Inside Steuerfahndung
Ein Steuerfahnder verrät erstmals die Methoden und Geheimnisse der Behörde
Wie BKA und BND arbeitet die Steuerfahndung im Verborgenenen doch die weitreichenden Befugnisse der staatlichen Institution werden oft unterschätzt. Wie arbeitet die Steuerfahndung? Wie groß ist ihre Mach wirklich? Von einem Insider verfasst,...
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Produktinformationen zu „Inside Steuerfahndung “
Wie BKA und BND arbeitet die Steuerfahndung im Verborgenenen doch die weitreichenden Befugnisse der staatlichen Institution werden oft unterschätzt. Wie arbeitet die Steuerfahndung? Wie groß ist ihre Mach wirklich? Von einem Insider verfasst, vermittelt dieser Band einen Blick hinter die Kulissen.
Klappentext zu „Inside Steuerfahndung “
Neben BND und BKA gibt es eine staatliche Institution in der Bundesrepublik, deren weitreichende Befugnisse meistens unterschätzt werden - die Steuerfahndung. Was macht die Steuerfahndung? Wie arbeitet sie? Wie groß ist ihre Macht wirklich? Dieses Buch ist von einem absoluten Insider geschrieben und bietet einen Blick hinter die Kulissen einer Institution, über die die meisten Menschen fast nichts wissen, die aber allen ein latent unangenehmes Gefühl bereitet. Frank Wehrheim und die bundesweit gefürchtete Steuerfahndungsabteilung des Frankfurter Finanzamtes haben dem Staat im Laufe der Jahre mehr als eine Milliarde Euro hinterzogener Steuergelder beschert. Wehrheim war maßgeblich beteiligt an der Aufdeckung einer der größten Steuerskandale Deutschlands. Unter seiner Leitung wurde in den 90er Jahren eine deutsche Großbank bis in die Vorstandsetage hinein kontrolliert, was am Ende zu einer Steuernachzahlung von mehr als 200 Millionen Euro geführt hat. Frank Wehrheim und seine Kollegen haben auch in der CDU-Schwarzgeldaffäre gewühlt und das finstere Geschäftsgebahren großer Parteien offen gelegt. Bis die Frankfurter Steuerfahnder den Mächtigen des Landes zu gefährlich wurden und eiskalt abgesägt wurden. Frank Wehrheim erforscht die Hintergründe der Behörde und erzählt die spannendsten Fälle, die ihm in seiner langjährigen Berufslaufbahn untergekommen sind.
Lese-Probe zu „Inside Steuerfahndung “
Steuer Fahndung Inside - Ein Steuerfahnder wird gemacht von Frank Wehrheim & Michael GöseleDie Ausbildung
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Meine erste Begegnung mit einem Steuerfahnder hatte ich im Jahr 1974. Ich saß in der Lohnsteuerstelle des Finanzamtes Bad Homburg und war unter anderem für die Eintragung von Freibeträgen auf Lohnsteuerkarten zuständig, als ein Steuerfahnder aus Frankfurt in eigener Sache wegen seines Freibetrags bei mir vorsprach. Auch Finanzbeamte müssen Steuern bezahlen und in diesem Fall musste ein erfahrener Fahnder aus der Großstadt Frankfurt am Main den Steuerinspektor Wehrheim in Bad Homburg aufsuchen.
Während der Ausbildung hatte man nichts über die Steuerfahndungsstellen erfahren. Als junger Finanzbeamter wusste man zwar, dass es diese Abteilungen gab - mehr aber auch nicht. So nutzte ich die einmalige Gelegenheit, eine dieser »grauen Eminenzen« ein wenig über ihre Arbeit auszufragen. Dabei teilte mir der Mann ganz nebenbei mit, dass die Steuerfahndung (Steufa) Frankfurt zwei oder drei neue, junge Mitarbeiter suchen würde. Das war meine Chance. Ich hatte dann sofort zwei Tage später eine Art Vorstellungsgespräch bei dem damaligen Sachgebietsleiter der Steuerfahndung, und nur wenige Monate später durfte ich vom Finanzamt Bad Homburg in die Steufa Frankfurt am Main wechseln.
