Höllisch verliebt
Roman. Deutsche Erstausgabe
Er ist endlich da! Der dritte Teil von Gena Showalters blutrünstiger Serie um Aden Stone, Teenager und Vampirkönig wider Willen ...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Höllisch verliebt “
Er ist endlich da! Der dritte Teil von Gena Showalters blutrünstiger Serie um Aden Stone, Teenager und Vampirkönig wider Willen ...
Klappentext zu „Höllisch verliebt “
Hexen, Elfen und Dämonen, sie alle wollen den 16-jährige Aden Stone tot sehen und setzen dafür ihre schwarzen Kräfte ein. Es ist reines Glück, dass ihm seine Freundin, die Vampirprinzessin Victoria, in letzter Sekunde befreien und von der anderen Seite zurückholen kann. Doch auch nach einer wahren Höllenwoche kann Aden kaum Atem schöpfen. Denn seit sein Tod beschlossene Sache ist, verlieren die menschlichen Seelen in ihm an Kraft. Etwas Finsteres scheint von ihm Besitz zu ergreifen! Nur Victoria könnte mit ihm den Kampf gegen das Böse aufnehmen. Aber ausgerechnet die Liebe, die sie beide bindet, wird immer dunkler ...
Hexen, Elfen und Dämonen, sie alle wollen den 16-jährige Aden Stone tot sehen und setzen dafür ihre schwarzen Kräfte ein. Es ist reines Glück, dass ihm seine Freundin, die Vampirprinzessin Victoria, in letzter Sekunde befreien und von der anderen Seite zurückholen kann. Doch auch nach einer wahren Höllenwoche kann Aden kaum Atem schöpfen. Denn seit sein Tod beschlossene Sache ist, verlieren die menschlichen Seelen in ihm an Kraft. Etwas Finsteres scheint von ihm Besitz zu ergreifen! Nur Victoria könnte mit ihm den Kampf gegen das Böse aufnehmen. Aber ausgerechnet die Liebe, die sie beide bindet, wird immer dunkler ...
Lese-Probe zu „Höllisch verliebt “
Höllisch verliebt von Gena Showalter1. KAPITEL
... mehr
Aden Stone blickte auf das Mädchen hinab, das auf einem steinernen Podest schlief. Langes Haar, schwarz wie eine Winternacht und doch glänzend wie Schnee im Mondlicht, umspielte ihre schmalen Schultern. Lange dunkle Wimpern warfen Schatten auf die hohen, scharf geschnittenen Wangenknochen. Ihre üppigen rosa Lippen schimmerten feucht.
Er hatte beobachtet, dass sie sich die Lippen geleckt hatte, und wusste, was in ihr vorging. Selbst im Schlaf roch sie etwas Köstliches und sehnte sich nach dem Geschmack.
Geschmack ... ja ...
Ihre schneeweiße Haut war an genau den richtigen Stellen von einer frischen Röte überzogen und absolut makellos. Ohne jede Falte oder Runzel - obwohl sie schon über achtzig Jahre alt war.
Für ein Geschöpf ihrer Art war das jung.
Ein zerrissenes Kleid bedeckte sie von den Achseln bis zu den Zehenspitzen. Oder besser: hätte sie bedeckt, wäre es nicht zum Teil hochgezogen gewesen. Ein schlankes Bein ragte angewinkelt darunter hervor. Ein Fest für die Augen, vielleicht sogar eine Einladung, aus der Vene an ihrem Oberschenkel zu trinken.
Er sollte widerstehen.
Er konnte es nicht.
Sie war das schönste Mädchen, das er je gesehen hatte, zerbrechlich und anmutig. Wie die unschätzbaren Kunstwerke in dem einzigen Museum, das er je besucht hatte. Der Kurator hatte ihm einen Klaps auf die Hand verpasst, als er verbotenerweise versucht hatte, etwas zu berühren.
Sie hingegen muss niemand bewachen, dachte er mit einem leisen Lächeln. Sie konnte sich selbst beschützen, mit einer einzigen Handbewegung hätte sie einem Mann das Genick brechen können.
Sie war eine Vampirin. Seine Vampirin. Sein Fluch und sein Segen.
Aden stemmte ein Knie auf das provisorische Bett. Durch die Bewegung spannte sich das T-Shirt, auf dem das Mädchen ein klein wenig bequemer liegen sollte, und sie rollte in seine Richtung. Ohne ein Stöhnen oder einen leisen Seufzer, den ein Mensch vielleicht ausgestoßen hätte. Sie war still, unheimlich still. Ihr Gesichtsausdruck blieb unverändert: gelassen, unschuldig ... vertrauensvoll.
Lass es sein.
Er würde es tun.
Aden trug eine zerrissene Jeans voller Blutflecken. Die gleiche Jeans hatte er bei ihrer ersten Verabredung getragen, dem Abend, an dem sich seine ganze Welt verändert hatte. Sie trug nichts außer dem Kleid. Manchmal hielt nur die Kleidung die beiden davon ab, mehr zu tun, als voneinander zu trinken.
Voneinander zu trinken. Den anderen zu nähren. Was für harmlose Wörter dafür.
Er hätte ihr nie absichtlich wehgetan, aber wenn ihn - oder sie - der Wahn überkam, war alle Zuneigung vergessen. Sie wurden zu Tieren.
Lass es sein, wiederholte das bisschen Gewissen, das ihm geblieben war.
