Steinerne Furt, 86167 Augsburg.
Im Juni 1940 wurde Stalin durch den Triumph der Wehrmacht in Westeuropa und die Kapitulation Frankreichs aus seinen Illusionen gerissen. Er verfluchte Briten und Franzosen, die eine allzu leichte Beute gewesen waren. Hitler würde sich nun unweigerlich nach Osten wenden. Stalin reagierte hektisch und ließ die Rote Armee im Norden in die baltischen Staaten und im Süden in Bessarabien und die Nordbukowina einmarschieren, wobei er sich auf die im geheimen Zusatzprotokoll zum Pakt von 1939 vorgesehenen Optionen berief.
Paradoxerweise schien die Sicherheit der Sowjetunion in dem Maße brüchig zu werden, in dem sie ihre Grenzen nach Westen und Südwesten verschob. Fertige Mobilisierungspläne wurden zur Makulatur. An der Heimatfront musste die Industrie de facto auf Kriegswirtschaft umstellen. Die Arbeiter wurden streng kontrolliert, wer am Arbeitsplatz fehlte, machte sich strafbar. Die Rote Armee wurde drastischen Disziplinarregeln unterworfen. Der Kriegsplan von 1938 musste eilends überarbeitet werden. Diese Revision nahm zu Stalins großem Missvergnügen die Einschätzungen von 1938 wieder auf, nach denen jede größere deutsche Offensive nördlich der Pripjetsümpfe erfolgen würde. Im Verein mit Verteidigungskommissar Timoschenko forderte Stalin eine umgehende Revision gemäß seiner Überzeugung, dass der Hauptangriff aus dem Südwesten erfolgen und sich gegen Kiew und die Ukraine richten würde. Stalin argumentierte, Hitler würde ukrainisches Getreide und Kohle aus dem Donezbecken benötigen, um einen langen Krieg zu führen. Der neue Plan sah deshalb auf Stalins Drängen einen südwestlichen Kriegsschauplatz als wahrscheinlich an. Die Rote Armee begann hier substanzielle Verstärkungen zusammenzuziehen, der Anfang jener schlecht geplanten Truppenaufmärsche, zu denen es hier kurz vor Juni 1941 kam.
Am 12. November 1940 traf Außenminister Molotow mit Hitler in Berlin zusammen. Er lehnte den deutschen Vorschlag ab, die Sowjetunion solle sich mit der Achse verbünden. Stalin, besorgt über das deutsche Vorrücken auf dem Balkan, verlangte Garantien und Zugeständnisse. Hitler erboste sich und bezeichnete ihn als »kaltblütigen Erpresser«. Der Hitler- Stalin-Pakt wurde immer brüchiger. Hitler verlor jegliches Interesse an Verhandlungen und erließ nur einen Monat und sechs Tage später, am 18. Dezember 1940, Weisung Nr. 21: »Die deutsche Wehrmacht muss darauf vorbereitet sein, auch vor Beendigung des Krieges gegen England Sowjetrussland in einem schnellen Feldzug niederzuwerfen (Fall Barbarossa). « Hitler suchte den Krieg, Stalin wollte ihn vermeiden.
Schon im Januar 1941 war der sowjetische Geheimdienst über Hitlers Absichten und deutsche Truppenbewegungen Richtung Osten informiert. Die Rote Armee begann sich zu reorganisieren und aufzurüsten, allerdings ziemlich planlos. Angesichts der Erfolge der deutschen Panzer im Westen befahl Stalin die Wiederaufstellung der zuvor aufgelösten Panzer- und motorisierten Einheiten. Der »Jahrgang 1940«, von Stalin kurz zuvor als Ersatz für die im Zuge der »Säuberungen« ermordeten Offiziere ernannte Generäle und Admiräle, wurde wieder auf die Schulbank geschickt. Im Januar 1941 testete man in geheimen strategischen Kriegsspielen den revidierten Kriegsplan. Der Vorrang der Südwestfront wurde bestätigt, an einen möglichen Überraschungsangriff dachten die auf einen Schlag gegen die Ukraine fixierten Strategen nicht. Die Gefechte an den Grenzen würden 10 bis 15 Tage dauern, dann hätten beide Armeen ihren Aufmarsch beendet. Die Rote Armee sollte zunächst abwehren, dann zum Gegenschlag ansetzen und den Krieg ins Feindesland tragen. Die Sowjetunion bereitete sich, wie ein russischer Kommandeur später sagte, auf den Krieg von 1914 vor, nicht auf den von 1941.
