Hollywoods Kriege
Geschichte einer Heimsuchung
Über die Darstellung von Krieg im Hollywood-Film Amerikas traumatische Kriegsgeschichte wird am ehesten verständlich, wenn man sie durch die Linse von Filmen erfasst. In den Erzählungen von Schlachten und Feldzügen, von Frontereignissen...
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Produktinformationen zu „Hollywoods Kriege “
Über die Darstellung von Krieg im Hollywood-Film Amerikas traumatische Kriegsgeschichte wird am ehesten verständlich, wenn man sie durch die Linse von Filmen erfasst. In den Erzählungen von Schlachten und Feldzügen, von Frontereignissen und dem Schicksal Daheimgebliebener kann Krieg für uns erfahrbar gemacht werden. In ihrer brillanten Analyse zentraler Klassiker von 'All quiet on Western Front' bis zu den aktuellen Produktion wie 'Flags of our Fathers' gelingt es Elisabeth Bronfen, Hollywood als zentralen Ort zu dechiffrieren, an dem die großen nationalen Erzählungen in Umlauf gebracht werden, damit das Publikum sich auf Phantasien, Ideologien und Ängste einlassen kann - und die flexibel genug sind, sich dem wechselnden politischen Klima anzupassen.
Klappentext zu „Hollywoods Kriege “
Über die Darstellung von Krieg im Hollywood-FilmAmerikas traumatische Kriegsgeschichte wird am ehesten verständlich, wenn man sie durch die Linse von Filmen erfasst. In den Erzählungen von Schlachten und Feldzügen, von Frontereignissen und dem Schicksal Daheimgebliebener kann Krieg für uns erfahrbar gemacht werden.
In ihrer brillanten Analyse zentraler Klassiker von 'All quiet on Western Front' bis zu den aktuellen Produktion wie 'Flags of our Fathers' gelingt es Elisabeth Bronfen, Hollywood als zentralen Ort zu dechiffrieren, an dem die großen nationalen Erzählungen in Umlauf gebracht werden, damit das Publikum sich auf Phantasien, Ideologien und Ängste einlassen kann - und die flexibel genug sind, sich dem wechselnden politischen Klima anzupassen.
Lese-Probe zu „Hollywoods Kriege “
Hollywoods Kriege von Elisabeth BronfenEinleitung
Die letzte Sequenz von Lewis Milestones All Quiet on the Western Front (Im Westen nichts Neues, 1930) findet ein besonders eindrückliches Bild vom Gespenst des Krieges, das umgeht und uns heimsucht. Nahtlos bewegen wir uns von einer Nahaufnahme der Hand des Protagonisten Paul Baumer, der soeben von einem feindlichen Scharfschützen tödlich getroffen wurde, zu einer ergreifenden Überblendung. Auf der Leinwand kann der Tod rückgängig gemacht werden, die jungen Männer, die in den Schützengräben des Ersten Weltkrieges starben, können wiederauferstehen. Noch einmal sehen wir Paul und seine Kameraden in die Schlacht marschieren. In einer Montage werden ihre Körper über die Kreuze eines riesigen Friedhofes gelegt, wodurch sie visuell mit den Insignien verschmelzen, die ihre eigene Grabstätte kennzeichnen. Die Zukunft, auf die sie sich zubewegen, ist von unserem Wissen über den Untergang überschattet, der sie erwartet, dem historischen Massensterben in den Schützengräben des Ersten Weltkrieges, aus dem der Film seine Autorität bezieht. Die jungen Männer auf der Leinwand sind Wiedergänger, Schauspieler, die untote Soldaten spielen, die nicht in ihren Gräbern ruhen wollen. Der Zauber dieser Wiederbelebung ist ein düsterer. Diese letzte Bildsequenz blendet über in Dunkelheit, während das Platoon noch weitermarschiert und stetigen Schrittes seine eigenen Gräber durchquert. Sie sind ins Leben zurückgekehrt, um für immer in den Kampf zu marschieren. Doch sie haben auch eine Botschaft an die Überlebenden. Als sich Paul an der Kamera vorbeibewegt, dreht er sich, schaut über seine Schulter und fixiert uns mit seinem Blick. Sieben seiner Kameraden tun es ihm gleich.
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Die visuelle Dopplung, die die Montage herstellt und den Soldaten eine geisterhafte Präsenz verleiht, von denen wir wissen, dass ihre Körper unter den Kreuzen, über die sie marschieren, begraben liegen, ist jedoch noch komplizierter. Diese letzte Bildsequenz verdoppelt eine frühere Szene. Die erste nächtliche Begegnung des Platoons mit feindlichem Beschuss wurde mit exakt der gleichen Einstellung von Paul und seinen Freunden eingeführt, vorwärtsmarschierend und über ihre Schultern zurückblickend. Beim ersten Mal wurde der Blick jedoch gegen eine Einstellung des Lastwagens geschnitten, der sie in diesen Teil des Niemandslandes gebracht hatte und dann zurück zum Feldlager fahren soll. Schon hier war der Blick der Soldaten zutiefst ambivalent und deutete eine ungewisse Vorausahnung des bevorstehenden Kampfes an, eine Sehnsucht danach, mit dem Lastwagen zurückzufahren anstatt sich vorwärtszubewegen, ja sogar ein Gefühl, allein der Gefahr überlassen zu sein, nachdem man sie an der dunkler werdenden Front zurücklässt und die einzige noch bleibende Sicherheit die Befehle des kriegserfahrenen Truppenführers sind. Wenn diese Einstellung am Ende von All Quiet on the Western Front wiederholt wird, hat sich die Bedeutung ihres Blickes verändert. Wir sehen nur die wiederauferstandenen Toten, die zurückblicken. Da uns der Gegenschuss verweigert wird, der uns zeigen würde, was die Soldaten sehen, wird deutlich, dass ihr Blick ganz explizit uns gilt.
