Kinder des Judas
Sia ist jung, schön, gesund - doch sie wünscht sich nichts sehnlicher, als einzuschlafen und nie wieder aufzuwachen. Denn Sia ist eine Untote und arbeitet im Krankenhaus als "Engel" der Sterbenden. Ihre Geschichte beginnt bereits im Jahre 1670, wo sie als...
Sia ist jung, schön, gesund - doch sie wünscht sich nichts sehnlicher, als einzuschlafen und nie wieder aufzuwachen. Denn Sia ist eine Untote und arbeitet im Krankenhaus als "Engel" der Sterbenden. Ihre Geschichte beginnt bereits im Jahre 1670, wo sie als Mädchen in die dunklen Machenschaften der "Kinder des Judas" verwickelt wird.
Jung sein, schön, gesund und das bis in alle Ewigkeit: Was sich für viele nach einem Traum anhört, ist für Sia schon vor langer Zeit zum Fluch geworden. Sie sehnt sich nur nach einem: einschlafen und nie wieder aufwachen müssen. Doch das darf sie nicht. Zu groß ist die Schuld, die Sia auf sich geladen hat, zu groß die Verantwortung, die sie gegenüber der Menschheit trägt. Um den Schmerz zu lindern, schreibt Sia in einer langen, einsamen Nacht ihre Geschichte nieder. Sie beginnt 1670 und erzählt von einem kleinen Mädchen, das in die dunklen Machenschaften der "Kinder des Judas" verwickelt wurde, jenes mächtigen Bündnisses von Wissenschaftlern und Vampiren!
Kinder des Judas von Markus Heitz
LESEPROBE
Kommen sieauch zu uns, Mutter?« Das kleine Mädchen blickte durchdie halb blinden Fensterscheiben und ließ die Straße nicht aus den Augen, aufder die Soldaten durch den Regen von Haus zu Haus gingen. Sie gehörten, dereinfachen Kleidung und Bewaffnung nach, zu den Hilfstruppen der türkischenBesatzer, vermutlich Freiwillige aus einem anderen Dorf. Der Kopf des Mädchensbewegte sich nach rechts und links, um an den undurchsichtigen Stellen im Glasvorbeizuschauen; auf dem zarten Gesicht spiegelte sich die Begeisterung wider.
»Das kannsein, Jitka.« Ihre Muttertrat hinter sie und legte die Hände auf die Schultern des Kindes. Sie teiltedie Begeisterung nicht, aber es existierte auch kein Grund, weswegen sich Janja vor den Fremden fürchten sollte. Bei einer achtundzwanzigjährigenWitwe und einem acht Jahre alten Mädchen gab es nichts zu holen. Sie seufzte,richtete das einfache, dunkelbraune Kleid der Tochter und legte die zu einemZopf gebundenen schwarzen Haare ordentlich auf den Rücken. Dabei beobachtete siedie Fenster der übrigen Fachwerkgebäude, hinter denen vereinzelte ängstlicheGesichter zu erkennen waren. Menschen, die ihre Häuser verlassen wollten, ummit den Soldaten zu sprechen, wurden mit deutlichen Gesten zurückgeschickt.
Jitkaschaute nur kurz zu ihr auf, sie wollte die Männer nicht aus den Augenverlieren. »Darf ich mit ihnen gehen, Mutter?« Janja sah sie erstaunt an und musste gegen ihren Willensogar auflachen. Ihre Tochter wurde mit den Jahren immer unerschrockener, ihrAbenteuerhunger war inzwischen im gesamten Dorf bekannt. »Sie würden dich nichtmitnehmen, meine Blume, denn «
Etwaserregte ihre Aufmerksamkeit. Janja sah, wie eingepanzerter Mann heranritt und zu ihrem kleinen, freistehenden Haus am Ende der Straße herüberblickte; dann stieg er von seinemprunkvoll geschmückten und gerüsteten Pferd. Ein Janitschar,stellte sie erstaunt fest. Man erkannte diese gefürchteten Elitekrieger anihrer besonderen Kleidung. Eigentlich war es Janitscharenverboten zu reiten, doch weit weg von Konstantinopel und ihrem Sultan erlaubtensie sich Besonderheiten, das wusste Janja.
Der Janitschar rief einen Mann in einem orientalischen Gewand zusich, der von einem Schirmträger flankiert wurde, und sie redeten miteinander.Dass Hilfstruppen von einem derartigen Kämpfer begleitet wurden, war mehr alsungewöhnlich und vermutlich auch nicht gut. Normalerweise war es ihnenverboten, mit der Bevölkerung in Berührung zu kommen. Sie setzten sich aberüber vieles hinweg, um sich Wohlstand und Macht zu sichern.
»Und warumwürden sie das nicht, Mutter?«
Janja warin Gedanken. Sie hatte einmal gehört, dass es keine Übersetzung des Wortes gab,nur eine Umschreibung, die in etwa besagte, dass ein Janitscharein unfreier Mensch war, der allein für den Krieg lebte. Dass einer von ihnenim Dorf auftauchte, machte sie unruhig.