Ich stamme aus einer klassischen Beamtenfamilie. Großvater, Vater, Bruder und selbst die Schwägerin waren und sind bei der Hessischen Finanzverwaltung beschäftigt - im Grunde konnte ich von Haus aus keinen anderen Beruf für mich wählen. 1971 hatte ich die Laufbahnprüfung für den gehobenen Dienst gemacht und war zum Steuerinspektor ernannt worden. In der Folgezeit musste ich verschiedenen Tätigkeiten als Sachbearbeiter nachkommen: Lohnsteuer, Einkommenssteuerveranlagung sowie Vollstreckung und Außenprüfung in verschiedenen Finanzämtern in Frankfurt und in meiner Heimatstadt Bad Homburg. Ich war einigermaßen zufrieden und unabhängig, und ich hatte im Gegensatz zu vielen meiner ehemaligen Schulfreunde eine krisensichere Stelle. Aber es war eben nur ein Job - bis der Wechsel nach Frankfurt kam.
1975 hieß meine neue Dienststelle noch »Finanzamt Frankfurt am Main-Börse«, sie wurde erst im Jahr 1993 nach einer Neugliederung der Frankfurter Ämter in »Finanzamt Frankfurt am Main V« umbenannt. Dort sollte ich also ein Steuerfahnder werden. Eine schulische oder gar akademische Ausbildung hierfür gab es nicht. Man wurde Finanzbeamter und wechselte - möglicherweise - zur Steuerfahndung. Auch dort erhielt man nicht die klassische Ausbildung nach einem Lehrplan oder dergleichen - man lief vielmehr über mehrere Jahre hinweg mit einem erfahrenen Ermittler mit. Der didaktische Überbau hieß »Learning by Doing«, bis man in der Abteilung irgendwann zu der Erkenntnis gelangte, dass aus dem jungen Kollegen ein gestandener Steuerfahnder geworden war. So etwas dauerte in der Regel bis zu sieben Jahre. Ich selbst war etwa 1980 so weit und durfte mich fortan als ausgebildeter Fahnder fühlen. Bis dahin hatte ich an der Seite eines
gestandenen Ermittlers alles gelernt, was es für diesen Job brauchte. Mein »Ausbilder« galt gemeinhin als guter Ermittler. Korrekt, akribisch und mit einer Spürnase gesegnet, die in diesem Job nötig war. Der Mann mochte mich - wenn auch nicht immer mein äußeres Erscheinungsbild. Während mein Ausbilder stets in Anzug, Mantel, Hut und Aktenkoffer zu Durchsuchungsterminen ging, lief ich in Jeans, Pullover und Lederjacke neben ihm her und vermittelte allein durch mein Äußeres das Bild eines Juniorpartners. Nebenbei erwähnt, meine Dienstgarderobe änderte sich bis zu meinem späteren Job als Sachgebietsleiter nur unwesentlich.
Den Spürsinn, den man für den Fahndungsjob offensichtlich braucht, entwickelte ich schon verhältnismäßig früh. Im Grunde musste man als Fahnder über ein gehöriges Maß an krimineller Fantasie verfügen - und die hatte ich wohl. Ich sehe heute noch gestandene Kollegen ihre Köpfe schütteln, als der Steuerinspektor Wehrheim in ruhigen, gleichsam arbeitsfreien Momenten die vermeintlich unbedeutsamen Polizeimeldungen in den Lokalblättern studierte. Dabei interessierten mich vor allem die Berichte über Einbrüche - insbesondere in feinen Villenvierteln. So zum Beispiel: »Bei einem Einbruch in der Nacht von Sonntag auf Montag konnten Diebe in einem Wohnhaus Kunst- und Wertgegenstände in Höhe von 800 000 Mark erbeuten. Die Polizei erbittet Hinweise unter der Nummer ...«
Ein kurzer Anruf bei der jeweils zuständigen Polizeidienststelle genügte und man hatte an einem ruhigen Nachmittag rasch alles zusammen, was zu einem neuen Fall gereichte. Die Hausbesitzer - das waren Erfahrungswerte - gaben bei Einbrüchen den entstandenen Schaden naturgemäß stets im vollen Umfang an. Dies war allein wegen der jeweiligen Versicherungen uner-
lässlich, schließlich wollten die Geschädigten ihren Verlust auch wieder ersetzt bekommen. Was die Einbruchsopfer jedoch häufig nicht wissen konnten: In den Finanzämtern saßen mitunter junge, ambitionierte Finanzbeamte, die mithilfe der Steuerakten den für die Vermögenssteuer1 erklärten Besitz mit dem angeblich erbeuteten Diebesgut abglichen - und dabei nicht selten auf erhebliche Diskrepanzen stießen. Stimmten die versteuerten Vermögenswerte so gar nicht mit der Diebesbeute überein, stellten sich immer zwei Fragen: Gab es in diesen Fällen Hinweise auf einen kleinen Versicherungsbetrug, oder wurde vielleicht bei den Angaben zur Vermögenssteuer etwas unterschlagen? Nicht selten kamen am Ende von Ermittlungen beide Vorwürfe zum Tragen.
