In den Armen des Spions
Roman
Indien 1822. Die ungestüme Emily Ensworth soll lediglich einen Brief überbringen. Sie ahnt nicht, in welche Gefahr sie sich dabei begibt: Denn prompt heften sich die Häscher eines Geheimbundes an ihre Fersen. Als Major Gareth Hamilton von...
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Produktinformationen zu „In den Armen des Spions “
Indien 1822. Die ungestüme Emily Ensworth soll lediglich einen Brief überbringen. Sie ahnt nicht, in welche Gefahr sie sich dabei begibt: Denn prompt heften sich die Häscher eines Geheimbundes an ihre Fersen. Als Major Gareth Hamilton von dem brisanten Schriftstück erfährt, nimmt er sich der bezaubernden jungen Frau an und gerät so unversehens in einen Mahlstrom aus Mord, Intrigen - und Leidenschaft ...
Klappentext zu „In den Armen des Spions “
Indien 1822. Die ungestüme Emily Ensworth soll lediglich einen Brief überbringen. Sie ahnt nicht, in welche Gefahr sie sich dabei begibt: Denn prompt heften sich die Häscher eines Geheimbundes an ihre Fersen. Als Major Gareth Hamilton von dem brisanten Schriftstück erfährt, nimmt er sich der bezaubernden jungen Frau an und gerät so unversehens in einen Mahlstrom aus Mord, Intrigen - und Leidenschaft ...
Lese-Probe zu „In den Armen des Spions “
In den Armen des Spions von Stephanie LaurensLiebes Tagebuch,
ich habe so lange darauf gewartet und gebe gerne zu, dass ich schon begonnen hatte zu glauben, es werde nie geschehen, dass ich nun, da es vielleicht passiert ist, dazu neige, ziemlich vorsichtig zu sein. Ist es das, was meine Schwestern gemeint haben, als sie sagten, ich werde es einfach wissen? Auf jeden Fall reagieren mein Magen und meine Nerven auf Major Hamiltons Nähe reichlich empfindlich, aber wie zuverlässig ist dieses Anzeichen?
Bis ich mehr über Major Hamilton in Erfahrung gebracht habe, kann ich nicht wissen, ob er der Eine - der Mann für mich - ist, sodass es zunächst einmal am allerwichtigsten ist, mehr über ihn herauszufinden. Aber von wem?
Und ich muss auch mehr Zeit mit ihm verbringen - aber wie?
Ich muss dafür sorgen, Mittel und Wege zu finden - mir bleiben schließlich nur noch ein paar Tage.
Und nachdem ich all diese Jahre darauf gewartet habe, dass er in Erscheinung tritt, und so weit gereist bin, bevor ich ihn kennengelernt habe, ist die Vorstellung unerträglich, fortzusegeln, und den Einen für mich zurückzulassen.
E.
Prolog
2. September 1822
Auf der Straße von Poona nach Bombay
... mehr
»Ul-ul- ul-ul-ul!«
Das Kriegsgeheul ihrer Verfolger wurde vorübergehend leiser, während Emily Elphinstone und ihre Eskorte um die nächste Kurve preschten. Den Blick fest vor sich auf die Straße aus gestampfter Erde gerichtet, konzentrierte sie sich ganz darauf, ihre Stute zu einem schnelleren Tempo anzutreiben - den Bergpfad hinabzustürmen, als hinge ihr Leben davon ab.
Denn vermutlich tat es das.
Sie befanden sich auf halber Strecke den Berg hinab nach Bombay von der Zweithauptstadt, in die die oberen Schichten der auf dem Subkontinent herrschenden Briten sich vor dem Monsun zurückzogen. Die eigentliche Hauptstadt war noch mehrere Stunden zu Pferde entfernt. Um sie herum wurde die erhabene Schönheit der Berge mit ihren majestätischen Tannen und der kühlen frischen Luft immer wieder zerrissen von dem Geheul der Reiter, die ihnen auf den Fersen waren.
Sie hatte vorhin einen längeren Blick auf ihre Verfolger werfen können. Sie trugen die traditionelle Kleidung der Einheimischen; ihr Erkennungszeichen war ein schwarzer Seidenschal, den sie sich um den Kopf gewickelt hatten, so dass die Enden wild flatterten, während sie ihr und ihren Begleitern wütend mit gezückten Säbeln nachsetzten.
Ihre Verfolger waren Anhänger des Kultes der Schwarzen Kobra. Sie hatte die entsetzlichen Geschichten gehört und verspürte nicht den Wunsch, in der nächsten grässlichen Folge eine Rolle zu spielen.
Sie und ihre Eskorte, die von dem jungen Captain Mac- Farlane angeführt wurde, waren in gestrecktem Galopp geflohen, aber irgendwie war es den Anhängern der Sekte gelungen, den Abstand zu verringern. Ursprünglich war sie zuversichtlich gewesen, dass sie und ihr Trupp ihnen würden entkommen können; jetzt hingegen war sie sich dessen nicht mehr so sicher.
Captain MacFarlane ritt neben ihr. Sie hielt ihren Blick weiter fest nach vorne gerichtet und spürte, dass er hinter sich schaute, ehe er einen Augenblick später sie ansah. Sie wollte ihn gerade scharf zurechtweisen, dass sie eine erfahrene Reiterin war, wie er inzwischen bemerkt haben sollte, da blickte er wieder geradeaus und deutete auf etwas.
