Ketzer
Giordano Bruno, als Ketzer auf der Flucht durch halb Europa, gerät in die erbarmungslosen Auseinandersetzungen zwischen englischer Staatsmacht und zu allem entschlossenen papsttreuen Fanatikern.
Auf der Flucht vor der Inquisition kommt Giordano...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Ketzer “
Giordano Bruno, als Ketzer auf der Flucht durch halb Europa, gerät in die erbarmungslosen Auseinandersetzungen zwischen englischer Staatsmacht und zu allem entschlossenen papsttreuen Fanatikern.
Auf der Flucht vor der Inquisition kommt Giordano Bruno nach Oxford. An seinem ersten Morgen im Lincoln College wird er von einem wild bellenden Hund und den entsetzlichen Schmerzensschreien eines Mannes geweckt. Das Tier wurde auf das Opfer gehetzt, doch der Rektor schweigt. Als ein weiterer Geistlicher, der dem katholischen Glauben abgeschworen hatte, brutal ermordet wird, fürchtet Bruno, dass er der Nächste sein könnte, denn der Mörder scheint es auf Glaubensverräter abgesehen zu haben. Holt Bruno die Vergangenheit, vor der er geflohen ist, wieder ein? Und welche Rolle spielt dabei die geheimnisvolle Tochter des Rektors, die sich verdächtig für Alchemie interessiert und für die der Mönch verbotene Gefühle hegt?
Der streitbare Freigeist Giordano Bruno begibt sich auf den gefährlichen schmalen Grat zwischen Glauben und Ketzerei.
Klappentext zu „Ketzer “
Ewig sollst du leiden für deine Sünden Giordano Bruno, als Ketzer auf der Flucht durch halb Europa, gerät in die erbarmungslosen Auseinandersetzungen zwischen englischer Staatsmacht und zu allem entschlossenen papsttreuen Fanatikern.
Auf der Flucht vor der Inquisition kommt Giordano Bruno nach Oxford. An seinem ersten Morgen im Lincoln College wird er von einem wild bellenden Hund und den entsetzlichen Schmerzensschreien eines Mannes geweckt. Das Tier wurde auf das Opfer gehetzt, doch der Rektor schweigt. Als ein weiterer Geistlicher, der dem katholischen Glauben abgeschworen hatte, brutal ermordet wird, fürchtet Bruno, dass er der Nächste sein könnte, denn der Mörder scheint es auf Glaubensverräter abgesehen zu haben. Holt Bruno die Vergangenheit, vor der er geflohen ist, wieder ein? Und welche Rolle spielt dabei die geheimnisvolle Tochter des Rektors, die sich verdächtig für Alchemie interessiert und für die der Mönch verbotene Gefühle hegt?
Der streitbare Freigeist Giordano Bruno begibt sich auf den gefährlichen schmalen Grat zwischen Glauben und Ketzerei.
Lese-Probe zu „Ketzer “
Ketzer von Stephanie ParrisProlog
Kloster San Domenico Maggiore Neapel
1576
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Die Tür wurde mit einem Knall aufgestoßen, der im Gang widerhallte, und die Bodendielen erzitterten unter dem entschlossenen Stampfen mehrerer Fußpaare. In dem winzigen Abort, in dem ich auf einem Brett kauerte - so weit wie möglich von dem Loch entfernt, unter dem sich die Senkgrube befand - begann meine kleine Kerze in dem plötzlichen Luftzug zu flackern und ließ wabernde Schatten über die steinernen Wände tanzen. Allora, dachte ich, bevor ich den Kopf hob. Jetzt kamen sie mich also doch holen.
Die Schritte machten vor der Tür Halt. Im nächsten Moment hämmerte jemand wütend mit der Faust gegen das Holz, und die heisere Stimme des Abtes ertönte. Sein üblicher ruhiger, diplomatischer Tonfall war einem erregten Krächzen gewichen.
»Bruder Giordano! Ich befehle Euch, unverzüglich herauszukommen, und haltet das, was Ihr in den Händen habt, gut sichtbar vor Euch!«
Ich hörte einen der Mönche in seiner Begleitung leise kichern, gefolgt von einem missbilligenden Zungenschnalzen seitens unseres Abtes, Padre Domenico Vita, und musste trotz meiner misslichen Lage innerlich grinsen. Fra Vita war ein Mann, der unter normalen Umständen wirkte, als empfände er sämtliche menschlichen Körperfunktionen als persönliche Beleidigung.
Es musste ihn beispiellose Überwindung kosten, einen seiner
Mönche an einem derart unziemlichen Ort zur Rede zu stellen.
»Einen Moment bitte, Padre!«, erwiderte ich, dabei löste ich die Kordel an der Kutte, damit es so aussähe, als hätte ich den Abtritt wirklich zu seinem eigentlichen Zweck benutzt. Dann betrachtete ich das Buch in meiner Hand. Flüchtig erwog ich, es irgendwo unter meiner Kutte zu verstecken, sah dann aber ein, dass das nichts bringen würde - man würde mich gründlich durchsuchen, sowie ich den Abtritt verlassen hätte.
»Keinen Moment mehr, Bruder«, zischte der Abt durch die geschlossene Tür. Eine unterschwellige Drohung schlich sich in seine Stimme. »Ihr habt heute Abend mehr als zwei Stunden auf dem Abtritt verbracht. Ich denke, das reicht!«
»Ich muss etwas Verdorbenes gegessen haben, Padre«, bekundete ich, bevor ich das Buch voller Bedauern in das Loch warf und dabei laut hustete, um das Platschen zu übertönen, mit dem es in die Grube fiel. Zu schade, es war eine besonders schöne Ausgabe gewesen.
Dann schob ich den Riegel zurück, öffnete die Tür und sah mich meinem Abt gegenüber. Seine unerbittlichen Gesichtszüge vibrierten fast vor aufgestautem Zorn, was noch durch den flackernden Schein der Fackeln unterstrichen wurde, die die vier hinter ihm stehenden und mich angewidert und fasziniert zugleich anstarrenden Mönche in die Höhe hielten.
»Rührt Euch nicht von der Stelle, Bruder Giordano«, wies mich Vita an, dabei drohte er mir warnend mit dem Finger. »Für einen Fluchtversuch ist es zu spät.«
Er stapfte in den Verschlag, rümpfte ob des Gestanks voller Ekel die Nase und leuchtete dann mit seiner Laterne in jede einzelne Ecke. Als er nichts Verdächtiges fand, wandte er sich an die Männer hinter ihm.
»Durchsucht ihn!«, bellte er.
Die Ordensbrüder wechselten verwirrte Blicke, dann trat der verschlagene Toskaner Bruder Agostino da Montalcino mit einem unangenehmen Lächeln vor. Er hatte mich noch nie gemocht, aber seine Abneigung war in offene Feindseligkeit umgeschlagen, nachdem ich ihn vor einigen Monaten in einem Streitgespräch über die arianische Ketzerei ausgestochen hatte. Danach hatte er das Gerücht verbreitet, ich würde die Göttlichkeit Christi leugnen. Ohne Zweifel hatte er mir den Abt auf den Hals gehetzt.
»Verzeih mir, Bruder Giordano«, murmelte er höhnisch, bevor er mich abzutasten begann. Seine Hände glitten erst über meine Taille und anschließend an meinen Schenkeln hinunter.
»Versuch bitte, nicht allzu viel Vergnügen daran zu finden«, knurrte ich.