Damals hatte die Finanzverwaltung auch noch einen Lesedienst, der die Chiffreanzeigen der Tageszeitungen las und bei fragwürdigen Geschäftsangeboten mitunter Kontrollen einleitete. Im Norden der Republik wurden beispielsweise die Anzeigen der zum Verkauf stehenden Yachten studiert und die Besitzer einer Überprüfung unterzogen. Unterschätzen durfte man die Finanzämter in der Regel nicht.
Jugend forscht
Eine meiner ersten eigenständigen Ermittlungen gegen einen Steuersünder darf man getrost unter dem Kapitel »Jugend forscht« ablegen - sie endete in einem kleinen Fiasko.
Der Hinweis zur Ermittlung kam von einem Betriebsprüfer. Der Finanzbeamte wohnte in einer kleinen Gemeinde im Spessart und musste jeden Tag auf seinem Weg zum Finanzamt an dem Anwesen eines Handwerkers vorbeifahren. Vor dem Haus standen regelmäßig ein Lamborghini, ein Range Rover und diverse andere teure Fahrzeuge, und durch ein kleines Loch in der festungsgleichen Hecke, die das riesige Grundstück umrandete, blitzte das blaue Becken eines Swimmingpools, der bezüglich seiner Größe durchaus Olympiastandards entsprach.
Dieser Betriebsprüfer hatte das Unternehmen des Sportwagenfahrers aus reiner Neugier unter die Lupe genommen und verschiedene Unregelmäßigkeiten entdeckt. Lebensstil und versteuerte Gewinne dieses Menschen waren einfach nicht in Einklang zu bringen - was aus meiner Erfahrung übrigens einer der häufigsten Fehler von Steuerhinterziehern ist. Vor dem Finanzamt kleine, nur knapp über dem Existenzminimum liegende Erträge angeben und nach außen hin die Lebensführung eines Millionärs zur Schau stellen - so etwas konnte in der Regel auf längere Sicht nicht gut gehen.
Der Finanzbeamte vom Lande hatte sich in diesen Fall festgebissen und war dabei auf dubiose Bankgeschäfte mit Ägypten und dem Sudan gestoßen. Er vermochte das undurchsichtige Finanzkonstrukt des wohlhabenden Handwerkers jedoch nicht restlos zu durchschauen. Irgendwann stand der Betriebsprüfer vor meinem Tisch, reichte mir seine Unterlagen und sagte: »Hier ist etwas faul. Aber ich bekomme diesen Kandidaten mit meinen Mitteln nicht zu fassen - das ist eher etwas für euch Fahnder!«
Nach der Durchsicht sämtlicher Unterlagen, die mir der Finanzbeamte dagelassen hatte, fiel auch mir eine Sache zuallererst
ins Auge: Bei dem selbstständigen Handwerker passte in der Tat nichts zusammen. Haus, Anwesen und Fuhrpark und die beim Finanzamt eingereichten Betriebsergebnisse waren nicht kompatibel; zudem hatte der Mann für eine notwendige Firmeninvestition urplötzlich einen hohen sechsstelligen Betrag zur Verfügung, den er mit seinen verbuchten Gewinnen eigentlich kaum besitzen konnte. Wir mussten also durchsuchen - ein Mittel, das ganz am Ende einer Kette von Überprüfungen steht und als Ultima Ratio bei der Aufklärung von Steuerhinterziehungen gesehen werden muss.
