Insel der Sterne
Die Deutsche Elsa hat ihren Job als Fernsehansagerin aufgegeben, doch es gibt jemanden in ihrem Leben, der sie nicht loslassen will. Und der schüchterne David hat nur einen Wunsch: sich gegen seinen dominierenden Vater durchzusetzen.
Einen langen Sommer verbringen diese vier Menschen auf der griechischen Insel Aghia Anna, kämpfen mit Zweifeln und Heimweh, erleben Glücksmomente und verbinden ihr Leben immer mehr mit dem der Menschen dort.
"Binchys Fans werden diesen sommerlichen Pageturner genießen!"
Publishers Weekly
Insel der Sterne von MaeveBinchy
LESEPROBE
Andreas war einerder Ersten, die das Feuer unten in der Bucht entdeckten. Er kniff die Augenzusammen und schüttelten ungläubig den Kopf. Nein, so etwas passierte hiernicht, nicht hier in Aghia Anna. Nicht der Olga, dem kleinen, rot-weißenAusflugsboot, das die Touristen hinaus in die Bucht schipperte. Und schon garnicht Manos, dem verrückten, eigensinnigen Manos, den er bereits als kleinenJungen gekannt hatte. Das musste ein Traum sein, eine optische Täuschung. Eskonnten unmöglich Rauch und Flammen aus der Olga schlagen.
Vielleicht ging esihm nicht gut. Einige der älteren Leute aus dem Dorf erzählten hin und wieder,dass sie sich Dinge einbildeten - an heißen Tagen und wenn sie am Abend zuvorzu viel raki, einen scharfen Tresterschnaps, getrunken hatten. AberAndreas war bereits früh zu Bett gegangen. Und er hatte in seinem Restaurantoben am Berg weder raki getrunken noch bis in die frühen Morgenstundengetanzt und gesungen.
Andreas schirmtemit der Hand seine Augen ab. In dem Moment zog eine Wolke über den Himmel, derlängst nicht mehr so strahlend wie noch kurz zuvor war. Er hatte sich bestimmtgetäuscht. Aber jetzt musste er sich wirklich zusammenreißen. Schließlich hatteer ein Restaurant zu führen. Die Leute, die über den steilen Pfad zu ihmheraufkamen, wollten sicher keinen irren Tavernenwirt antreffen, dem die Sonnedas Hirn verbrannt hatte und der sich Gott weiß welche Katastrophen in einemfriedlichen griechischen Dorf einbildete.
Andreas betrachtetenachdenklich die rot-grünen, abwaschbaren Tischtücher, die mit eckigenMetallklammern an den langen Holztischen auf der Terrasse vor seiner Tavernebefestigt waren. Ihm stand ein heißer Tag bevor, mit vielen Gästen zurMittagszeit. In großen, deutlichen Buchstaben hatte er die Speisekarte auf eineTafel geschrieben. Er fragte sich oft, wieso er das immer noch tat es gabohnehin jeden Tag das Gleiche. Aber seinen Gästen gefiel das, und außerdemschrieb er »Willkommen« in sechs Sprachen darunter. Auch das gefiel seinenGästen. Die Gerichte, die er anbot, waren nichts Ausgefallenes, zumindestnichts, das die Touristen nicht auch in einer der zwei Dutzend anderen kleinenTavernen am Ort hätten bekommen können. Es gab souvlaki und Lamm-Kebab.Eigentlich war es ja Ziegenfleisch, aber den Gästen behagte Lamm besser. Aufder Karte stand auch moussaka, das er heiß und dampfend in einer großen Auflaufform servierte. Und es gab denüblichen griechischen Salat mit großen Stücken von dem salzigen Feta-Käse undsaftigen, roten Tomaten. Fisch durfte natürlich auch nicht fehlen: barbouni,ganze Meerbarben, die darauf warteten, auf den Grill gelegt zu werden, undSteaks vom Schwertfisch. In der Kühlung lagerten große Bleche vollerlandestypischer Nachspeisen wie kataïfi und baklava, das ausNüssen, Honig und einer Art Blätterteig bestand. Der Weinkühlschrank enthieltgeharzten Retsina und andere Weine aus der Gegend. Weshalb kamen Touristen ausder ganzen Welt nach Griechenland? Weil ihnen gefiel, was Andreas und andere wieer ihnen hier zu bieten hatten.