»Ich befolge nur die Befehle meines Superiors«, versetzte er. Nachdem er mit der Durchsuchung fertig war, richtete er sich auf und sah Padre Vita sichtlich enttäuscht an. »In seiner Kutte hat er nichts versteckt, Padre.«
Abt Vita trat einen Schritt auf mich zu und funkelte mich einen Moment lang wortlos an. Sein Gesicht war dem meinen so nah, dass ich die borstigen Haare auf seiner Nase zählen und den schalen Zwiebelgestank seines Atems riechen konnte.
»Die Sünde unseres Urvaters bestand in seinem Wunsch, sich verbotenes Wissen anzueignen.« Er betonte jedes Wort sorgfältig und befeuchtete sich beim Sprechen mit der Zunge die Lippen. »Er glaubte, er könne Gott gleich werden. Und dieser Sünde macht Ihr Euch auch schuldig, Giordano Bruno. Ihr seid einer der begabtesten jungen Männer, mit denen ich während meiner Jahre in San Domenico Maggiore zu tun gehabt habe, doch Eure Neugier und Euer Stolz auf Eure Fähigkeiten halten Euch davon ab, Eure Gaben zum Ruhm der Kirche zu nutzen. Es ist an der Zeit, dass sich der Vater Inquisitor einmal mit Euch befasst.«
»Nein, Padre, bitte - ich habe nichts Unrechtes getan«, protestierte ich, als er sich zum Gehen wandte, doch in diesem Moment erklang hinter ihm Montalcinos Stimme.
»Hochwürdigster Vater Abt! Hier ist etwas, das Ihr Euch ansehen solltet!« Er hielt seine Fackel in das Loch des Abtritts. Ein Ausdruck boshafter Freude trat auf sein Gesicht.
Vita erbleichte, beugte sich aber vor, um zu sehen, was der Toskaner entdeckt hatte. Sichtlich zufrieden drehte er sich zu mir um.
»Bruder Giordano - kehrt in Eure Zelle zurück und erwartet dort meine weiteren Befehle. Diese Angelegenheit muss unverzüglich der Heiligen Inquisition gemeldet werden. Bruder Montalcino -- holt das Buch aus dem Abtritt! Wir wollen uns mit eigenen Augen davon überzeugen, welche ketzerischen Werke unser Bruder hier mit einem Eifer studiert, den er meines Wissens der Heiligen Schrift noch nie gewidmet hat.«
Montalcinos entsetzter Blick wanderte von mir zum Abt. Ich hatte lange genug auf dem Abtritt gehockt, um mich an den Gestank gewöhnt zu haben, aber bei der Vorstellung, die Hand in die Grube unter dem Holzbrett tauchen zu müssen, stieg Übelkeit in mir auf. Dennoch strahlte ich Montalcino an.
»Ich, Vater Abt?«, fragte dieser mit sich überschlagender Stimme.
»Ja, Ihr, Bruder -- und beeilt Euch gefälligst.« Abt Vita zog seinen Umhang zum Schutz vor der kühlen Nachtluft enger um sich.
»Ich kann Euch die Mühe ersparen«, warf ich ein. »Es sind nur Erasmus' Kommentare. Sie enthalten keine schwarze Magie.«
»Die Werke von Erasmus stehen auf dem Index verbotener Bücher der Inquisition, wie Ihr sehr wohl wisst, Bruder Giordano«, entgegnete Vita grimmig. Wieder fixierte er mich mit einem emotionslosen Blick. »Aber wir werden ja sehen. Ihr habt uns lange genug zum Narren gehalten. Es ist an der Zeit, die Reinheit Eures Glaubens auf die Probe zu stellen. Bruder Battista!« Das galt einem der anderen Mönche mit Fackeln, der diensteifrig näher kam. »Schickt nach dem Vater Inquisitor!«
Ich hätte auf die Knie fallen und um Gnade flehen können, das wäre jedoch würdelos gewesen. Außerdem war Abt Vita ein Mann, der es liebte, wenn die Dinge ihren geregelten Gang gingen. Wenn er beschlossen hatte, mich der Inquisition auszuliefern - vielleicht als warnendes Beispiel für meine Mitbrüder -, dann würde er sich von diesem Kurs nicht abbringen lassen, sondern die Sache bis zum bitteren Ende ausfechten. Und ich fürchtete, ich wusste, was das hieße. Ich zog meine Kapuze über den Kopf und folgte dem Abt und seinen Begleitern aus der Latrine, wobei ich Montalcino, der die Ärmel seiner Kutte aufkrempelte und sich anschickte, meinen Erasmus aus der Grube zu fischen, einen letzten Blick zuwarf.
»Betrachte es von der positiven Seite, Bruder«, feixte ich. »Meine Scheiße duftet wenigstens süßer als die aller anderen im Kloster.«
Montalcino blickte auf. Sein Mund verzog sich vor Bitterkeit oder Ekel.
»Deine geistreichen Sprüche werden dir vergehen, wenn ein glühender Schürhaken in deinem Arsch steckt, Bruno«, konterte er mit einem bedauerlichen Mangel an christlicher Nächstenliebe.
Draußen im Kreuzgang schlug mir die frische neapolitanische Nachtluft entgegen. Mein Atem bildete kleine Wölkchen vor meinem Mund, und ich atmete tief durch, dankbar dafür, diesem engen, stinkenden Ort der Erleichterung entronnen zu sein. Rings um mich herum ragten die mächtigen Steinmauern der Klostergebäude im Dunkeln auf; der Kreuzgang wurde von ihrem Schatten verschluckt. Links von mir erhob sich die Fassade der riesigen Basilika. Mit bleischweren Schritten ging ich auf die Unterkünfte der Mönche zu, dabei verrenkte ich mir den Hals, um die am Himmel funkelnden Sterne betrachten zu können. Die Kirche lehrte nach Aristoteles, dass die Sterne alle im gleichen Abstand zueinander in der achten Sphäre über der Erde ständen und gemeinsam in ihrer Umlaufbahn um sie herum kreisten, so wie die Sonne und die sieben Planeten in ihren jewei ligen Sphären. Daneben gab es Männer wie den Polen Kopernikus, der es wagte, sich das Universum anders vorzustellen - mit der Sonne als Mittelpunkt und einer sich in ihrer eigenen Umlaufbahn bewegenden Erde. Weiter war noch niemand gegangen, noch nicht einmal in seiner Fantasie - niemand außer mir, Giordano Bruno dem Nolaner, und diese geheime Theorie, kühner als alle, die jemals formuliert worden waren, war nur mir allein bekannt: dass das Universum keinen fixen Mittelpunkt hätte, sondern sich in die Unendlichkeit erstrecke, und dass jeder Stern in der samtschwarzen Dunkelheit über mir seine eigene, von eigenen unzähligen Welten umgebene Sonne wäre. Vielleicht betrachteten irgendwo dort oben Geschöpfe wie ich ebenfalls den Himmel und fragten sich, ob hinter den Grenzen ihres Wissens noch mehr existierte.