Ich hatte mir - wie es der Gesetzgeber verlangt - bei Gericht einen Durchsuchungsbeschluss geholt, und an einem schönen Morgen im Frühherbst klingelten wir am Tor des vornehmen Handwerkeranwesens. Unser Beschuldigter öffnete die Tür und baute sich mit seinen gut 1,90 Metern und geschätzten 120 Kilo Gewicht mit grimmiger Miene vor uns auf. Einer der unschönen Momente im Leben eines Steuerfahnders, aber der Mann sah bedrohlicher aus, als er es in Wirklichkeit war. Er ließ uns ohne weitere Fragen eintreten, sagte kaum ein Wort und beobachtete mit eng zusammengekniffenen Augen, wie wir eine Schublade nach der anderen in seinem Schreibtisch öffneten.
Schon bei der Durchsicht der ersten Unterlagen stieß ich schnell auf einen veritablen Versicherungsbetrug in Zusammenhang mit einem mutmaßlich fingierten Einbruch, aber das hatten andere Stellen zu bearbeiten. Uns interessierte in erster Linie seine Buchhaltung, oder zumindest das, was dieser Mann als Buchhaltung bezeichnete. Nachdem wir alles durchsucht und verschiedene Dokumente in Kartons gepackt hatten, stellte ich dem Hausbesitzer ein paar Fragen zu den großzügigen Investitionen, die er zuletzt in seiner Firma getätigt hatte. Die Erklärung kam umgehend: arabische Geldgeber. Der Handwerker gab uns sogar den Namen eines ausländischen Geschäftspartners: El Kalif aus Kairo. Wir nahmen seine Informationen auf und zogen uns am frühen Nachmittag wieder in unsere Dienststelle zurück.
Die arabischen Geldgeber waren merkwürdigerweise nicht zu identifizieren. Weder im Hotel »InterContinental«, in dem El Kalif angeblich abgestiegen war, noch in der ägyptischen Botschaft, die wir im Zuge unserer Ermittlungen kontaktiert hatten, war irgendein Hinweis auf die Existenz dieses Menschen zu erhalten. Die Spuren führten allesamt ins Nichts, doch es stellte sich ein weiteres Mal heraus, dass unsere natürlichen Gegner - die Steuersünder - in der Regel nicht wissen, welche Spuren ein Steuerfahnder verfolgt und welche Möglichkeiten und Befugnisse er bei seinen Recherchen hat.
Mit unseren Zweifeln ob der Existenz seiner arabischen Partner konfrontiert, berichtete der Handwerker von einer weiteren Geldquelle: Er habe in den vergangenen Jahren beim Fußball-Toto regelmäßig stattliche Gewinne verzeichnen können, und aus diesen Mitteln stamme auch ein Großteil des Geldes für seine Betriebsinvestitionen. Aber auch diese Geschichte ging nicht auf. Ein Besuch bei der hessischen Lottozentrale in Wiesbaden ergab zwar, dass unser mutmaßlicher Steuersünder ein paar Gewinne verbuchen konnte, aber letztlich war auch diese Version der Geschichte geplatzt. Die Erträge seiner Lotteriegewinne waren zu gering, als dass sie eine Erklärung für seine Geldflüsse hätten sein können. Dem Mann war offenbar nicht bewusst, dass Steuerfahndungsstellen in einem Strafverfahren im Zweifel auch Auskünfte bei Lotteriegesellschaften einholen können und so Informationen erhalten, die normalerweise durch den Datenschutz gesichert sind.
Meine erste Begegnung mit einem Steuerfahnder hatte ich im Jahr 1974. Ich saß in der Lohnsteuerstelle des Finanzamtes Bad Homburg und war unter anderem für die Eintragung von Freibeträgen auf Lohnsteuerkarten zuständig, als ein Steuerfahnder aus Frankfurt in eigener Sache wegen seines Freibetrags bei mir vorsprach. Auch Finanzbeamte müssen Steuern bezahlen und in diesem Fall musste ein erfahrener Fahnder aus der Großstadt Frankfurt am Main den Steuerinspektor Wehrheim in Bad Homburg aufsuchen.
Während der Ausbildung hatte man nichts über die Steuerfahndungsstellen erfahren. Als junger Finanzbeamter wusste man zwar, dass es diese Abteilungen gab - mehr aber auch nicht. So nutzte ich die einmalige Gelegenheit, eine dieser »grauen Eminenzen« ein wenig über ihre Arbeit auszufragen. Dabei teilte mir der Mann ganz nebenbei mit, dass die Steuerfahndung (Steufa) Frankfurt zwei oder drei neue, junge Mitarbeiter suchen würde. Das war meine Chance. Ich hatte dann sofort zwei Tage später eine Art Vorstellungsgespräch bei dem damaligen Sachgebietsleiter der Steuerfahndung, und nur wenige Monate später durfte ich vom Finanzamt Bad Homburg in die Steufa Frankfurt am Main wechseln.