Die Texttafel am Anfang des Filmes verlautbart: »Diese Geschichte ist weder eine Anklage noch ein Schuldbekenntnis, und am wenigsten ist sie ein Abenteuer, denn der Tod ist kein Abenteuer für diejenigen, die ihm ins Auge blicken.« Der wieder zum Leben erweckte Paul und seine Kameraden mögen uns vielleicht nicht anklagen, aber ihr Überleben als gespenstische Körper auf der Leinwand appelliert an uns, auf sie zurückzuschauen. Wir sehen uns hier mit einem eigenartigen Zusammenfallen von Zeit und Raum konfrontiert, einem Verschwimmen von Referenz und Bildoberfläche. Mit diesen Männern, die für immer in den Kampf ziehen, verschmelzen Antizipation des Todes und die Wiederauferstehung von den Toten. Das Vorher und Nachher der Schlacht sind in einer Einstellung eingefangen, während jeglicher tatsächliche Horror ausgelassen und lediglich als Fluchtpunkt aller kinematographischer Repräsentationen von Krieg evoziert wird. Die Montage hält die Soldaten in der Schwebe zwischen Leben und Tod. Sie sind weder völlig verschwunden noch vollständig zurückgekehrt. Aber mit ihrem Blick ergreifen sie von uns Besitz, rufen uns an, eine Kriegserfahrung anzuerkennen, die wir nur mittels Stellvertreter teilen können, in der Dunkelheit des Kinos. Milestones Schluss enthält keine Erlösung von ihrer Geschichte. Er verweilt stattdessen bei ihrer Forderung, man möge von ihnen Notiz nehmen, bei dem Anspruch, den sie auf unsere Aufmerksamkeit und unser Mitgefühl erheben.
Ich beginne meine Einleitung mit diesem Moment aus einem klassischen Kriegsfilm, weil er das auf den Punkt bringt, worum es in meinem eigenen Vorhaben geht. Mein gesamtes Buch dreht sich genau um diesen gespenstischen Blick. Ich behaupte, dass das Kino als ein privilegierter Ort der Erinnerung fungiert, an dem die amerikanische Kultur kontinuierlich die traumatischen Spuren ihrer historischen Vergangenheit wiederverhandelt und dabei zeitgenössische soziale und politische Fragen im Lichte vergangener militärischer Konflikte neu zu fassen versucht. Als geteilter Denkraum hält das Kino eine Reflektion der und über die Vergangenheit aufrecht. Tatsächlich ist im Laufe des 20. Jahrhunderts Hollywood zu dem Ort geworden, an dem die amerikanische Kultur über ihre Verstrickung in die traumatische Geschichte des Krieges nachdenkt, indem es personalisierte Narrative von Übergangsriten bietet, die die sich immerfort verschiebenden Anteile an diesem kollektiven Gespräch über nationale Identität wiedergeben und reflektieren. Meine Untersuchung der vielfältigen und merkwürdigen Verbindung Hollywoods mit militärischen Konflikten zielt wiederum darauf, die Anziehungskraft zu erklären, die diese Re-imagination des Krieges auf der Leinwand stets hatte; die Ansprüche, die diese Rückkehr zum Krieg und des Krieges immer noch an uns stellt, uns nicht anklagt oder über uns urteilt, sondern fasziniert, auch wenn sie dabei einen dringenden Appell an uns richtet. Wenn viele der Lektüren der Filme, die ich in diesem Buch anbiete, sich auf deren Anfangs- oder Schlusssequenzen konzentrieren, dann tun sie dies, um den Gedanken zu verdeutlichen, dass die Auflösungen, die für persönliche Konflikte gefunden werden, für eine nationale Erfahrung von (oder das Verlangen nach) Heilung einstehen. Die nationale Selbst-Identität, die durch Gewalt wiedererlangt wird, ist alles andere als eine private Angelegenheit.
Obwohl die Bilder und Narrative, die die Filmindustrie liefert, die Vergangenheit den kulturellen Bedürfnissen der Gegenwart entsprechend neu denken, tun sie dies, indem sie unsere Aufmerksamkeit darauf lenken, wie Kriegserfahrungen ihr wirkungsvollstes Nachleben in dramatischen Spektakeln gefunden haben, die immer nur Annäherungen an tatsächliche Ereignisse sein können. Wir bewältigen unsere gewaltsame politische Vergangenheit zuallererst dadurch, dass wir uns mit den Repräsentationen auseinandersetzen, die geprägt haben, wie wir den Krieg begreifen. Wie David Slocum bemerkt, reflektiert und formt der Kriegsfilm ständig, wie wir Krieg in der tatsächlichen Welt sehen und verstehen, so dass man sich an filmische Narrative über militärische Konflikte immer in ihrer intrinsischen Beziehung zur politischen Beteiligung der Vereinigten Staaten an tatsächlichen gewaltsamen Konflikten annähern muss. Filme geben der nationalen Anwendung von Gewalt im Namen von Ordnung und Zivilisation einen Rahmen.1
Ich bin weniger an den weitreichenden Implikationen interessiert, die dies für das Verständnis von Militärgeschichte und Gegenwartspolitik hat. Stattdessen geht es in diesem Buch um die ästhetische Erfahrung dieser gegenseitigen Implikation von tatsächlichen historischen Ereignissen und Hollywoods Darstellung militärischer Konflikte. Vor allem ist mir der Raum wichtig, der die Leinwand umgibt und der sowohl der Frage der Referenzialität (Ereignisse, die implizit hinter der filmischen Wiedergabe liegen) als auch der Affekte, die beim Publikum hervorgerufen werden (das vor den auf die Leinwand projizierten Ereignissen sitzt), eine hohe Komplexität verleiht. Wir werden in ein visuelles Kriegsdrama hineingezogen, von dem wir wissen, dass es sich dabei um eine nachträgliche Rekonzeptualisierung handelt. Kriegsfilme bieten eine Rekodierung des tatsächlichen militärischen Konfliktes, den sie gemäß nachfolgender Einschätzungen der Ereignisse durch Wissenschaftler, Journalisten und Militärstrategen reinszenieren, auch wenn sie diese in Abhängigkeit von den vorhandenen Technologien und gängigen visuellen Stil- und Dialogkonventionen kinematographisch refigurieren.