Andreas konntejedem Touristen in Aghia Anna auf den Kopf zusagen, aus welchem Land er kam,und ihn mit ein paar Worten in seiner Sprache begrüßen. Es war ein Spiel fürihn, nachdem er jahrelang die Körpersprache und Gewohnheiten derunterschiedlichsten Nationalitätenstudiert hatte. So mochten die Engländer es nicht, wenn er ihnen eineSpeisekarte auf Deutsch hinlegte, und die Kanadier wollten auf keinen Fall mitAmerikanern verwechselt werden. Italiener hassten es, auf Französisch mit bonjourbegrüßt zu werden, und seine eigenen Landsleute wollten immer für wichtigeBesucher aus Athen und nicht für ausländische Touristen gehalten werden. So hatte Andreas gelernt, erstmal kritisch hinzuschauen, ehe er den Mund aufmachte. Als Andreas den steilenPfad entlangschaute, sah er die ersten Gäste des Tages heraufkommen. Er ließseinen Blick taxierend über sie wandern.
Als Erster kam einunauffälliger Mann in Shorts, wie sie nur Amerikaner trugen. Sie waren unförmigund wenig schmeichelhaft für Po und Beine, unterstrichen dafür umso mehr dieLächerlichkeit der menschlichen Gestalt. Der Mann war ohne Begleitung und bliebstehen, um durch ein Fernglas auf das Feuer hinunterzusehen. In kurzem Abstandfolgt eine schöne, junge Frau, die auf den ersten Blick als Deutsche zuerkennen war. Sie war groß und braun gebrannt, mit blonden Strähnen im Haar,die entweder von der Sonne oder aber von einem sehr teuren Friseur stammten.Auch sie blieb stehen und blickte schweigend und ungläubig auf die rot undorangefarben züngelnden Flammen, die an dem Boot in der Bucht von Aghia Annaleckten.
Nach ihr kam einjunger Mann, der klein und verloren wirkte und ständig seine Brille abnahm,putzte und wieder aufsetzte. Mit offenem Mund starrte er entsetzt auf dasbrennende Schiff in der Bucht. Und schließlich war da noch ein Paar, ebenfallsum die zwanzig, dem die Erschöpfungnach dem Aufstieg deutlich anzusehen war. Entweder Schotten oder Iren, dachteAndreas, doch er musste erst ihren Akzent hören. Der junge Mann bemühte sichmit arrogantem Gesichtsausdruck, den Eindruck zu erwecken, als hätte ihm derWeg auf den Berg nicht die geringste Mühe bereitet.
Als diese fünfMenschen nach oben blickten, sahen sie sich einem hoch gewachsenen Mann mitfast vollständig ergrautem Haar und buschigen Augenbrauen gegenüber, der leichtschief dastand.
»Das ist doch dasBoot, auf dem wir gestern waren.« Das Mädchen hatte entsetzt die Hand vor denMund geschlagen.
»O mein Gott. Das könnten wir sein.«
»Aber wir sind esnicht. Also reg dich nicht unnötig auf!«, erwiderte ihr Freund grimmig undmusterte verächtlich Andreas Schnürstiefel.
Und dann drang vonunten aus der Bucht das Geräusch einer Explosion zu ihnen herauf, und Andreaskonnte sich angesicht der grausamen Endgültigkeit der Erkenntnis nicht mehrverschließen, dass die Olga tatsächlich brannte. Das waren echteFlammen, nicht irgendeine Lichtspiegelung. Die anderen hatten das Feuerschließlich auch gesehen. Andreas konnte nicht länger vorgeben, ein alter Mannmit schlechten Augen zu sein. Plötzlich fing er zu zittern an und musste sichan einer Stuhllehne festhalten.
»Ich mussunbedingt meinen Bruder Yorghis anrufen. Er ist Polizist Vielleicht wissendie auf dem Polizeirevier ja noch nichts, weil sie das Feuer von unten nichtsehen können.«
»Doch, sie habenes schon entdeckt«, entgegnete der große Amerikaner leise. »Sehen Sie, es sindbereits Rettungsboote auf dem Weg.«
Aber Andreas eiltetrotzdem zum Telefon.
© DroemerKnaurVerlag
Übersetzung:Gabriela Schönberger
- Autor: Maeve Binchy
- 2005, 382 Seiten, Maße: 14,8 x 21,8 cm, Gebunden, Deutsch
- Aus d. Engl. v. Gabriela Schönberger
- Verlag: Knaur
- ISBN-10: 3426661810
- ISBN-13: 9783426661819
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