»Sie mögenkeine Mädchen«, antwortete Janja gedankenverloren. Siebeobachtete, was sich unweit von ihnen abspielte, und das merkwürdige Unbehagenbreitete sich weiter in ihr aus. Dabei sollte es dafür keinen Grund geben.Unter der Herrschaft der Türken gab es kaum Einschränkungen, und solange jederseine Abgaben und Steuern bezahlte, ließen die Phanarioten- die griechischstämmigen Verwalter - sowie die Richter, Kadis genannt, dieDörfer in Frieden. Janja hatte ihre Abgaben bezahlt,gerade gestern erst.
Dieüberwiegende Mehrheit der Bewohner des Landstrichs waren Christen geblieben,die Besatzer verzichteten auf eine gewaltsame Bekehrung - wenn auch die Glockenin den Türmen nicht mehr zum Gottesdienst rufen durften. Der Klang, so lautetedie Begründung, beleidige die Ohren der Muslime. Manche Kirchtürme hatten umeiniges verkleinert werden müssen, damit sie nicht höher als die Minarettewaren.
In ihrerkleinen Stadt gab es kein Minarett, daher erhob sich der Turm unbeeindruckt. Esgab durchaus Dörfer, die komplett zum Islam übergetreten waren, was ihnenVorteile brachte. Sicherlich stammten diese Soldaten aus einem von ihnen.
Wasnatürlich immer für Unruhe sorgte, war die Devshirme,die Knabenlese, bei der die christlichen Familien ihre ältesten Söhne demSultan überlassen mussten, der aus ihnen Janitscharenmachen ließ. War das der Grund für das Auftauchen der Soldaten?
»Aber dusagst immer, ich sei etwas Besonderes, Mutter«, widersprach Jitkaleise und klatschte einmal in die Hände, als sie sah, dass der Janitschar durch die vom Wind umhergetriebenenRegenschleier auf ihr Zuhause zukam. »Vielleicht machen sie bei mir eineAusnahme?«
»Du bistvor allem besonders neugierig. Das können sie schon gar nicht leiden. Du hastdoch gesehen, wie sie die Menschen wieder in ihre Häuser gejagt haben.« Janja beugte sich zu ihrer Tochterhinunter. »Die Türken sind nicht unsere Freunde, vergiss das niemals.«
SchwereStiefelschritte näherten sich dem Eingang, gleich danach hämmerte ein harterGegenstand gegen die Tür. Janja warf sich ihrendunkelbraunen Umhang über, zog die weiße Haube fester über die brünetten Haareund eilte zur Tür. »Du wirst schweigen, Jitka«,befahl sie leise, doch sehr eindringlich, bevor sie öffnete.
Das Lichtder Kerzen fiel auf den Mann und beleuchtete ihn golden. Jitkastrahlte bei dem Anblick. Auf der Schwelle stand ein Janitschar,wie er in Geschichten beschrieben wurde und wie ihn sich das Mädchen immererträumt hatte. Unter dem Überwurf aus gutem, schwerem Stoff glänzte einPanzerhemd aus vernieteten Eisenringen; es war mit Broschen und Symbolen geschmückt.Als Kopfschutz diente eine schwere Sturmhaube, an der ein Ringgeflecht denNacken-, Stirn- und Wangenschutz bildete. Auf der Sturmhaube saß wiederum einehohe Haube aus weißem Filz, in der eine vergoldete Federhülse über der Stirnsteckte. Hände und Unterarme waren von langen Panzerhandschuhen bedeckt. DasMädchen bestaunte das Dekor, das von einem begnadeten Goldschmied angefertigtworden sein musste. Die Blumenmuster, die gravierten geometrischen Ornamente,vergoldeten Schließen und Beschlagteile glänzten im Schein der zuckendenFlämmchen.
An derSeite des Janitscharen hing der Krummsäbel, im Gürtelsteckten zwei atemberaubend schön gearbeitete Pistolen. Die Griffe seinerWaffen waren mit aufwendigen Intarsien geschmückt, wie es sich üblicherweisenur Fürsten leisteten.
In derRechten hielt er einen mit Seide und Silberdraht geschmückten Rundschild. DieBeine steckten in Hosen aus blauem Stoff, die Füße in hohen Stiefeln.
Jitkatraute sich kaum zu atmen, als könne sie so verhindern, dass dieses fastmärchenhafte Geschöpf so schnell verschwand, wie es gekommen war. Nur dasWasser, das von der Haube rann, schien wirklich zu sein; Tropfen perlten überdas Gesicht, in dem ein prächtiger brauner Schnurrbart prangte.
»Wir suchennach einem Jungen«, sagte der Janitschar ohne einenGruß zu Janja. Seine hellen Augen spähten in den kargeingerichteten Raum. »Wenn er hier vor uns verborgen wurde, sag es liebergleich.« Er beugte sich vor und trat ein, dieFilzhaube streifte den Türrahmen. »Falls ich ihn finden sollte, wird es dirschlecht ergehen.« Er sprach nicht nur ohne Akzent,sondern auch ohne jegliches Gefühl in der Stimme. »Er hat von den Abgaben desDorfes gestohlen.«
»Ich habeniemanden versteckt. Ich lebe mit meiner Tochter allein«, gab Janja zurück und neigte den Kopf vor dem Janitscharen, den sie etwas älter als sich selbst schätzte.»Ich würde es niemals wagen, mich den Befehlen des Sultans zu widersetzen, dasweiß der Kadi.« Sie war verunsichert, da sie nichtwusste, wie sie mit ihm sprechen durfte - und ob überhaupt. Sie kannteniemanden aus der Stadt, der das jemals zuvor getan hatte.