Wegweisend für meinen theoretischen Ansatz ist daher Robert Burgoynes Insistieren darauf, dass wir zur Kenntnis nehmen müssen, wie Kriegsfilme grundsätzlich zweistimmig sind. Sie nutzen das Genregedächtnis, um Erinnerungen an die Vergangenheit in die Gegenwart zu transportieren, sie reimaginieren und rekonzeptualisieren Geschichte aus der Position des zeitgenössischen Jetzt heraus.2 Der Prozess des Aufarbeitens ist eine Form des Durcharbeitens, sowohl psychologisch als auch ästhetisch gesehen. Indem das Kino als Denkraum fungiert, spannt die Kinoleinwand über ein historisches Ereignis nicht nur eine Gegenwart, zu der es zu sprechen beansprucht, sondern illustriert auch, dass die Gegenwart für eine Vergangenheit spricht, die sich nur mittels Stellvertreter und nur nachträglich artikulieren kann; an einem anderen Ort, in einem anderen Medium. Als solches schwebt die Kinoleinwand zwischen einem Damals und Heute, zwischen den Truppen, die »dort drüben« kämpfen, und denjenigen, die zu Hause auf ihre Berichte warten, zwischen dem realen Kampf auf dem Schlachtfeld und seiner Wiedererschaffung im Kino. Die Ereignisse des Krieges, auf die in den Filmen verwiesen wird, ebenso wie die Auswirkungen, die sie hatten, gehören unweigerlich einer realen Geschichte an, sie beziehen ihre Autorität aus dem schrecklichen tatsächlichen Gemetzel, auf das sie sich berufen. Unser Zugang zu dieser Zerstörungserfahrung, wenn sie auf der Leinwand wieder eingefangen wird, ist jedoch genauso unweigerlich auf unsere Fähigkeit der Imagination verwiesen und angewiesen. Wir haben es immer mit Berichten zu tun, die aus einem Kriegsgebiet zu uns kommen, sowie mit unserem Bedürfnis, über etwas zu kommunizieren und zu urteilen, von dem wir kein unmittelbares Wissen aus erster Hand haben.
In diesem Buch behaupte ich durchgehend, dass Filme, in denen es um Repräsentation von Krieg geht, in besonderem Maße selbstreflexiv sind. Die sonderbar unverwüstliche Allianz zwischen militärischem Spektakel und filmischer Reinszenierung, aber auch zwischen der Art und Weise, wie wir Krieg auf der Leinwand neu erfassen und wie uns dies hilft, ihn in der realen Welt zu verstehen, liegt daran, dass beide von ihrer Fähigkeit zur Bewegung leben. Die Mobilität der Kamera, Zeugnis der technischen Innovationen des Mediums, zusammen mit der visuellen Bewegung durch die Montage, wird eingesetzt, um die choreographierten Bewegungen der Schauspieler im Raum korrespondierend zu der industriellen Mobilisierung in den Kriegsgebieten und an der Heimatfront zu zelebrieren. Die bewegten Bilder auf der Leinwand werden bewusst eingesetzt, um die Zuschauer zu mobilisieren, indem der Raum der Leinwand in den Kinosaal hinein ausgedehnt wird und die Zuschauer bedingungslos in die leidenschaftliche Darstellung hineingezogen werden. Diese Prämisse meiner Arbeit, die Analogie zwischen militärischem und filmischem Spektakel, nehme ich von Samuel Fuller, selbst Veteran des amerikanischen Militäreinsatzes in Europa während des Zweiten Weltkrieges, dessen berühmte Worte lauten: »Film ist wie ein Schlachtfeld: Liebe, Hass, Action, Gewalt, Tod ... mit einem Wort: Emotion.« Ich schlage aber auch vor, seinen Satz umzukehren, und vertrete die Auffassung, dass Filme, die sowohl die Erfahrung als auch die Auswirkungen des Krieges erneut einzufangen wissen, als Kino par excellence verstanden werden können.
Tatsächlich ist eine weitere Grundannahme dieses Buches, dass die Reinszenierung des Schauspiels des Krieges - sei es eine Schlacht, die Kriegsanstrengungen an der Heimatfront, die inneren Kämpfe, die im Kriegsgebiet oder nach der Rückkehr aus dem Krieg geführt werden, oder der Krieg, der in Gerichtssälen wieder wachgerufen wird - unsere Aufmerksamkeit darauf lenkt, dass Krieg überhaupt nur repräsentiert werden kann. Das liegt nicht einfach daran, dass die Truppen für eine politische Idee oder eine Nation einstehen, noch ist der Grund darin zu finden, dass wir, um den Krieg zu verstehen, eine Erzählung brauchen, in der Individuen im Mittelpunkt stehen, deren persönliche Teilhabe abstrakte Konflikte konkret macht. Die Gleichsetzung von militärischem Spektakel und filmischer Reinszenierung, um die es mir geht, basiert auch auf der ästhetischen Dimension, die die Übertragung der starken Emotionen, die Krieg hervorruft, innehat. Kriegsfilme sind sich darüber bewusst, dass sie vergangene Erfahrungen zwar nicht ausschließlich, aber doch zu einem sehr großen Teil, für ein Publikum wieder aufsuchen, das nicht dabei war. Durch das Teilen von personalisierten Geschichten, die auf der Leinwand dramatisiert werden, haben wir Zugang zu einem Wissen über die Vergangenheit aus zweiter Hand, das vor allem affektiv ist. Die Erfahrung anderer wird zu unserer eigenen, weil sie in Genre-Codes und visuellen Ikonographien refiguriert wird, mit denen wir vertraut sind, verkörpert durch Stars, mit denen wir uns identifizieren. Angeregt von Ulrich Kellers Arbeit über Kriegsfotografie vertrete ich die Auffassung, dass die Zeugnisse und Evidenzen, die Hollywood in seinen erneuten Aufnahmen vom Krieg ablegt, immer zwischen authentischem Bericht und ästhetischer Umarbeitung schweben. Wenn Filme die viszerale Intensität des Kampfes heraufbeschwören - das brutale Gemetzel und die Zerstörung von Leben zusammen mit all dem physischen Schmerz und der psychischen Qual, die jeder Kampf verursacht -, dann greifen sie im Sinne eines Genregedächtnisses auf Konventionen vorangegangener narrativer Genres und visueller Ikonographien in anderen ästhetischen Medien zurück, die sich mit Repräsentation des Krieges befassen, wie zum Beispiel der Malerei oder der Literatur.
