Im Tal der flammenden Sonne
Australien, 1933: Die junge Engländerin Arabella Fitzherbert reist mit ihren Eltern nach Australien. Sie soll sich dort von schwerer Krankheit erholen. Doch Arabella stürzt aus ihrem Schlafwagen und bleibt verletzt in der Wüste zurück. Aborigines retten...
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Australien, 1933: Die junge Engländerin Arabella Fitzherbert reist mit ihren Eltern nach Australien. Sie soll sich dort von schwerer Krankheit erholen. Doch Arabella stürzt aus ihrem Schlafwagen und bleibt verletzt in der Wüste zurück. Aborigines retten sie. Trotzdem ist sie von nun an auf sich allein gestellt.
Im Tal der flammenden Sonne von Elizabeth Haran
LESEPROBE
Im Herzen Australiens,
Oktober 1933
Wie eine Schlange aus der mythischenTraumzeit der Aborigines glitt der Ghan, wie der Afghan-Expresszuggenannt wurde, durch die flirrende Hitze des Outback. Es war früh am Nachmittag. Am Horizont, der mitdem endlosen blauen Himmel zu verschmelzen schien, krochen erste Schatten überdie karge Landschaft. Windhosen, die wie Derwische über der Wüste wirbelten,waren die einzige Abwechslung in dieser Einöde.
Der Zug war auf dem Weg nach AliceSprings. Neben der Lokomotive gab es einen Reisewagen, einen Speise- und einen Salonwaggon,zwei Wagen mit Schlafabteilen für Erste-Klasse- Passagiere sowie zwei Wagen fürFracht und Post. Da die Gleise sich bei Temperaturen von über 40 Grad zuverformen drohten und im Schatten fast 45 Grad Hitze herrschten, fuhr derLokführer aus Sicherheitsgründen so langsam, dass kaum ein Lufthauch durch diegeöffneten Fenster drang.
»Warum wird der Zug denn jetzt nochlangsamer, Mummy?«, nörgelteArabella Fitzherbert und verzog unwillig ihrenhübschen Mund. Sie war neunzehn Jahre alt, wirkte aber jünger. Arabella saß aufihrem Bett im Erster-Klasse-Abteil, das Gesicht von den schulterlangenhonigblonden Haaren umrahmt. Der sengenden Hitze wegen hatte sie die feuchteKleidung ausgezogen, die ihr am Körper geklebt hatte, und trug nun ein luftigesNachthemd. Clarice beugte sich aus dem Fenster. »Ichglaube, wir nähern uns einer kleinen Ortschaft. Scheint mir ein ziemlichhässliches und einsames Nest zu sein.«
Bald darauf kam der Zug mit einemRuck an einem Bahnsteig zum Stehen, der aus übereinandergeschichtetenEisenbahnschwellen bestand, über denen sich ein Wellblechdach spannte.
Auf einem Schild, das schief aneinen Pfosten genagelt war, stand: Marree -84 Einwohner und eine Milliarde Fliegen
Clarice schüttelte den Kopf. Die Menschenhier im Outback hatten wirklich einen merkwürdigenSinn für Humor.
Das Zischen der Lok verstummte, dieDampfwolke verflüchtigte sich und gab den Blick auf die Ortschaft frei. Obwohlsich den Fahrgästen über viele Meilen hinweg nichts Sehenswertes geboten hatte,hielt ihre Neugier sich in Grenzen. Die »Hauptstraße «, kaum mehr als einstaubiger Weg, wurde von dem zweistöckigen Sandsteingebäude des Great NorthernHotels, einem Postamt, einer Polizeiwache und drei aus Brettern und Wellblech erbautenLäden gesäumt. Durch den vom Wind aufgewirbelten roten Staub konnte man in derFerne einige Häuser zwischen dürren Bäumen erkennen. Claricesah, wie ein uniformierter Eisenbahnbeamter Postsäcke aus dem Zug wuchtete undneue Post entgegennahm.
Dann fiel ihr Blick auf eine Gruppevon Aborigines und dunkelhäutigen Männern mitTurbanen, die sich dem Zug näherten.
»O Gott!« Clariceprallte erschrocken zurück. »Sieh dir bloß diese Bettler an, Bella! Da bekommtman es ja mit der Angst zu tun! Wir werden auf keinen Fall aussteigen, egal wasdein Vater sagt.«
Als die Männer neugierig ins Inneredes Abteils spähten, riss Clarice ein Bettlaken hochund hielt es schützend vor ihre Tochter. »Zieh dir etwas über, Bella! Wer weiß,auf was für Gedanken diese Leute sonst kommen.«
Sie zog den Vorhang vors Fenster undwarf einen furchtsamen Blick auf die Tür des Abteils. Ob sie vorsichtshalberabschließen sollte?
Die Luft im Abteil wurdeunerträglich heiß und stickig.