Nur einen Schluck, dann höre ich auf. Das hast du letztes Mal auch gesagt. Und das Mal davor. Und davor. Kann sein, aber dieses Mal halte ich mich daran. Hoffentlich. Früher hätte er mit den drei Seelen gesprochen, die in seinem Kopf gefangen gewesen waren. Aber jetzt steckten sie nicht mehr in seinem Kopf fest, sondern in ihrem, und er sprach mit sich selbst. Zumindest bis das Monster erwachte. Ein waschechtes Monster, das durch seinen Verstand streifte und zornig nach Blut brüllte. Ohne es zu wollen, hatte das schlafende Mädchen das Monster auf ihn übertragen, und nun hatte er ein neues Hobby: Blut saugen. Wenn dieser Punkt erreicht war, sprach Aden mit niemandem mehr.
Aden beugte sich immer tiefer, bis seine Brust die der Vampirin berührte. Er legte ihr beide Hände an die Schläfen und verlagerte sein Gewicht. Ihre Gesichter waren nur noch Millimeter voneinander entfernt, doch er wollte ihr noch näher sein. Immer noch näher.
Mit der linken Hand verstärkte er den Druck, bis sich ihr Haar straffte und ihr Kopf zur Seite rollte. Die Bewegung entblößte einen langen eleganten Hals, an dem ein stetiger Puls pochte.
Anders als die Blutsauger aus den Mythen war sie nicht tot. Sie war ein lebendes, atmendes Wesen, das nicht geschaffen, sondern geboren worden war. Und lebendiger war als jede andere, die er je getroffen hatte. Außer natürlich, falls er sie nun versehentlich umbrachte.
Das werde ich nicht.
Du könntest es aber. Mach das nicht.
Nur einen kleinen Schluck ...
Ihm lief das Wasser im Mund zusammen. Als er Luft holte, fühlte es sich an wie sein allererster Atemzug. Alles war so neu, so wunderbar. Er hielt den Atem an ... Fast konnte er schon ihren süßen Körper schmecken ... Langsam atmete er aus. Doch das brachte ihm keine Erleichterung, und sein allgegenwärtiger Hunger wurde ihm nur noch bewusster. Er fuhr sich mit der Zunge über die Zähne und das schmerzende Zahnfleisch. Er wollte sie beißen, wollte trinken, langsam und genüsslich. Trinken und trinken.
Natürlich, auch ohne Fangzähne konnte er beißen, und wäre sie ein Mensch gewesen, hätte er sie sogar leer trinken können. Aber die Haut von Vampiren war so hart und glatt wie poliertes Elfenbein. Mit seinen Zähnen käme er an keine Ader heran. Er brauchte je la nune, die einzige Substanz, die Vampirhaut durchdringen konnte. Das Problem war nur, dass es ihnen ausgegangen war. Somit blieb ihm nur eine Möglichkeit, zu bekommen, was er wollte.
"Victoria", flüsterte er.
Offenbar hatte sie sich noch nicht von ihrem letzten Tête-à-Tête erholt, denn sie reagierte nicht auf seine Stimme. Unter seinem Hunger flackerten Schuldgefühle auf. Er sollte aufstehen und sie in Ruhe lassen, damit sie sich erholen konnte. Sie hatte ihm in den letzten Tagen - Wochen? Jahren? - so viel Blut gegeben, dass kaum noch etwas übrig sein konnte.
"Victoria." Er konnte ihren Namen nicht länger zurückhalten. Jeden Augenblick des Tages verspürte er diesen Hunger. Er wurde stärker und stärker, lullte ihn ein und umklammerte seine Seele. Trotzdem würde er nur einen Tropfen trinken, nur den kleinen Schluck, den er sich versprochen hatte. Dann würde er sie in Ruhe weiterschlafen lassen.
Bis er mehr brauchte.
Mehr bekommst du nicht, schon vergessen? Das ist das letzte Mal.
"Wach für mich auf, meine Süße." Er küsste sie auf die Lippen, fester, als er es gewollt hatte. Ein Kuss für sein Schneewittchen.
Wie das Mädchen im Märchen öffnete Victoria blinzelnd die Augen. Sie glichen reinen Kristallen, tief und unergründlich. Auch in ihnen lag ein unbestimmter Hunger.
"Aden?" Sie rekelte sich wie ein Kätzchen, streckte die Arme über den Kopf und drückte den Rücken durch. Ein leises Schnurren drang aus ihrer Kehle. "Ist es wieder so schlimm?"
Das Kleid klaffte über ihrer Brust auseinander, ein wenig nur, aber weit genug, dass er die Tätowierung über ihrem Herzen sehen konnte. Die schwarze Farbe war verblasst, bald würde sie ganz verschwunden sein. Dabei waren die verwirbelten Kreise, die sich in der Mitte trafen, mehr als ein hübscher Körperschmuck. Sie bildeten einen Schutzzauber auf ihrer Haut, der sie vor dem Tod bewahrte. Ohne ihn wäre sie gestorben, als sie ihm damals, beim ersten Mal, einen Großteil ihres Blutes zu trinken gegeben hatte.
Er hätte gern gewusst, wie lange das her war, aber Zeit existierte für ihn nicht mehr. Es gab nur noch das Hier und Jetzt - und sie. Immer nur sie. Immer diesen Hunger, diesen Durst, die zu einem wilden, verzehrenden Verlangen verschmolzen. Sie zog ein Knie an, sodass es gegen seinen Hüftknochen gepresst war, und er drängte sich noch enger an sie. Was für ein intimer Moment! Aber es blieb keine Zeit, ihn zu genießen. Ihnen blieben ein, vielleicht zwei Minuten, bis die Stimmen Victorias Konzentration störten und er vom Brüllen des Monsters abgelenkt werden würde.
Eine Minute, bis sie ihrem düsteren Wesen nachgeben würden.
