Killer
Thriller. Deutsche Erstausgabe
Er, der sich nur Columbus nennt, ist ein eiskalter Profi. Präzise und zuverlässig.
Er lebt für den tödlichen Schlag. Doch diesmal ist alles anders. Der nächste auf der Liste ist sein Vater. Den er nicht kennt und den er hasst,...
Er lebt für den tödlichen Schlag. Doch diesmal ist alles anders. Der nächste auf der Liste ist sein Vater. Den er nicht kennt und den er hasst,...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Killer “
Er, der sich nur Columbus nennt, ist ein eiskalter Profi. Präzise und zuverlässig.
Er lebt für den tödlichen Schlag. Doch diesmal ist alles anders. Der nächste auf der Liste ist sein Vater. Den er nicht kennt und den er hasst, weil er seine Mutter umbringen ließ. Er übernimmt den Auftrag - doch alles läuft schief.
Er lebt für den tödlichen Schlag. Doch diesmal ist alles anders. Der nächste auf der Liste ist sein Vater. Den er nicht kennt und den er hasst, weil er seine Mutter umbringen ließ. Er übernimmt den Auftrag - doch alles läuft schief.
Lese-Probe zu „Killer “
Killer von Derek Haas1
Der letzte Tag des grausamsten Monats. Da passt es nur, dass es regnet. Kein Frühlingsregen, der neues Leben und Wiedergeburt verheißt, nicht für mich. Sondern Tod. In meinem Leben: immer nur Tod. Ich bin noch jung. Würden Sie mich auf der Straße sehen, Sie würden vermutlich denken: »Was für ein adretter junger Mann. Arbeitet bestimmt in der Werbebranche oder vielleicht einer netten Steuerkanzlei. Bestimmt verheiratet, vielleicht kommt gerade der erste Nachwuchs. Bestimmt gut erzogen, solides Elternhaus.« Aber Sie lägen falsch. Ich bin alt, in tausenderlei Hinsicht. Ich habe Dinge gesehen und getan – wenn Sie davon wüssten, Sie würden instinktiv ins Kinderzimmer rennen, Ihr Kind an sich drücken und in kurzen, keuchenden Atemzügen, wie ein stotternder Motor, immer und immer wieder stammeln: »Ist ja gut, Kleines, ist ja gut. Alles ist gut.«
Ich bin ein schlechter Mensch. Ich habe keine Freunde. Mit Frauen oder Kindern unterhalte ich mich keinen Augenblick länger als unbedingt nötig. Ich style mich so, dass ich in der Masse untergehe, wie ein Chamäleon, das auf dem Stamm einer Eiche sitzend seine Farbe verdunkelt. Mein Haar ist kurz geschoren, meine Augen sind hinter dunklen Brillengläsern verborgen, meine Kleidung würde bei jedem, der auf der Straße an mir vorbeigeht, höchstens ein Gähnen auslösen. Ich vermeide es, Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen.
Es kommt mir vor, als ob ich schon immer so lebe, auch wenn es eigentlich nur zehn Jahre sind. An die Zeit davor erinnere ich mich nicht mehr so genau, wobei: an den Schmerz schon noch. Freude und Schmerz haben die Eigenheit, Spuren im Gedächtnis zu hinterlassen, die kaum je verblassen, nicht so sehr Bilder, eher flüchtige, bruchstückhafte Sinneswahrnehmungen, die ungebeten und ohne Vorwarnung
... mehr
wiederauferstehen.
Ich hatte jedenfalls herzlich wenig von Ersterem und genug von Letzterem, dass es für ein ganzes Leben reicht. Letzte Woche las ich in einer Umfrage, dass neunzig Prozent der über 60-Jährigen gerne noch einmal Teenager wären, wenn sie könnten. Hätten diese Leute auch nur einen einzigen Tag meiner Jugend erlebt, dann würde nicht einer von ihnen die Hand heben.
