Infektion
Children's Hospital, Los Angeles: Der Kinderchirurg Luke McKenna kämpft verzweifelt um das Leben eines kleinen Maya-Jungen. Doch er kann ihn nicht retten und der Junge erstickt qualvoll. Zur selben Zeit entdeckt Lukes Freundin Megan im Dschungel von...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Infektion “
Children's Hospital, Los Angeles: Der Kinderchirurg Luke McKenna kämpft verzweifelt um das Leben eines kleinen Maya-Jungen. Doch er kann ihn nicht retten und der Junge erstickt qualvoll. Zur selben Zeit entdeckt Lukes Freundin Megan im Dschungel von Guatemala unter den Eingeborenen eine rätselhafte, tödliche Krankheit. Luke und Megan beginnen zu recherchieren. Und finden schon bald heraus, dass ein skrupelloser Pharmakonzern dahintersteckt, der zudem ein Serum herstellt, das für die gesamte Menschheit fatal sein könnte. Kann eine Katastrophe noch verhindert werden?
Lese-Probe zu „Infektion “
Infektion von Philip Hawley
L E S E P R O B E
1. Kapitel
Calderon nahm an, dass er an diesem Abend der einzige Chauffeur am Los Angeles International Airport war, der einen sterbenden jungen abholte.
Ein Monitor über einem der Gepäckbänder leuchtete auf und meldete die Ankunft des Flugs 888 aus Guatemala City. Es war 18 Uhr 18. Das Flugzeug hatte eine halbe Stunde Verspätung, aber Calderon war pünktlich, und nur darauf kam es an. Er war noch nie zu spät zu einem Auftrag gekommen.
Er strich mit dem Finger am Revers seines Jacketts herunter und begutachtete seine schwarze Uniform. Nirgends eine Falte, die dort nicht hingehörte, kein Fussel, kein Fleck - das war das Mindeste, was der junge und seine Mutter verdienten. Er ignorierte den Dieselgestank von einem Bus, der hinter ihm vorbeifuhr; er stand vor der Glaswand der Gepäckausgabe und hielt Ausschau nach seinen Fahrgästen. Drinnen flutete ein Schwarm von Reisenden die Rolltreppe herunter und strömte um einen beflissenen Haufen livrierter Fahrer herum, die wie nervöse Welpen auf und ab hüpften. Kein Talent, keine Finesse.
... mehr
Calderon war ein Profi. Seine Fahrgäste brauchten ihn nicht zu suchen. Er hatte ihre Beschreibung, er würde sie finden. Wenn sie durch die letzte Zollkontrolle kämen, würde er dort in der Nähe erscheinen - in respektvollem Abstand, unaufdringlich, aber deutlich sichtbar für seine Schützlinge. Sofort würde er sich an ihr Auftreten und ihr Benehmen anpassen und kontaktfreudig sein, wenn es nötig sein sollte, oder schweigsam und unauffällig, wenn ihnen das lieber war. Er war besonders gut in seinem Job, und das wusste er. Die Muster zu erkennen, die Menschen unentrinnbar definierten, ihre nächsten Gedanken vorherzusehen - das alles fiel ihm von Natur aus leicht. Er hatte ein Händchen für diese Arbeit.
Und meistens machte sie ihm Spaß, aber nicht heute Abend.
Der junge und seine Mutter waren wahrscheinlich zum ersten Mal weit weg von zu Hause, und ganz sicher waren sie zum ersten Mal geflogen. Sie dürften Angst gehabt haben, als man sie mit lauter Fremden in die seltsame geflügelte Metallröhre gesperrt, sie durch schmale Korridore getrieben und mit lärmenden Anweisungen überschüttet hatte, und vielleicht hatte man ihnen unterwegs sogar die eine oder andere ihrer Habseligkeiten abgenommen.
Die Mutter würde ihre Erschöpfung und Bangigkeit trotzdem hinter einer stoischen Maske verbergen, wenn Calderon sie begrüßte. Überrascht und erfreut würde sie feststellen, dass ein guatemaltekischer Fahrer, jemand aus ihrer Heimat, sie erwartete, um sie in Amerika willkommen zu heißen, aber sie würde es nicht wagen, sich die Erleichterung anmerken zu lassen. Das verstand er. Sie waren alle so.