Ich meine damit nicht, dass wir durch die Leinwand vom realen Schrecken des Krieges abgeschirmt werden, wenn er auf diese projiziert wird, sondern dass diese Gewalt, sowohl die physische als auch die psychische, in der ästhetischen Formalisierung gefasst [contain] ist, und zwar in einem doppelten Sinn. Die tatsächliche Wirkung des Krieges wird eingeschränkt, wenngleich auch die visuelle und narrative Refiguration die emotionale Intensität beinhaltet, die aus ihm folgt; sie hat die Fähigkeit, das abzuwehren, was sie auch trägt und enthält; das zu erhalten, was sie im Zaume hält. Wenn demzufolge das Wiedereinfangen des Krieges in der kodifizierten Sprache des populären Kinos als Schutzdichtung fungiert, die Gewalt vermittelt, indem deren volle Wirkung abgeblockt und ihre Kraft in die Konventionen von Genrenarrativen transponiert wird, so ist dieses apotropäische Schild immer auch befleckt. Auch wenn dies nur indirekt geschieht, so artikuliert sich in der Vermittlung durch das Kino auch immer genau die Gewalt, die es refiguriert; Kino ist Zeugnis des realen Horrors, der sie durchdringt, wenn auch in einer bekömmlicheren Form. Während die ästhetische Formalisierung gar nicht anders kann, als das tatsächliche Grauen des Krieges in Schach zu halten, hat uns ein geteiltes Wissen um vergangene nationale Gewalt weiterhin im Griff. Hollywoods beständige imaginäre Rekonzeptualisierungen vergangener und gegenwärtiger Kriege sind Teile unseres kulturellen Besitzes und fungieren als eine unserer markantesten Maßeinheiten nationaler Identitäten. Ich rücke in meiner Diskussion das Thema der Heimsuchung in den Vordergrund, da ich der Überzeugung bin, dass diese Repräsentationen auch von uns Besitz ergreifen. Wir mögen zwar keinen direkten Zugang zu der Erfahrung des Krieges haben, aber die Kraft der ästhetischen Reformalisierung Hollywoods liegt in der Tatsache begründet, dass es uns unmöglich ist, den realen Referenten, der dem Spiel von Licht und Schatten auf der Leinwand anhaftet, zu ignorieren. Diese Ereignisse trugen sich tatsächlich zu und beharren darauf, erinnert zu werden, wenn auch nur als Repräsentationen.
Hollywoods hartnäckige Verbindung mit militärischen Konflikten bezeugt demzufolge, dass vergangene Kriege keineswegs ein abgeschlossenes Kapitel sind. Indem wir dazu aufgefordert werden, ständig die politische Gewalt zu reimaginieren, die Amerika definiert und geformt hat, nehmen wir implizit an einer kulturellen Heimsuchung teil. Zu erinnern heißt schließlich, der Vergangenheit wieder Leben einzuhauchen, indem wir zu ihr zurückkehren. Sicherzustellen, dass die Erfahrung des Krieges nicht verlorengeht, bedeutet, sie wieder zu einem Teil der Gegenwart zu machen. Jedes Mal, wenn Hollywood einen Kriegsschauplatz wieder aufsucht, wird ein gegebener militärischer Konflikt in einen Dialog mit denen gebracht, die ihm vorangingen, und denen, die ihm nachfolgen. Die Narrative vom Krieg, die Hollywood bietet, mögen sich um die Rückkehr zum Kampf drehen, um das zum Abschluss zu bringen, was offen geblieben war. Sie mögen die Logik eines vergangenen Militäreinsatzes nostalgisch heraufbeschwören, um die Verworrenheit eines gegenwärtigen zu verdeutlichen. Oder die Kriegserzählungen des Kinos mögen stattdessen die Zukunft imaginieren und zu diesem Zweck vergangene Kriege umarbeiten. Die zukünftige Welt mag entweder als ein Ort projiziert werden, an dem ungelöste Konflikte aus der Vergangenheit endgültig einen Abschluss finden, oder, in unserer optimistischsten Auffassung des nationalen Versprechens, als die Imagination einer Zeit, in der wir die Möglichkeit eines jemals wieder ausbrechenden Krieges überwunden haben. Für die Analogie von militärischem Spektakel und einer fortwährenden filmischen Wiederbelebung einer nationalen Geschichte der Gewalt ist Folgendes entscheidend: Wenn wir nicht vergessen können, wie sich Kriege in das Gewebe sowohl persönlicher als auch kollektiver Identität eingeschrieben haben, dann liegt das zum Teil daran, dass wir nicht vergessen wollen. So schrecklich die Blutbäder und das Gemetzel, die Krieg anrichtet, auch sind, dieser massenhaften Zerstörung individuellen Lebens, und in einigen Fällen sogar ganzer Lebensweisen, zu gedenken, ist eine kulturelle Schuld, auf die wir uns dauerhaft eingestellt haben; es ist eine Verpflichtung, die wir denjenigen gegenüber schuldig sind, im Sinne einer nachträglichen Reparation, die im Kampf für die Nation ihr Leben ließen.
In der Tat erhebt Hollywoods beständige Verbindung mit militärischem Konflikt Ansprüche auf die Vergangenheit und macht Aussagen über die Vergangenheit, sowie zugleich Kriege, die auf der Leinwand zur Wiederaufführung gelangen, auch Ansprüche an uns stellen, an uns appellieren. Darin liegt ihre Anziehungskraft. Wir sind nie unvoreingenommen, wenn wir mit der filmischen Rekonzeptionalisierung unserer nationalen Gewalterfahrung konfrontiert werden. Wir werden dazu aufgerufen zu reagieren, egal wo wir politisch stehen und wie wir diese historischen Ereignisse im Nachhinein bewerten mögen. Aus diesem Grund habe ich mich entschieden, eine Gruppe von Filmen als Gespenster des Krieges zu behandeln, und führe dabei, wie ich weiter unten im Detail ausführen werde, das konventionelle Kriegsfilmgenre mit Dokumentarfilmen, Melodramen, Musicals und dem Film Noir zusammen. Das Anliegen des gesamten Buches ist es, darauf aufmerksam zu machen, wie kriegerischer Konflikt und seine Auswirkungen sowohl als gespenstische Erscheinung als auch als bedrohliche Möglichkeit auf der Leinwand sichtbar werden. Filme, die von militärischen Konflikten an verschiedenen thematischen Orten handeln, schweben zwischen Vergangenheit und Gegenwart (so wie Milestones geisterhafte Soldaten) und stellen Gedenken und Projektion einander gegenüber. Von filmischer Reinszenierung zu sprechen erlaubt es mir, mein kritisches Augenmerk darauf zu richten, wie das Kino als Denkraum dienen kann, in dem Geschichte wiederholt wird, aber mit einem bedeutenden Unterschied, indem unter den Vorzeichen einer gegenwärtigen Verpflichtung an den Ort der Geschichte zurückgekehrt wird, um darüber nachzudenken, was nötig sein mag, um sich persönlich und kollektiv von dieser Schuld zu erlösen. Aus diesem Grund bewege ich mich über den klassischen Kriegsfilm hinaus und schließe auch Melodramen an der Heimatfront, Musicals über Truppenbetreuung und Berichte von Kriegskorrespondenten sowie Filme über die Urteile, die ein Kriegsgericht über Kriegsverbrechen fällt, mit in meine Untersuchungen ein. Das Erscheinen des Krieges, der auf der Leinwand zurückkehrt, beschwört auch die Gefahr des Krieges für uns herauf, so dass wir unsere Haltung zu dieser traumatischen Vergangenheit verhandeln können. Ich unterstreiche, dass die filmischen Narrationen vom Krieg unweigerlich eine nachträgliche Wiederholung und eine Refiguration nach sich ziehen und Geschichte vollführen, indem diese unter den Vorzeichen gegenwärtiger Belange rekonzeptualisiert wird. Es gibt nichts vor dieser nachträglichen Rückerinnerung. Sogar die akkurateste dokumentarische Aufzeichnung eines Kampfes ist eine Repräsentation. In der Tat können diejenigen, die im Krieg waren, erst dann ihre Handlungen verstehen, wenn der Kampf vorüber ist. Inmitten des Nebels des Krieges gibt es keine Betrachtung für sie, keinen freien Blick, nur Erfahrung. Das erklärt, warum die Reinszenierungen Hollywoods selbst für Veteranen so wichtig sind. Auf der Leinwand ist es ihnen möglich, den Krieg zu sehen, den sie in Mark und Bein erinnern. Das Präfix »re« - das in diesem Fall sowohl eine zeitliche als auch eine räumliche Verschiebung markiert und die Erneuerung der Vergangenheit als eine Reaktion auf diese bezeichnet - ist der entscheidende Punkt.
