Hungerwinter
Als Deutschland in Trümmern lag, tobte 1946/47 der kälteste Winter des Jahrhunderts. Hunderttausende starben, Millionen kämpften täglich um Nahrung, Brennmaterial, Kleidung.
Hier erzählen erstmals Betroffene aus dem "Hungerwinter".
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Produktinformationen zu „Hungerwinter “
Als Deutschland in Trümmern lag, tobte 1946/47 der kälteste Winter des Jahrhunderts. Hunderttausende starben, Millionen kämpften täglich um Nahrung, Brennmaterial, Kleidung.
Hier erzählen erstmals Betroffene aus dem "Hungerwinter".
Lese-Probe zu „Hungerwinter “
Hungerwinter von Alexander Häusser und Gordian Maugg2. KAPITEL
Leben auf Zuteilung
Es drehte sich alles ums Essen! Meiner dreijährigen Schwester malte ich Essensmarken zum Spielen. Ihr fiel nichts anderes ein, als mit den falschen Marken schnurstracks zum Metzger zu gehen, sich vor den Tresen zu stellen und zu sagen: Ich brauche notwendig eine große Wurst!
Inge Zehnder
Zu den wichtigsten Aufgaben in der Nachkriegszeit gehörte die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln, wobei naturgemäß die Verantwortlichen in den Städten wesentlich größere Probleme zu bewältigen hatten als die auf dem Land, wo mehr Menschen sich selbst versorgen konnten. In den ersten Wochen nach Kriegsende gab es vielerorts noch gefüllte Lebensmitteldepots der deutschen Wehrmacht, die in den letzten Kriegswirren oftmals nicht, wie befohlen, vor dem Anrücken des Feindes zerstört worden waren. Nicht selten kam es allerdings vor der behördlichen Verteilung der Lebensmittel zu Plünderungen durch die Bevölkerung.
Davon erzählt Walter Neuber aus Osnabrück, der damals zwölf Jahre alt war. Die Neubers hatten das Glück, ein paar Hühner zu besitzen, die sie wie ihren Augapfel hüteten. Täglich musste Walter los, um für die Tiere Kartoffelschalen zu sammeln, auch wenn er viel lieber mit seinen Spielkameraden in den Straßengräben der Stadt nach Waffen, Munition, Orden und Uniformteilen der sich auflösenden Wehrmacht gesucht hätte. Als er einmal wieder unterwegs war, kam er an einem brennenden kasernenähnlichen Gebäude vorbei, dem Heeresverpflegungsamt. Die SS hatte es in Brand gesetzt, damit die Vorräte nicht in die Hand der anrückenden britischen Armee fielen. Für die ausgehungerte
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Bevölkerung gab es daraufhin kein Halten mehr. Die Menschen stürmten hinein, obgleich die abrückenden Soldaten auf sie schossen. Walter erkannte seine Chance sofort. Seinen Rucksack, noch halbvoll mit den glitschigen Kartoffelschalen, kippte er kurzerhand auf die Straße und rannte wie alle anderen in das brennende Lebensmittellager: »Das Heeresverpflegungsamt war voll bis oben hin: feinste Zigarren, kiloweise Mehl, alles! Ich dachte nur an Futter für die Hühner. Meinen Rucksack füllte ich bis oben hin mit Roggenkörnern und meine Skimütze voll mit Mehl. Dann ging ich zu einem Mann, der auch plünderte, und fragte, ob man das bezahlen müsste - der sagte nur: >Junge, hau bloß schnell ab!< - Zu Hause schüttelten sie dann die Köpfe - >... denkt nur an die Hühner!!!< Meine Schwester ist dann gleich noch mal losgezogen.« Der Leiter des Wirtschaftsamtes Landau beschrieb die Plünderung eines Heeresverpflegungsamtes: »Gleich einem aufgerüttelten Ameisenhaufen stürmten die versammelten in das Gebäude, zertrampelten ihnen weniger wertvolle Lebensmittel, um sich zu denen ihnen besser scheinenden durchzudrängen. Jeder schleppte fast über seine Kräfte: Kisten von Dosenmilch, Fleisch- und Gemüsekonserven, Säcke mit Reis, Mehl, Grieß, Bohnen, Leder, Zigarren und dergleichen mehr. Leute, die bisher bei der Lebensmittelkartenstelle ständig Kunde waren, um wegen allgemeiner Körperschwäche Zulagen zu erhalten, schleppten Säcke, deren Gewicht jedem Mühlknecht zur Ehre gereicht hätte; andere wiederum, die in ihrem Standesdünkel sich jeglicher Arbeit schämten, zerrten an 1 00-Kilogramm-Säcken, als sei das schon immer ihr Beruf gewesen.«
