Idiotentest
Roman. Originalausgabe
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Produktinformationen zu „Idiotentest “
Henry Hinze fährt Taxi und lebt in einer WG mit dem Musikjournalisten Walter und dem Computerfrickler Gonzo. Der Mittelpunkt ihres Lebens ist jedoch eine behagliche Kneipe im Erdgeschoß ihres Neuköllner Hauses. Hier trifft sich allabendlich eine Handvoll skurriler Typen bei alten Hits und Faßbier. Als Henry eines Morgens verkatert erwacht, traut er seinen Augen kaum: Andrea, die allseits angehimmelte Tresenfrau aus dem ''Wohnzimmer'', hat bei ihm übernachtet. Was genau geschehen ist, daran kann er sich nicht erinnern. In Henrys Umfeld aber ist man zunächst wenig begeistert.
Tom Liehr, geboren 1962, ist selbstständiger Kaufmann und freier Autor. "Idiotentest" ist sein zweiter Roman.
Klappentext zu „Idiotentest “
Ein rasend komischer Roman über die Liebe und junge Helden, die nicht erwachsen werden wollenHenry Hinze fährt Taxi und lebt in einer WG mit dem Musikjournalisten Walter und dem Computerfrickler Gonzo. Der Mittelpunkt ihres Lebens ist jedoch eine behagliche Kneipe im Erdgeschoß ihres Neuköllner Hauses. Hier trifft sich allabendlich eine Handvoll skurriler Typen bei alten Hits und Faßbier. Als Henry eines Morgens verkatert erwacht, traut er seinen Augen kaum: Andrea, die allseits angehimmelte Tresenfrau aus dem "Wohnzimmer", hat bei ihm übernachtet. Was genau geschehen ist, daran kann er sich nicht erinnern. In Henrys Umfeld aber ist man zunächst wenig begeistert ...
"Ein Autor, der zum Kult werden wird und den man in einem Atemzug mit Nick Hornby nennen kann." Radio afk
Lese-Probe zu „Idiotentest “
Idiotentest von Tom Liehr
LESEPROBE
Prolog:
Kinderschokolade
Vor fast dreißig Jahren
Mutter nannte mich Henni. Notwendig war die Verniedlichung meines Namens nicht; sie tat es trotzdem.
»Henni«, rief sie. »Henni, komm mal her!«
»Ja, Mama.« Ich legte den letzten weißen Sechser-Legostein auf seinen Stapel - von weißen Sechsern gab es nie genug, ich wollte eine Burg bauen - und stiefelte in die Küche. Meine Mutter war immer in der Küche.
»Henni, du mußt einkaufen gehen. Meine Beraterin kommt gleich, ich kann nicht aus dem Haus. Kriegst du das hin.«
Obwohl meine Mutter alle Fragen grundsätzlich wie Feststellungen aussprach, also kein Fragezeichen benutzte, nickte ich. Klar. Immerhin war ich schon sechs, fast sieben. Es war nicht das erste Mal, daß ich einkaufen gehen sollte. Der Butter-Beck-Laden befand sich an der Ecke zur großen Straße, die ich um Himmels willen niemals alleine überqueren durfte. Kurz nach dem Eingang kam der Obststand, dann die Wursttheke, unmittelbar dahinter die Regale mit den Süßigkeiten. Damals hatte die Kinderschokolade noch keine »Milchkammern«, sondern bestand aus zwei Quadern, auf die kleine Krönchen geprägt waren. Und schmeckte besser. Eigentlich gab es für mich nichts, das besser schmeckte. Aber für den albern grinsenden Jungen auf der Packung schämte ich mich ein bißchen.
Meine Mutter kramte in ihrem Portemonnaie.
»Wir brauchen Brot, Zucker und Maggi. Ein Kastenbrot, hörst du, Henni. Kein Toast-, ein Kastenbrot.«
Ich nickte wieder.
»Mmh. Ich habe nur noch einen Fünfzig-Mark-Schein.«
Sie zog den riesigen braunen Lappen aus der Geldbörse. Kramte weiter im Kleingeldfach. Nie zuvor hatte ich einen Geldschein in Händen gehabt, geschweige denn so eine irrsinnige Summe. Wie viele Packungen Kinderschokolade man davon wohl kaufen konnte? Sicher über tausend. Tausend war die größte Zahl von allen.
»Wart mal!«
Sie ging ins Schlafzimmer. Auf dem Küchentisch lag ihr Portemonnaie, daneben der Fünfziger. Ich berührte ihn erst vorsichtig mit dem Zeigefinger, nahm den Schein schließlich in die Hand. Fühlte sich an wie die Seiten der Micky Maus. Nur ein bißchen fester, gleichzeitig irgendwie weicher. Ich legte ihn wieder zurück, genau so, wie er dagelegen hatte. Wann immer ich etwas anfaßte, von dem ich mir nicht sicher war, daß meine Eltern es auch erlaubten, merkte ich mir die Position ganz genau. Das Risiko war zu groß.