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main
Die visuelle Dopplung, die die Montage herstellt und den Soldaten eine geisterhafte Präsenz verleiht, von denen wir wissen, dass ihre Körper unter den Kreuzen, über die sie marschieren, begraben liegen, ist jedoch noch komplizierter. Diese letzte Bildsequenz verdoppelt eine frühere Szene. Die erste nächtliche Begegnung des Platoons mit feindlichem Beschuss wurde mit exakt der gleichen Einstellung von Paul und seinen Freunden eingeführt, vorwärtsmarschierend und über ihre Schultern zurückblickend. Beim ersten Mal wurde der Blick jedoch gegen eine Einstellung des Lastwagens geschnitten, der sie in diesen Teil des Niemandslandes gebracht hatte und dann zurück zum Feldlager fahren soll. Schon hier war der Blick der Soldaten zutiefst ambivalent und deutete eine ungewisse Vorausahnung des bevorstehenden Kampfes an, eine Sehnsucht danach, mit dem Lastwagen zurückzufahren anstatt sich vorwärtszubewegen, ja sogar ein Gefühl, allein der Gefahr überlassen zu sein, nachdem man sie an der dunkler werdenden Front zurücklässt und die einzige noch bleibende Sicherheit die Befehle des kriegserfahrenen Truppenführers sind. Wenn diese Einstellung am Ende von All Quiet on the Western Front wiederholt wird, hat sich die Bedeutung ihres Blickes verändert. Wir sehen nur die wiederauferstandenen Toten, die zurückblicken. Da uns der Gegenschuss verweigert wird, der uns zeigen würde, was die Soldaten sehen, wird deutlich, dass ihr Blick ganz explizit uns gilt.
Die Texttafel am Anfang des Filmes verlautbart: »Diese Geschichte ist weder eine Anklage noch ein Schuldbekenntnis, und am wenigsten ist sie ein Abenteuer, denn der Tod ist kein Abenteuer für diejenigen, die ihm ins Auge blicken.« Der wieder zum Leben erweckte Paul und seine Kameraden mögen uns vielleicht nicht anklagen, aber ihr Überleben als gespenstische Körper auf der Leinwand appelliert an uns, auf sie zurückzuschauen. Wir sehen uns hier mit einem eigenartigen Zusammenfallen von Zeit und Raum konfrontiert, einem Verschwimmen von Referenz und Bildoberfläche. Mit diesen Männern, die für immer in den Kampf ziehen, verschmelzen Antizipation des Todes und die Wiederauferstehung von den Toten. Das Vorher und Nachher der Schlacht sind in einer Einstellung eingefangen, während jeglicher tatsächliche Horror ausgelassen und lediglich als Fluchtpunkt aller kinematographischer Repräsentationen von Krieg evoziert wird. Die Montage hält die Soldaten in der Schwebe zwischen Leben und Tod. Sie sind weder völlig verschwunden noch vollständig zurückgekehrt. Aber mit ihrem Blick ergreifen sie von uns Besitz, rufen uns an, eine Kriegserfahrung anzuerkennen, die wir nur mittels Stellvertreter teilen können, in der Dunkelheit des Kinos. Milestones Schluss enthält keine Erlösung von ihrer Geschichte. Er verweilt stattdessen bei ihrer Forderung, man möge von ihnen Notiz nehmen, bei dem Anspruch, den sie auf unsere Aufmerksamkeit und unser Mitgefühl erheben.
Ich beginne meine Einleitung mit diesem Moment aus einem klassischen Kriegsfilm, weil er das auf den Punkt bringt, worum es in meinem eigenen Vorhaben geht. Mein gesamtes Buch dreht sich genau um diesen gespenstischen Blick. Ich behaupte, dass das Kino als ein privilegierter Ort der Erinnerung fungiert, an dem die amerikanische Kultur kontinuierlich die traumatischen Spuren ihrer historischen Vergangenheit wiederverhandelt und dabei zeitgenössische soziale und politische Fragen im Lichte vergangener militärischer Konflikte neu zu fassen versucht. Als geteilter Denkraum hält das Kino eine Reflektion der und über die Vergangenheit aufrecht. Tatsächlich ist im Laufe des 20. Jahrhunderts Hollywood zu dem Ort geworden, an dem die amerikanische Kultur über ihre Verstrickung in die traumatische Geschichte des Krieges nachdenkt, indem es personalisierte Narrative von Übergangsriten bietet, die die sich immerfort verschiebenden Anteile an diesem kollektiven Gespräch über nationale Identität wiedergeben und reflektieren. Meine Untersuchung der vielfältigen und merkwürdigen Verbindung Hollywoods mit militärischen Konflikten zielt wiederum darauf, die Anziehungskraft zu erklären, die diese Re-imagination des Krieges auf der Leinwand stets hatte; die Ansprüche, die diese Rückkehr zum Krieg und des Krieges immer noch an uns stellt, uns nicht anklagt oder über uns urteilt, sondern fasziniert, auch wenn sie dabei einen dringenden Appell an uns richtet. Wenn viele der Lektüren der Filme, die ich in diesem Buch anbiete, sich auf deren Anfangs- oder Schlusssequenzen konzentrieren, dann tun sie dies, um den Gedanken zu verdeutlichen, dass die Auflösungen, die für persönliche Konflikte gefunden werden, für eine nationale Erfahrung von (oder das Verlangen nach) Heilung einstehen. Die nationale Selbst-Identität, die durch Gewalt wiedererlangt wird, ist alles andere als eine private Angelegenheit.
