Jenseits der Finsterbach-Brücke

Antonia Michaelis wurde in Kiel geboren und ist in Augsburg aufgewachsen. Sie hat in Greifswald Medizin studiert und unter anderem in Indien, Nepal und Peru gearbeitet. Heute lebt sie mit Mann und drei Töchtern gegenüber der Insel Usedom im Nichts, wo sie zwischen Seeadlern, Reet und Brennnesseln in einem alten Haus lauter abstruse Geschichten schreibt.

Dafür ist es gut, als Erwachsener Kinder und Jugendbücher zu lesen: Man wird daran erinnert, wie etabliert man ist und wie leicht man Gefahr läuft, diese Privilegien zu verteidigen - gegen andere, und wenn es nur in Gedanken ist. Jedenfalls fiel mir beim Lesen dieses Buches wieder ein, wie ich mich fühlte, als die ersten Flüchtlingsschiffe, damals noch aus Albanien, in Italien landeten. Und als dann immer mehr Boote aus Afrika strandeten, breitete sich ein dumpfes Gefühl im Bauch aus ... Flüchtlingslager in der "Wieskirche"? Wo soll unsere Kultur, die Schönheit unserer Lebensbedingungen, bleiben, wenn eine immer größer werdende Gruppe von Menschen, denen es nie möglich war zu lernen, mit Kunst umzugehen, alles verwüstet? So ungefähr empfindet Flint, der in seiner Jugend aus der "Schwarzen Stadt" in den Norderwald gezogen ist und dort ein kleines Paradies geschaffen hat. Für wenige Menschen ist es möglich, im grünen Naturschutzgebiet zu leben, und um sicher zu gehen, dass niemand aus der Stadt des Bergwerks und der Fabrik dazu kommen kann, ist die Mauer, die sich dem Finsterbach entlang schmiegt, ein weitgehender Schutz. Aber noch sicherer ist die Warnung, dass sich hinter der Mauer ehemaliges Militärgebiet befindet und die Erde vollkommen vermint ist. Doch kleine Jungen, die Sehnsucht haben nach der Welt und nach einem Freund, kennen keine Angst: Lasse aus dem Norderwald und Joern aus der Stadt entdecken ein Loch in der Mauer und auf der anderen Seite den jeweils anderen Jungen. Eine Brücke über den Bach zu bauen und durch das Loch zu kriechen ist kein Problem, aber die Geschichte der Erwachsenen, ihre Verletzlichkeiten, ihre Ängste und ihre Abwehr, zuzulassen, dass aus zwei verfeindeten Teilen ein friedliches Ganzes werden kann, das bedeutet für die mutigen Kinder, viele Abenteuer zu bestehen, Gefahren zu meistern und vor allem die Erwachsenen zu gewinnen