»Henni, du mußt den Fünfziger nehmen«, sagte sie, als sie wieder in die Küche kam. »Achte gut auf das Wechselgeld! Laß dir einen Kassenbon geben! Hier, du nimmst den Brustbeutel!«
Das mit dem Brustbeutel war kompliziert. Ich trug nämlich Lederhosen, krachlederne kurze Hosen mit Trägern und einem Hirschgeweih auf dem Latz. Der Hosenstall ließ sich aufknöpfen und nach vorne klappen. Das war sehr fummelig, weil ich meinen Schnippedillrich, wie Mutter ihn nannte, dann auch noch rechts aus dem Laden meiner Feinripp-Unterhosen zerren mußte, und ein-, zweimal waren mir ein paar Tropfen in die Hose gelaufen, weil ich das blöde Ding nicht rechtzeitig aufgekriegt hatte. Dadurch glänzte der Rand des Hosenstalls ein bißchen. Ich fand die Lederhosen und überhaupt kurze Hosen schon damals doof, mußte sie aber den ganzen Sommer über tragen, hauptsächlich natürlich, wenn wir im Allgäu waren, auf dem Bauernhof, der einer Tante gehörte und auf dem wir immer Urlaub machten. Später zog ich keine kurzen Hosen mehr an, nie wieder. Männer sollten so etwas grundsätzlich nicht tragen.
Mutter knöpfte die Hosenträger auf, dann mein kurzärmeliges, weißes Hemd und hängte mir den kleinen hellbraunen Wildlederbrustbeutel um. Sie betrachtete ihn skeptisch. Die Paketschnur, an der er hing, kratzte mich im Nacken. Das Kratzen verstärkte sich, als meine Mutter die Schnur löste, einen komplizierten Knoten um den Aufhänger im Kragen meines Hemdes machte und sie vorne wieder an den Beutel band. Jetzt hatte ich eine Paketschnurwulst im Nacken.
»Sicher ist sicher«, sagte sie. Und: »Brot, Zucker und Maggi, hörst du.«
Ich nickte abermals. Sie leckte über die drei mittleren Finger ihrer rechten Hand und strich mir über das Haar. Ich haßte das; ich haßte den süßlich-faulig-rauchigen Geruch ihrer Spucke und das klebrige Gefühl auf der Stirn. Aber ich wagte es nie, etwas zu sagen oder gar das Gesicht wegzuziehen.
»Wenn du das Geld verlierst, ist Polen offen.«
Ich nickte, natürlich.
Es war der Frühsommer 1972, das Jahr der Olympischen Spiele in München. Wir lebten in einem sechsstöckigen Mietshaus am Ende einer kleinen Straße, in der sonst Doppelhäuser standen, große Zweifamilienhäuser, die in der Mitte getrennt und in Hellgelb oder Rosa angestrichen waren. In diesen Häusern lebten Helmut, Siggi und Werner, meine Freunde. In unserem Mietshaus hatte ich keine Freunde. Da wohnten nur alte Leute und kinderlose Paare. Wir waren die einzigen Kinder, Kinder einer kinderreichen Familie: Ein Sohn und fünf Töchter. »Asoziale«, sagte der komische alte Mann von gegenüber, der seine Wohnung mit Tageszeitungen vollstopfte. Wie recht er hatte, begriff ich erst viel später.
...
© Aufbau Taschenbuch Verlag
Autoren-Porträt von Tom Liehr
Tom Liehr, geboren 1962 in Berlin, war Redakteur bei P.M., 1990 Sieger und Drittplazierter des ersten "Playboy-Literaturwettbewerbs", seither diverse Veröffentlichungen in Anthologien und Zeitschriften. Langjähriger Vorsitzender der "42erAutoren". Zwischenzeitlich tätig als Computerverkäufer, Unternehmensberater, Rundfunkproduzent und Diskjockey. Seit 1998 Besitzer eines Unternehmens für Softwareentwicklung. Er lebt in Berlin.Produktdetails
243 Seiten, Maße: 11,5 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch, Verlag: Aufbau TB, ISBN-10: 3746621836, ISBN-13: 9783746621838, Erscheinungsdatum: 23.09.2005
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Kommentare zu "Idiotentest"
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Kommentar verfassen1 von 1 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich
Andreas Minter, 08.11.2005
Danke für die Empfehlung! Ich habe mich köstlich amüsiert - allerdings ist das Buch nicht nur \"rasend komisch\", sondern manchmal auch ergreifend traurig.
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janein