»Dort!« MacFarlane winkte seinem Leutnant. »Bei den beiden Felsblöcken dort drüben. Mit zwei weiteren Männern kann ich sie lang genug aufhalten, dass Miss Elphinstone und der Rest von euch in Sicherheit sind.«
»Ich werde bei Ihnen bleiben«, rief der Leutnant über Emilys Kopf hinweg. »Binta und die anderen können mit der Memsahib weiterreiten.«
Die Memsahib - Emily - schaute zu der Stelle. Zwei große massive Felsbrocken fassten die Straße ein, auf der einen Seite blanker Felsen, auf der anderen ein gähnender Abgrund. Sie war kein General, aber sie wusste, dass drei Männer die Verfolger zwar vielleicht eine Weile aufzuhalten vermochten, sie aber nie endgültig würden stoppen können.
»Nein!« Sie blickte zu MacFarlane, während sie weiter vorwärtsstürmten. »Entweder wir bleiben alle hier, oder wir reiten alle gemeinsam weiter.«
Er richtete seine blauen Augen auf ihr Gesicht und schob sein Kinn vor.
»Miss Elphinstone, ich habe keine Zeit für Diskussionen. Sie werden mit dem Rest des Trupps weiterreiten.«
Natürlich widersprach sie, aber er weigerte sich, auf sie zu hören.
Er schenkte ihren Worten so hartnäckig keine Beachtung, dass sie plötzlich begriff, er wusste selbst genau, er würde es nicht überleben. Er würde hier - auf dieser Straße - sterben, und es würde kein schöner Tod sein.
Damit hatte er sich abgefunden.
Sein Mut verwunderte sie und machte sie sprachlos, als sie die Felsblöcke erreichten, die Pferde zügelten und ihre Position bezogen, während MacFarlane ihnen Anweisungen zurief.
Dann griff er um sie herum, fasste die Zügel ihres Pferdes und zog sie wieder auf die Straße.
»Hier.« Er holte ein zusammengefaltetes Bündel Pergament aus seinem Rock und drückte es ihr in die Hand. »Nehmen Sie das hier - bringen Sie es zu Colonel Derek Delborough. Er ist im Fort in Bombay.« Er schaute ihr in die Augen. »Es ist lebenswichtig, dass sie es ihm persönlich übergeben - nur ihm und niemand anderem. Verstehen Sie?«
Benommen nickte sie.
»Colonel Delborough im Fort.«
»Richtig. Und jetzt reiten Sie!« Er versetzte ihrer Stute einen Klaps auf das Hinterteil.
Das Tier machte einen Satz nach vorne. Emily steckte sich das Päckchen in die Jacke ihres Reitkostüms und fasste die Zügel fester. Hinter ihr setzten sich die restlichen Soldaten in Bewegung, schlossen zu ihr auf und nahmen sie in die Mitte, während sie so schnell wie möglich weiterritten.
Sie blickte hinter sich, als sie die nächste Kurve nahmen. Zwei Männer bezogen gerade Stellung zu beiden Seiten der Felsen, während MacFarlane die Pferde vom Zaumzeug befreite und wegscheuchte.
Dann waren sie um die Kurve geritten, und er war nicht mehr zu sehen.
Sie musste weiterreiten. Er hatte ihr keine andere Wahl gelassen. Wenn sie Bombay nicht erreichte und sein Päckchen nicht ablieferte, wäre sein Tod - sein Opfer - umsonst.
Das durfte nicht geschehen. Sie konnte es nicht zulassen.
Aber er war noch so jung.
Tränen brannten ihr in den Augen. Verzweifelt blinzelte sie sie fort.
Sie musste sich auf die gottverdammte Straße konzentrieren und reiten.
Später am selben Tag
Fort der Ostindien-Kompanie, Bombay
Emily blickte den Sepoy, der am Tor des Forts Wache stand, offen und geradeaus an.
»Captain MacFarlane?«
Als Nichte des Gouverneurs von Bombay, zu Besuch seit nunmehr sechs Monaten, durfte sie fragen und erwarten, eine Antwort zu erhalten.
Der Sepoy erbleichte trotz seiner olivfarbenen Haut sichtbar. Der Blick, mit dem er sie ansah, war traurig und voller Mitgefühl.
»Es tut mir sehr leid, aber der Captain ist tot.«
Sie hatte damit gerechnet, aber dennoch ... sie senkte den Kopf und schluckte, dann hob sie ihn wieder und holte tief Luft. Sie richtete einen herrischen Blick auf den Sepoy.
»Ich wünsche mit Colonel Delborough zu sprechen. Wo kann ich ihn finden?«
Die Antwort war die auf der geschlossenen Veranda vor dem Offizierskasino gelegene Bar für die Offiziere gewesen. Emily war sich nicht sicher, ob es akzeptabel war, dass sie als Frau sie betrat, aber das würde sie nicht davon abhalten.
Idi, die indische Zofe, die sie aus dem Haushalt ihres Onkels geborgt hatte, folgte dicht hinter ihr, als sie die flachen Stufen emporstieg. Sie bewegte sich in den Schatten der Veranda und blieb stehen, bis ihre Augen sich an das gedämpfte Licht gewöhnt hatten.
Sobald das geschehen war, ließ sie ihren Blick über die Veranda schweifen, erst nach links, dann nach rechts, vernahm das vertraute Klicken von Billardkugeln aus einem Alkoven am einen Ende, sah mehrere Offiziere in Gruppen von zwei oder drei beieinanderstehen und eine größere Gruppe in der äußersten rechten Ecke.
Natürlich hatten sie sie alle in dem Augenblick bemerkt, als sie eingetreten war.
Ein Diener kam rasch zu ihr.
»Miss?«
Sie richtete ihren Blick von der Männergruppe auf das Gesicht des Jungen.
»Ich suche Colonel Delborough. Man hat mir gesagt, er sei hier.«
Der Junge nickte.