Die Vergangenheit interessiert mich nicht, auch wenn sie ständig präsent ist, gleich unter der Oberfläche, wie bedrohliche, unscharfe Schatten, die ein Meeresschwimmer in der Tiefe unter sich spürt. Ich mag die Gegenwart. In der Gegenwart habe ich die Kontrolle.
In der Gegenwart bin ich Herr meines Schicksals. Wenn ich will, kann ich jemanden berühren oder mich von jemandem berühren lassen, aber nur in der Gegenwart. Der freie Wille ist ein Geschenk der Gegenwart, der einzige Moment, in dem ich Gott überlisten kann. Die Zukunft, dein Schicksal dagegen gehören Gott. Wenn du versuchst, Gott auszutricksen, indem du dein Schicksal planst, dann hast du schon verloren.
Die Zukunft gehört ihm und er steht auf hinterhältige Schlusspointen. Im Moment ist die Gegenwart geprägt von Regen und Sturmböen, und so ziehe ich eilig die Tür hinter mir zu, durch die ich die unscheinbare Lagerhalle am Charles River betrete. Der April war kalt, was manche als Ankündigung eines langen, heißen Sommers sehen, aber ich selbst mache keine Vorhersagen. In der Lagerhalle ist es feucht und ich rieche Schimmel, frisches Sägemehl und Furcht.
Man begegnet mir nicht gern. Selbst jene, die in den Augen der Gesellschaft als gefährlich gelten, fühlen sich unbehaglich in meiner Gegenwart. Sie haben von Singapur, Providence und Brooklyn gehört. Von Washington, Baltimore und Miami. Von London, Bonn und Dallas. Sie fürchten sich davor, versehentlich etwas zu sagen, was mich reizen könnte, und wägen deshalb ihre Worte genau ab. Furcht ist ein Gefühl, das diesem Menschenschlag eher fremd ist, und so mögen sie es nicht, wenn es sich in ihrer Magengrube einnistet.
Wenn sie sich mit mir treffen müssen, dann machen sie es so kurz wie möglich und verzichten auf lange Verhandlungen. Im Augenblick bin ich mit einem Schwarzen namens Archibald Grant verabredet. Eigentlich heißt er Cotton Grant, aber es gefiel ihm nicht, wie ein Provinzneger zu klingen, der geradewegs von einem Baumwollfeld in Georgia kommt, und so zog er nach Boston und nannte sich Archibald. Seiner Meinung nach klang das irgendwie aristokratisch, nach irgend so einem reichen Pinkel, und außerdem mochte er es, den Namen aus dem Mund einer Hure zu hören: »Archibald, komm doch mal ’n bisschen her zu mir«, mit säuselnder Kopfstimme. Er hat keine Ahnung, dass ich das mit seinem Namen weiß. Meiner Erfahrung nach ist es immer empfehlenswert, jede Einzelheit über die Leute zu wissen, mit denen man zu tun hat. Ein beiläufig eingestreutes, unerwartetes Detail – irgendein Element aus ihrem Leben, von dem sie dachten, es sei so tief in ihrer Vergangenheit begraben, dass niemand je darauf stoßen würde – kann genügen, um den Betreffenden einen Moment lang zum Stutzen zu bringen. Dieser eine Moment reicht mir meistens.
Ich folge einem Korridor und werde vor einer großen Tür von zwei schwarzen Gorillas angehalten, jeder mit einem Genick so dick wie meine Hüfte. Sie mustern mich, versuchen, mich abzuschätzen. Ihre Augen verraten, dass sie etwas anderes erwartet haben, nach allem, was sie über mich gehört haben. Das bin ich gewohnt. Die Enttäuschung in manchen Augen, während ihnen etwas durch den Kopf geht wie: »Gib mir zehn Minuten mit dem allein in einem Raum und dann sehen wir, was Sache ist.« Aber ich habe kein Ego und ich vermeide Konfrontationen.