Obwohl die Bilder und Narrative, die die Filmindustrie liefert, die Vergangenheit den kulturellen Bedürfnissen der Gegenwart entsprechend neu denken, tun sie dies, indem sie unsere Aufmerksamkeit darauf lenken, wie Kriegserfahrungen ihr wirkungsvollstes Nachleben in dramatischen Spektakeln gefunden haben, die immer nur Annäherungen an tatsächliche Ereignisse sein können. Wir bewältigen unsere gewaltsame politische Vergangenheit zuallererst dadurch, dass wir uns mit den Repräsentationen auseinandersetzen, die geprägt haben, wie wir den Krieg begreifen. Wie David Slocum bemerkt, reflektiert und formt der Kriegsfilm ständig, wie wir Krieg in der tatsächlichen Welt sehen und verstehen, so dass man sich an filmische Narrative über militärische Konflikte immer in ihrer intrinsischen Beziehung zur politischen Beteiligung der Vereinigten Staaten an tatsächlichen gewaltsamen Konflikten annähern muss. Filme geben der nationalen Anwendung von Gewalt im Namen von Ordnung und Zivilisation einen Rahmen.1
Ich bin weniger an den weitreichenden Implikationen interessiert, die dies für das Verständnis von Militärgeschichte und Gegenwartspolitik hat. Stattdessen geht es in diesem Buch um die ästhetische Erfahrung dieser gegenseitigen Implikation von tatsächlichen historischen Ereignissen und Hollywoods Darstellung militärischer Konflikte. Vor allem ist mir der Raum wichtig, der die Leinwand umgibt und der sowohl der Frage der Referenzialität (Ereignisse, die implizit hinter der filmischen Wiedergabe liegen) als auch der Affekte, die beim Publikum hervorgerufen werden (das vor den auf die Leinwand projizierten Ereignissen sitzt), eine hohe Komplexität verleiht. Wir werden in ein visuelles Kriegsdrama hineingezogen, von dem wir wissen, dass es sich dabei um eine nachträgliche Rekonzeptualisierung handelt. Kriegsfilme bieten eine Rekodierung des tatsächlichen militärischen Konfliktes, den sie gemäß nachfolgender Einschätzungen der Ereignisse durch Wissenschaftler, Journalisten und Militärstrategen reinszenieren, auch wenn sie diese in Abhängigkeit von den vorhandenen Technologien und gängigen visuellen Stil- und Dialogkonventionen kinematographisch refigurieren.
Wegweisend für meinen theoretischen Ansatz ist daher Robert Burgoynes Insistieren darauf, dass wir zur Kenntnis nehmen müssen, wie Kriegsfilme grundsätzlich zweistimmig sind. Sie nutzen das Genregedächtnis, um Erinnerungen an die Vergangenheit in die Gegenwart zu transportieren, sie reimaginieren und rekonzeptualisieren Geschichte aus der Position des zeitgenössischen Jetzt heraus.2 Der Prozess des Aufarbeitens ist eine Form des Durcharbeitens, sowohl psychologisch als auch ästhetisch gesehen. Indem das Kino als Denkraum fungiert, spannt die Kinoleinwand über ein historisches Ereignis nicht nur eine Gegenwart, zu der es zu sprechen beansprucht, sondern illustriert auch, dass die Gegenwart für eine Vergangenheit spricht, die sich nur mittels Stellvertreter und nur nachträglich artikulieren kann; an einem anderen Ort, in einem anderen Medium. Als solches schwebt die Kinoleinwand zwischen einem Damals und Heute, zwischen den Truppen, die »dort drüben« kämpfen, und denjenigen, die zu Hause auf ihre Berichte warten, zwischen dem realen Kampf auf dem Schlachtfeld und seiner Wiedererschaffung im Kino. Die Ereignisse des Krieges, auf die in den Filmen verwiesen wird, ebenso wie die Auswirkungen, die sie hatten, gehören unweigerlich einer realen Geschichte an, sie beziehen ihre Autorität aus dem schrecklichen tatsächlichen Gemetzel, auf das sie sich berufen. Unser Zugang zu dieser Zerstörungserfahrung, wenn sie auf der Leinwand wieder eingefangen wird, ist jedoch genauso unweigerlich auf unsere Fähigkeit der Imagination verwiesen und angewiesen. Wir haben es immer mit Berichten zu tun, die aus einem Kriegsgebiet zu uns kommen, sowie mit unserem Bedürfnis, über etwas zu kommunizieren und zu urteilen, von dem wir kein unmittelbares Wissen aus erster Hand haben.
In diesem Buch behaupte ich durchgehend, dass Filme, in denen es um Repräsentation von Krieg geht, in besonderem Maße selbstreflexiv sind. Die sonderbar unverwüstliche Allianz zwischen militärischem Spektakel und filmischer Reinszenierung, aber auch zwischen der Art und Weise, wie wir Krieg auf der Leinwand neu erfassen und wie uns dies hilft, ihn in der realen Welt zu verstehen, liegt daran, dass beide von ihrer Fähigkeit zur Bewegung leben. Die Mobilität der Kamera, Zeugnis der technischen Innovationen des Mediums, zusammen mit der visuellen Bewegung durch die Montage, wird eingesetzt, um die choreographierten Bewegungen der Schauspieler im Raum korrespondierend zu der industriellen Mobilisierung in den Kriegsgebieten und an der Heimatfront zu zelebrieren. Die bewegten Bilder auf der Leinwand werden bewusst eingesetzt, um die Zuschauer zu mobilisieren, indem der Raum der Leinwand in den Kinosaal hinein ausgedehnt wird und die Zuschauer bedingungslos in die leidenschaftliche Darstellung hineingezogen werden. Diese Prämisse meiner Arbeit, die Analogie zwischen militärischem und filmischem Spektakel, nehme ich von Samuel Fuller, selbst Veteran des amerikanischen Militäreinsatzes in Europa während des Zweiten Weltkrieges, dessen berühmte Worte lauten: »Film ist wie ein Schlachtfeld: Liebe, Hass, Action, Gewalt, Tod ... mit einem Wort: Emotion.« Ich schlage aber auch vor, seinen Satz umzukehren, und vertrete die Auffassung, dass Filme, die sowohl die Erfahrung als auch die Auswirkungen des Krieges erneut einzufangen wissen, als Kino par excellence verstanden werden können.