"Bitte." Mehr sagte er nicht. Vor seinen Augen flimmerten nun schwarze Spinnweben, sie wurden dicker und dichter, bis er nur noch ihren Hals sehen konnte. Sein Zahnfleisch schmerzte unerträglich, und er fürchtete fast, er würde anfangen zu sabbern.
"Ja", sagte sie, ohne zu zögern. Sie schlang die Arme um ihn, vergrub die Hände in seinem Haar und zog ihn näher, um ihn zu küssen.
Ihre Zungen trafen sich, und einen Augenblick lang verlor er sich in Victorias süßem Geschmack. Sie glich köstlicher Schokolade, gemischt mit Chili, sanft und gleichzeitig scharf. Wären sie doch einfach nur ein Junge und ein Mädchen gewesen, dann hätten sie sich nichts als geküsst, und er hätte vielleicht versucht, weiter zu gehen. Vielleicht hätte sie ihn abgewiesen. Oder ihn gebeten, weiterzumachen. Auf jeden Fall hätte es für beide nur den anderen gegeben. Aber jetzt war nichts wichtiger als das Blut.
"Bereit?", hauchte sie. Sie war seine Dealerin, seine Lieferantin und seine Droge, alles in allem unwiderstehlich. Er wollte sie dafür hassen. Ein Teil von ihm, der neue, finstere Teil, tat das auch. Der Rest liebte sie grenzenlos.
Irgendwann würden die beiden Teile miteinander kämpfen.
Und Kämpfe konnten tödlich enden.
"Bereit?", wiederholte sie.
"Tu es." Sein heiseres Knurren klang unmenschlich, beinahe tierisch.
War er überhaupt noch ein Mensch? Sein Leben lang hatte er übernatürliche Dinge angezogen. Vielleicht war er nie wirklich ein Mensch gewesen. Nicht dass ihn die Antwort im Moment interessiert hätte. Blut ...
Ihr Kuss wurde intensiver. Ohne zurückzuzucken, schlitzte Victoria ihre Zunge an ihren Fangzähnen auf. Nektar der Götter quoll hervor, Schokolade und Chili wichen sofort dem Geschmack nach Champagner und Honig, der ihn berauschte. Ihm wurde schwindlig und gleichzeitig warm.
Rasch, bevor sich die Wunde schließen konnte, trank er das Blut, jeden verfügbaren Tropfen. Und bei jedem Schluck stöhnte er verzückt. Ihm wurde noch wärmer, bis er von Feuer durchströmt wurde, das ihn innerlich versengte.
Dieses Gefühl kannte er. Erst vor Kurzem waren seine Gedanken mit denen eines Vampirs verschmolzen. Eines toten Vampirs, der gerade auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Für Aden hatte es sich angefühlt, als läge er selbst in den Flammen.
Wenig später hatte er die Gedanken eines Elfen geteilt. In der Brust des Elfen hatte ein Messer gesteckt, und mit jedem Herzschlag war die Spitze tiefer eingedrungen.
Beide Male hatte er unglaubliche Schmerzen erlitten, aber sie verblassten gegen die Qualen, die er verspürt hatte, als das Messer in seiner eigenen Brust steckte. Ohne das Mädchen, das jetzt unter ihm lag, wäre er gestorben.
Er und Victoria hatten ihren Sieg über einen Hexenzirkel und einen Trupp Elfen feiern wollen, nur sie beide. Doch plötzlich war aus den Schatten ein Dämon in Menschengestalt gesprungen, und bevor Aden es sich versehen hatte, war ihm ein Messer in die Brust gerammt worden.
Victoria hätte ihn gehen lassen sollen. Genau diesen Angriff hatte eine der Seelen in seinem Kopf vorausgesagt. Aden hatte sich auf ihn eingestellt, und auch wenn er noch nicht sterben wollte, so hatte er doch gewusst, dass für ihn danach keine Zukunft vorgesehen war.
Und auch für Victoria wäre es besser gewesen, wenn sie ihn hätte gehen lassen. Wer dem Schicksal ins Handwerk pfuschte, musste dafür bezahlen. Er sollte tot sein, anstatt Victoria zur Last zu fallen. Doch sie hatte Panik bekommen. Ihre schrillen Schreie klangen ihm noch in den Ohren. Er spürte noch, wie sie ihn gepackt und geschüttelt hatte, als ihn das Leben verließ. Und er erinnerte sich noch an Victorias heiße Tränen, die auf sein Gesicht gefallen waren.
Und jetzt bezahlte sie dafür. Vielleicht würde sie so lange bezahlen, bis Aden sie versehentlich tötete - oder bis sie ihn tötete. Ein Leben für ein Leben. So war das doch in dieser Welt.
Dieses Mal rechnete Aden damit, dass Victorias Blut ihn töten würde. Stattdessen wurde er ... ruhiger. Nicht nur ruhiger, es ging ihm besser. Er fühlte sich stärker, sein Körper vibrierte vor Energie, seine Muskeln spannten sich an.
Das war vorher nie passiert, wenn er getrunken hatte. Und es sollte auch jetzt nicht geschehen. Sie tranken, sie rangen miteinander, dann wurden sie ohnmächtig. Er konnte sich nicht einfach neue Kraft holen, wie man eine Batterie auflud.
Als das Blut, das von ihrer Zunge tropfte, viel zu schnell versiegte, wurde der Drang wieder stärker, er brauchte mehr, sofort. Die Konsequenzen waren ihm egal, und auch, ob ihm das Blut bekam, interessierte ihn nicht mehr.
"Victoria", ächzte er.
"Mehr?" Sie atmete flach. Mit den Nägeln zerkratzte sie ihm Nacken und Schultern. Offenbar bekam auch sie wieder Hunger.