Eines Tages würde ich all dies in einem Buch zusammenfassen, meinem Lebenswerk; einem Buch, das so an den Grundpfeilern des Christentums rütteln würde wie einst Kopernikus' De Revolutionibus Orbinum Coelestium - nein, stärker noch, es würde nicht nur sämtliche noch bestehenden wissenschaftlichen Zweifel der römischen Kirche, sondern der ganzen christlichen Religion ausräumen. Aber es gab noch so viel, was ich lernen und begreifen, so viele Bücher, die ich lesen müsste ... Bücher über Astrologie und uralte Magie, die alle von den Dominikanern verboten worden waren und die ich in der Bibliothek von San Domenico Maggiore nicht finden würde. Ich wusste, dass mir, wenn ich mich vor der Heiligen Inquisition verantworten müsste, all dies mit glühenden Zangen, auf dem Streckbett oder dem Rad entrissen werden würde, bis ich meine unausgegorenen Hypothesen vor meinen Peinigern auf den Boden kotzen und dafür als Ketzer verbrannt werden würde. Ich war achtundzwanzig Jahre alt, ich wollte noch nicht sterben. Mir blieb keine andere Wahl als die Flucht.
Es war kurz nach der Komplet, die Mönche von San Domenico zogen sich für die Nacht zurück. Ich stürmte in die Zelle, die ich mir mit Bruder Paolo aus Rimini teilte. Die meinem Haar und meiner Kutte entströmende nächtliche Kühle breitete sich in dem winzigen Raum aus, während ich meine wenigen
Habseligkeiten in fieberhafter Eile in eine Ölzeugtasche stopfte. Paolo hatte in Gedanken versunken auf seinem Strohsack gelegen, als ich die Tür aufgerissen hatte; jetzt stützte er sich auf einen Ellbogen und beobachtete bestürzt mein hektisches Tun. Wir waren beide mit siebzehn als Novizen ins Kloster eingetreten, und jetzt, gut elf Jahre später, war er der Einzige, den ich als Bruder im wahrsten Sinne des Wortes betrachtete.
»Sie haben nach dem Vater Inquisitor geschickt«, erklärte ich atemlos. »Ich darf keine Zeit verlieren.«
»Du hast schon wieder die Komplet verpasst. Ich habe dich gewarnt, Bruno.« Paolo schüttelte den Kopf. »Wenn du jeden Abend so viele Stunden auf dem Abtritt verbringst, werden die Mönche Verdacht schöpfen. Bruder Tomasso hat jedem erzählt, du littest an einer unangenehmen Magen-Darm-Krankheit - und ich meinte, es würde nicht lange dauern, bis der Schnüffler Montalcino herausfindet, was du da wirklich treibst, und den Abt davon in Kenntnis setzt.«
»Es war doch nur Erasmus, um Himmels willen«, versetzte ich gereizt. »Ich muss so schnell wie möglich aufbrechen, Paolo, ehe sie mich verhören. Hast du meinen Winterumhang gesehen?«
Paolos Gesicht wurde plötzlich ernst. »Bruno, du weißt, dass es einem Dominikaner bei Strafe der Exkommunikation verboten ist, seinen Orden zu verlassen. Wenn du fortläufst, werden sie es als Geständnis werten und dich per Haftbefehl suchen lassen. Du wirst als Ketzer verurteilt!«
»Und wenn ich hierbleibe, erwartet mich dasselbe Schicksal«, gab ich zurück. »In absentia wird es allerdings weniger unangenehm werden.«
»Aber wo willst du hin? Wovon willst du leben?« Mein Freund wirkte so besorgt, dass ich mit meiner Suche innehielt und ihm eine Hand auf die Schulter legte.
»Ich werde nachts reisen, und ich werde singen und tanzen und um Brot betteln, wenn es sein muss, und wenn genug Meilen zwischen mir und Neapel liegen, werde ich meinen Lebensunterhalt als Lehrer verdienen. Ich habe letztes Jahr meinen Doktor der Theologie gemacht - und in Italien gibt es viele Universitäten.« Ich versuchte, unbekümmert und zuversichtlich zu klingen, in Wahrheit schlug mir freilich das Herz bis zum Hals, und meine Eingeweide drohten sich in Wasser zu verwandeln. Der Umstand, dass ich mich nicht mehr in die Nähe des Abtritts wagen durfte, entbehrte nicht einer gewissen Ironie.
»Wenn dich die Inquisition als Ketzer brandmarkt, wirst du in Italien nie sicher sein«, gab Paolo traurig zu bedenken. »Sie werden nicht ruhen, bis sie dich auf den Scheiterhaufen gebracht haben.«
»Dann muss ich hier weg, bevor es dazu kommen kann. Vielleicht gehe ich nach Frankreich.«
Ich wandte mich ab, um meinen Umhang zu suchen. Just in diesem Moment flammte in meiner Erinnerung ein Bild auf, so klar und deutlich wie an dem Tag, an dem es sich in mein Gedächtnis eingebrannt hatte - das Bild eines Mannes, der vom Feuer verzehrt wurde und voller Qual den Hals verrenkte, um sein Gesicht vor der Hitze der hungrig an seinen Kleidern leckenden Flammen zu schützen. Diese sinnlose, allzu menschliche Geste verfolgte mich noch Jahre später; der verzweifelte Versuch, das Gesicht vor dem Feuer zu bewahren, obwohl sein Kopf an einen Pfahl gebunden war. Seither hatte ich es bewusst vermieden, einem weiteren Flammentod eines Menschen auf dem Scheiterhaufen beizuwohnen. Ich war damals zwölf Jahre alt gewesen, und mein Vater, ein Berufssoldat und frommer Christ, hatte mich nach Rom mitgenommen, damit ich mir eine öffentliche Hinrichtung ansehen konnte - derartige Dinge gehörten seiner Meinung nach zu meiner Erziehung und Ausbildung. Wir hatten einen guten Platz auf dem Campo dei Fiori ergattert, und ich hatte mich gewundert, wie viele Menschen sich eingefunden hatten, die Profit aus dem entsetzlichen Schauspiel schlagen wollten - als handelte es sich um eine Bärenhatz oder einen Jahrmarkt: Pamphletverkäufer, Bettelmönche sowie Männer und Frauen, die mit Tabletts um ihren Hals von einem zum anderen gingen und Brot, Kuchen und Dörrfisch feilboten.
Auch mit der Grausamkeit des Publikums hatte ich nicht gerechnet; die entfesselte, grölende Menge verhöhnte den Gefangenen, spie ihn an und bewarf ihn mit Steinen, als er mit gesenktem Kopf schweigend zwischen seinen Wächtern auf den Scheiterhaufen zuschritt. Ich fragte mich, ob er aus Scham schwieg oder um sich einen Rest von Würde zu bewahren, aber mein Vater erklärte mir, dass man ihm einen Eisendorn durch die Zunge getrieben hätte, damit er nicht versuchen könnte, die Zuschauer zu seinem teuflischen Glauben zu bekehren, indem er noch kurz vor seinem Tod schändliche Hetzreden verbreitete.
Er wurde an den Pfahl gebunden, und man schichtete Reisigbündel um ihn herum auf, bis er kaum noch zu sehen war. Als eine Fackel an das Holz gehalten wurde, ertönte ein lautes Knacken, und das Reisig fing sofort Feuer. Mein Vater nickte zustimmend; manchmal, so erklärte er, gestatteten die Behörden, wenn sie sich gnädig zeigen wollten, grünes Holz für die Errichtung des Scheiterhaufens zu verwenden, sodass der Verurteilte zumeist im Rauch erstickte, bevor er die Flammen spürte. Doch bei den schlimmsten Ketzern - Hexen, Zauberern, Gottesleugnern, Lutheranern und Benandanti - sorgte man dafür, dass das Holz so trocken war wie die Hänge des Monte Cicala im Sommer, damit die Flammen den Sünder peinigten, bis er Gott mit seinem letzten Atemzug um Vergebung für seine Verfehlungen anflehte.