Tatsächlich ist eine weitere Grundannahme dieses Buches, dass die Reinszenierung des Schauspiels des Krieges - sei es eine Schlacht, die Kriegsanstrengungen an der Heimatfront, die inneren Kämpfe, die im Kriegsgebiet oder nach der Rückkehr aus dem Krieg geführt werden, oder der Krieg, der in Gerichtssälen wieder wachgerufen wird - unsere Aufmerksamkeit darauf lenkt, dass Krieg überhaupt nur repräsentiert werden kann. Das liegt nicht einfach daran, dass die Truppen für eine politische Idee oder eine Nation einstehen, noch ist der Grund darin zu finden, dass wir, um den Krieg zu verstehen, eine Erzählung brauchen, in der Individuen im Mittelpunkt stehen, deren persönliche Teilhabe abstrakte Konflikte konkret macht. Die Gleichsetzung von militärischem Spektakel und filmischer Reinszenierung, um die es mir geht, basiert auch auf der ästhetischen Dimension, die die Übertragung der starken Emotionen, die Krieg hervorruft, innehat. Kriegsfilme sind sich darüber bewusst, dass sie vergangene Erfahrungen zwar nicht ausschließlich, aber doch zu einem sehr großen Teil, für ein Publikum wieder aufsuchen, das nicht dabei war. Durch das Teilen von personalisierten Geschichten, die auf der Leinwand dramatisiert werden, haben wir Zugang zu einem Wissen über die Vergangenheit aus zweiter Hand, das vor allem affektiv ist. Die Erfahrung anderer wird zu unserer eigenen, weil sie in Genre-Codes und visuellen Ikonographien refiguriert wird, mit denen wir vertraut sind, verkörpert durch Stars, mit denen wir uns identifizieren. Angeregt von Ulrich Kellers Arbeit über Kriegsfotografie vertrete ich die Auffassung, dass die Zeugnisse und Evidenzen, die Hollywood in seinen erneuten Aufnahmen vom Krieg ablegt, immer zwischen authentischem Bericht und ästhetischer Umarbeitung schweben. Wenn Filme die viszerale Intensität des Kampfes heraufbeschwören - das brutale Gemetzel und die Zerstörung von Leben zusammen mit all dem physischen Schmerz und der psychischen Qual, die jeder Kampf verursacht -, dann greifen sie im Sinne eines Genregedächtnisses auf Konventionen vorangegangener narrativer Genres und visueller Ikonographien in anderen ästhetischen Medien zurück, die sich mit Repräsentation des Krieges befassen, wie zum Beispiel der Malerei oder der Literatur.
Ich meine damit nicht, dass wir durch die Leinwand vom realen Schrecken des Krieges abgeschirmt werden, wenn er auf diese projiziert wird, sondern dass diese Gewalt, sowohl die physische als auch die psychische, in der ästhetischen Formalisierung gefasst [contain] ist, und zwar in einem doppelten Sinn. Die tatsächliche Wirkung des Krieges wird eingeschränkt, wenngleich auch die visuelle und narrative Refiguration die emotionale Intensität beinhaltet, die aus ihm folgt; sie hat die Fähigkeit, das abzuwehren, was sie auch trägt und enthält; das zu erhalten, was sie im Zaume hält. Wenn demzufolge das Wiedereinfangen des Krieges in der kodifizierten Sprache des populären Kinos als Schutzdichtung fungiert, die Gewalt vermittelt, indem deren volle Wirkung abgeblockt und ihre Kraft in die Konventionen von Genrenarrativen transponiert wird, so ist dieses apotropäische Schild immer auch befleckt. Auch wenn dies nur indirekt geschieht, so artikuliert sich in der Vermittlung durch das Kino auch immer genau die Gewalt, die es refiguriert; Kino ist Zeugnis des realen Horrors, der sie durchdringt, wenn auch in einer bekömmlicheren Form. Während die ästhetische Formalisierung gar nicht anders kann, als das tatsächliche Grauen des Krieges in Schach zu halten, hat uns ein geteiltes Wissen um vergangene nationale Gewalt weiterhin im Griff. Hollywoods beständige imaginäre Rekonzeptualisierungen vergangener und gegenwärtiger Kriege sind Teile unseres kulturellen Besitzes und fungieren als eine unserer markantesten Maßeinheiten nationaler Identitäten. Ich rücke in meiner Diskussion das Thema der Heimsuchung in den Vordergrund, da ich der Überzeugung bin, dass diese Repräsentationen auch von uns Besitz ergreifen. Wir mögen zwar keinen direkten Zugang zu der Erfahrung des Krieges haben, aber die Kraft der ästhetischen Reformalisierung Hollywoods liegt in der Tatsache begründet, dass es uns unmöglich ist, den realen Referenten, der dem Spiel von Licht und Schatten auf der Leinwand anhaftet, zu ignorieren. Diese Ereignisse trugen sich tatsächlich zu und beharren darauf, erinnert zu werden, wenn auch nur als Repräsentationen.