»Was liegt an?«, fragt der Typ rechts. Die Pistole unter seinem Jackett drückt in sein Hemd, so dass es ein paar Falten wirft, gerade genug, um mich wissen zu lassen, dass sie da ist.
»Sag Archibald, Columbus ist hier.«
Er nickt und verschwindet rückwärts durch die Tür, während mich der andere mit nicht gerade intelligentem Blick mustert. Er hustet und wirft mir ein beinahe ungläubiges »Du bist Columbus?« hin. Er will mich herausfordern.
Ich ignoriere ihn einfach, zeige nicht die leiseste Regung. Ich bin in der Gegenwart. Das ist meine Zeit, sie gehört mir.
Er weiß nicht, wie er darauf reagieren soll, ist es nicht gewohnt, ignoriert zu werden, ist in seinem ganzen Leben noch nicht ignoriert worden, so riesig wie er ist. Aber irgendeine Stimme im Hinterkopf sagt ihm, dass die Geschichten, die er gehört hat, ja doch stimmen könnten, dass dieser Columbus vielleicht tatsächlich so ein knallharter Typ ist, wie Archibald gestern meinte, dass es vielleicht das Klügste wäre, die Bemerkung einfach in der Luft hängen zu lassen, bis sie verhallt ist, so wie das Sendesignal aus einem Autoradio immer schwächer wird, je weiter sich das Auto entfernt.
Er ist erleichtert, als die Tür aufgeht und ich hereingebeten werde. Archibald sitzt hinter einem Schreibtisch aus Holz. Eine nackte Glühbirne hängt an einem Kabel über seinem Kopf und schwingt hin und her wie ein Pendel. Er ist nicht sehr groß – ein krasser Gegensatz zu den Muskelpaketen, mit denen er sich umgibt.
Drahtig, gut gekleidet und mit einem Feuer in den Augen, das es mit der glimmenden Spitze der Zigarette in seinem Mundwinkel aufnimmt. Er ist einer, der bekommt, was er will.
Er erhebt sich und wir schütteln uns die Hände fast ohne Druck, als ob keiner zu viel Engagement zeigen will. Man bietet mir den einzigen Stuhl im Raum an und wir setzen uns mit Bedacht genau zur gleichen Zeit.
»Ich bin nur Mittelsmann bei dieser Sache«, fängt er ohne Umschweife an, damit ich darüber gleich von Anfang an Bescheid weiß. Die Zigarette wackelt wie ein Metronom auf und ab, während er spricht.
»Verstehe.«
»Ein Einzelauftrag. Acht Wochen, wie ausgemacht. «
»Wo?«
»In der Nähe von L. A. Da jedenfalls wird sich der Typ zu dem Zeitpunkt aufhalten.«
Archibald lehnt sich zurück und verschränkt die Arme vor der Brust. Ganz der Boss, der übers Geschäft redet. In der Rolle gefällt er sich. Es erinnert ihn an die Geschäftsmänner hinter ihren Schreibtischen in Atlanta, in deren Büros er früher den Mülleimer leerte und mit einer frischen schwarzen Plastiktüte versah.
Ich nicke ganz leicht. Archibald nimmt es als Stichwort, um auf seinem Stuhl zu einem geöffneten, zum Schreibtisch passenden Aktenschrank herumzuschwenken.
Er zieht einen Aktenkoffer heraus, von dem wir beide wissen, was er enthält. Dann schiebt er ihn mir über den Tisch hinweg zu und wartet.
»Alles, was du wolltest, ist da drin. Kannst es ruhig nachprüfen«, fordert er mich auf.
»Ich weiß, wo ich dich finde, wenn was fehlt.«
Mit solchen Bemerkungen kann man sich Ärger einhandeln. Weil sie alles Mögliche heißen können. Vielleicht ist es ja nur eine harmlose Feststellung oder ein kleiner Witz am Rande, womöglich auch von beidem etwas. Aber in dieser Branche ist es in der überwiegenden Zahl der Fälle eine Drohung, und niemand mag es, wenn man ihm droht.