Schukows revidierter Kriegsplan von Mitte März 1941 war eine bloße Neuformulierung dieser Gedanken, obschon der sowjetische Geheimdienst bereits zunehmende deutsche Truppenverlegungen Richtung Osten meldete. Die Wehrmacht drang auf dem Balkan immer weiter vor, positionierte sich in Ungarn, Rumänien und Bulgarien und rückte damit immer näher an Russland heran. Im April 1941 marschierte sie in Jugoslawien ein, dann in Griechenland. Stalin zuckte zusammen, doch seine Reaktion beschränkte sich auf eine verspätete und leere Geste gegenüber Jugoslawien. Die Warnung, Deutschland würde nun Russland angreifen, und zwar im Juni, schien ihn wie andere Warnungen in seiner Entschlossenheit zu bestärken, einen Krieg mit Deutschland einstweilen zu vermeiden. Gezielt wurden Signale ausgesandt, um die Treue zum Vertrag von 1939 zu bestätigen. Auch die Unterzeichnung des Neutralitätsvertrags mit Japan am 13. April war für Stalin Anlass, die Freundschaft mit Deutschland »in jedem Falle« zu bekräftigen.
Im Mai 1941 wurden die Hinweise auf einen bevorstehenden Militärschlag immer deutlicher. Sowjetische Agenten meldeten militärische Vorbereitungen der Deutschen, allerdings mit einer verhängnisvollen Fehleinschätzung: Deutschland würde vor dem Angriff ein Ultimatum stellen. Stalin wurde dadurch in seiner Beschwichtigungspolitik erneut bestärkt, auch wenn er am 5. Mai einräumte, bis Mitte des Sommers bestehe eine »Zeit der Gefahr«, danach könne man einen Krieg bis 1942 hinausschieben. Noch am selben Tag brach die Kriegsvermeidungspolitik zusammen. Denn der Geheimdienst der Roten Armee lieferte genaue Angaben: 103 bis 107 deutsche Divisionen, darunter zwölf Panzerdivisionen, stünden für einen Angriff auf die Sowjetunion bereit. Die seit langem offenkundige Bedrohung wurde konkret.
Für den sowjetischen Generalstab kam die Stunde der Wahrheit. Die Rote Armee musste eine sowjetische Version des Blitzkriegs liefern oder eine Generalmobilmachung durchführen. General Schukows Plan vom 15. Mai 1941 sah den Einsatz von 152 sowjetischen zur Vernichtung von 100 deutschen Divisionen vor. Stalin lehnte ihn als Katastrophenrezept ab und untersagte Offensive und Mobilmachung. Derart lahmgelegt konnte die Rote Armee weder angreifen noch verteidigen. Gleichzeitig wurde der Sowjetführer von neuen Hirngespinsten heimgesucht. Am 10. Mai unternahm Hitlers Stellvertreter Rudolf Hess seinen spektakulären Flug nach Schottland. Stalins Aufmerksamkeit wurde dadurch von der deutschen Bedrohung auf eine mögliche antisowjetische Verschwörung der Briten umgelenkt. Frühere britische Warnungen bezüglich der Folgen eines Bündnisses mit Deutschland legte er nun als finstere Drohungen aus. War die Ankunft von Hess Anzeichen einer englisch-deutschen Abmachung, die Deutschland freie Hand im Osten gab, oder ein neuer britischer Versuch, ihn in den Krieg hineinzuziehen? Dass der britische Geheimdienst den Hess-Flug gezielt zur Desinformation nutzte, bestärkte Stalin in seinen schlimmsten Verschwörungsängsten.