Gregor Maller, Jahrgang 1930, erlebte das Kriegsende im bayerischen Ottobeuren. In den Kellergewölben der dortigen Basilika hatte die Wehrmacht ein strategisches Versorgungslager eingerichtet. Neben Bekleidung und sonstiger Ausrüstung waren dort auch Lebensmittel deponiert. Ein Teil davon, 200 Tonnen reines Butterschmalz, wurde kurz nach Kriegsende zur Verteilung freigegeben. Diesmal gab es das begehrte Schmalz nicht gramm-, sondern kiloweise: »Da wir in der Familie vier Kinder waren - der Vater als Soldat noch nicht zu Hause, die Mutter arbeitete bei einem Bauern -, stand uns eine gesegnete Ladung von 50 Kilogramm Butterschmalz zu. Ein Wahnsinn! Ich ging also mit dem Zuteilungsbescheid in das Klostergewölbe und holte die erste Kiste mit 25 Kilo ab. Für einen vierzehnjährigen Bub war die Ladung jedoch zu schwer, um sie nach Hause tragen zu können. Also stellte ich die Kiste ab und bat einen Schulkameraden, das wertvolle Gut zu bewachen, bis ich mit der zweiten Kiste bei ihm war. Als ich zurückkam, war mein Schulkamerad nicht mehr da, die Kiste Butterschmalz natürlich auch nicht. Enttäuscht und ratlos fragte ich einen fremden Mann, ob er mir helfen wolle, mein teures restliches Gut heimzutragen. Dieser Mann half mir gern, schlug dann aber einen anderen Weg ein, und schon war ich auch diese wertvolle Ladung los.«
© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2009
Gregor Maller, Jahrgang 1930, erlebte das Kriegsende im bayerischen Ottobeuren. In den Kellergewölben der dortigen Basilika hatte die Wehrmacht ein strategisches Versorgungslager eingerichtet. Neben Bekleidung und sonstiger Ausrüstung waren dort auch Lebensmittel deponiert. Ein Teil davon, 200 Tonnen reines Butterschmalz, wurde kurz nach Kriegsende zur Verteilung freigegeben. Diesmal gab es das begehrte Schmalz nicht gramm-, sondern kiloweise: »Da wir in der Familie vier Kinder waren - der Vater als Soldat noch nicht zu Hause, die Mutter arbeitete bei einem Bauern -, stand uns eine gesegnete Ladung von 50 Kilogramm Butterschmalz zu. Ein Wahnsinn! Ich ging also mit dem Zuteilungsbescheid in das Klostergewölbe und holte die erste Kiste mit 25 Kilo ab. Für einen vierzehnjährigen Bub war die Ladung jedoch zu schwer, um sie nach Hause tragen zu können. Also stellte ich die Kiste ab und bat einen Schulkameraden, das wertvolle Gut zu bewachen, bis ich mit der zweiten Kiste bei ihm war. Als ich zurückkam, war mein Schulkamerad nicht mehr da, die Kiste Butterschmalz natürlich auch nicht. Enttäuscht und ratlos fragte ich einen fremden Mann, ob er mir helfen wolle, mein teures restliches Gut heimzutragen. Dieser Mann half mir gern, schlug dann aber einen anderen Weg ein, und schon war ich auch diese wertvolle Ladung los.«
© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2009
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Autoren-Porträt von Alexander Häusser, Gordian Maugg
Alexander Häusser, Jahrgang 1960, studierte Germanistik und Philosophie in Tübingen und lebt heute mit seiner Familie in Hamburg. Er veröffentlichte bisher zwei Romane und einen Band mit Erzählungen und schrieb zahlreiche Drehbücher. "Karnstedt verschwindet" ist sein erster Roman.
Bibliographische Angaben
- Autoren: Alexander Häusser , Gordian Maugg
- 217 Seiten, teilweise Schwarz-Weiß-Abbildungen, Maße: 13,6 x 21,5 cm, Hochw. Broschur mit Klappeinb.
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3828932479
- ISBN-13: 9783828932470
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