Er versucht, in meinem Gesicht zu lesen – während sich seine Mimik nicht recht zwischen Grinsen und Stirnrunzeln entscheiden kann –, doch was er auch sucht, er findet es nicht. So bleibt ihm nichts anderes übrig, als die Bemerkung mit einem Lachen abzutun, um seinem Muskelmann klarzumachen, dass das keine Respektlosigkeit war.
»Ha-ha.« Nur ein halbes Lachen. »Der ist gut. Also, ist jedenfalls alles drin.«
Ich komme ihm zu Hilfe, indem ich den Koffer vom Tisch nehme und aufstehe. Er ist erleichtert. Diesmal reicht er mir nicht die Hand.
Mit dem Koffer in der Hand gehe ich zur Tür, doch dann sagt er noch einmal etwas. Er kann es sich einfach nicht verkneifen, seine Neugier ist stärker als die Vorsicht. Schließlich weiß er nicht, ob er mich je wiedersieht, und er muss es einfach erfahren.
»Hast du echt Corlazzi auf dem Boot abgeknallt?«
Sie würden sich wundern, wie oft ich diese Frage gestellt bekomme. Corlazzi war eine große Nummer in der Unterwelt und für einen Großteil der Blutbäder in den Sechzigern und Siebzigern verantwortlich. Ein Mann, der die Rolle der Mafia neu definierte, als Rauschgift den Alkohol als Lieblingsdroge Amerikas ersetzte. Er sah die Zukunft als Erster kommen und arbeitete sich rasch ganz nach oben. Gehasst und gefürchtet wie er war, nahm er allmählich immer paranoidere Züge an. Um seine Machtposition bis ins hohe Alter zu sichern, zog er sich auf ein riesiges Hausboot zurück, das mitten im Lake Michigan ankerte. Es war voller Waffen, und die einzige Verbindung zum Land war ein Motorboot, das sein Sohn Nicolas steuerte.
Vor sechs Jahren wurde Corlazzi tot aufgefunden, mit einer einzigen Kugel mitten im Herz, obwohl niemand einen Schuss gehört hatte und der Mann sich hinter einer verschlossenen, von außen durch eine Schar Bodyguards bewachten Tür befunden hatte.
Nun, ich muss diese Frage nicht beantworten. Ich kann einfach gehen und Archibald samt Entourage darüber rätseln lassen, ob ein Mann wie ich tatsächlich all das getan haben kann, was man dem Namen Columbus nachsagt. Diese Taktik habe ich schon oft verfolgt, wenn mir solche Fragen gestellt wurden. Aber heute, am letzten Tag des grausamsten Monats, denke ich anders darüber. Sechs Augen sind auf mich gerichtet, und mit drei Schwarzen in einem Lagerhaus am Rand von Boston als Zeugen kann ein Mann seinen Ruf auf Jahre hinaus zementieren. Ich drehe mich mit einer Mischung aus Wirbelsturm und Grazie herum, und bevor noch einer den nächsten Atemzug tun kann, habe ich eine Pistole in der Hand, ziele und drücke im selben Moment den Abzug. Die Zigarette aus Archibalds Mund wirbelt wie ein Taktstock durch die Luft, die Kugel schlägt über dem Aktenschrank in die Mauer, während die Zigarette, getragen von der Schwerkraft, wie ein Hubschrauber sanft auf dem Zementboden landet. Als die sechs Augen aufblicken, bin ich schon auf und davon.
Ich hatte jedenfalls herzlich wenig von Ersterem und genug von Letzterem, dass es für ein ganzes Leben reicht. Letzte Woche las ich in einer Umfrage, dass neunzig Prozent der über 60-Jährigen gerne noch einmal Teenager wären, wenn sie könnten. Hätten diese Leute auch nur einen einzigen Tag meiner Jugend erlebt, dann würde nicht einer von ihnen die Hand heben.