Ich wollte den Blick abwenden, sobald die Flammen züngelnd auf das Gesicht des Mannes übergriffen, um es zu verschlingen, mein Vater dagegen stand weiterhin unerschütterlich wie ein Fels neben mir und verfolgte das grausame Geschehen, als wäre es ein Teil seiner Pflichten gegenüber Gott, die Todesqualen des Delinquenten mit anzusehen, ohne mit der Wimper zu zucken. Und da ich nicht weniger männlich oder fromm erscheinen wollte als er, nahm ich mich zusammen. Ich hörte die erstickten Schreie, die aus dem verschlossenen Mund des Verurteilten drangen, als seine Augen aus den Höhlen quollen, ich hörte das Zischen und Prasseln, als seine Haut zu verschrumpeln, sich vom Fleisch zu lösen und die blutige Masse darunter zu schmelzen begann. Ich roch das verbrannte Fleisch, ein Geruch, der mich auf Ekel erregende Weise an das Wildschwein erinnerte, das bei Straßenfesten in Nola immer über einer Grube geröstet wurde. Aber die Jubelrufe und die Begeisterung der Menge, als der Ketzer endlich sein Leben aushauchte, ließ sich ganz und gar nicht mit der Atmosphäre eines Festes zu Ehren eines Heiligen vergleichen, ich fand das ganze Schauspiel einfach nur abstoßend. Auf dem Heimweg fragte ich meinen Vater, warum der Mann eines dermaßen grausamen Todes hatte sterben müssen. Hatte er jemanden umgebracht? Mein Vater antwortete, er sei ein Ketzer gewesen. Als ich ihn bat, mir zu erklären, was denn ein Ketzer wäre, sagte er, der Mann habe die Autorität des Papstes nicht anerkannt, indem er die Existenz der Hölle und des Fegefeuers leugnete. So lernte ich, dass in Italien Worte und Gedanken genauso gefährlich sein konnten wie Schwerter und Pfeile und dass ein Philosoph oder ein Wissenschaftler genauso viel Mut aufbringen musste wie ein Soldat, wenn er öffentlich seine Meinung vertreten wollte.
Ich hörte, wie irgendwo im Gebäude eine Tür heftig zugeschlagen wurde.
»Sie kommen«, flüsterte ich Paolo drängend zu. »Wo zum Teufel ist mein Umhang?«
»Hier.« Er reichte mir seinen eigenen und nahm sich einen Moment Zeit, um ihn mir um die Schultern zu legen. »Und nimm den hier.« Er drückte mir eine Lederscheide in die Hand, in der ein kleiner Dolch mit beinernem Griff steckte. Ich sah ihn überrascht an. »Ein Geschenk meines Vaters«, murmelte er. »Da, wo du hingehst, brauchst du ihn nötiger als ich. Und jetzt, sbrigati. Beeil dich!«
Das schmale Fenster unserer Zelle war gerade groß genug, dass ich auf das Sims klettern und mich hindurchzwängen könnte - erst mit einem Bein, dann mit dem anderen. Wir befanden uns im ersten Stock des Klosters, allerdings ragte ungefähr sechs Fuß unter dem Fenster das Schrägdach des Quartiers der Laienbrüder so weit vor, dass ich darauf landen könnte, wenn ich den Fall sorgfältig berechnete. Von dort aus könnte ich mich an einem Strebepfeiler hinunterhangeln und, falls es mir gelänge, den Garten unbemerkt zu durchqueren, über die äußere Klostermauer klettern und im Schutz der Dunkelheit in den Straßen von Neapel verschwinden.
Ich schob den Dolch in meine Kutte, warf mir die Tasche über die Schulter, zog mich auf das Sims und hielt inne, um nach draußen zu spähen. Der Mond hing fahl und geschwollen über der Stadt, rauchige Wolkenfetzen zogen über ihn hinweg. Alles war totenstill. Einen Moment lang kam ich mir so vor, als würde ich im freien Raum zwischen zwei Leben schweben. Dreizehn Jahre lang war ich ein Mönch gewesen. Wenn ich mein linkes Bein durch das Fenster schöbe und auf das unter mir liegende Dach spränge, würde ich dieses Leben für immer hinter mir lassen. Paolo hatte recht, ich würde wegen unerlaubten Verlassens meines Ordens exkommuniziert werden und hätte vielleicht noch schlimmere Strafen zu befürchten. Mein Freund blickte mit vor stummem Kummer trüben Augen zu mir empor und griff nach meiner Hand. Ich beugte mich zu ihm hinunter, um die Knöchel seiner Hand zu küssen, da vernahm ich draußen auf dem Gang erneut das Stampfen zahlreicher Füße.
»Dio sia con te«, flüsterte Paolo, und ich quetschte mich durch das kleine Fenster, drehte und wand mich so, dass ich nur noch an den Fingerspitzen baumelte. Dann ließ ich, auf Gott und mein Glück vertrauend, das Fenstersims los. Unmittelbar nachdem ich ungeschickt auf dem Dach unter mir gelandet war, hörte ich, wie über mir der Fensterflügel hastig geschlossen wurde. Paolo schien es gerade noch rechtzeitig geschafft zu haben.
Das Mondlicht war Segen und Fluch zugleich. Ich hielt mich im Schatten der Mauer, als ich durch den Garten hinter den Unterkünften der Mönche huschte. Unter Zuhilfenahme wilder Ranken gelang es mir, die äußerste Mauer, die die Grenze des Klostergeländes bildete, zu überwinden. Auf der anderen Seite ließ ich mich zu Boden fallen und rollte einen kleinen Hang zur Straße hinunter. Im nächsten Moment musste ich im Dunkel einer Türöffnung in Deckung gehen, weil ein Reiter auf einem schwarzen Pferd eilig die schmale Straße entlang auf das Kloster zugaloppierte. Sein aufgebauschter Umhang wallte hinter ihm her. Erst als ich mit wild hämmerndem Herzen und in den Ohren rauschendem Blut den Kopf hob und die runde Krempe seines Hutes erkannte, während er hügelaufwärts in Richtung des Haupttores verschwand, wurde mir klar, dass es sich bei der Gestalt, die an mir vorübergejagt war, um den hiesigen Inquisitor handelte, der allein meinetwegen noch zu so später Stunde unterwegs war.
Irgendwann viel später vermochte ich mich nicht mehr weiterzuschleppen, deshalb kroch ich am Rand des Stadtgebiets von Neapel in einen Graben, um dort die Nacht zu verbringen. Paolos Umhang bot mir nur wenig Schutz vor der eisigen Kälte. Am zweiten Tag verdiente ich mir einen Schlafplatz und einen halben Laib Brot, indem ich im Stall eines an der Straße gelegenen Gasthauses arbeitete. In dieser Nacht überfiel mich ein Mann, während ich schlief, und ich erwachte mit geprellten Rippen, einer blutigen Nase und keinem Brot mehr im Beutel. Zum Glück hatte der Räuber nur seine Fäuste und kein Messer gebraucht, was, wie ich bald herausfand, unter den Vagabunden und Landstreichern, die in den billigen Gasthäusern entlang der Straße nach Rom übernachteten, an der Tagesordnung war. Am dritten Tag lernte ich, Acht zu geben, und hatte bereits die Hälfte der Strecke nach Rom zurückgelegt. Früher als gedacht vermisste ich den vertrauten Alltagstrott des Klosterlebens, der so lange mein Leben bestimmt hatte, zugleich empfand ich schon das berauschende Gefühl der Freiheit. Jetzt war ich mein eigener Herr und niemandem mehr Rechenschaft schuldig. In Rom würde ich mich geradewegs in die Höhle des Löwen begeben, das wusste ich, gleichwohl gefiel es mir, die Vorsehung herauszufordern. Entweder würde ich ein neues Leben als freier Mann beginnen, oder die Inquisition würde mich aufspüren und mich den Flammen übergeben. Natürlich würde ich alles in meiner Macht Stehende tun, um zu verhindern, dass mich letzteres Schicksal ereilte - ich fürchtete mich nicht davor, für meine Überzeugungen zu sterben, aber nicht, bevor ich überhaupt entschieden hätte, welche dieser Überzeugungen es wert wären, für sie mein Leben aufs Spiel zu setzen.