Calderon würde sich mit ihr anfreunden, indem er ihr Geschichten von seiner eigenen Reise nach Amerika vor fünfundzwanzig Jahren erzählte; die Erinnerung an seinen illegalen Grenzübertritt konnte er immer noch heraufbeschwören: Er und seine Mutter, eingezwängt in das enge Abteil unter der Ladefläche eines Kastenwagens, das Krachen des schrottreifen Getriebes, das ihm in den Ohren gellte, bis er überhaupt nichts mehr hören konnte, der ranzige Geruch eines Dutzends ungewaschener Menschenleiber - und seine Mutter, der die Angst die Kehle zuschnürte.
Wenn er den jungen und seine Mutter in seinem Lincoln Town Car untergebracht hätte, würde er mit warmherzigem Lächeln in den Rückspiegel schauen, die Schultern heben und mit leisem Lachen auf die Ähnlichkeit zwischen ihren beiden Reisen hinweisen: Wie immer du nach Amerika kommst, du kannst sicher sein, dass du mit Fremden eng zusammengepfercht wirst.
Die Mutter des jungen würde vielleicht nicht mal lächeln, aber die Geschichte würde ihr gefallen. Vielleicht würden ihre Schultern sich entspannen, weil er sie für einen kurzen Moment von ihren Sorgen abgelenkt hatte.
Calderon konnte sich die Angst der Mutter vorstellen. Ihr Sohn war krank - ein medizinisches Rätsel. Amerikanische Ärzte würden sich bemühen, das diagnostische Puzzle zu lösen. Amerikas sagenhafter Reichtum und sein Know-how standen einsatzbereit - alles nur für einen vierjährigen jungen aus einem winzigen Dorf im guatemaltekischen Regenwald.
Das gab es nur in Amerika.
Josue Chaca und seine Mutter ahnten nicht, dass Calderon sie empfangen würde. Er würde ihnen erklären, das sei nur eine kleine Willkommensgeste, noch ein Geschenk des University Children's Hospital, das sie aufnehmen würde.
Josue war einer der wenigen Auserwählten, beispielhaft für die amerikanische Großzügigkeit, scheinbar wahllos ausgesucht unter Millionen von Kindern auf der ganzen Welt, die ihre Missbildungen und Gebrechen einfach deshalb ertragen, weil sie keine andere Welt kennen.
Ein lautes Sirenensignal ertönte in der Gepäckausgabe, und ein rotes Licht über einem der Karussellbänder fing an zu blinken, als die Maschinerie ächzend zum Leben erwachte.
Als Calderon und seine Mutter in Amerika angekommen waren, waren blitzende rote Lichter der Feind. Damals waren Amerikas beträchtliche Ressourcen eine ständige Bedrohung gewesen, der Treibstoff für die niemals endende Angst seiner Mutter vor der Abschiebung. Am besten ging es ihnen, wenn niemand sie beobachtete, und am liebsten war es ihnen, wenn man sie in Ruhe ihr kärgliches Dasein fristen ließ. Calderon, ein kräftiger und gesunder Zwölfjähriger, war in eine Arbeitskolonne von Immigranten gesteckt worden, die bedenkenlos jeden zurückließ, der nicht Schritt halten konnte.
Das alles hatte sich geändert, als er an seinem achtzehnten Geburtstag amerikanischer Staatsbürger geworden war. Am selben Tag hatte er sich zum Militärdienst gemeldet. Und sein Leben hatte begonnen.
Sieben Jahre später hatte die US Army ihn hinausgeworfen wie einen Sack Müll, und seine Träume waren gestorben. Sein Magen verkrampfte sich, wenn er an den Abend dachte, an dem er in das schäbige Apartment seiner Mutter zurückgekehrt war. Die ganze Nacht hindurch hatte er ihre Schlafzimmertür angestarrt, die so verrottet war, dass selbst ihr ersticktes Weinen noch hindurchdrang. Wahrscheinlich hatte sie noch immer an die Schande ihres Sohnes gedacht, als das Erdbeben in Northridge sie unter dem Schutt von zwei Stockwerken begrub. Die Bürokraten der Behörden hätten sie retten können, aber sie ließen sie einfach ersticken.