»Ist das eine Hitze hier drin!«, stöhnte Arabella.
»Morgen sind wir in Alice Springsund können in unser Hotel «, tröstete Clarice sie.Auch sie träumte von einem kühlen Salon mit Ventilator und einem Drink mit vielEis.
Arabella klappte einen chinesischenPapierfächer auf, den sie auf einer Reise gekauft hatte, und fächelte sich Luftzu. »Diese Hitze macht mich ganz fertig, Mummy«,klagte sie mit weinerlicher Stimme. »Ich hab Kopfschmerzen!«
»Sobald wir weiterfahren und einbisschen frische Luft ins Abteil weht, wirst du dich besser fühlen.« Clarice schlug nach denFliegen, die unter dem Vorhang hindurch ins Abteil krochen. »Übrigens, dieLeute aus dem Nachbarabteil sind sehr nett. Dein Vater und ich werden nach demEssen eine Partie Rommé mit ihnen spielen. Möchtest du nicht mitkommen, Bella?«
Arabella ließ sich in die Kissenfallen. »Nein, und essen will ich auch nichts. Ich hab Bauchweh.«
Das war nichts Neues. Arabellaklagte oft über Bauchschmerzen und andere Beschwerden; deshalb war Clarice auch nicht allzu beunruhigt. Ihre Tochter neigtezur Hypochondrie und war immer schon eine schlechte Esserin gewesen, was auchder Grund für ihre eher knabenhafte Figur war.
»Das Bauchweh kommt von der Hitze,Bella«, sagte Clarice. »Wenigstens hat dein Hustensich gelegt. Wie du weißt, hofft dein Vater sehr, dass das trockene Klima dir guttut. Schließlich sind wir nur deinetwegen nachAustralien gereist. Als Dr. Portman sagte, deineBronchitis werde sich in der feuchten, schlechten Luft Londons niemals bessern,hat dein Vater nicht gezögert, alles aufzugeben und hierherzukommen.Also tu mir den Gefallen, und reiß dich zusammen, ihm zuliebe.«
Edward Fitzherbertwar ein erfolgreicher und in England sehr bekannter Theaterproduzent. Doch umseiner Tochter willen hatte er beschlossen, London für ein Jahr den Rücken zukehren. Finanziell konnten sie es sich trotz der Weltwirtschaftskrise leisten,denn Clarice stammte aus einer wohlhabendenAdelsfamilie.
Von Adelaide aus, wo sie seit ihrerAnkunft vier Wochen zuvor gewohnt hatten, waren sie zu einer dreimonatigenReise durch den australischen Kontinent aufgebrochen. Claricewäre zwar lieber in Adelaide geblieben, wo es angenehm warm und die Luft sauberwar und wo zahlreiche Geschäfte zum Einkaufsbummel luden, doch Edward hatte wieso oft die Abenteuerlust gepackt, und so waren sie ins glutheiße InnereAustraliens aufgebrochen. Arabella schnitt eine Grimasse. Ihre lebhaften blauenAugen wirkten fast unnatürlich groß. »Dieses ewige Schwitzen ist unerträglich «,jammerte sie.
»Ich weiß, mein Schatz.« Clarice tätschelte ihrerTochter die Hand.
»Ich glaube, ich krieg Ausschlag.«
»Ausschlag? Wo denn?«
Arabella zeigte auf einen winzigenroten Punkt auf ihrem Oberschenkel.
»Ach was, das ist bloß ein Pickel.Das ist nicht schlimm.«
»Doch, ist es!«,beharrte sie. »Die Hitze ruiniert meine Haut!«
Clarice hatte Mühe, nicht genervt die Augenzu verdrehen. Sie liebte ihre einzige Tochter über alles, doch ArabellasAngewohnheit, an allem herumzumäkeln, stellte ihre Geduld manchmal auf eineharte Probe. Im Unterschied zu Arabella war Clariceein anpassungsfähiger Mensch, was bei einem Ehemann wie Edward, mit dem Clarice vor der Geburt ihrer Tochter ganz Afrika bereist hatte,nur von Vorteil war. Dies war seit neunzehn Jahren die erste lange Reise, diesie unternahm, und wenngleich sie über eine robuste Gesundheit verfügte, musstesie sich eingestehen, dass sie die Annehmlichkeiten ihres Zuhauses ebensovermisste wie die Gesellschaft ihrer Freunde.
Clarice wusste natürlich, dass sie anArabellas Verhalten nicht ganz schuldlos war. Sie hatte ihre Tochter alskleines Mädchen viel zu sehr behütet und verhätschelt. Und seit Arabella immer wiederan Bronchitis erkrankte, zeigte Clarice sich ihrgegenüber viel zu nachsichtig. Sie hoffte, die Reise werde Arabella helfen, erwachsenerzu werden, damit sie lernte, auf eigenen Füßen zu stehen, doch bisher deutetenichts darauf hin.