...
Übersetzung: Nina Bader
© der deutschsprachigen Ausgabe 2011 by Limes Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Die Tür wurde mit einem Knall aufgestoßen, der im Gang widerhallte, und die Bodendielen erzitterten unter dem entschlossenen Stampfen mehrerer Fußpaare. In dem winzigen Abort, in dem ich auf einem Brett kauerte - so weit wie möglich von dem Loch entfernt, unter dem sich die Senkgrube befand - begann meine kleine Kerze in dem plötzlichen Luftzug zu flackern und ließ wabernde Schatten über die steinernen Wände tanzen. Allora, dachte ich, bevor ich den Kopf hob. Jetzt kamen sie mich also doch holen.
Die Schritte machten vor der Tür Halt. Im nächsten Moment hämmerte jemand wütend mit der Faust gegen das Holz, und die heisere Stimme des Abtes ertönte. Sein üblicher ruhiger, diplomatischer Tonfall war einem erregten Krächzen gewichen.
»Bruder Giordano! Ich befehle Euch, unverzüglich herauszukommen, und haltet das, was Ihr in den Händen habt, gut sichtbar vor Euch!«
Ich hörte einen der Mönche in seiner Begleitung leise kichern, gefolgt von einem missbilligenden Zungenschnalzen seitens unseres Abtes, Padre Domenico Vita, und musste trotz meiner misslichen Lage innerlich grinsen. Fra Vita war ein Mann, der unter normalen Umständen wirkte, als empfände er sämtliche menschlichen Körperfunktionen als persönliche Beleidigung.
Es musste ihn beispiellose Überwindung kosten, einen seiner
Mönche an einem derart unziemlichen Ort zur Rede zu stellen.
»Einen Moment bitte, Padre!«, erwiderte ich, dabei löste ich die Kordel an der Kutte, damit es so aussähe, als hätte ich den Abtritt wirklich zu seinem eigentlichen Zweck benutzt. Dann betrachtete ich das Buch in meiner Hand. Flüchtig erwog ich, es irgendwo unter meiner Kutte zu verstecken, sah dann aber ein, dass das nichts bringen würde - man würde mich gründlich durchsuchen, sowie ich den Abtritt verlassen hätte.
»Keinen Moment mehr, Bruder«, zischte der Abt durch die geschlossene Tür. Eine unterschwellige Drohung schlich sich in seine Stimme. »Ihr habt heute Abend mehr als zwei Stunden auf dem Abtritt verbracht. Ich denke, das reicht!«
»Ich muss etwas Verdorbenes gegessen haben, Padre«, bekundete ich, bevor ich das Buch voller Bedauern in das Loch warf und dabei laut hustete, um das Platschen zu übertönen, mit dem es in die Grube fiel. Zu schade, es war eine besonders schöne Ausgabe gewesen.
Dann schob ich den Riegel zurück, öffnete die Tür und sah mich meinem Abt gegenüber. Seine unerbittlichen Gesichtszüge vibrierten fast vor aufgestautem Zorn, was noch durch den flackernden Schein der Fackeln unterstrichen wurde, die die vier hinter ihm stehenden und mich angewidert und fasziniert zugleich anstarrenden Mönche in die Höhe hielten.
»Rührt Euch nicht von der Stelle, Bruder Giordano«, wies mich Vita an, dabei drohte er mir warnend mit dem Finger. »Für einen Fluchtversuch ist es zu spät.«
Er stapfte in den Verschlag, rümpfte ob des Gestanks voller Ekel die Nase und leuchtete dann mit seiner Laterne in jede einzelne Ecke. Als er nichts Verdächtiges fand, wandte er sich an die Männer hinter ihm.
»Durchsucht ihn!«, bellte er.
Die Ordensbrüder wechselten verwirrte Blicke, dann trat der verschlagene Toskaner Bruder Agostino da Montalcino mit einem unangenehmen Lächeln vor. Er hatte mich noch nie gemocht, aber seine Abneigung war in offene Feindseligkeit umgeschlagen, nachdem ich ihn vor einigen Monaten in einem Streitgespräch über die arianische Ketzerei ausgestochen hatte. Danach hatte er das Gerücht verbreitet, ich würde die Göttlichkeit Christi leugnen. Ohne Zweifel hatte er mir den Abt auf den Hals gehetzt.
»Verzeih mir, Bruder Giordano«, murmelte er höhnisch, bevor er mich abzutasten begann. Seine Hände glitten erst über meine Taille und anschließend an meinen Schenkeln hinunter.
»Versuch bitte, nicht allzu viel Vergnügen daran zu finden«, knurrte ich.
»Ich befolge nur die Befehle meines Superiors«, versetzte er. Nachdem er mit der Durchsuchung fertig war, richtete er sich auf und sah Padre Vita sichtlich enttäuscht an. »In seiner Kutte hat er nichts versteckt, Padre.«
Abt Vita trat einen Schritt auf mich zu und funkelte mich einen Moment lang wortlos an. Sein Gesicht war dem meinen so nah, dass ich die borstigen Haare auf seiner Nase zählen und den schalen Zwiebelgestank seines Atems riechen konnte.
»Die Sünde unseres Urvaters bestand in seinem Wunsch, sich verbotenes Wissen anzueignen.« Er betonte jedes Wort sorgfältig und befeuchtete sich beim Sprechen mit der Zunge die Lippen. »Er glaubte, er könne Gott gleich werden. Und dieser Sünde macht Ihr Euch auch schuldig, Giordano Bruno. Ihr seid einer der begabtesten jungen Männer, mit denen ich während meiner Jahre in San Domenico Maggiore zu tun gehabt habe, doch Eure Neugier und Euer Stolz auf Eure Fähigkeiten halten Euch davon ab, Eure Gaben zum Ruhm der Kirche zu nutzen. Es ist an der Zeit, dass sich der Vater Inquisitor einmal mit Euch befasst.«
»Nein, Padre, bitte - ich habe nichts Unrechtes getan«, protestierte ich, als er sich zum Gehen wandte, doch in diesem Moment erklang hinter ihm Montalcinos Stimme.
»Hochwürdigster Vater Abt! Hier ist etwas, das Ihr Euch ansehen solltet!« Er hielt seine Fackel in das Loch des Abtritts. Ein Ausdruck boshafter Freude trat auf sein Gesicht.
Vita erbleichte, beugte sich aber vor, um zu sehen, was der Toskaner entdeckt hatte. Sichtlich zufrieden drehte er sich zu mir um.