Und dasselbe Amerika, das so viele Jahre lang wie eine Gewitterwolke über Calderon und seiner Mutter geschwebt hatte, dasselbe Amerika, das sie ausgeschieden hatte, als wären sie Giftmüll - dieses selbe Amerika spendete der Frau und ihrem Sohn jetzt Hilfe und Trost. Josue Chaca und seine Mutter bekamen eine Kostprobe vom American Dream, wenn auch nur für kurze Zeit.
Calderons Auftrag war einfach: Er sollte dafür sorgen, dass der Junge niemals im Krankenhaus ankam. Josue Chaca und seine Mutter würden irgendwann gefunden werden, vielleicht im feuchten, dumpfigen Durchgang zwischen zwei Häusern - neu eingetroffene Besucher, die willkürlicher Bandengewalt zum Opfer gefallen waren. Es war ein widerwärtiger Auftrag, notwendig nur wegen der nachlässigen Einstellung seines Kunden in punkto Sicherheit.
Sein Handy klingelte. Es war der individuelle Klingelton, der Mr Kong zugewiesen war, seinem »Spotter« am Gate. »Sind sie da?«, fragte Calderon.
»Wir haben ein Problem«, sagte Mr Kong. »Hier oben ist was im Gange ... «
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild
Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2007, S. Fischer Verlag
Aus dem Amerikanischen von Rainer Schmidt
Und meistens machte sie ihm Spaß, aber nicht heute Abend.
Der junge und seine Mutter waren wahrscheinlich zum ersten Mal weit weg von zu Hause, und ganz sicher waren sie zum ersten Mal geflogen. Sie dürften Angst gehabt haben, als man sie mit lauter Fremden in die seltsame geflügelte Metallröhre gesperrt, sie durch schmale Korridore getrieben und mit lärmenden Anweisungen überschüttet hatte, und vielleicht hatte man ihnen unterwegs sogar die eine oder andere ihrer Habseligkeiten abgenommen.
Die Mutter würde ihre Erschöpfung und Bangigkeit trotzdem hinter einer stoischen Maske verbergen, wenn Calderon sie begrüßte. Überrascht und erfreut würde sie feststellen, dass ein guatemaltekischer Fahrer, jemand aus ihrer Heimat, sie erwartete, um sie in Amerika willkommen zu heißen, aber sie würde es nicht wagen, sich die Erleichterung anmerken zu lassen. Das verstand er. Sie waren alle so.
Calderon würde sich mit ihr anfreunden, indem er ihr Geschichten von seiner eigenen Reise nach Amerika vor fünfundzwanzig Jahren erzählte; die Erinnerung an seinen illegalen Grenzübertritt konnte er immer noch heraufbeschwören: Er und seine Mutter, eingezwängt in das enge Abteil unter der Ladefläche eines Kastenwagens, das Krachen des schrottreifen Getriebes, das ihm in den Ohren gellte, bis er überhaupt nichts mehr hören konnte, der ranzige Geruch eines Dutzends ungewaschener Menschenleiber - und seine Mutter, der die Angst die Kehle zuschnürte.
Wenn er den jungen und seine Mutter in seinem Lincoln Town Car untergebracht hätte, würde er mit warmherzigem Lächeln in den Rückspiegel schauen, die Schultern heben und mit leisem Lachen auf die Ähnlichkeit zwischen ihren beiden Reisen hinweisen: Wie immer du nach Amerika kommst, du kannst sicher sein, dass du mit Fremden eng zusammengepfercht wirst.
Die Mutter des jungen würde vielleicht nicht mal lächeln, aber die Geschichte würde ihr gefallen. Vielleicht würden ihre Schultern sich entspannen, weil er sie für einen kurzen Moment von ihren Sorgen abgelenkt hatte.
Calderon konnte sich die Angst der Mutter vorstellen. Ihr Sohn war krank - ein medizinisches Rätsel. Amerikanische Ärzte würden sich bemühen, das diagnostische Puzzle zu lösen. Amerikas sagenhafter Reichtum und sein Know-how standen einsatzbereit - alles nur für einen vierjährigen jungen aus einem winzigen Dorf im guatemaltekischen Regenwald.