Die Vergangenheit interessiert mich nicht, auch wenn sie ständig präsent ist, gleich unter der Oberfläche, wie bedrohliche, unscharfe Schatten, die ein Meeresschwimmer in der Tiefe unter sich spürt. Ich mag die Gegenwart. In der Gegenwart habe ich die Kontrolle.
In der Gegenwart bin ich Herr meines Schicksals. Wenn ich will, kann ich jemanden berühren oder mich von jemandem berühren lassen, aber nur in der Gegenwart. Der freie Wille ist ein Geschenk der Gegenwart, der einzige Moment, in dem ich Gott überlisten kann. Die Zukunft, dein Schicksal dagegen gehören Gott. Wenn du versuchst, Gott auszutricksen, indem du dein Schicksal planst, dann hast du schon verloren.
Die Zukunft gehört ihm und er steht auf hinterhältige Schlusspointen. Im Moment ist die Gegenwart geprägt von Regen und Sturmböen, und so ziehe ich eilig die Tür hinter mir zu, durch die ich die unscheinbare Lagerhalle am Charles River betrete. Der April war kalt, was manche als Ankündigung eines langen, heißen Sommers sehen, aber ich selbst mache keine Vorhersagen. In der Lagerhalle ist es feucht und ich rieche Schimmel, frisches Sägemehl und Furcht.
Man begegnet mir nicht gern. Selbst jene, die in den Augen der Gesellschaft als gefährlich gelten, fühlen sich unbehaglich in meiner Gegenwart. Sie haben von Singapur, Providence und Brooklyn gehört. Von Washington, Baltimore und Miami. Von London, Bonn und Dallas. Sie fürchten sich davor, versehentlich etwas zu sagen, was mich reizen könnte, und wägen deshalb ihre Worte genau ab. Furcht ist ein Gefühl, das diesem Menschenschlag eher fremd ist, und so mögen sie es nicht, wenn es sich in ihrer Magengrube einnistet.
Wenn sie sich mit mir treffen müssen, dann machen sie es so kurz wie möglich und verzichten auf lange Verhandlungen. Im Augenblick bin ich mit einem Schwarzen namens Archibald Grant verabredet. Eigentlich heißt er Cotton Grant, aber es gefiel ihm nicht, wie ein Provinzneger zu klingen, der geradewegs von einem Baumwollfeld in Georgia kommt, und so zog er nach Boston und nannte sich Archibald. Seiner Meinung nach klang das irgendwie aristokratisch, nach irgend so einem reichen Pinkel, und außerdem mochte er es, den Namen aus dem Mund einer Hure zu hören: »Archibald, komm doch mal ’n bisschen her zu mir«, mit säuselnder Kopfstimme. Er hat keine Ahnung, dass ich das mit seinem Namen weiß. Meiner Erfahrung nach ist es immer empfehlenswert, jede Einzelheit über die Leute zu wissen, mit denen man zu tun hat. Ein beiläufig eingestreutes, unerwartetes Detail – irgendein Element aus ihrem Leben, von dem sie dachten, es sei so tief in ihrer Vergangenheit begraben, dass niemand je darauf stoßen würde – kann genügen, um den Betreffenden einen Moment lang zum Stutzen zu bringen. Dieser eine Moment reicht mir meistens.
Ich folge einem Korridor und werde vor einer großen Tür von zwei schwarzen Gorillas angehalten, jeder mit einem Genick so dick wie meine Hüfte. Sie mustern mich, versuchen, mich abzuschätzen. Ihre Augen verraten, dass sie etwas anderes erwartet haben, nach allem, was sie über mich gehört haben. Das bin ich gewohnt. Die Enttäuschung in manchen Augen, während ihnen etwas durch den Kopf geht wie: »Gib mir zehn Minuten mit dem allein in einem Raum und dann sehen wir, was Sache ist.« Aber ich habe kein Ego und ich vermeide Konfrontationen.