»Ja. Miss.« Er drehte sich um und deutete auf die Gruppe in der Ecke. »Er ist dort drüben mit seinen Männern.«
War MacFarlane einer von Delboroughs Männern gewesen? Emily dankte dem Jungen und machte sich auf den Weg zu dem Tisch in der Ecke.
Dort saßen vier sehr große Offiziere, die sich alle langsam erhoben, als sie näher kam. Emily, der Idi wieder einfiel, die ihr gehorsam auf dem Fuße folgte, blieb stehen und winkte die Zofe zu einem Stuhl seitlich auf der Veranda.
»Warte dort.«
Idi hielt sich die Ecke ihres Saris halb vors Gesicht, nickte und setzte sich.
Emily atmete tief durch, hob den Kopf und ging weiter.
Als sie zu dem Tisch kam, schaute sie sie an; nicht die Gesichter der Männer - auch ohne hinsehen zu müssen wusste sie, dass ihre Mienen niedergeschlagen sein würden; sie hatten von MacFarlanes Tod erfahren und wussten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch, wie er gestorben war, etwas, von dem sie recht sicher war, dass sie es lieber nicht erfahren wollte - sondern sie schaute auf die breiten Schultern der Herren und suchte nach den Epauletten eines Colonels.
Im Hintergrund ihres Verstandes nahm sie zur Kenntnis, dass die meisten Frauen diese Männer als beeindruckend beschreiben würden; sie waren alle breitschultrig und kräftig gebaut, sie umgab ein Hauch von rauer körperlicher Stärke. Sie war erstaunt, dass sie keinen von ihnen je in einem der Salons hier gesehen hatte, die sie in den vergangenen Monaten mit ihrer Tante besucht hatte.
Ein weiterer Captain - blonder als MacFarlane - und zwei Majore, einer mit hellbraunem Haar ... sie musste ihren Blick mit Nachdruck von ihm lösen und auf den nächsten Major lenken, der rabenschwarzes Haar hatte, dann entdeckte sie unter ihnen schließlich den Colonel - vermutlich Delborough. Er hatte ebenfalls dunkles Haar.
Sie blieb vor ihm stehen, hob den Blick zu seinem Gesicht und biss die Zähne zusammen, um sich gegen die Gefühle zu wappnen, die am Tisch spürbar waren; sie durfte nicht zulassen, dass sie sie hinunterzogen. Sie zum Weinen brachten. Sie hatte genug Tränen vergossen, nachdem sie das Haus ihres Onkels erreicht hatte, und dabei hatte sie MacFarlane nicht so gut gekannt, wie es nach dem Aussehen der Männer zu urteilen die vier hier getan hatten.
»Colonel Delborough?«
Der Colonel neigte den Kopf und betrachtete forschend ihr Gesicht.
»Ma'am?«
»Ich bin Emily Elphinstone, die Nichte des Gouverneurs. Ich ...« Ihr fielen wieder MacFarlanes Anweisungen ein - Delborough persönlich und niemand anderem - und sie schaute die anderen drei an. »Wenn ich Sie um ein Gespräch unter vier Augen bitten dürfte, Colonel?«
Delborough zögerte kurz, dann sagte er:
»Jeder der Männer hier am Tisch ist ein alter Freund und Kollege von James MacFarlane. Wir haben alle miteinander gearbeitet. Wenn Ihr Anliegen irgendetwas mit James zu tun hat, bitte ich Sie, vor uns allen zu sprechen.«
Seine Augen waren argwöhnisch und so traurig. Ein Blick zu den anderen und ihren starren Mienen - ganz beherrscht - dann nickte sie.
»Nun gut.«
Zwischen den beiden Majoren war ein Stuhl frei. Der braunhaarige zog ihn ihr zurück.
Sie schaute ihm flüchtig in die Augen, die ein dunkleres Haselnussbraun aufwiesen als ihre eigenen.
»Danke.« Sie ignorierte das plötzliche Flattern in ihrem Magen und nahm Platz. Entschlossen schaute sie nach vorne und sah vor sich die drei viertel volle Flasche Rum in der Mitte des Tisches.
Unter Stuhlgescharre nahmen die Männer wieder ihre Plätze ein.
Sie schaute zu Delborough.
»Ich weiß, dass es vielleicht ein wenig gegen die Regeln verstößt, aber wenn ich ein Gläschen davon haben könnte ...?«
Er schaute ihr in die Augen.
»Es ist Rum.«
»Ich weiß.«
Er bedeutete dem Boy an der Bar, ein neues Glas zu bringen. Während sie wartete, öffnete sie im Schutz der Tischplatte ihr Retikül und holte MacFarlanes Päckchen hervor.
Der Boy brachte das Glas, und Delborough schenkte ihr ein.
Mit einem Lächeln, das nicht ganz gelang, nahm sie es entgegen und trank einen kleinen Schluck. Der scharfe Geschmack veranlasste sie, die Nase zu rümpfen, aber ihr Onkel hatte ihr gestattet, Spirituosen probehalber zu kosten; sie wusste daher um die nervenstärkenden Eigenschaften. Sie nahm einen größeren Schluck und senkte dann das Glas. Den Drang bekämpfend, den braunhaarigen Major anzuschauen, richtete sie ihren Blick stattdessen auf Delborough.
»Ich habe am Tor gefragt, und man hat mir gesagt, Captain MacFarlane habe es nicht zum Fort zurück geschafft.«
Delboroughs Miene konnte unmöglich noch weiter versteinern; er neigte den Kopf.
»Wenn Sie uns verraten könnten, was am Anfang geschehen ist, würden Sie uns helfen, es zu verstehen.«
Sie waren MacFarlanes Freunde; sie mussten es wissen. »Ja, natürlich.« Sie räusperte sich. »In Poona sind wir sehr früh aufgebrochen.«
Sie berichtete schlicht und schnörkellos, was sich zugetragen hatte.