»Bruder Giordano - kehrt in Eure Zelle zurück und erwartet dort meine weiteren Befehle. Diese Angelegenheit muss unverzüglich der Heiligen Inquisition gemeldet werden. Bruder Montalcino -- holt das Buch aus dem Abtritt! Wir wollen uns mit eigenen Augen davon überzeugen, welche ketzerischen Werke unser Bruder hier mit einem Eifer studiert, den er meines Wissens der Heiligen Schrift noch nie gewidmet hat.«
Montalcinos entsetzter Blick wanderte von mir zum Abt. Ich hatte lange genug auf dem Abtritt gehockt, um mich an den Gestank gewöhnt zu haben, aber bei der Vorstellung, die Hand in die Grube unter dem Holzbrett tauchen zu müssen, stieg Übelkeit in mir auf. Dennoch strahlte ich Montalcino an.
»Ich, Vater Abt?«, fragte dieser mit sich überschlagender Stimme.
»Ja, Ihr, Bruder -- und beeilt Euch gefälligst.« Abt Vita zog seinen Umhang zum Schutz vor der kühlen Nachtluft enger um sich.
»Ich kann Euch die Mühe ersparen«, warf ich ein. »Es sind nur Erasmus' Kommentare. Sie enthalten keine schwarze Magie.«
»Die Werke von Erasmus stehen auf dem Index verbotener Bücher der Inquisition, wie Ihr sehr wohl wisst, Bruder Giordano«, entgegnete Vita grimmig. Wieder fixierte er mich mit einem emotionslosen Blick. »Aber wir werden ja sehen. Ihr habt uns lange genug zum Narren gehalten. Es ist an der Zeit, die Reinheit Eures Glaubens auf die Probe zu stellen. Bruder Battista!« Das galt einem der anderen Mönche mit Fackeln, der diensteifrig näher kam. »Schickt nach dem Vater Inquisitor!«
Ich hätte auf die Knie fallen und um Gnade flehen können, das wäre jedoch würdelos gewesen. Außerdem war Abt Vita ein Mann, der es liebte, wenn die Dinge ihren geregelten Gang gingen. Wenn er beschlossen hatte, mich der Inquisition auszuliefern - vielleicht als warnendes Beispiel für meine Mitbrüder -, dann würde er sich von diesem Kurs nicht abbringen lassen, sondern die Sache bis zum bitteren Ende ausfechten. Und ich fürchtete, ich wusste, was das hieße. Ich zog meine Kapuze über den Kopf und folgte dem Abt und seinen Begleitern aus der Latrine, wobei ich Montalcino, der die Ärmel seiner Kutte aufkrempelte und sich anschickte, meinen Erasmus aus der Grube zu fischen, einen letzten Blick zuwarf.
»Betrachte es von der positiven Seite, Bruder«, feixte ich. »Meine Scheiße duftet wenigstens süßer als die aller anderen im Kloster.«
Montalcino blickte auf. Sein Mund verzog sich vor Bitterkeit oder Ekel.
»Deine geistreichen Sprüche werden dir vergehen, wenn ein glühender Schürhaken in deinem Arsch steckt, Bruno«, konterte er mit einem bedauerlichen Mangel an christlicher Nächstenliebe.
Draußen im Kreuzgang schlug mir die frische neapolitanische Nachtluft entgegen. Mein Atem bildete kleine Wölkchen vor meinem Mund, und ich atmete tief durch, dankbar dafür, diesem engen, stinkenden Ort der Erleichterung entronnen zu sein. Rings um mich herum ragten die mächtigen Steinmauern der Klostergebäude im Dunkeln auf; der Kreuzgang wurde von ihrem Schatten verschluckt. Links von mir erhob sich die Fassade der riesigen Basilika. Mit bleischweren Schritten ging ich auf die Unterkünfte der Mönche zu, dabei verrenkte ich mir den Hals, um die am Himmel funkelnden Sterne betrachten zu können. Die Kirche lehrte nach Aristoteles, dass die Sterne alle im gleichen Abstand zueinander in der achten Sphäre über der Erde ständen und gemeinsam in ihrer Umlaufbahn um sie herum kreisten, so wie die Sonne und die sieben Planeten in ihren jewei ligen Sphären. Daneben gab es Männer wie den Polen Kopernikus, der es wagte, sich das Universum anders vorzustellen - mit der Sonne als Mittelpunkt und einer sich in ihrer eigenen Umlaufbahn bewegenden Erde. Weiter war noch niemand gegangen, noch nicht einmal in seiner Fantasie - niemand außer mir, Giordano Bruno dem Nolaner, und diese geheime Theorie, kühner als alle, die jemals formuliert worden waren, war nur mir allein bekannt: dass das Universum keinen fixen Mittelpunkt hätte, sondern sich in die Unendlichkeit erstrecke, und dass jeder Stern in der samtschwarzen Dunkelheit über mir seine eigene, von eigenen unzähligen Welten umgebene Sonne wäre. Vielleicht betrachteten irgendwo dort oben Geschöpfe wie ich ebenfalls den Himmel und fragten sich, ob hinter den Grenzen ihres Wissens noch mehr existierte.
Eines Tages würde ich all dies in einem Buch zusammenfassen, meinem Lebenswerk; einem Buch, das so an den Grundpfeilern des Christentums rütteln würde wie einst Kopernikus' De Revolutionibus Orbinum Coelestium - nein, stärker noch, es würde nicht nur sämtliche noch bestehenden wissenschaftlichen Zweifel der römischen Kirche, sondern der ganzen christlichen Religion ausräumen. Aber es gab noch so viel, was ich lernen und begreifen, so viele Bücher, die ich lesen müsste ... Bücher über Astrologie und uralte Magie, die alle von den Dominikanern verboten worden waren und die ich in der Bibliothek von San Domenico Maggiore nicht finden würde. Ich wusste, dass mir, wenn ich mich vor der Heiligen Inquisition verantworten müsste, all dies mit glühenden Zangen, auf dem Streckbett oder dem Rad entrissen werden würde, bis ich meine unausgegorenen Hypothesen vor meinen Peinigern auf den Boden kotzen und dafür als Ketzer verbrannt werden würde. Ich war achtundzwanzig Jahre alt, ich wollte noch nicht sterben. Mir blieb keine andere Wahl als die Flucht.
Es war kurz nach der Komplet, die Mönche von San Domenico zogen sich für die Nacht zurück. Ich stürmte in die Zelle, die ich mir mit Bruder Paolo aus Rimini teilte. Die meinem Haar und meiner Kutte entströmende nächtliche Kühle breitete sich in dem winzigen Raum aus, während ich meine wenigen
Habseligkeiten in fieberhafter Eile in eine Ölzeugtasche stopfte. Paolo hatte in Gedanken versunken auf seinem Strohsack gelegen, als ich die Tür aufgerissen hatte; jetzt stützte er sich auf einen Ellbogen und beobachtete bestürzt mein hektisches Tun. Wir waren beide mit siebzehn als Novizen ins Kloster eingetreten, und jetzt, gut elf Jahre später, war er der Einzige, den ich als Bruder im wahrsten Sinne des Wortes betrachtete.