Auch ohne ihr Monster - das Herz ihrer Vampirnatur und die treibende Kraft hinter Adens neuen Ernährungsvorlieben sehnte sich nach Blut. Vielleicht weil sie es nicht anders kannte. Vielleicht war sie auch genauso abhängig wie er.
"Mehr", bestätigte er.
Wieder schlitzte sie ihre Zunge an ihren Fangzähnen auf. Aus der neuen Wunde drang Blut, aber es war weniger und floss langsamer. Trotzdem saugte und saugte er.
Nicht genug, nicht genug, nie genug.
Schon nach wenigen Sekunden versiegte das Blut. Er wollte ihr nicht wehtun, durfte es nicht, trotzdem biss er sie in die Zunge. Anders als ihre Haut war ihre Zunge weich und verletzlich. Sie stöhnte, aber nicht vor Schmerz. Er hatte sich versehentlich selbst auf die Zunge gebissen, und jetzt tropfte sein Blut in ihren Mund.
"Mehr", sagte sie. Das war keine Frage, sondern ein Befehl.
Er krallte die Hände in ihr seidiges Haar und zog ihren Kopf zur Seite, damit sie tiefer vordringen konnten. Herrlich.
Vor einiger Zeit hatte sie ihm erzählt, ein Vampir könne einen Menschen nicht verwandeln, er würde es nicht überleben. Und auch der Vampir würde sterben. Damals hatte er nicht verstanden, warum.
Jetzt verstand er es - aber für dieses Wissen musste er bezahlen.
Als sie sein letztes Blut getrunken und ihm ihres gegeben hatte, hatten sie nicht nur DNA ausgetauscht oder seine Seelen gegen ihr Monster. Sie hatten alles getauscht und geteilt, alles. Erinnerungen, Vorlieben und Abneigungen, Fähigkeiten und Wünsche, hin und her, hin und her, bis er nicht mehr wusste, was von ihm stammte und was von ihr.
War er einmal mit einer neunschwänzigen Katze ausgepeitscht worden? Hatte er einen Menschen ausgesaugt, bis dieser gestorben war? Oder war er zufällig auf einen Clan kranker Werbären gestoßen und hatte sie gesund gepflegt?
Ein gedämpftes Grollen - ein Gähnen? - in seinem Unterbewusstsein ließ ihn aufhorchen. Das Monster. Eigentlich war "Dämon" eine passendere Bezeichnung für Scharfzahn. Aden fühlte sich von ihm wie besessen. Dieses Gefühl hätte er eigentlich gewohnt sein müssen. Allerdings war Scharfzahn ganz anders als die Seelen, die zuvor seinen Kopf geteilt hatten. Er war nicht so umgänglich wie Julian, so pervers wie Caleb oder so mitfühlend wie Elijah. Scharfzahn dachte nur an Blut und Schmerzen. Er wollte Blut fließen lassen und anderen Schmerzen zufügen.
Wenn er das Kommando übernahm, war Aden eher Raubtier als Mensch. Er hasste sich dafür ebenso sehr, wie er Victoria hasste. Was absurd war. Scharfzahn vergötterte Aden, ganz ohne Zweifel. Es gefiel ihm in Adens Kopf, und er schlug nicht ständig um sich, um herauszukommen, wie bei Victoria. Trotzdem hatte Scharfzahn eine gewalttätige Ader, die ihren Tribut forderte.
Manchmal tauschten Aden und Victoria erneut, und die Seelen kehrten zu ihm zurück, Scharfzahn zu ihr. Aber dann vermischte sich alles von Neuem, immer wieder. Und jeder Tausch trieb sie ein bisschen näher an den Rand des Wahnsinns. Zu viele Erinnerungen wirbelten durcheinander, zu viele widersprüchliche Begierden. Bald würden sie endgültig über die Klippe stürzen.
"Aden", keuchte Victoria. "Ich ... brauche ..."
Er wusste, was sie gleich sagen würde.
Sie legte seinen Kopf zur Seite, so wie er vorhin ihren, und öffnete ihre Lippen. Das gefiel ihm nicht. Sie schlug ihre Fangzähne in seine Halsschlagader. Das gefiel ihm auch nicht, und er fauchte. Früher hatte sich ihr Biss gut angefühlt, doch in ihrem blindwütigen Hunger wurde sie ungeschickt, und ihre Fangzähne schnitten in eine Sehne. Trotzdem hielt er sie nicht zurück. Sie musste ebenso dringend trinken wie er.
Schritte hallten durch ihre Höhle und brachen sich an den Wänden.
Aden blieb ruhig. Victoria konnte sie beide an jeden Ort versetzen, den sie schon einmal besucht hatte. So waren sie hierhergekommen, als er verletzt worden war. Er wusste nicht, wo "hier" war oder woher sie die Höhle kannte, nur, dass ab und zu Wanderer hereinkamen. Bisher hatte sich keiner zu ihnen vorgewagt, und er bezweifelte, dass sich das ändern würde.
Natürlich hätten sie sich gemeinsam an einen anderen, noch entlegeneren Ort zurückziehen können. Vielleicht wäre es sicherer gewesen, wenn sie sich so weit wie möglich von der Zivilisation entfernt hätten. Immerhin war Aden eine lebendige Zielscheibe, seit Victorias Vater von den Toten zurückgekehrt war und seinen Thron zurückforderte.
Aden mochte ein Mensch sein - vielleicht -, aber er war nun König der Vampire. Er hatte getötet, um die Herrschaft zu erlangen, und er würde den Thron wieder für sich beanspruchen. Sobald es ihm gelang, sich von Victorias Blut zu entwöhnen.