Hollywoods hartnäckige Verbindung mit militärischen Konflikten bezeugt demzufolge, dass vergangene Kriege keineswegs ein abgeschlossenes Kapitel sind. Indem wir dazu aufgefordert werden, ständig die politische Gewalt zu reimaginieren, die Amerika definiert und geformt hat, nehmen wir implizit an einer kulturellen Heimsuchung teil. Zu erinnern heißt schließlich, der Vergangenheit wieder Leben einzuhauchen, indem wir zu ihr zurückkehren. Sicherzustellen, dass die Erfahrung des Krieges nicht verlorengeht, bedeutet, sie wieder zu einem Teil der Gegenwart zu machen. Jedes Mal, wenn Hollywood einen Kriegsschauplatz wieder aufsucht, wird ein gegebener militärischer Konflikt in einen Dialog mit denen gebracht, die ihm vorangingen, und denen, die ihm nachfolgen. Die Narrative vom Krieg, die Hollywood bietet, mögen sich um die Rückkehr zum Kampf drehen, um das zum Abschluss zu bringen, was offen geblieben war. Sie mögen die Logik eines vergangenen Militäreinsatzes nostalgisch heraufbeschwören, um die Verworrenheit eines gegenwärtigen zu verdeutlichen. Oder die Kriegserzählungen des Kinos mögen stattdessen die Zukunft imaginieren und zu diesem Zweck vergangene Kriege umarbeiten. Die zukünftige Welt mag entweder als ein Ort projiziert werden, an dem ungelöste Konflikte aus der Vergangenheit endgültig einen Abschluss finden, oder, in unserer optimistischsten Auffassung des nationalen Versprechens, als die Imagination einer Zeit, in der wir die Möglichkeit eines jemals wieder ausbrechenden Krieges überwunden haben. Für die Analogie von militärischem Spektakel und einer fortwährenden filmischen Wiederbelebung einer nationalen Geschichte der Gewalt ist Folgendes entscheidend: Wenn wir nicht vergessen können, wie sich Kriege in das Gewebe sowohl persönlicher als auch kollektiver Identität eingeschrieben haben, dann liegt das zum Teil daran, dass wir nicht vergessen wollen. So schrecklich die Blutbäder und das Gemetzel, die Krieg anrichtet, auch sind, dieser massenhaften Zerstörung individuellen Lebens, und in einigen Fällen sogar ganzer Lebensweisen, zu gedenken, ist eine kulturelle Schuld, auf die wir uns dauerhaft eingestellt haben; es ist eine Verpflichtung, die wir denjenigen gegenüber schuldig sind, im Sinne einer nachträglichen Reparation, die im Kampf für die Nation ihr Leben ließen.
In der Tat erhebt Hollywoods beständige Verbindung mit militärischem Konflikt Ansprüche auf die Vergangenheit und macht Aussagen über die Vergangenheit, sowie zugleich Kriege, die auf der Leinwand zur Wiederaufführung gelangen, auch Ansprüche an uns stellen, an uns appellieren. Darin liegt ihre Anziehungskraft. Wir sind nie unvoreingenommen, wenn wir mit der filmischen Rekonzeptionalisierung unserer nationalen Gewalterfahrung konfrontiert werden. Wir werden dazu aufgerufen zu reagieren, egal wo wir politisch stehen und wie wir diese historischen Ereignisse im Nachhinein bewerten mögen. Aus diesem Grund habe ich mich entschieden, eine Gruppe von Filmen als Gespenster des Krieges zu behandeln, und führe dabei, wie ich weiter unten im Detail ausführen werde, das konventionelle Kriegsfilmgenre mit Dokumentarfilmen, Melodramen, Musicals und dem Film Noir zusammen. Das Anliegen des gesamten Buches ist es, darauf aufmerksam zu machen, wie kriegerischer Konflikt und seine Auswirkungen sowohl als gespenstische Erscheinung als auch als bedrohliche Möglichkeit auf der Leinwand sichtbar werden. Filme, die von militärischen Konflikten an verschiedenen thematischen Orten handeln, schweben zwischen Vergangenheit und Gegenwart (so wie Milestones geisterhafte Soldaten) und stellen Gedenken und Projektion einander gegenüber. Von filmischer Reinszenierung zu sprechen erlaubt es mir, mein kritisches Augenmerk darauf zu richten, wie das Kino als Denkraum dienen kann, in dem Geschichte wiederholt wird, aber mit einem bedeutenden Unterschied, indem unter den Vorzeichen einer gegenwärtigen Verpflichtung an den Ort der Geschichte zurückgekehrt wird, um darüber nachzudenken, was nötig sein mag, um sich persönlich und kollektiv von dieser Schuld zu erlösen. Aus diesem Grund bewege ich mich über den klassischen Kriegsfilm hinaus und schließe auch Melodramen an der Heimatfront, Musicals über Truppenbetreuung und Berichte von Kriegskorrespondenten sowie Filme über die Urteile, die ein Kriegsgericht über Kriegsverbrechen fällt, mit in meine Untersuchungen ein. Das Erscheinen des Krieges, der auf der Leinwand zurückkehrt, beschwört auch die Gefahr des Krieges für uns herauf, so dass wir unsere Haltung zu dieser traumatischen Vergangenheit verhandeln können. Ich unterstreiche, dass die filmischen Narrationen vom Krieg unweigerlich eine nachträgliche Wiederholung und eine Refiguration nach sich ziehen und Geschichte vollführen, indem diese unter den Vorzeichen gegenwärtiger Belange rekonzeptualisiert wird. Es gibt nichts vor dieser nachträglichen Rückerinnerung. Sogar die akkurateste dokumentarische Aufzeichnung eines Kampfes ist eine Repräsentation. In der Tat können diejenigen, die im Krieg waren, erst dann ihre Handlungen verstehen, wenn der Kampf vorüber ist. Inmitten des Nebels des Krieges gibt es keine Betrachtung für sie, keinen freien Blick, nur Erfahrung. Das erklärt, warum die Reinszenierungen Hollywoods selbst für Veteranen so wichtig sind. Auf der Leinwand ist es ihnen möglich, den Krieg zu sehen, den sie in Mark und Bein erinnern. Das Präfix »re« - das in diesem Fall sowohl eine zeitliche als auch eine räumliche Verschiebung markiert und die Erneuerung der Vergangenheit als eine Reaktion auf diese bezeichnet - ist der entscheidende Punkt.
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main
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Autoren-Porträt von Elisabeth Bronfen
Elisabeth Bronfen ist Professorin am Englischen Seminar der Universität Zürich. Sie promovierte und habilitierte an der Universität München und hat zahlreiche vielbeachtete Werke in den Bereichen gender studies, Psychoanalyse, Film- und Kulturwissenschaften verfasst, zuletzt 'Liebestod und Femme Fatale. Der Austausch sozialer Energien zwischen Oper, Literatur und Film' ( 2004), 'Tiefer als der Tag gedacht. Eine Kulturgeschichte der Nacht' (2008) und 'Crossmappings. Essays zur visuellen Kultur' (2009).
Bibliographische Angaben
- Autor: Elisabeth Bronfen
- 2013, 1. Auflage., 528 Seiten, Maße: 13,1 x 21,1 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzer: Regina Brückner
- Verlag: S. Fischer Verlag GmbH
- ISBN-10: 3100096568
- ISBN-13: 9783100096562
- Erscheinungsdatum: 21.11.2013
Rezension zu „Hollywoods Kriege “
ein spannendes Buch Herfried Münkler Frankfurter Allgemeine Zeitung 20140212
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