»Du wirst dich schon noch an dieHitze gewöhnen.« Clarice wusstevom Zugpersonal, dass es in der Wüstenstadt Alice Springs kaum Geschäfte undkein einziges Theater gab; deshalb hoffte sie, sie würden nicht allzu langedort bleiben, verschwieg es aber wohlweislich. Arabella war die Reise jetztschon leid.
Der Zug setzte sich wieder inBewegung, und Clarice schob die Vorhänge zurück,damit Luft ins Abteil wehte. »So, ich werde jetzt in den Salonwagen gehen«,sagte sie dann.
»Kannst du nicht hierbleiben,Mummy?«, fragte Arabellakläglich.
»Wer soll sich denn um mich kümmern?«
»Dir fehlt doch nichts, Schatz. Kommspäter nach, wenn du Lust hast. Die Harris sind sehr nette Leute.«
»Ist mir egal. Ich will sie nichtkennen lernen. Außerdem will ich mich bei der Hitze nicht wieder anziehen«,murrte Arabella.
»Wie du möchtest«, erwiderte Clarice geduldig. »Ich werde dir ein paar belegte Brotebringen.« Als der Zug aus der Stadt rollte, fiel ihrBlick auf einen großen Pferch auf der anderen Seite der Bahngleise, in dem sicheine Kamelherde mit mehreren Jungtieren befand. In einem Hain aus Dattelpalmenwaren merkwürdige Gebäude um eine Moschee gruppiert. Anscheinend lebten hierdie Männer mit Turbanen, die sie vorhin gesehen hatte. Ein Glück, dass ihr Mannkeinen Rundgang durch den Ort vorgeschlagen hatte.
»Lass nur«, schmollte Arabella. »Ichhab noch ein halbes Sandwich von heute Mittag. Das Brot ist zwar trocken undder Belag ekelhaft, aber im Speisewagen gibt s sicher auch nichts Besseres, daverzichte ich lieber.«
»Wie du willst. Dann ruh dich aus,mein Schatz. Morgen werden wir in aller Frühe in Alice Springs eintreffen, hatder Zugführer gesagt.« Clariceküsste ihre Tochter auf die bleiche Wange und eilte hinaus. Sie hatte einschlechtes Gewissen, weil sie Arabella allein ließ, doch sie spielte für ihrLeben gern Rommé. Außerdem würde es ihr guttun,endlich einmal etwas anderes zu hören als das Gejammer ihrer Tochter.
Als die Tür sich hinter ihrer Muttergeschlossen hatte, legte Arabella sich hin und suchte die endlose Weite desblauen Himmels nach einer Wolke ab. Müde von der Hitze und dem monotonen Ratterndes Zuges, nickte sie nach kurzer Zeit ein.
Arabella fuhr aus dem Schlaf, alsder Zug mit einem Ruck zum Stehen kam. Sie setzte sich auf und blickte aus demFenster, doch es gab nur die schier endlose Wüste zu sehen, die in derunbarmherzigen Hitze lag. Arabella schob den Vorhang der Abteiltür zurück undspähte durch das Fenster auf der anderen Seite des Waggons, aber auch hier botsich dem Auge nichts als Sand und Gänsefußsträucher. Anscheinend waren sie dochnoch nicht am Ziel der Reise, wie Arabella insgeheim gehofft hatte. Als niemandkam, um ihr zu sagen, was es mit dem Halt auf sich hatte, streckte sie den Kopfneugierig zum Fenster hinaus. Im Reisezugwagen weiter vorn hatte sich ein Mannmittleren Alters ebenfalls aus dem Fenster gebeugt. Arabella hörte, wie er zujemandem im Innern sagte: »Da liegt ein totes Tier auf den Gleisen. Es muss fortgeschafftwerden. Und der Wind hat Sand auf die Schienen geweht.«
Das Tier, ein großesKängurumännchen, das offenbar im Kampf mit einem anderen Männchen tödlicheVerletzungen davongetragen hatte, wurde von den Schienen gezerrt. Doch es würdesehr viel länger dauern, den Sand von den Gleisen zu schaufeln. Die Zeitverstrich unendlich langsam, und Arabella wurde unruhig. Die Sonne sank tiefer,die Schatten wurden länger. Wenigstens war es nicht mehr so glühend heiß. ( )
© Verlagsgruppe Lübbe
Übersetzung: Sylvia Strasser undVeronika Dünninger
- Autor: Elizabeth Haran
- 2007, Neuauflage, 572 Seiten, Maße: 14,5 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Ins Dtsch. übertr. v. Sylvia Strasser u. Veronika Dünninger
- Übersetzer: Sylvia Strasser
- Verlag: Ehrenwirth
- ISBN-10: 3431037038
- ISBN-13: 9783431037036
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