VierSoldaten betraten das Haus, und auf einen Wink des Janitscharenschwärmten sie aus und begannen ihre Durchsuchung. Er selbst ging an Jitka vorbei, würdigte sie aber keines Blickes, während dasMädchen ihn anstaunte und die Augen nicht mehr abwenden wollte. Sie hatte soviele Fragen! Besonders gefiel ihr der Dolch an seiner Seite, ein wundervolles undeinmaliges Stück, dessen Griff aus Holz bestand, aber mit viel Silberbeschlagen war. Die Motive und Muster schimmerten, goldene Beschläge aus Blumenund Ranken liefen um die Scheide, und selbst der Griff wies Zierrat auf. Erhatte nichts mit den schartigen, abgewetzten Messern gemein, welche die Männerdes Dorfes für die tägliche Arbeit bei sich trugen. Den gezischten Befehl ihrerMutter, bei ihr zu bleiben, hörte sie nicht einmal. ( )
© VerlagDroemerKnaur
"Das kann sehr unterschiedlich sein. Mal reicht es, wenn man in ein Gespräch verwickelt ist und dabei stößt man auf interessante Begebenheiten, und schon macht sich der Autor einen Vermerk im Hinterkopf. Dann ist es der Wunsch, mehr über eine Sache herauszufinden, wie bei den Vampiren. Ich wollte schlicht wissen, woher unser heutiges Vampirbild stammt. Oder ich bin auf Lesereise unterwegs, beobachte irgendetwas oder irgendwen und SCHON ergeben sich Gedanken: Warum ist das passiert? Wieso trägt er diese Brille und was würde wohl in meiner "Welt" dahinterstecken? Generell: Inspiration lauert überall."
Warum haben Sie ausgerechnet Leipzig als Ort für Ihren neuen Vampirroman „Kinder des Judas“ ausgesucht?
"Leipzig habe ich erst richtig durch die Buchmesse kennen gelernt und durch das WGT, das Wave Gothic Treffen. Es gibt sehr schöne Eckchen in der Stadt, und warum sollte ich diese nicht mal zeigen? Mir gefällt Leipzig sehr gut. Wenn es jetzt noch am Meer liegen würde, könnte man glatt hinziehen."
Seit wann interessieren Sie sich für Vampire und Werwölfe? Woher kommt das Faible für dieses Genre?
"Man liest sich als Jugendlicher durch alle Genres, folglich stand da auch mal Grusel und Horror auf dem Programm. Es gefiel mir recht gut, gerade Vampire hatten es mir angetan. Und ich stellte mir die Frage, woher eigentlich das Vampirbild kommt. Unser Vampirbild. Denn seit Bram Stokers Dracula sind die Blutsauger ziemlich in Mode geblieben. Als ich das herausgefunden hatte, wusste ich, dass ich das unbedingt in einen Roman packen muss!"
Gibt es einen Mythos an den Sie glauben?
"Den vom guten Menschen. Irgendwo muss es ihn geben."
Viele Ihrer Fans kommen aus der Gothic Szene. Sind Sie auch gerne mal mit dabei? Was fasziniert Sie so an
"Ich bin sozusagen ein Halb-Gothic. Das heißt, dass ich vor allem die Musik und die Nachdenklichkeit über Vergänglichkeit aus der Szene sehr gut finde. Ein wenig über das eigene Leben, das Dasein und das Danach nachzudenken, hat noch keinem geschadet. Man findet mich öfter auf Festivals, wie dem MeraLuna und dem WGT, aber auch auf Konzerten von Bands oder in Clubs."
Es gibt ja viele Methoden einen Vampir zu töten. Aber welche Methode ist am wirksamsten?
"Es gibt nur EINE WIRKLICH wirksame, und das ist: zuerst köpfen, danach verbrennen. Alles andere führt nicht zwangsläufig zum Erfolg."
Vampire können ja verschiedene Gestalten und Persönlichkeiten annehmen. Wenn Sie es sich aussuchen könnten, welche Gestalt oder Persönlichkeit würden Sie annehmen wollen? Warum?
"Am besten gefiele mir das Gestaltenwandeln. Einmal als Merkel daherkommen und mal ordentlich den Bundestag in einer Nachtsitzung aufmischen, das wäre lustig! Steuersenkungen beschließen, die Diäten kürzen oder einfach mal alle Wahlversprechen umsetzen. Ach ja, was Vampire so alles machen könnten...."
© Droemer Knaur / www.pakt-der-dunkelheit.de
- Autor: Markus Heitz
- 2007, 701 Seiten, Maße: 13,6 x 21 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: Knaur
- ISBN-10: 3426662779
- ISBN-13: 9783426662779
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