Ich stamme aus einer klassischen Beamtenfamilie. Großvater, Vater, Bruder und selbst die Schwägerin waren und sind bei der Hessischen Finanzverwaltung beschäftigt - im Grunde konnte ich von Haus aus keinen anderen Beruf für mich wählen. 1971 hatte ich die Laufbahnprüfung für den gehobenen Dienst gemacht und war zum Steuerinspektor ernannt worden. In der Folgezeit musste ich verschiedenen Tätigkeiten als Sachbearbeiter nachkommen: Lohnsteuer, Einkommenssteuerveranlagung sowie Vollstreckung und Außenprüfung in verschiedenen Finanzämtern in Frankfurt und in meiner Heimatstadt Bad Homburg. Ich war einigermaßen zufrieden und unabhängig, und ich hatte im Gegensatz zu vielen meiner ehemaligen Schulfreunde eine krisensichere Stelle. Aber es war eben nur ein Job - bis der Wechsel nach Frankfurt kam.
1975 hieß meine neue Dienststelle noch »Finanzamt Frankfurt am Main-Börse«, sie wurde erst im Jahr 1993 nach einer Neugliederung der Frankfurter Ämter in »Finanzamt Frankfurt am Main V« umbenannt. Dort sollte ich also ein Steuerfahnder werden. Eine schulische oder gar akademische Ausbildung hierfür gab es nicht. Man wurde Finanzbeamter und wechselte - möglicherweise - zur Steuerfahndung. Auch dort erhielt man nicht die klassische Ausbildung nach einem Lehrplan oder dergleichen - man lief vielmehr über mehrere Jahre hinweg mit einem erfahrenen Ermittler mit. Der didaktische Überbau hieß »Learning by Doing«, bis man in der Abteilung irgendwann zu der Erkenntnis gelangte, dass aus dem jungen Kollegen ein gestandener Steuerfahnder geworden war. So etwas dauerte in der Regel bis zu sieben Jahre. Ich selbst war etwa 1980 so weit und durfte mich fortan als ausgebildeter Fahnder fühlen. Bis dahin hatte ich an der Seite eines
gestandenen Ermittlers alles gelernt, was es für diesen Job brauchte. Mein »Ausbilder« galt gemeinhin als guter Ermittler. Korrekt, akribisch und mit einer Spürnase gesegnet, die in diesem Job nötig war. Der Mann mochte mich - wenn auch nicht immer mein äußeres Erscheinungsbild. Während mein Ausbilder stets in Anzug, Mantel, Hut und Aktenkoffer zu Durchsuchungsterminen ging, lief ich in Jeans, Pullover und Lederjacke neben ihm her und vermittelte allein durch mein Äußeres das Bild eines Juniorpartners. Nebenbei erwähnt, meine Dienstgarderobe änderte sich bis zu meinem späteren Job als Sachgebietsleiter nur unwesentlich.
Den Spürsinn, den man für den Fahndungsjob offensichtlich braucht, entwickelte ich schon verhältnismäßig früh. Im Grunde musste man als Fahnder über ein gehöriges Maß an krimineller Fantasie verfügen - und die hatte ich wohl. Ich sehe heute noch gestandene Kollegen ihre Köpfe schütteln, als der Steuerinspektor Wehrheim in ruhigen, gleichsam arbeitsfreien Momenten die vermeintlich unbedeutsamen Polizeimeldungen in den Lokalblättern studierte. Dabei interessierten mich vor allem die Berichte über Einbrüche - insbesondere in feinen Villenvierteln. So zum Beispiel: »Bei einem Einbruch in der Nacht von Sonntag auf Montag konnten Diebe in einem Wohnhaus Kunst- und Wertgegenstände in Höhe von 800 000 Mark erbeuten. Die Polizei erbittet Hinweise unter der Nummer ...«
Ein kurzer Anruf bei der jeweils zuständigen Polizeidienststelle genügte und man hatte an einem ruhigen Nachmittag rasch alles zusammen, was zu einem neuen Fall gereichte. Die Hausbesitzer - das waren Erfahrungswerte - gaben bei Einbrüchen den entstandenen Schaden naturgemäß stets im vollen Umfang an. Dies war allein wegen der jeweiligen Versicherungen uner-
lässlich, schließlich wollten die Geschädigten ihren Verlust auch wieder ersetzt bekommen. Was die Einbruchsopfer jedoch häufig nicht wissen konnten: In den Finanzämtern saßen mitunter junge, ambitionierte Finanzbeamte, die mithilfe der Steuerakten den für die Vermögenssteuer1 erklärten Besitz mit dem angeblich erbeuteten Diebesgut abglichen - und dabei nicht selten auf erhebliche Diskrepanzen stießen. Stimmten die versteuerten Vermögenswerte so gar nicht mit der Diebesbeute überein, stellten sich immer zwei Fragen: Gab es in diesen Fällen Hinweise auf einen kleinen Versicherungsbetrug, oder wurde vielleicht bei den Angaben zur Vermögenssteuer etwas unterschlagen? Nicht selten kamen am Ende von Ermittlungen beide Vorwürfe zum Tragen.