Waren das seine Gedanken oder die des Monsters?
Seine eigenen, beschloss er. Es mussten seine Gedanken sein. Der Drang, König zu sein, war ebenso stark wie sein Blutdurst.
Früher war das aber anders. Er hatte sogar nach jemandem gesucht, der ihn ersetzen konnte.
Das war früher. Außerdem habe ich schon Pläne für mein Volk geschmiedet.
Sein Volk? Da sprach wohl sein Adrenalin.
Ach ja? Jetzt spreche ich - halt die Klappe.
Die widerhallenden Schritte kamen immer näher ...
MIRA Taschenbuch Band 65062 © 2011 by Gena Showalter Originaltitel: Twisted Übersetzung: Peer Mavek
Aden Stone blickte auf das Mädchen hinab, das auf einem steinernen Podest schlief. Langes Haar, schwarz wie eine Winternacht und doch glänzend wie Schnee im Mondlicht, umspielte ihre schmalen Schultern. Lange dunkle Wimpern warfen Schatten auf die hohen, scharf geschnittenen Wangenknochen. Ihre üppigen rosa Lippen schimmerten feucht.
Er hatte beobachtet, dass sie sich die Lippen geleckt hatte, und wusste, was in ihr vorging. Selbst im Schlaf roch sie etwas Köstliches und sehnte sich nach dem Geschmack.
Geschmack ... ja ...
Ihre schneeweiße Haut war an genau den richtigen Stellen von einer frischen Röte überzogen und absolut makellos. Ohne jede Falte oder Runzel - obwohl sie schon über achtzig Jahre alt war.
Für ein Geschöpf ihrer Art war das jung.
Ein zerrissenes Kleid bedeckte sie von den Achseln bis zu den Zehenspitzen. Oder besser: hätte sie bedeckt, wäre es nicht zum Teil hochgezogen gewesen. Ein schlankes Bein ragte angewinkelt darunter hervor. Ein Fest für die Augen, vielleicht sogar eine Einladung, aus der Vene an ihrem Oberschenkel zu trinken.
Er sollte widerstehen.
Er konnte es nicht.
Sie war das schönste Mädchen, das er je gesehen hatte, zerbrechlich und anmutig. Wie die unschätzbaren Kunstwerke in dem einzigen Museum, das er je besucht hatte. Der Kurator hatte ihm einen Klaps auf die Hand verpasst, als er verbotenerweise versucht hatte, etwas zu berühren.
Sie hingegen muss niemand bewachen, dachte er mit einem leisen Lächeln. Sie konnte sich selbst beschützen, mit einer einzigen Handbewegung hätte sie einem Mann das Genick brechen können.
Sie war eine Vampirin. Seine Vampirin. Sein Fluch und sein Segen.
Aden stemmte ein Knie auf das provisorische Bett. Durch die Bewegung spannte sich das T-Shirt, auf dem das Mädchen ein klein wenig bequemer liegen sollte, und sie rollte in seine Richtung. Ohne ein Stöhnen oder einen leisen Seufzer, den ein Mensch vielleicht ausgestoßen hätte. Sie war still, unheimlich still. Ihr Gesichtsausdruck blieb unverändert: gelassen, unschuldig ... vertrauensvoll.
Lass es sein.
Er würde es tun.
Aden trug eine zerrissene Jeans voller Blutflecken. Die gleiche Jeans hatte er bei ihrer ersten Verabredung getragen, dem Abend, an dem sich seine ganze Welt verändert hatte. Sie trug nichts außer dem Kleid. Manchmal hielt nur die Kleidung die beiden davon ab, mehr zu tun, als voneinander zu trinken.
Voneinander zu trinken. Den anderen zu nähren. Was für harmlose Wörter dafür.
Er hätte ihr nie absichtlich wehgetan, aber wenn ihn - oder sie - der Wahn überkam, war alle Zuneigung vergessen. Sie wurden zu Tieren.
Lass es sein, wiederholte das bisschen Gewissen, das ihm geblieben war.
Nur einen Schluck, dann höre ich auf. Das hast du letztes Mal auch gesagt. Und das Mal davor. Und davor. Kann sein, aber dieses Mal halte ich mich daran. Hoffentlich. Früher hätte er mit den drei Seelen gesprochen, die in seinem Kopf gefangen gewesen waren. Aber jetzt steckten sie nicht mehr in seinem Kopf fest, sondern in ihrem, und er sprach mit sich selbst. Zumindest bis das Monster erwachte. Ein waschechtes Monster, das durch seinen Verstand streifte und zornig nach Blut brüllte. Ohne es zu wollen, hatte das schlafende Mädchen das Monster auf ihn übertragen, und nun hatte er ein neues Hobby: Blut saugen. Wenn dieser Punkt erreicht war, sprach Aden mit niemandem mehr.
Aden beugte sich immer tiefer, bis seine Brust die der Vampirin berührte. Er legte ihr beide Hände an die Schläfen und verlagerte sein Gewicht. Ihre Gesichter waren nur noch Millimeter voneinander entfernt, doch er wollte ihr noch näher sein. Immer noch näher.
Mit der linken Hand verstärkte er den Druck, bis sich ihr Haar straffte und ihr Kopf zur Seite rollte. Die Bewegung entblößte einen langen eleganten Hals, an dem ein stetiger Puls pochte.
Anders als die Blutsauger aus den Mythen war sie nicht tot. Sie war ein lebendes, atmendes Wesen, das nicht geschaffen, sondern geboren worden war. Und lebendiger war als jede andere, die er je getroffen hatte. Außer natürlich, falls er sie nun versehentlich umbrachte.
Das werde ich nicht.
Du könntest es aber. Mach das nicht.