Als sie die Stelle erreichte, an der sie sich von dem ritterlichen Captain getrennt hatte, hielt sie kurz inne und leerte ihr Glas.
»Ich habe versucht, es ihm auszureden, aber er wollte nichts davon hören. Er hat mich beiseitegenommen - weiter vorne - und mir das hier gegeben.« Sie hob das Päckchen, legte es auf den Tisch und schob es zu Delborough. »Captain MacFarlane hat mich gebeten, Ihnen das hier zu bringen.«
Sie beendete ihre Schilderung mit nur den notwendigsten Worten und kam zum Schluss mit:
»Er ist mit ein paar Männern zurückgeblieben, den Rest hat er mit mir geschickt.«
Als sie schwieg, setzte sich der faszinierende Major zu ihrer Linken anders hin und sprach leise.
»Und Sie haben sie zurückgesandt, sobald Sie die Stadt sehen konnten und fast in Sicherheit waren.« Sie schaute zu ihm und erwiderte seinen Blick; er fügte noch hinzu: »Mehr hätten Sie nicht tun können.«
In dem Moment, da sie Bombay gesichtet hatte, hatte sie darauf bestanden, dass alle Soldaten bis auf zwei aus dem Trupp umkehren sollten, um ihren Kameraden beizustehen; unseligerweise waren sie zu spät gekommen.
Delborough legte eine Hand auf das Paket und zog es zu sich.
»Und Sie haben zudem das Richtige getan.«
Sie blinzelte mehrmals, dann reckte sie das Kinn und schaute zu dem Päckchen.
»Ich weiß nicht, was darin ist - ich habe nicht nachgesehen. Aber was auch immer es ist ... ich hoffe, es ist das alles wert, das Opfer, das er gebracht hat.« Sie hob den Blick und sah zu Delborough. »Ich habe es in Ihre Hände übergeben, Colonel, wie ich es Captain MacFarlane versprochen habe.« Sie schob ihren Stuhl ein Stück nach hinten.
Sie erhoben sich alle. Der braunhaarige Major hielt ihr den Stuhl, damit sie aufstehen konnte.
»Erlauben Sie mir, Ihnen eine Eskorte zum Haus des Gouverneurs zu besorgen.«
Emily neigte den Kopf.
»Danke, Major.« Wer war er? Ihre Nervenenden summten wieder. Er stand näher als vorhin; sie glaubte eher nicht, dass der leichte Schwindel, den sie spürte, auf den getrunkenen Rum zurückzuführen war.
Sie zwang sich, ihre Aufmerksamkeit Delborough und den beiden anderen zuzuwenden, und nickte.
»Guten Tag, Colonel, meine Herren.«
»Miss Elphinstone.« Sie verbeugten sich alle.
Sie drehte sich um und ging neben dem Major langsam über die Veranda. Sie winkte Idi zu sich, die aufstand und ihr folgte.
Sie blickte dem Major in das beherrschte Gesicht, dann räusperte sie sich.
»Sie haben ihn alle gut gekannt, vermute ich.«
Er sah sie an.
»Er hat mit uns gedient, neben uns gekämpft - mehr als acht Jahre lang. Er war ein guter Kamerad und ein enger Freund.«
Sie hatte ihre Uniformen bereits bemerkt, aber jetzt begriff sie es. Sie schaute den Major an.
»Sie sind keine gewöhnlichen Soldaten.«
»Nein.« Um seine Lippen zuckte es. »Wir sind Hastings eigene Truppe.«
Der Marquis of Hastings, der Generalgouverneur von Indien. Diese Gruppe und MacFarlane hatten gemeinsam und direkt unter ihm gedient?
»Verstehe.« Das stimmte zwar nicht, aber sie war sich sicher, ihr Onkel würde es ihr erklären können.
Sie kamen an die Verandastufen.
»Würden Sie hier bitte einen Augenblick warten?«
Das war nicht wirklich eine Frage. Sie blieb stehen und verfolgte mit Idi an ihrer Seite, wie der Major eine Hand hob und damit die Aufmerksamkeit eines Sepoy-Sergeanten auf sich lenkte, der gerade seine Truppe drillte.
Der Sergeant kam rasch herüber. Mit ein paar Worten organisierte der Major, dass eine Gruppe Sepoy sie zurück zur Residenz des Gouverneurs im Stadtinneren brachte.
Seine angeborene, aber unaufdringliche Autorität und die Aufmerksamkeit und Bereitwilligkeit - ja fast so etwas wie Eifer - des Sergeanten, ihm zu gehorchen, waren ebenso beeindruckend wie seine körperliche Gegenwart.
Während die Sepoys sich beeilten, sich vor den Stufen aufzustellen, drehte Emily sich zu dem Soldaten neben ihr um und hielt ihm die Hand hin.
»Danke, Major ...«
Er nahm ihre Hand, umschloss sie fest mit seiner und sah ihr in die Augen, dann verneigte er sich halb.
»Major Gareth Hamilton, Miss Elphinstone.« Er ließ ihre Hand wieder los und musterte die nun in Reih und Glied stehenden Sepoy, nickte beifällig und wandte sich dann wieder ihr zu.
Sah ihr wieder in die Augen.
»Bitte seien Sie vorsichtig.«
Sie blinzelte.
»Ja, natürlich.« Ihr Herz klopfte ungewöhnlich schnell. Sie konnte noch immer den Druck seiner Finger um ihre spüren. Sie atmete durch, füllte ihre Lungen mit der dringend benötigten Luft und neigte den Kopf, dann trat sie auf die staubige Erde.