»Sie haben nach dem Vater Inquisitor geschickt«, erklärte ich atemlos. »Ich darf keine Zeit verlieren.«
»Du hast schon wieder die Komplet verpasst. Ich habe dich gewarnt, Bruno.« Paolo schüttelte den Kopf. »Wenn du jeden Abend so viele Stunden auf dem Abtritt verbringst, werden die Mönche Verdacht schöpfen. Bruder Tomasso hat jedem erzählt, du littest an einer unangenehmen Magen-Darm-Krankheit - und ich meinte, es würde nicht lange dauern, bis der Schnüffler Montalcino herausfindet, was du da wirklich treibst, und den Abt davon in Kenntnis setzt.«
»Es war doch nur Erasmus, um Himmels willen«, versetzte ich gereizt. »Ich muss so schnell wie möglich aufbrechen, Paolo, ehe sie mich verhören. Hast du meinen Winterumhang gesehen?«
Paolos Gesicht wurde plötzlich ernst. »Bruno, du weißt, dass es einem Dominikaner bei Strafe der Exkommunikation verboten ist, seinen Orden zu verlassen. Wenn du fortläufst, werden sie es als Geständnis werten und dich per Haftbefehl suchen lassen. Du wirst als Ketzer verurteilt!«
»Und wenn ich hierbleibe, erwartet mich dasselbe Schicksal«, gab ich zurück. »In absentia wird es allerdings weniger unangenehm werden.«
»Aber wo willst du hin? Wovon willst du leben?« Mein Freund wirkte so besorgt, dass ich mit meiner Suche innehielt und ihm eine Hand auf die Schulter legte.
»Ich werde nachts reisen, und ich werde singen und tanzen und um Brot betteln, wenn es sein muss, und wenn genug Meilen zwischen mir und Neapel liegen, werde ich meinen Lebensunterhalt als Lehrer verdienen. Ich habe letztes Jahr meinen Doktor der Theologie gemacht - und in Italien gibt es viele Universitäten.« Ich versuchte, unbekümmert und zuversichtlich zu klingen, in Wahrheit schlug mir freilich das Herz bis zum Hals, und meine Eingeweide drohten sich in Wasser zu verwandeln. Der Umstand, dass ich mich nicht mehr in die Nähe des Abtritts wagen durfte, entbehrte nicht einer gewissen Ironie.
»Wenn dich die Inquisition als Ketzer brandmarkt, wirst du in Italien nie sicher sein«, gab Paolo traurig zu bedenken. »Sie werden nicht ruhen, bis sie dich auf den Scheiterhaufen gebracht haben.«
»Dann muss ich hier weg, bevor es dazu kommen kann. Vielleicht gehe ich nach Frankreich.«
Ich wandte mich ab, um meinen Umhang zu suchen. Just in diesem Moment flammte in meiner Erinnerung ein Bild auf, so klar und deutlich wie an dem Tag, an dem es sich in mein Gedächtnis eingebrannt hatte - das Bild eines Mannes, der vom Feuer verzehrt wurde und voller Qual den Hals verrenkte, um sein Gesicht vor der Hitze der hungrig an seinen Kleidern leckenden Flammen zu schützen. Diese sinnlose, allzu menschliche Geste verfolgte mich noch Jahre später; der verzweifelte Versuch, das Gesicht vor dem Feuer zu bewahren, obwohl sein Kopf an einen Pfahl gebunden war. Seither hatte ich es bewusst vermieden, einem weiteren Flammentod eines Menschen auf dem Scheiterhaufen beizuwohnen. Ich war damals zwölf Jahre alt gewesen, und mein Vater, ein Berufssoldat und frommer Christ, hatte mich nach Rom mitgenommen, damit ich mir eine öffentliche Hinrichtung ansehen konnte - derartige Dinge gehörten seiner Meinung nach zu meiner Erziehung und Ausbildung. Wir hatten einen guten Platz auf dem Campo dei Fiori ergattert, und ich hatte mich gewundert, wie viele Menschen sich eingefunden hatten, die Profit aus dem entsetzlichen Schauspiel schlagen wollten - als handelte es sich um eine Bärenhatz oder einen Jahrmarkt: Pamphletverkäufer, Bettelmönche sowie Männer und Frauen, die mit Tabletts um ihren Hals von einem zum anderen gingen und Brot, Kuchen und Dörrfisch feilboten.
Auch mit der Grausamkeit des Publikums hatte ich nicht gerechnet; die entfesselte, grölende Menge verhöhnte den Gefangenen, spie ihn an und bewarf ihn mit Steinen, als er mit gesenktem Kopf schweigend zwischen seinen Wächtern auf den Scheiterhaufen zuschritt. Ich fragte mich, ob er aus Scham schwieg oder um sich einen Rest von Würde zu bewahren, aber mein Vater erklärte mir, dass man ihm einen Eisendorn durch die Zunge getrieben hätte, damit er nicht versuchen könnte, die Zuschauer zu seinem teuflischen Glauben zu bekehren, indem er noch kurz vor seinem Tod schändliche Hetzreden verbreitete.
Er wurde an den Pfahl gebunden, und man schichtete Reisigbündel um ihn herum auf, bis er kaum noch zu sehen war. Als eine Fackel an das Holz gehalten wurde, ertönte ein lautes Knacken, und das Reisig fing sofort Feuer. Mein Vater nickte zustimmend; manchmal, so erklärte er, gestatteten die Behörden, wenn sie sich gnädig zeigen wollten, grünes Holz für die Errichtung des Scheiterhaufens zu verwenden, sodass der Verurteilte zumeist im Rauch erstickte, bevor er die Flammen spürte. Doch bei den schlimmsten Ketzern - Hexen, Zauberern, Gottesleugnern, Lutheranern und Benandanti - sorgte man dafür, dass das Holz so trocken war wie die Hänge des Monte Cicala im Sommer, damit die Flammen den Sünder peinigten, bis er Gott mit seinem letzten Atemzug um Vergebung für seine Verfehlungen anflehte.
Ich wollte den Blick abwenden, sobald die Flammen züngelnd auf das Gesicht des Mannes übergriffen, um es zu verschlingen, mein Vater dagegen stand weiterhin unerschütterlich wie ein Fels neben mir und verfolgte das grausame Geschehen, als wäre es ein Teil seiner Pflichten gegenüber Gott, die Todesqualen des Delinquenten mit anzusehen, ohne mit der Wimper zu zucken. Und da ich nicht weniger männlich oder fromm erscheinen wollte als er, nahm ich mich zusammen. Ich hörte die erstickten Schreie, die aus dem verschlossenen Mund des Verurteilten drangen, als seine Augen aus den Höhlen quollen, ich hörte das Zischen und Prasseln, als seine Haut zu verschrumpeln, sich vom Fleisch zu lösen und die blutige Masse darunter zu schmelzen begann. Ich roch das verbrannte Fleisch, ein Geruch, der mich auf Ekel erregende Weise an das Wildschwein erinnerte, das bei Straßenfesten in Nola immer über einer Grube geröstet wurde. Aber die Jubelrufe und die Begeisterung der Menge, als der Ketzer endlich sein Leben aushauchte, ließ sich ganz und gar nicht mit der Atmosphäre eines Festes zu Ehren eines Heiligen vergleichen, ich fand das ganze Schauspiel einfach nur abstoßend. Auf dem Heimweg fragte ich meinen Vater, warum der Mann eines dermaßen grausamen Todes hatte sterben müssen. Hatte er jemanden umgebracht? Mein Vater antwortete, er sei ein Ketzer gewesen. Als ich ihn bat, mir zu erklären, was denn ein Ketzer wäre, sagte er, der Mann habe die Autorität des Papstes nicht anerkannt, indem er die Existenz der Hölle und des Fegefeuers leugnete. So lernte ich, dass in Italien Worte und Gedanken genauso gefährlich sein konnten wie Schwerter und Pfeile und dass ein Philosoph oder ein Wissenschaftler genauso viel Mut aufbringen musste wie ein Soldat, wenn er öffentlich seine Meinung vertreten wollte.