»Was liegt an?«, fragt der Typ rechts. Die Pistole unter seinem Jackett drückt in sein Hemd, so dass es ein paar Falten wirft, gerade genug, um mich wissen zu lassen, dass sie da ist.
»Sag Archibald, Columbus ist hier.«
Er nickt und verschwindet rückwärts durch die Tür, während mich der andere mit nicht gerade intelligentem Blick mustert. Er hustet und wirft mir ein beinahe ungläubiges »Du bist Columbus?« hin. Er will mich herausfordern.
Ich ignoriere ihn einfach, zeige nicht die leiseste Regung. Ich bin in der Gegenwart. Das ist meine Zeit, sie gehört mir.
Er weiß nicht, wie er darauf reagieren soll, ist es nicht gewohnt, ignoriert zu werden, ist in seinem ganzen Leben noch nicht ignoriert worden, so riesig wie er ist. Aber irgendeine Stimme im Hinterkopf sagt ihm, dass die Geschichten, die er gehört hat, ja doch stimmen könnten, dass dieser Columbus vielleicht tatsächlich so ein knallharter Typ ist, wie Archibald gestern meinte, dass es vielleicht das Klügste wäre, die Bemerkung einfach in der Luft hängen zu lassen, bis sie verhallt ist, so wie das Sendesignal aus einem Autoradio immer schwächer wird, je weiter sich das Auto entfernt.
Er ist erleichtert, als die Tür aufgeht und ich hereingebeten werde. Archibald sitzt hinter einem Schreibtisch aus Holz. Eine nackte Glühbirne hängt an einem Kabel über seinem Kopf und schwingt hin und her wie ein Pendel. Er ist nicht sehr groß – ein krasser Gegensatz zu den Muskelpaketen, mit denen er sich umgibt.
Drahtig, gut gekleidet und mit einem Feuer in den Augen, das es mit der glimmenden Spitze der Zigarette in seinem Mundwinkel aufnimmt. Er ist einer, der bekommt, was er will.
Er erhebt sich und wir schütteln uns die Hände fast ohne Druck, als ob keiner zu viel Engagement zeigen will. Man bietet mir den einzigen Stuhl im Raum an und wir setzen uns mit Bedacht genau zur gleichen Zeit.
»Ich bin nur Mittelsmann bei dieser Sache«, fängt er ohne Umschweife an, damit ich darüber gleich von Anfang an Bescheid weiß. Die Zigarette wackelt wie ein Metronom auf und ab, während er spricht.
»Verstehe.«
»Ein Einzelauftrag. Acht Wochen, wie ausgemacht. «
»Wo?«
»In der Nähe von L. A. Da jedenfalls wird sich der Typ zu dem Zeitpunkt aufhalten.«
Archibald lehnt sich zurück und verschränkt die Arme vor der Brust. Ganz der Boss, der übers Geschäft redet. In der Rolle gefällt er sich. Es erinnert ihn an die Geschäftsmänner hinter ihren Schreibtischen in Atlanta, in deren Büros er früher den Mülleimer leerte und mit einer frischen schwarzen Plastiktüte versah.
Ich nicke ganz leicht. Archibald nimmt es als Stichwort, um auf seinem Stuhl zu einem geöffneten, zum Schreibtisch passenden Aktenschrank herumzuschwenken.
Er zieht einen Aktenkoffer heraus, von dem wir beide wissen, was er enthält. Dann schiebt er ihn mir über den Tisch hinweg zu und wartet.
»Alles, was du wolltest, ist da drin. Kannst es ruhig nachprüfen«, fordert er mich auf.
»Ich weiß, wo ich dich finde, wenn was fehlt.«
Mit solchen Bemerkungen kann man sich Ärger einhandeln. Weil sie alles Mögliche heißen können. Vielleicht ist es ja nur eine harmlose Feststellung oder ein kleiner Witz am Rande, womöglich auch von beidem etwas. Aber in dieser Branche ist es in der überwiegenden Zahl der Fälle eine Drohung, und niemand mag es, wenn man ihm droht.