»Guten Tag, Major.«
»Guten Tag, Miss Elphinstone.«
Gareth stand auf den Stufen und schaute zu, wie Emily Elphinstone über den sonnenverbrannten Boden zu den massiven Toren des Forts schritt. Mit ihrem Porzellanteint, rosig und ganz klar, ihren zarten Zügen und dem weichen braunen Haar sah sie so durch und durch englisch aus, wie das Bild von dem typischen liebreizenden jungen Mädchen aus seiner Heimat, das er all die Jahre seines Dienstes im Herzen getragen hatte.
Das musste der Grund dafür sein, dass er das Gefühl hatte, als habe er seine Zukunft getroffen.
Aber sie konnte es nicht sein, und es konnte vor allem nicht ausgerechnet jetzt sein.
Denn jetzt rief die Pflicht.
Die Pflicht und die Erinnerung an James MacFarlane.
Er drehte sich um, stieg die Stufen hoch und ging wieder zurück nach innen.
Übersetzung: Ute-Christine Geiler
Copyright © 2013 für die deutsche Ausgabe by Blanvalet Verlag, in der Verlagsgruppe Random House, München
»Ul-ul- ul-ul-ul!«
Das Kriegsgeheul ihrer Verfolger wurde vorübergehend leiser, während Emily Elphinstone und ihre Eskorte um die nächste Kurve preschten. Den Blick fest vor sich auf die Straße aus gestampfter Erde gerichtet, konzentrierte sie sich ganz darauf, ihre Stute zu einem schnelleren Tempo anzutreiben - den Bergpfad hinabzustürmen, als hinge ihr Leben davon ab.
Denn vermutlich tat es das.
Sie befanden sich auf halber Strecke den Berg hinab nach Bombay von der Zweithauptstadt, in die die oberen Schichten der auf dem Subkontinent herrschenden Briten sich vor dem Monsun zurückzogen. Die eigentliche Hauptstadt war noch mehrere Stunden zu Pferde entfernt. Um sie herum wurde die erhabene Schönheit der Berge mit ihren majestätischen Tannen und der kühlen frischen Luft immer wieder zerrissen von dem Geheul der Reiter, die ihnen auf den Fersen waren.
Sie hatte vorhin einen längeren Blick auf ihre Verfolger werfen können. Sie trugen die traditionelle Kleidung der Einheimischen; ihr Erkennungszeichen war ein schwarzer Seidenschal, den sie sich um den Kopf gewickelt hatten, so dass die Enden wild flatterten, während sie ihr und ihren Begleitern wütend mit gezückten Säbeln nachsetzten.
Ihre Verfolger waren Anhänger des Kultes der Schwarzen Kobra. Sie hatte die entsetzlichen Geschichten gehört und verspürte nicht den Wunsch, in der nächsten grässlichen Folge eine Rolle zu spielen.
Sie und ihre Eskorte, die von dem jungen Captain Mac- Farlane angeführt wurde, waren in gestrecktem Galopp geflohen, aber irgendwie war es den Anhängern der Sekte gelungen, den Abstand zu verringern. Ursprünglich war sie zuversichtlich gewesen, dass sie und ihr Trupp ihnen würden entkommen können; jetzt hingegen war sie sich dessen nicht mehr so sicher.
Captain MacFarlane ritt neben ihr. Sie hielt ihren Blick weiter fest nach vorne gerichtet und spürte, dass er hinter sich schaute, ehe er einen Augenblick später sie ansah. Sie wollte ihn gerade scharf zurechtweisen, dass sie eine erfahrene Reiterin war, wie er inzwischen bemerkt haben sollte, da blickte er wieder geradeaus und deutete auf etwas.
»Dort!« MacFarlane winkte seinem Leutnant. »Bei den beiden Felsblöcken dort drüben. Mit zwei weiteren Männern kann ich sie lang genug aufhalten, dass Miss Elphinstone und der Rest von euch in Sicherheit sind.«
»Ich werde bei Ihnen bleiben«, rief der Leutnant über Emilys Kopf hinweg. »Binta und die anderen können mit der Memsahib weiterreiten.«
Die Memsahib - Emily - schaute zu der Stelle. Zwei große massive Felsbrocken fassten die Straße ein, auf der einen Seite blanker Felsen, auf der anderen ein gähnender Abgrund. Sie war kein General, aber sie wusste, dass drei Männer die Verfolger zwar vielleicht eine Weile aufzuhalten vermochten, sie aber nie endgültig würden stoppen können.
»Nein!« Sie blickte zu MacFarlane, während sie weiter vorwärtsstürmten. »Entweder wir bleiben alle hier, oder wir reiten alle gemeinsam weiter.«
Er richtete seine blauen Augen auf ihr Gesicht und schob sein Kinn vor.
»Miss Elphinstone, ich habe keine Zeit für Diskussionen. Sie werden mit dem Rest des Trupps weiterreiten.«
Natürlich widersprach sie, aber er weigerte sich, auf sie zu hören.
Er schenkte ihren Worten so hartnäckig keine Beachtung, dass sie plötzlich begriff, er wusste selbst genau, er würde es nicht überleben. Er würde hier - auf dieser Straße - sterben, und es würde kein schöner Tod sein.
Damit hatte er sich abgefunden.
Sein Mut verwunderte sie und machte sie sprachlos, als sie die Felsblöcke erreichten, die Pferde zügelten und ihre Position bezogen, während MacFarlane ihnen Anweisungen zurief.
Dann griff er um sie herum, fasste die Zügel ihres Pferdes und zog sie wieder auf die Straße.
»Hier.« Er holte ein zusammengefaltetes Bündel Pergament aus seinem Rock und drückte es ihr in die Hand. »Nehmen Sie das hier - bringen Sie es zu Colonel Derek Delborough. Er ist im Fort in Bombay.« Er schaute ihr in die Augen. »Es ist lebenswichtig, dass sie es ihm persönlich übergeben - nur ihm und niemand anderem. Verstehen Sie?«
Benommen nickte sie.