Damals hatte die Finanzverwaltung auch noch einen Lesedienst, der die Chiffreanzeigen der Tageszeitungen las und bei fragwürdigen Geschäftsangeboten mitunter Kontrollen einleitete. Im Norden der Republik wurden beispielsweise die Anzeigen der zum Verkauf stehenden Yachten studiert und die Besitzer einer Überprüfung unterzogen. Unterschätzen durfte man die Finanzämter in der Regel nicht.
Jugend forscht
Eine meiner ersten eigenständigen Ermittlungen gegen einen Steuersünder darf man getrost unter dem Kapitel »Jugend forscht« ablegen - sie endete in einem kleinen Fiasko.
Der Hinweis zur Ermittlung kam von einem Betriebsprüfer. Der Finanzbeamte wohnte in einer kleinen Gemeinde im Spessart und musste jeden Tag auf seinem Weg zum Finanzamt an dem Anwesen eines Handwerkers vorbeifahren. Vor dem Haus standen regelmäßig ein Lamborghini, ein Range Rover und diverse andere teure Fahrzeuge, und durch ein kleines Loch in der festungsgleichen Hecke, die das riesige Grundstück umrandete, blitzte das blaue Becken eines Swimmingpools, der bezüglich seiner Größe durchaus Olympiastandards entsprach.
Dieser Betriebsprüfer hatte das Unternehmen des Sportwagenfahrers aus reiner Neugier unter die Lupe genommen und verschiedene Unregelmäßigkeiten entdeckt. Lebensstil und versteuerte Gewinne dieses Menschen waren einfach nicht in Einklang zu bringen - was aus meiner Erfahrung übrigens einer der häufigsten Fehler von Steuerhinterziehern ist. Vor dem Finanzamt kleine, nur knapp über dem Existenzminimum liegende Erträge angeben und nach außen hin die Lebensführung eines Millionärs zur Schau stellen - so etwas konnte in der Regel auf längere Sicht nicht gut gehen.
Der Finanzbeamte vom Lande hatte sich in diesen Fall festgebissen und war dabei auf dubiose Bankgeschäfte mit Ägypten und dem Sudan gestoßen. Er vermochte das undurchsichtige Finanzkonstrukt des wohlhabenden Handwerkers jedoch nicht restlos zu durchschauen. Irgendwann stand der Betriebsprüfer vor meinem Tisch, reichte mir seine Unterlagen und sagte: »Hier ist etwas faul. Aber ich bekomme diesen Kandidaten mit meinen Mitteln nicht zu fassen - das ist eher etwas für euch Fahnder!«
Nach der Durchsicht sämtlicher Unterlagen, die mir der Finanzbeamte dagelassen hatte, fiel auch mir eine Sache zuallererst
ins Auge: Bei dem selbstständigen Handwerker passte in der Tat nichts zusammen. Haus, Anwesen und Fuhrpark und die beim Finanzamt eingereichten Betriebsergebnisse waren nicht kompatibel; zudem hatte der Mann für eine notwendige Firmeninvestition urplötzlich einen hohen sechsstelligen Betrag zur Verfügung, den er mit seinen verbuchten Gewinnen eigentlich kaum besitzen konnte. Wir mussten also durchsuchen - ein Mittel, das ganz am Ende einer Kette von Überprüfungen steht und als Ultima Ratio bei der Aufklärung von Steuerhinterziehungen gesehen werden muss.