Nur einen kleinen Schluck ...
Ihm lief das Wasser im Mund zusammen. Als er Luft holte, fühlte es sich an wie sein allererster Atemzug. Alles war so neu, so wunderbar. Er hielt den Atem an ... Fast konnte er schon ihren süßen Körper schmecken ... Langsam atmete er aus. Doch das brachte ihm keine Erleichterung, und sein allgegenwärtiger Hunger wurde ihm nur noch bewusster. Er fuhr sich mit der Zunge über die Zähne und das schmerzende Zahnfleisch. Er wollte sie beißen, wollte trinken, langsam und genüsslich. Trinken und trinken.
Natürlich, auch ohne Fangzähne konnte er beißen, und wäre sie ein Mensch gewesen, hätte er sie sogar leer trinken können. Aber die Haut von Vampiren war so hart und glatt wie poliertes Elfenbein. Mit seinen Zähnen käme er an keine Ader heran. Er brauchte je la nune, die einzige Substanz, die Vampirhaut durchdringen konnte. Das Problem war nur, dass es ihnen ausgegangen war. Somit blieb ihm nur eine Möglichkeit, zu bekommen, was er wollte.
"Victoria", flüsterte er.
Offenbar hatte sie sich noch nicht von ihrem letzten Tête-à-Tête erholt, denn sie reagierte nicht auf seine Stimme. Unter seinem Hunger flackerten Schuldgefühle auf. Er sollte aufstehen und sie in Ruhe lassen, damit sie sich erholen konnte. Sie hatte ihm in den letzten Tagen - Wochen? Jahren? - so viel Blut gegeben, dass kaum noch etwas übrig sein konnte.
"Victoria." Er konnte ihren Namen nicht länger zurückhalten. Jeden Augenblick des Tages verspürte er diesen Hunger. Er wurde stärker und stärker, lullte ihn ein und umklammerte seine Seele. Trotzdem würde er nur einen Tropfen trinken, nur den kleinen Schluck, den er sich versprochen hatte. Dann würde er sie in Ruhe weiterschlafen lassen.
Bis er mehr brauchte.
Mehr bekommst du nicht, schon vergessen? Das ist das letzte Mal.
"Wach für mich auf, meine Süße." Er küsste sie auf die Lippen, fester, als er es gewollt hatte. Ein Kuss für sein Schneewittchen.
Wie das Mädchen im Märchen öffnete Victoria blinzelnd die Augen. Sie glichen reinen Kristallen, tief und unergründlich. Auch in ihnen lag ein unbestimmter Hunger.
"Aden?" Sie rekelte sich wie ein Kätzchen, streckte die Arme über den Kopf und drückte den Rücken durch. Ein leises Schnurren drang aus ihrer Kehle. "Ist es wieder so schlimm?"
Das Kleid klaffte über ihrer Brust auseinander, ein wenig nur, aber weit genug, dass er die Tätowierung über ihrem Herzen sehen konnte. Die schwarze Farbe war verblasst, bald würde sie ganz verschwunden sein. Dabei waren die verwirbelten Kreise, die sich in der Mitte trafen, mehr als ein hübscher Körperschmuck. Sie bildeten einen Schutzzauber auf ihrer Haut, der sie vor dem Tod bewahrte. Ohne ihn wäre sie gestorben, als sie ihm damals, beim ersten Mal, einen Großteil ihres Blutes zu trinken gegeben hatte.
Er hätte gern gewusst, wie lange das her war, aber Zeit existierte für ihn nicht mehr. Es gab nur noch das Hier und Jetzt - und sie. Immer nur sie. Immer diesen Hunger, diesen Durst, die zu einem wilden, verzehrenden Verlangen verschmolzen. Sie zog ein Knie an, sodass es gegen seinen Hüftknochen gepresst war, und er drängte sich noch enger an sie. Was für ein intimer Moment! Aber es blieb keine Zeit, ihn zu genießen. Ihnen blieben ein, vielleicht zwei Minuten, bis die Stimmen Victorias Konzentration störten und er vom Brüllen des Monsters abgelenkt werden würde.
Eine Minute, bis sie ihrem düsteren Wesen nachgeben würden.
"Bitte." Mehr sagte er nicht. Vor seinen Augen flimmerten nun schwarze Spinnweben, sie wurden dicker und dichter, bis er nur noch ihren Hals sehen konnte. Sein Zahnfleisch schmerzte unerträglich, und er fürchtete fast, er würde anfangen zu sabbern.
"Ja", sagte sie, ohne zu zögern. Sie schlang die Arme um ihn, vergrub die Hände in seinem Haar und zog ihn näher, um ihn zu küssen.
Ihre Zungen trafen sich, und einen Augenblick lang verlor er sich in Victorias süßem Geschmack. Sie glich köstlicher Schokolade, gemischt mit Chili, sanft und gleichzeitig scharf. Wären sie doch einfach nur ein Junge und ein Mädchen gewesen, dann hätten sie sich nichts als geküsst, und er hätte vielleicht versucht, weiter zu gehen. Vielleicht hätte sie ihn abgewiesen. Oder ihn gebeten, weiterzumachen. Auf jeden Fall hätte es für beide nur den anderen gegeben. Aber jetzt war nichts wichtiger als das Blut.
"Bereit?", hauchte sie. Sie war seine Dealerin, seine Lieferantin und seine Droge, alles in allem unwiderstehlich. Er wollte sie dafür hassen. Ein Teil von ihm, der neue, finstere Teil, tat das auch. Der Rest liebte sie grenzenlos.
Irgendwann würden die beiden Teile miteinander kämpfen.
Und Kämpfe konnten tödlich enden.