»Colonel Delborough im Fort.«
»Richtig. Und jetzt reiten Sie!« Er versetzte ihrer Stute einen Klaps auf das Hinterteil.
Das Tier machte einen Satz nach vorne. Emily steckte sich das Päckchen in die Jacke ihres Reitkostüms und fasste die Zügel fester. Hinter ihr setzten sich die restlichen Soldaten in Bewegung, schlossen zu ihr auf und nahmen sie in die Mitte, während sie so schnell wie möglich weiterritten.
Sie blickte hinter sich, als sie die nächste Kurve nahmen. Zwei Männer bezogen gerade Stellung zu beiden Seiten der Felsen, während MacFarlane die Pferde vom Zaumzeug befreite und wegscheuchte.
Dann waren sie um die Kurve geritten, und er war nicht mehr zu sehen.
Sie musste weiterreiten. Er hatte ihr keine andere Wahl gelassen. Wenn sie Bombay nicht erreichte und sein Päckchen nicht ablieferte, wäre sein Tod - sein Opfer - umsonst.
Das durfte nicht geschehen. Sie konnte es nicht zulassen.
Aber er war noch so jung.
Tränen brannten ihr in den Augen. Verzweifelt blinzelte sie sie fort.
Sie musste sich auf die gottverdammte Straße konzentrieren und reiten.
Später am selben Tag
Fort der Ostindien-Kompanie, Bombay
Emily blickte den Sepoy, der am Tor des Forts Wache stand, offen und geradeaus an.
»Captain MacFarlane?«
Als Nichte des Gouverneurs von Bombay, zu Besuch seit nunmehr sechs Monaten, durfte sie fragen und erwarten, eine Antwort zu erhalten.
Der Sepoy erbleichte trotz seiner olivfarbenen Haut sichtbar. Der Blick, mit dem er sie ansah, war traurig und voller Mitgefühl.
»Es tut mir sehr leid, aber der Captain ist tot.«
Sie hatte damit gerechnet, aber dennoch ... sie senkte den Kopf und schluckte, dann hob sie ihn wieder und holte tief Luft. Sie richtete einen herrischen Blick auf den Sepoy.
»Ich wünsche mit Colonel Delborough zu sprechen. Wo kann ich ihn finden?«
Die Antwort war die auf der geschlossenen Veranda vor dem Offizierskasino gelegene Bar für die Offiziere gewesen. Emily war sich nicht sicher, ob es akzeptabel war, dass sie als Frau sie betrat, aber das würde sie nicht davon abhalten.
Idi, die indische Zofe, die sie aus dem Haushalt ihres Onkels geborgt hatte, folgte dicht hinter ihr, als sie die flachen Stufen emporstieg. Sie bewegte sich in den Schatten der Veranda und blieb stehen, bis ihre Augen sich an das gedämpfte Licht gewöhnt hatten.
Sobald das geschehen war, ließ sie ihren Blick über die Veranda schweifen, erst nach links, dann nach rechts, vernahm das vertraute Klicken von Billardkugeln aus einem Alkoven am einen Ende, sah mehrere Offiziere in Gruppen von zwei oder drei beieinanderstehen und eine größere Gruppe in der äußersten rechten Ecke.
Natürlich hatten sie sie alle in dem Augenblick bemerkt, als sie eingetreten war.
Ein Diener kam rasch zu ihr.
»Miss?«
Sie richtete ihren Blick von der Männergruppe auf das Gesicht des Jungen.
»Ich suche Colonel Delborough. Man hat mir gesagt, er sei hier.«
Der Junge nickte.
»Ja. Miss.« Er drehte sich um und deutete auf die Gruppe in der Ecke. »Er ist dort drüben mit seinen Männern.«
War MacFarlane einer von Delboroughs Männern gewesen? Emily dankte dem Jungen und machte sich auf den Weg zu dem Tisch in der Ecke.
Dort saßen vier sehr große Offiziere, die sich alle langsam erhoben, als sie näher kam. Emily, der Idi wieder einfiel, die ihr gehorsam auf dem Fuße folgte, blieb stehen und winkte die Zofe zu einem Stuhl seitlich auf der Veranda.
»Warte dort.«
Idi hielt sich die Ecke ihres Saris halb vors Gesicht, nickte und setzte sich.
Emily atmete tief durch, hob den Kopf und ging weiter.
Als sie zu dem Tisch kam, schaute sie sie an; nicht die Gesichter der Männer - auch ohne hinsehen zu müssen wusste sie, dass ihre Mienen niedergeschlagen sein würden; sie hatten von MacFarlanes Tod erfahren und wussten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch, wie er gestorben war, etwas, von dem sie recht sicher war, dass sie es lieber nicht erfahren wollte - sondern sie schaute auf die breiten Schultern der Herren und suchte nach den Epauletten eines Colonels.
Im Hintergrund ihres Verstandes nahm sie zur Kenntnis, dass die meisten Frauen diese Männer als beeindruckend beschreiben würden; sie waren alle breitschultrig und kräftig gebaut, sie umgab ein Hauch von rauer körperlicher Stärke. Sie war erstaunt, dass sie keinen von ihnen je in einem der Salons hier gesehen hatte, die sie in den vergangenen Monaten mit ihrer Tante besucht hatte.
Ein weiterer Captain - blonder als MacFarlane - und zwei Majore, einer mit hellbraunem Haar ... sie musste ihren Blick mit Nachdruck von ihm lösen und auf den nächsten Major lenken, der rabenschwarzes Haar hatte, dann entdeckte sie unter ihnen schließlich den Colonel - vermutlich Delborough. Er hatte ebenfalls dunkles Haar.