Die politische Strategie der »Kriegsvermeidung« einerseits und der militärische Ansatz, »sich an den Krieg heranzuschleichen«, andererseits waren verheerend für die sowjetischen Verteidigungsanstrengungen. Ein propagandistischer Zickzackkurs sorgte dafür, dass die Armee verwirrt und die Zivilbevölkerung abwechselnd beruhigt und verängstigt wurde. Der Mobilisierungsplan - MP-41 - machte nur sporadisch Fortschritte. Im Juni war die Revision des Kriegsplans noch nicht abgeschlossen, die Zeitpläne waren fehlerhaft, die Pläne für Militärbezirke nicht fertig. Es gab auch keinen Plan, sämtliche Einheiten zu voller Einsatzbereitschaft zu bringen. Der Generalstabsplan zur »Verteidigung der Staatsgrenzen« umriss den Aufmarsch der Streitkräfte, doch fehlten konkrete Einsatzbefehle. Die Grenzverteidigung basierte auf der Annahme, es werde keinen Überraschungsangriff geben, vor jedweder entscheidenden Aktion würde eine Kriegserklärung erfolgen. Zudem würde der Feind seine Operationen anfangs nur mit begrenzten Kräften durchführen. Auf diese Weise bliebe der Roten Armee ausreichend Zeit für eine Mobilisierung. Eingedenk der Tatsache, dass die Generalmobilmachung von 1914 den Krieg ausgelöst hatte, schloss Stalin eine solche Maßnahme aus und hielt darüber hinaus die Erlaubnis zur Steigerung der Einsatzbereitschaft zurück: Eine solche »Provokation« würde Deutschland bloß den Vorwand zum Angriff liefern. Sein einziges Zugeständnis war eine »verdeckte Mobilmachung«, die Einberufung von Reservisten zu Sommermanövern.
Wie die sowjetische Diplomatie immer wieder andeutete, sei »ein neuer Kompromiss« mit Berlin möglich und stehe sogar bevor. Mit der transsibirischen Eisenbahn wurden beschleunigt Wirtschaftsgüter aus dem Fernen Osten der Sowjetunion nach Deutschland transportiert. Berlin setzte darauf, Russland wirtschaftliche Zugeständnisse abzuringen, die über das Handelsabkommen vom Januar 1941 hinausgingen. Aus diesem Grund hielten viele, so auch der britische Geheimdienst, die deutschen Truppenkonzentrationen nur für ein Druckmittel, mit dem Berlin den Sowjets weitere Konzessionen abpressen wollte. Zudem war es für Stalin unvorstellbar, dass Hitler Deutschlands fundamentales Strategiekonzept aufgeben würde: Führe niemals einen Zweifrontenkrieg. Berlin wiederum deutete Verhandlungsbereitschaft an.
Am 14. Juni genehmigte Stalin eine Pressemitteilung, in der ein unmittelbar bevorstehender Kriegsausbruch dementiert und Gerüchte über einen deutschen Angriff als »völlig unbegründet« und von »falschen Freunden verbreitete provokatsiya« bezeichnet wurden. »Es ist anzunehmen, dass die neuesten Bewegungen deutscher Truppen, die ihre Operationen auf dem Balkan beendet haben, aus Gründen erfolgten, die mit den sowjetisch-deutschen Beziehungen nichts zu tun haben.« Am selben Tag erteilte das deutsche Oberkommando den deutschen Kommandeuren im Osten einen Befehl, mit dem das Codewort »Dortmund« für den Beginn der Operation Barbarossa festgelegt wurde. Sämtliche Vorbereitungen mussten am 15. Juni 1941 abgeschlossen sein.