Er versucht, in meinem Gesicht zu lesen – während sich seine Mimik nicht recht zwischen Grinsen und Stirnrunzeln entscheiden kann –, doch was er auch sucht, er findet es nicht. So bleibt ihm nichts anderes übrig, als die Bemerkung mit einem Lachen abzutun, um seinem Muskelmann klarzumachen, dass das keine Respektlosigkeit war.
»Ha-ha.« Nur ein halbes Lachen. »Der ist gut. Also, ist jedenfalls alles drin.«
Ich komme ihm zu Hilfe, indem ich den Koffer vom Tisch nehme und aufstehe. Er ist erleichtert. Diesmal reicht er mir nicht die Hand.
Mit dem Koffer in der Hand gehe ich zur Tür, doch dann sagt er noch einmal etwas. Er kann es sich einfach nicht verkneifen, seine Neugier ist stärker als die Vorsicht. Schließlich weiß er nicht, ob er mich je wiedersieht, und er muss es einfach erfahren.
»Hast du echt Corlazzi auf dem Boot abgeknallt?«
Sie würden sich wundern, wie oft ich diese Frage gestellt bekomme. Corlazzi war eine große Nummer in der Unterwelt und für einen Großteil der Blutbäder in den Sechzigern und Siebzigern verantwortlich. Ein Mann, der die Rolle der Mafia neu definierte, als Rauschgift den Alkohol als Lieblingsdroge Amerikas ersetzte. Er sah die Zukunft als Erster kommen und arbeitete sich rasch ganz nach oben. Gehasst und gefürchtet wie er war, nahm er allmählich immer paranoidere Züge an. Um seine Machtposition bis ins hohe Alter zu sichern, zog er sich auf ein riesiges Hausboot zurück, das mitten im Lake Michigan ankerte. Es war voller Waffen, und die einzige Verbindung zum Land war ein Motorboot, das sein Sohn Nicolas steuerte.
Vor sechs Jahren wurde Corlazzi tot aufgefunden, mit einer einzigen Kugel mitten im Herz, obwohl niemand einen Schuss gehört hatte und der Mann sich hinter einer verschlossenen, von außen durch eine Schar Bodyguards bewachten Tür befunden hatte.
Nun, ich muss diese Frage nicht beantworten. Ich kann einfach gehen und Archibald samt Entourage darüber rätseln lassen, ob ein Mann wie ich tatsächlich all das getan haben kann, was man dem Namen Columbus nachsagt. Diese Taktik habe ich schon oft verfolgt, wenn mir solche Fragen gestellt wurden. Aber heute, am letzten Tag des grausamsten Monats, denke ich anders darüber. Sechs Augen sind auf mich gerichtet, und mit drei Schwarzen in einem Lagerhaus am Rand von Boston als Zeugen kann ein Mann seinen Ruf auf Jahre hinaus zementieren. Ich drehe mich mit einer Mischung aus Wirbelsturm und Grazie herum, und bevor noch einer den nächsten Atemzug tun kann, habe ich eine Pistole in der Hand, ziele und drücke im selben Moment den Abzug. Die Zigarette aus Archibalds Mund wirbelt wie ein Taktstock durch die Luft, die Kugel schlägt über dem Aktenschrank in die Mauer, während die Zigarette, getragen von der Schwerkraft, wie ein Hubschrauber sanft auf dem Zementboden landet. Als die sechs Augen aufblicken, bin ich schon auf und davon.
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Autoren-Porträt von Derek Haas
Derek Haas ist erfolgreicher Hollywood-Drebuchautor.
Bibliographische Angaben
- Autor: Derek Haas
- 2009, 256 Seiten, Maße: 11,9 x 18,8 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Ruß, Marlies
- Übersetzer: Marlies Ruß
- Verlag: Ullstein TB
- ISBN-10: 3548269435
- ISBN-13: 9783548269436
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