Sie blieb vor ihm stehen, hob den Blick zu seinem Gesicht und biss die Zähne zusammen, um sich gegen die Gefühle zu wappnen, die am Tisch spürbar waren; sie durfte nicht zulassen, dass sie sie hinunterzogen. Sie zum Weinen brachten. Sie hatte genug Tränen vergossen, nachdem sie das Haus ihres Onkels erreicht hatte, und dabei hatte sie MacFarlane nicht so gut gekannt, wie es nach dem Aussehen der Männer zu urteilen die vier hier getan hatten.
»Colonel Delborough?«
Der Colonel neigte den Kopf und betrachtete forschend ihr Gesicht.
»Ma'am?«
»Ich bin Emily Elphinstone, die Nichte des Gouverneurs. Ich ...« Ihr fielen wieder MacFarlanes Anweisungen ein - Delborough persönlich und niemand anderem - und sie schaute die anderen drei an. »Wenn ich Sie um ein Gespräch unter vier Augen bitten dürfte, Colonel?«
Delborough zögerte kurz, dann sagte er:
»Jeder der Männer hier am Tisch ist ein alter Freund und Kollege von James MacFarlane. Wir haben alle miteinander gearbeitet. Wenn Ihr Anliegen irgendetwas mit James zu tun hat, bitte ich Sie, vor uns allen zu sprechen.«
Seine Augen waren argwöhnisch und so traurig. Ein Blick zu den anderen und ihren starren Mienen - ganz beherrscht - dann nickte sie.
»Nun gut.«
Zwischen den beiden Majoren war ein Stuhl frei. Der braunhaarige zog ihn ihr zurück.
Sie schaute ihm flüchtig in die Augen, die ein dunkleres Haselnussbraun aufwiesen als ihre eigenen.
»Danke.« Sie ignorierte das plötzliche Flattern in ihrem Magen und nahm Platz. Entschlossen schaute sie nach vorne und sah vor sich die drei viertel volle Flasche Rum in der Mitte des Tisches.
Unter Stuhlgescharre nahmen die Männer wieder ihre Plätze ein.
Sie schaute zu Delborough.
»Ich weiß, dass es vielleicht ein wenig gegen die Regeln verstößt, aber wenn ich ein Gläschen davon haben könnte ...?«
Er schaute ihr in die Augen.
»Es ist Rum.«
»Ich weiß.«
Er bedeutete dem Boy an der Bar, ein neues Glas zu bringen. Während sie wartete, öffnete sie im Schutz der Tischplatte ihr Retikül und holte MacFarlanes Päckchen hervor.
Der Boy brachte das Glas, und Delborough schenkte ihr ein.
Mit einem Lächeln, das nicht ganz gelang, nahm sie es entgegen und trank einen kleinen Schluck. Der scharfe Geschmack veranlasste sie, die Nase zu rümpfen, aber ihr Onkel hatte ihr gestattet, Spirituosen probehalber zu kosten; sie wusste daher um die nervenstärkenden Eigenschaften. Sie nahm einen größeren Schluck und senkte dann das Glas. Den Drang bekämpfend, den braunhaarigen Major anzuschauen, richtete sie ihren Blick stattdessen auf Delborough.
»Ich habe am Tor gefragt, und man hat mir gesagt, Captain MacFarlane habe es nicht zum Fort zurück geschafft.«
Delboroughs Miene konnte unmöglich noch weiter versteinern; er neigte den Kopf.
»Wenn Sie uns verraten könnten, was am Anfang geschehen ist, würden Sie uns helfen, es zu verstehen.«
Sie waren MacFarlanes Freunde; sie mussten es wissen. »Ja, natürlich.« Sie räusperte sich. »In Poona sind wir sehr früh aufgebrochen.«
Sie berichtete schlicht und schnörkellos, was sich zugetragen hatte.
Als sie die Stelle erreichte, an der sie sich von dem ritterlichen Captain getrennt hatte, hielt sie kurz inne und leerte ihr Glas.
»Ich habe versucht, es ihm auszureden, aber er wollte nichts davon hören. Er hat mich beiseitegenommen - weiter vorne - und mir das hier gegeben.« Sie hob das Päckchen, legte es auf den Tisch und schob es zu Delborough. »Captain MacFarlane hat mich gebeten, Ihnen das hier zu bringen.«
Sie beendete ihre Schilderung mit nur den notwendigsten Worten und kam zum Schluss mit:
»Er ist mit ein paar Männern zurückgeblieben, den Rest hat er mit mir geschickt.«
Als sie schwieg, setzte sich der faszinierende Major zu ihrer Linken anders hin und sprach leise.
»Und Sie haben sie zurückgesandt, sobald Sie die Stadt sehen konnten und fast in Sicherheit waren.« Sie schaute zu ihm und erwiderte seinen Blick; er fügte noch hinzu: »Mehr hätten Sie nicht tun können.«
In dem Moment, da sie Bombay gesichtet hatte, hatte sie darauf bestanden, dass alle Soldaten bis auf zwei aus dem Trupp umkehren sollten, um ihren Kameraden beizustehen; unseligerweise waren sie zu spät gekommen.
Delborough legte eine Hand auf das Paket und zog es zu sich.
»Und Sie haben zudem das Richtige getan.«
Sie blinzelte mehrmals, dann reckte sie das Kinn und schaute zu dem Päckchen.
»Ich weiß nicht, was darin ist - ich habe nicht nachgesehen. Aber was auch immer es ist ... ich hoffe, es ist das alles wert, das Opfer, das er gebracht hat.« Sie hob den Blick und sah zu Delborough. »Ich habe es in Ihre Hände übergeben, Colonel, wie ich es Captain MacFarlane versprochen habe.« Sie schob ihren Stuhl ein Stück nach hinten.