"Bereit?", wiederholte sie.
"Tu es." Sein heiseres Knurren klang unmenschlich, beinahe tierisch.
War er überhaupt noch ein Mensch? Sein Leben lang hatte er übernatürliche Dinge angezogen. Vielleicht war er nie wirklich ein Mensch gewesen. Nicht dass ihn die Antwort im Moment interessiert hätte. Blut ...
Ihr Kuss wurde intensiver. Ohne zurückzuzucken, schlitzte Victoria ihre Zunge an ihren Fangzähnen auf. Nektar der Götter quoll hervor, Schokolade und Chili wichen sofort dem Geschmack nach Champagner und Honig, der ihn berauschte. Ihm wurde schwindlig und gleichzeitig warm.
Rasch, bevor sich die Wunde schließen konnte, trank er das Blut, jeden verfügbaren Tropfen. Und bei jedem Schluck stöhnte er verzückt. Ihm wurde noch wärmer, bis er von Feuer durchströmt wurde, das ihn innerlich versengte.
Dieses Gefühl kannte er. Erst vor Kurzem waren seine Gedanken mit denen eines Vampirs verschmolzen. Eines toten Vampirs, der gerade auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Für Aden hatte es sich angefühlt, als läge er selbst in den Flammen.
Wenig später hatte er die Gedanken eines Elfen geteilt. In der Brust des Elfen hatte ein Messer gesteckt, und mit jedem Herzschlag war die Spitze tiefer eingedrungen.
Beide Male hatte er unglaubliche Schmerzen erlitten, aber sie verblassten gegen die Qualen, die er verspürt hatte, als das Messer in seiner eigenen Brust steckte. Ohne das Mädchen, das jetzt unter ihm lag, wäre er gestorben.
Er und Victoria hatten ihren Sieg über einen Hexenzirkel und einen Trupp Elfen feiern wollen, nur sie beide. Doch plötzlich war aus den Schatten ein Dämon in Menschengestalt gesprungen, und bevor Aden es sich versehen hatte, war ihm ein Messer in die Brust gerammt worden.
Victoria hätte ihn gehen lassen sollen. Genau diesen Angriff hatte eine der Seelen in seinem Kopf vorausgesagt. Aden hatte sich auf ihn eingestellt, und auch wenn er noch nicht sterben wollte, so hatte er doch gewusst, dass für ihn danach keine Zukunft vorgesehen war.
Und auch für Victoria wäre es besser gewesen, wenn sie ihn hätte gehen lassen. Wer dem Schicksal ins Handwerk pfuschte, musste dafür bezahlen. Er sollte tot sein, anstatt Victoria zur Last zu fallen. Doch sie hatte Panik bekommen. Ihre schrillen Schreie klangen ihm noch in den Ohren. Er spürte noch, wie sie ihn gepackt und geschüttelt hatte, als ihn das Leben verließ. Und er erinnerte sich noch an Victorias heiße Tränen, die auf sein Gesicht gefallen waren.
Und jetzt bezahlte sie dafür. Vielleicht würde sie so lange bezahlen, bis Aden sie versehentlich tötete - oder bis sie ihn tötete. Ein Leben für ein Leben. So war das doch in dieser Welt.
Dieses Mal rechnete Aden damit, dass Victorias Blut ihn töten würde. Stattdessen wurde er ... ruhiger. Nicht nur ruhiger, es ging ihm besser. Er fühlte sich stärker, sein Körper vibrierte vor Energie, seine Muskeln spannten sich an.
Das war vorher nie passiert, wenn er getrunken hatte. Und es sollte auch jetzt nicht geschehen. Sie tranken, sie rangen miteinander, dann wurden sie ohnmächtig. Er konnte sich nicht einfach neue Kraft holen, wie man eine Batterie auflud.
Als das Blut, das von ihrer Zunge tropfte, viel zu schnell versiegte, wurde der Drang wieder stärker, er brauchte mehr, sofort. Die Konsequenzen waren ihm egal, und auch, ob ihm das Blut bekam, interessierte ihn nicht mehr.
"Victoria", ächzte er.
"Mehr?" Sie atmete flach. Mit den Nägeln zerkratzte sie ihm Nacken und Schultern. Offenbar bekam auch sie wieder Hunger.
Auch ohne ihr Monster - das Herz ihrer Vampirnatur und die treibende Kraft hinter Adens neuen Ernährungsvorlieben sehnte sich nach Blut. Vielleicht weil sie es nicht anders kannte. Vielleicht war sie auch genauso abhängig wie er.
"Mehr", bestätigte er.
Wieder schlitzte sie ihre Zunge an ihren Fangzähnen auf. Aus der neuen Wunde drang Blut, aber es war weniger und floss langsamer. Trotzdem saugte und saugte er.
Nicht genug, nicht genug, nie genug.
Schon nach wenigen Sekunden versiegte das Blut. Er wollte ihr nicht wehtun, durfte es nicht, trotzdem biss er sie in die Zunge. Anders als ihre Haut war ihre Zunge weich und verletzlich. Sie stöhnte, aber nicht vor Schmerz. Er hatte sich versehentlich selbst auf die Zunge gebissen, und jetzt tropfte sein Blut in ihren Mund.
"Mehr", sagte sie. Das war keine Frage, sondern ein Befehl.
Er krallte die Hände in ihr seidiges Haar und zog ihren Kopf zur Seite, damit sie tiefer vordringen konnten. Herrlich.
Vor einiger Zeit hatte sie ihm erzählt, ein Vampir könne einen Menschen nicht verwandeln, er würde es nicht überleben. Und auch der Vampir würde sterben. Damals hatte er nicht verstanden, warum.