Ich hörte, wie irgendwo im Gebäude eine Tür heftig zugeschlagen wurde.
»Sie kommen«, flüsterte ich Paolo drängend zu. »Wo zum Teufel ist mein Umhang?«
»Hier.« Er reichte mir seinen eigenen und nahm sich einen Moment Zeit, um ihn mir um die Schultern zu legen. »Und nimm den hier.« Er drückte mir eine Lederscheide in die Hand, in der ein kleiner Dolch mit beinernem Griff steckte. Ich sah ihn überrascht an. »Ein Geschenk meines Vaters«, murmelte er. »Da, wo du hingehst, brauchst du ihn nötiger als ich. Und jetzt, sbrigati. Beeil dich!«
Das schmale Fenster unserer Zelle war gerade groß genug, dass ich auf das Sims klettern und mich hindurchzwängen könnte - erst mit einem Bein, dann mit dem anderen. Wir befanden uns im ersten Stock des Klosters, allerdings ragte ungefähr sechs Fuß unter dem Fenster das Schrägdach des Quartiers der Laienbrüder so weit vor, dass ich darauf landen könnte, wenn ich den Fall sorgfältig berechnete. Von dort aus könnte ich mich an einem Strebepfeiler hinunterhangeln und, falls es mir gelänge, den Garten unbemerkt zu durchqueren, über die äußere Klostermauer klettern und im Schutz der Dunkelheit in den Straßen von Neapel verschwinden.
Ich schob den Dolch in meine Kutte, warf mir die Tasche über die Schulter, zog mich auf das Sims und hielt inne, um nach draußen zu spähen. Der Mond hing fahl und geschwollen über der Stadt, rauchige Wolkenfetzen zogen über ihn hinweg. Alles war totenstill. Einen Moment lang kam ich mir so vor, als würde ich im freien Raum zwischen zwei Leben schweben. Dreizehn Jahre lang war ich ein Mönch gewesen. Wenn ich mein linkes Bein durch das Fenster schöbe und auf das unter mir liegende Dach spränge, würde ich dieses Leben für immer hinter mir lassen. Paolo hatte recht, ich würde wegen unerlaubten Verlassens meines Ordens exkommuniziert werden und hätte vielleicht noch schlimmere Strafen zu befürchten. Mein Freund blickte mit vor stummem Kummer trüben Augen zu mir empor und griff nach meiner Hand. Ich beugte mich zu ihm hinunter, um die Knöchel seiner Hand zu küssen, da vernahm ich draußen auf dem Gang erneut das Stampfen zahlreicher Füße.
»Dio sia con te«, flüsterte Paolo, und ich quetschte mich durch das kleine Fenster, drehte und wand mich so, dass ich nur noch an den Fingerspitzen baumelte. Dann ließ ich, auf Gott und mein Glück vertrauend, das Fenstersims los. Unmittelbar nachdem ich ungeschickt auf dem Dach unter mir gelandet war, hörte ich, wie über mir der Fensterflügel hastig geschlossen wurde. Paolo schien es gerade noch rechtzeitig geschafft zu haben.
Das Mondlicht war Segen und Fluch zugleich. Ich hielt mich im Schatten der Mauer, als ich durch den Garten hinter den Unterkünften der Mönche huschte. Unter Zuhilfenahme wilder Ranken gelang es mir, die äußerste Mauer, die die Grenze des Klostergeländes bildete, zu überwinden. Auf der anderen Seite ließ ich mich zu Boden fallen und rollte einen kleinen Hang zur Straße hinunter. Im nächsten Moment musste ich im Dunkel einer Türöffnung in Deckung gehen, weil ein Reiter auf einem schwarzen Pferd eilig die schmale Straße entlang auf das Kloster zugaloppierte. Sein aufgebauschter Umhang wallte hinter ihm her. Erst als ich mit wild hämmerndem Herzen und in den Ohren rauschendem Blut den Kopf hob und die runde Krempe seines Hutes erkannte, während er hügelaufwärts in Richtung des Haupttores verschwand, wurde mir klar, dass es sich bei der Gestalt, die an mir vorübergejagt war, um den hiesigen Inquisitor handelte, der allein meinetwegen noch zu so später Stunde unterwegs war.
Irgendwann viel später vermochte ich mich nicht mehr weiterzuschleppen, deshalb kroch ich am Rand des Stadtgebiets von Neapel in einen Graben, um dort die Nacht zu verbringen. Paolos Umhang bot mir nur wenig Schutz vor der eisigen Kälte. Am zweiten Tag verdiente ich mir einen Schlafplatz und einen halben Laib Brot, indem ich im Stall eines an der Straße gelegenen Gasthauses arbeitete. In dieser Nacht überfiel mich ein Mann, während ich schlief, und ich erwachte mit geprellten Rippen, einer blutigen Nase und keinem Brot mehr im Beutel. Zum Glück hatte der Räuber nur seine Fäuste und kein Messer gebraucht, was, wie ich bald herausfand, unter den Vagabunden und Landstreichern, die in den billigen Gasthäusern entlang der Straße nach Rom übernachteten, an der Tagesordnung war. Am dritten Tag lernte ich, Acht zu geben, und hatte bereits die Hälfte der Strecke nach Rom zurückgelegt. Früher als gedacht vermisste ich den vertrauten Alltagstrott des Klosterlebens, der so lange mein Leben bestimmt hatte, zugleich empfand ich schon das berauschende Gefühl der Freiheit. Jetzt war ich mein eigener Herr und niemandem mehr Rechenschaft schuldig. In Rom würde ich mich geradewegs in die Höhle des Löwen begeben, das wusste ich, gleichwohl gefiel es mir, die Vorsehung herauszufordern. Entweder würde ich ein neues Leben als freier Mann beginnen, oder die Inquisition würde mich aufspüren und mich den Flammen übergeben. Natürlich würde ich alles in meiner Macht Stehende tun, um zu verhindern, dass mich letzteres Schicksal ereilte - ich fürchtete mich nicht davor, für meine Überzeugungen zu sterben, aber nicht, bevor ich überhaupt entschieden hätte, welche dieser Überzeugungen es wert wären, für sie mein Leben aufs Spiel zu setzen.
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Übersetzung: Nina Bader
© der deutschsprachigen Ausgabe 2011 by Limes Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
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Autoren-Porträt von Stephanie Parris
Das Pseudonym Stephanie Parris verwendet die Journalistin Stephanie Merritt immer dann, wenn sie einen Roman veröffentlicht. Unter ihrem bürgerlichen Namen publizierte sie Literaturkritiken in so angesehenen Zeitungen wie Times, Daily Telegraph, New Statesman oder Die Welt. Derzeit schreibt sie für den Guardian und den Observer. Mit ihrem Sohn lebt sie in Südengland.
Bibliographische Angaben
- Autor: Stephanie Parris
- 2011, 1, 508 Seiten, Maße: 13,8 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Aus d. Engl. v. Nina Bader
- Übersetzer: Nina Bader
- Verlag: Limes
- ISBN-10: 3809025860
- ISBN-13: 9783809025863
Rezension zu „Ketzer “
"Stephanie Parris ist eine Meisterin des historischen Kriminalromans. Ketzer ist ein literarischer Blockbuster, der einem den Atem stocken lässt vor schierem Nervenkitzel. Eine großartige Leistung eines hoffnungsvollen Schreibtalentes!"
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