Sie erhoben sich alle. Der braunhaarige Major hielt ihr den Stuhl, damit sie aufstehen konnte.
»Erlauben Sie mir, Ihnen eine Eskorte zum Haus des Gouverneurs zu besorgen.«
Emily neigte den Kopf.
»Danke, Major.« Wer war er? Ihre Nervenenden summten wieder. Er stand näher als vorhin; sie glaubte eher nicht, dass der leichte Schwindel, den sie spürte, auf den getrunkenen Rum zurückzuführen war.
Sie zwang sich, ihre Aufmerksamkeit Delborough und den beiden anderen zuzuwenden, und nickte.
»Guten Tag, Colonel, meine Herren.«
»Miss Elphinstone.« Sie verbeugten sich alle.
Sie drehte sich um und ging neben dem Major langsam über die Veranda. Sie winkte Idi zu sich, die aufstand und ihr folgte.
Sie blickte dem Major in das beherrschte Gesicht, dann räusperte sie sich.
»Sie haben ihn alle gut gekannt, vermute ich.«
Er sah sie an.
»Er hat mit uns gedient, neben uns gekämpft - mehr als acht Jahre lang. Er war ein guter Kamerad und ein enger Freund.«
Sie hatte ihre Uniformen bereits bemerkt, aber jetzt begriff sie es. Sie schaute den Major an.
»Sie sind keine gewöhnlichen Soldaten.«
»Nein.« Um seine Lippen zuckte es. »Wir sind Hastings eigene Truppe.«
Der Marquis of Hastings, der Generalgouverneur von Indien. Diese Gruppe und MacFarlane hatten gemeinsam und direkt unter ihm gedient?
»Verstehe.« Das stimmte zwar nicht, aber sie war sich sicher, ihr Onkel würde es ihr erklären können.
Sie kamen an die Verandastufen.
»Würden Sie hier bitte einen Augenblick warten?«
Das war nicht wirklich eine Frage. Sie blieb stehen und verfolgte mit Idi an ihrer Seite, wie der Major eine Hand hob und damit die Aufmerksamkeit eines Sepoy-Sergeanten auf sich lenkte, der gerade seine Truppe drillte.
Der Sergeant kam rasch herüber. Mit ein paar Worten organisierte der Major, dass eine Gruppe Sepoy sie zurück zur Residenz des Gouverneurs im Stadtinneren brachte.
Seine angeborene, aber unaufdringliche Autorität und die Aufmerksamkeit und Bereitwilligkeit - ja fast so etwas wie Eifer - des Sergeanten, ihm zu gehorchen, waren ebenso beeindruckend wie seine körperliche Gegenwart.
Während die Sepoys sich beeilten, sich vor den Stufen aufzustellen, drehte Emily sich zu dem Soldaten neben ihr um und hielt ihm die Hand hin.
»Danke, Major ...«
Er nahm ihre Hand, umschloss sie fest mit seiner und sah ihr in die Augen, dann verneigte er sich halb.
»Major Gareth Hamilton, Miss Elphinstone.« Er ließ ihre Hand wieder los und musterte die nun in Reih und Glied stehenden Sepoy, nickte beifällig und wandte sich dann wieder ihr zu.
Sah ihr wieder in die Augen.
»Bitte seien Sie vorsichtig.«
Sie blinzelte.
»Ja, natürlich.« Ihr Herz klopfte ungewöhnlich schnell. Sie konnte noch immer den Druck seiner Finger um ihre spüren. Sie atmete durch, füllte ihre Lungen mit der dringend benötigten Luft und neigte den Kopf, dann trat sie auf die staubige Erde.
»Guten Tag, Major.«
»Guten Tag, Miss Elphinstone.«
Gareth stand auf den Stufen und schaute zu, wie Emily Elphinstone über den sonnenverbrannten Boden zu den massiven Toren des Forts schritt. Mit ihrem Porzellanteint, rosig und ganz klar, ihren zarten Zügen und dem weichen braunen Haar sah sie so durch und durch englisch aus, wie das Bild von dem typischen liebreizenden jungen Mädchen aus seiner Heimat, das er all die Jahre seines Dienstes im Herzen getragen hatte.
Das musste der Grund dafür sein, dass er das Gefühl hatte, als habe er seine Zukunft getroffen.
Aber sie konnte es nicht sein, und es konnte vor allem nicht ausgerechnet jetzt sein.
Denn jetzt rief die Pflicht.
Die Pflicht und die Erinnerung an James MacFarlane.
Er drehte sich um, stieg die Stufen hoch und ging wieder zurück nach innen.
Übersetzung: Ute-Christine Geiler
Copyright © 2013 für die deutsche Ausgabe by Blanvalet Verlag, in der Verlagsgruppe Random House, München
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Autoren-Porträt von Stephanie Laurens
Stephanie Laurens begann zu schreiben, um etwas Farbe in ihren trockenen wissenschaftlichen Alltag zu bringen. Ihre Bücher wurden bald so beliebt, dass sie aus ihrem Hobby den Beruf machte. Sie gehört zu den meistgelesenen und populärsten Liebesroman-Autorinnen der Welt. Stephanie Laurens lebt in einem Vorort von Melbourne/Australien.
Bibliographische Angaben
- Autor: Stephanie Laurens
- 2013, 608 Seiten, Maße: 12,4 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Ute-Christine Geiler
- Übersetzer: Ute-Christine Geiler
- Verlag: Blanvalet
- ISBN-10: 3442377676
- ISBN-13: 9783442377671
- Erscheinungsdatum: 18.03.2013
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