Jetzt verstand er es - aber für dieses Wissen musste er bezahlen.
Als sie sein letztes Blut getrunken und ihm ihres gegeben hatte, hatten sie nicht nur DNA ausgetauscht oder seine Seelen gegen ihr Monster. Sie hatten alles getauscht und geteilt, alles. Erinnerungen, Vorlieben und Abneigungen, Fähigkeiten und Wünsche, hin und her, hin und her, bis er nicht mehr wusste, was von ihm stammte und was von ihr.
War er einmal mit einer neunschwänzigen Katze ausgepeitscht worden? Hatte er einen Menschen ausgesaugt, bis dieser gestorben war? Oder war er zufällig auf einen Clan kranker Werbären gestoßen und hatte sie gesund gepflegt?
Ein gedämpftes Grollen - ein Gähnen? - in seinem Unterbewusstsein ließ ihn aufhorchen. Das Monster. Eigentlich war "Dämon" eine passendere Bezeichnung für Scharfzahn. Aden fühlte sich von ihm wie besessen. Dieses Gefühl hätte er eigentlich gewohnt sein müssen. Allerdings war Scharfzahn ganz anders als die Seelen, die zuvor seinen Kopf geteilt hatten. Er war nicht so umgänglich wie Julian, so pervers wie Caleb oder so mitfühlend wie Elijah. Scharfzahn dachte nur an Blut und Schmerzen. Er wollte Blut fließen lassen und anderen Schmerzen zufügen.
Wenn er das Kommando übernahm, war Aden eher Raubtier als Mensch. Er hasste sich dafür ebenso sehr, wie er Victoria hasste. Was absurd war. Scharfzahn vergötterte Aden, ganz ohne Zweifel. Es gefiel ihm in Adens Kopf, und er schlug nicht ständig um sich, um herauszukommen, wie bei Victoria. Trotzdem hatte Scharfzahn eine gewalttätige Ader, die ihren Tribut forderte.
Manchmal tauschten Aden und Victoria erneut, und die Seelen kehrten zu ihm zurück, Scharfzahn zu ihr. Aber dann vermischte sich alles von Neuem, immer wieder. Und jeder Tausch trieb sie ein bisschen näher an den Rand des Wahnsinns. Zu viele Erinnerungen wirbelten durcheinander, zu viele widersprüchliche Begierden. Bald würden sie endgültig über die Klippe stürzen.
"Aden", keuchte Victoria. "Ich ... brauche ..."
Er wusste, was sie gleich sagen würde.
Sie legte seinen Kopf zur Seite, so wie er vorhin ihren, und öffnete ihre Lippen. Das gefiel ihm nicht. Sie schlug ihre Fangzähne in seine Halsschlagader. Das gefiel ihm auch nicht, und er fauchte. Früher hatte sich ihr Biss gut angefühlt, doch in ihrem blindwütigen Hunger wurde sie ungeschickt, und ihre Fangzähne schnitten in eine Sehne. Trotzdem hielt er sie nicht zurück. Sie musste ebenso dringend trinken wie er.
Schritte hallten durch ihre Höhle und brachen sich an den Wänden.
Aden blieb ruhig. Victoria konnte sie beide an jeden Ort versetzen, den sie schon einmal besucht hatte. So waren sie hierhergekommen, als er verletzt worden war. Er wusste nicht, wo "hier" war oder woher sie die Höhle kannte, nur, dass ab und zu Wanderer hereinkamen. Bisher hatte sich keiner zu ihnen vorgewagt, und er bezweifelte, dass sich das ändern würde.
Natürlich hätten sie sich gemeinsam an einen anderen, noch entlegeneren Ort zurückziehen können. Vielleicht wäre es sicherer gewesen, wenn sie sich so weit wie möglich von der Zivilisation entfernt hätten. Immerhin war Aden eine lebendige Zielscheibe, seit Victorias Vater von den Toten zurückgekehrt war und seinen Thron zurückforderte.
Aden mochte ein Mensch sein - vielleicht -, aber er war nun König der Vampire. Er hatte getötet, um die Herrschaft zu erlangen, und er würde den Thron wieder für sich beanspruchen. Sobald es ihm gelang, sich von Victorias Blut zu entwöhnen.
Waren das seine Gedanken oder die des Monsters?
Seine eigenen, beschloss er. Es mussten seine Gedanken sein. Der Drang, König zu sein, war ebenso stark wie sein Blutdurst.
Früher war das aber anders. Er hatte sogar nach jemandem gesucht, der ihn ersetzen konnte.
Das war früher. Außerdem habe ich schon Pläne für mein Volk geschmiedet.
Sein Volk? Da sprach wohl sein Adrenalin.
Ach ja? Jetzt spreche ich - halt die Klappe.
Die widerhallenden Schritte kamen immer näher ...
MIRA Taschenbuch Band 65062 © 2011 by Gena Showalter Originaltitel: Twisted Übersetzung: Peer Mavek
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Autoren-Porträt von Gena Showalter
New York Times und USA Today Bestseller-Autorin Gena Showalter gilt als neuer Shooting Star am romantischen Bücherhimmel des Übersinnlichen. Ihre Romane erobern nach Erscheinen die Herzen von Kritikern und Lesern gleichermaßen im Sturm. Mit den "Herren der Unterwelt" feierte sie ihren Durchbruch.
Bibliographische Angaben
- Autor: Gena Showalter
- 2012, 304 Seiten, Maße: 14,1 x 21,2 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Peer Mavek
- Verlag: MIRA Taschenbuch
- ISBN-10: 3862783545
- ISBN-13: 9783862783540
- Erscheinungsdatum: 14.08.2012
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