Stalin wartete vergeblich auf eine Antwort aus Berlin. Das deutsche Oberkommando bestätigte am 15. Juni die Codewörter für Ort und Zeitpunkt des deutschen Angriffs: Tag B, Stunde Y (22. Juni 1941, 03.00 Uhr). Letzte Anordnungen sollten nach dem 18. Juni erfolgen. Die Panzerdivisionen sollten nachts in ihre Ausgangsstellungen vorrücken. Beunruhigte sowjetische Frontkommandeure, die verzweifelt nach Moskau telefonierten, erhielten die Auskunft: »Es wird keinen Krieg geben.« Genau das war der Grundgedanke des Berichts, den Lawrenti Beria, Leiter des NKWD, Stalin am 21. Juni vorlegte. Selbst als das sowjetische Militär die ersten deutschen Truppenbewegungen meldete und die Luftwaffe anfing, die auf ihren Flugplätzen ordentlich aufgereihten sowjetischen Flugzeuge zu zerstören, war Stalin nicht bereit, von seinem zwanghaften Glauben an »Provokationen« zu lassen, die diesmal auf das Konto ungehorsamer deutscher Offiziere gehen sollten. Marschall Timoschenko konnte ihn nicht davon überzeugen, dass es sich um einen richtigen Krieg handelte, und Stalin verbot Schukow, die Verteidigungspläne umzusetzen. Den sowjetischen Streitkräften wurde untersagt, die deutschen Frontlinien zu überschreiten, »mit Ausnahme der Luftwaffe«, die gerade am Boden vernichtet wurde. Die Wehrmacht rückte bereits gegen Russland vor, vor ihr kamen die Sturzkampfbomber. Nach ihren Bombenabwürfen im Hinterland konnten die sowjetischen Soldaten sie beim Rückflug beobachten. Um 4 Uhr morgens legte Außenminister Ribbentrop dem sowjetischen Botschafter Wladimir Dekanosow Gründe für die »militärischen Gegenmaßnahmen« Deutschlands vor. Die Telefonleitungen der sowjetischen Botschaft waren unterbrochen. Um sich zu informieren, mussten die Botschaftsangehörigen auf Radio Moskau die 6-Uhr-Nachrichten (Moskauer Zeit) hören. Zu ihrem Erstaunen brachten diese nach Gymnastikanweisungen und einer Einblendung für Kinder nur Meldungen über außerrussische Kriegsschauplätze und Fortschritte in der sowjetischen Industrie und Landwirtschaft.
»Mit Sicherheit weiß Hitler nichts davon.« Stalins verzweifelter Kommentar verriet seine Unfähigkeit zu erkennen, dass diese Ereignisse keine Einschüchterunggsversuche waren, mit denen ihm Hitler weitere Zugeständnisse abpressen wollte. Krieg ohne Ultimatum, ohne diplomatisches Vorspiel, ohne Vorwand, ohne formelle Kriegserklärung, das war eine niederträchtige Täuschung, über die sich nun ein Mann empörte, der 22 Monate zuvor stolz darauf gewesen war, Hitler hereingelegt zu haben. Stalin überließ es Molotow, am Sonntag, dem 22. Juni, mittags über den Rundfunk den Kriegszustand bekanntzugeben.
© 2001 Professor John Erickson Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH, Steinerne Furt, 86167 Augsburg.
... weniger
Bibliographische Angaben
- Autor: JOHN UND LJUBICA ERICKSON
- 256 Seiten, durchgehend Schwarz-Weiß-Abbildungen, Maße: 23,7 x 28,7 cm, Gebunden
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3828947034
- ISBN-13: 9783828947030
Kommentare zu "Hitler gegen Stalin - Der verbrecherische Krieg zweier Massenmörder"
0 Gebrauchte Artikel zu „Hitler gegen Stalin - Der verbrecherische Krieg zweier Massenmörder“
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
4.5 von 5 Sternen
5 Sterne 6Schreiben Sie einen Kommentar zu "Hitler gegen Stalin - Der verbrecherische Krieg zweier Massenmörder".
Kommentar verfassen