Das gab es nur in Amerika.
Josue Chaca und seine Mutter ahnten nicht, dass Calderon sie empfangen würde. Er würde ihnen erklären, das sei nur eine kleine Willkommensgeste, noch ein Geschenk des University Children's Hospital, das sie aufnehmen würde.
Josue war einer der wenigen Auserwählten, beispielhaft für die amerikanische Großzügigkeit, scheinbar wahllos ausgesucht unter Millionen von Kindern auf der ganzen Welt, die ihre Missbildungen und Gebrechen einfach deshalb ertragen, weil sie keine andere Welt kennen.
Ein lautes Sirenensignal ertönte in der Gepäckausgabe, und ein rotes Licht über einem der Karussellbänder fing an zu blinken, als die Maschinerie ächzend zum Leben erwachte.
Als Calderon und seine Mutter in Amerika angekommen waren, waren blitzende rote Lichter der Feind. Damals waren Amerikas beträchtliche Ressourcen eine ständige Bedrohung gewesen, der Treibstoff für die niemals endende Angst seiner Mutter vor der Abschiebung. Am besten ging es ihnen, wenn niemand sie beobachtete, und am liebsten war es ihnen, wenn man sie in Ruhe ihr kärgliches Dasein fristen ließ. Calderon, ein kräftiger und gesunder Zwölfjähriger, war in eine Arbeitskolonne von Immigranten gesteckt worden, die bedenkenlos jeden zurückließ, der nicht Schritt halten konnte.
Das alles hatte sich geändert, als er an seinem achtzehnten Geburtstag amerikanischer Staatsbürger geworden war. Am selben Tag hatte er sich zum Militärdienst gemeldet. Und sein Leben hatte begonnen.
Sieben Jahre später hatte die US Army ihn hinausgeworfen wie einen Sack Müll, und seine Träume waren gestorben. Sein Magen verkrampfte sich, wenn er an den Abend dachte, an dem er in das schäbige Apartment seiner Mutter zurückgekehrt war. Die ganze Nacht hindurch hatte er ihre Schlafzimmertür angestarrt, die so verrottet war, dass selbst ihr ersticktes Weinen noch hindurchdrang. Wahrscheinlich hatte sie noch immer an die Schande ihres Sohnes gedacht, als das Erdbeben in Northridge sie unter dem Schutt von zwei Stockwerken begrub. Die Bürokraten der Behörden hätten sie retten können, aber sie ließen sie einfach ersticken.
Und dasselbe Amerika, das so viele Jahre lang wie eine Gewitterwolke über Calderon und seiner Mutter geschwebt hatte, dasselbe Amerika, das sie ausgeschieden hatte, als wären sie Giftmüll - dieses selbe Amerika spendete der Frau und ihrem Sohn jetzt Hilfe und Trost. Josue Chaca und seine Mutter bekamen eine Kostprobe vom American Dream, wenn auch nur für kurze Zeit.
Calderons Auftrag war einfach: Er sollte dafür sorgen, dass der Junge niemals im Krankenhaus ankam. Josue Chaca und seine Mutter würden irgendwann gefunden werden, vielleicht im feuchten, dumpfigen Durchgang zwischen zwei Häusern - neu eingetroffene Besucher, die willkürlicher Bandengewalt zum Opfer gefallen waren. Es war ein widerwärtiger Auftrag, notwendig nur wegen der nachlässigen Einstellung seines Kunden in punkto Sicherheit.
Sein Handy klingelte. Es war der individuelle Klingelton, der Mr Kong zugewiesen war, seinem »Spotter« am Gate. »Sind sie da?«, fragte Calderon.
»Wir haben ein Problem«, sagte Mr Kong. »Hier oben ist was im Gange ... «
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild
Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2007, S. Fischer Verlag
Aus dem Amerikanischen von Rainer Schmidt
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Autoren-Porträt von Philip Hawley
Bibliographische Angaben
- Autor: Philip Hawley
- 2008, 1, 528 Seiten, Maße: 13 x 19 cm, Geb. mit Su.
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3828993125
- ISBN-13: 9783828993129
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