Ich hatte mir - wie es der Gesetzgeber verlangt - bei Gericht einen Durchsuchungsbeschluss geholt, und an einem schönen Morgen im Frühherbst klingelten wir am Tor des vornehmen Handwerkeranwesens. Unser Beschuldigter öffnete die Tür und baute sich mit seinen gut 1,90 Metern und geschätzten 120 Kilo Gewicht mit grimmiger Miene vor uns auf. Einer der unschönen Momente im Leben eines Steuerfahnders, aber der Mann sah bedrohlicher aus, als er es in Wirklichkeit war. Er ließ uns ohne weitere Fragen eintreten, sagte kaum ein Wort und beobachtete mit eng zusammengekniffenen Augen, wie wir eine Schublade nach der anderen in seinem Schreibtisch öffneten.
Schon bei der Durchsicht der ersten Unterlagen stieß ich schnell auf einen veritablen Versicherungsbetrug in Zusammenhang mit einem mutmaßlich fingierten Einbruch, aber das hatten andere Stellen zu bearbeiten. Uns interessierte in erster Linie seine Buchhaltung, oder zumindest das, was dieser Mann als Buchhaltung bezeichnete. Nachdem wir alles durchsucht und verschiedene Dokumente in Kartons gepackt hatten, stellte ich dem Hausbesitzer ein paar Fragen zu den großzügigen Investitionen, die er zuletzt in seiner Firma getätigt hatte. Die Erklärung kam umgehend: arabische Geldgeber. Der Handwerker gab uns sogar den Namen eines ausländischen Geschäftspartners: El Kalif aus Kairo. Wir nahmen seine Informationen auf und zogen uns am frühen Nachmittag wieder in unsere Dienststelle zurück.
Die arabischen Geldgeber waren merkwürdigerweise nicht zu identifizieren. Weder im Hotel »InterContinental«, in dem El Kalif angeblich abgestiegen war, noch in der ägyptischen Botschaft, die wir im Zuge unserer Ermittlungen kontaktiert hatten, war irgendein Hinweis auf die Existenz dieses Menschen zu erhalten. Die Spuren führten allesamt ins Nichts, doch es stellte sich ein weiteres Mal heraus, dass unsere natürlichen Gegner - die Steuersünder - in der Regel nicht wissen, welche Spuren ein Steuerfahnder verfolgt und welche Möglichkeiten und Befugnisse er bei seinen Recherchen hat.
Mit unseren Zweifeln ob der Existenz seiner arabischen Partner konfrontiert, berichtete der Handwerker von einer weiteren Geldquelle: Er habe in den vergangenen Jahren beim Fußball-Toto regelmäßig stattliche Gewinne verzeichnen können, und aus diesen Mitteln stamme auch ein Großteil des Geldes für seine Betriebsinvestitionen. Aber auch diese Geschichte ging nicht auf. Ein Besuch bei der hessischen Lottozentrale in Wiesbaden ergab zwar, dass unser mutmaßlicher Steuersünder ein paar Gewinne verbuchen konnte, aber letztlich war auch diese Version der Geschichte geplatzt. Die Erträge seiner Lotteriegewinne waren zu gering, als dass sie eine Erklärung für seine Geldflüsse hätten sein können. Dem Mann war offenbar nicht bewusst, dass Steuerfahndungsstellen in einem Strafverfahren im Zweifel auch Auskünfte bei Lotteriegesellschaften einholen können und so Informationen erhalten, die normalerweise durch den Datenschutz gesichert sind.
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Autoren-Porträt von Frank Wehrheim, Michael Gösele
Frank Wehrheim, geboren 1949 in Bad Homburg, arbeitete von 1967 bis 2009 als Leitender Beamter bei der hessischen Landesfinanzverwaltung. Davon war er 28 Jahre im Steuerfahndungsdienst, zuletzt als Sachgebietsleiter bei der Steuerfahndung in Erfurt und Frankfurt/Main tätig. Seit April 2009 lebt und arbeitet Frank Wehrheim als selbstständiger Steuerberater in Bad Homburg.
Bibliographische Angaben
- Autoren: Frank Wehrheim , Michael Gösele
- 2011, 247 Seiten, Maße: 15,4 x 21,5 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: riva Verlag
- ISBN-10: 3868831053
- ISBN-13: 9783868831054
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