Kleiner Mann, was nun?
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Kleiner Mann - was nun? von Hans Fallada
LESEPORBE
Die Ehe fängt ganz richtig mit einer Hochzeitsreise an,
aber - brauchen wir einen Schmortopf?
Der Zug, der um vierzehn Uhr zehn an diesem AugustSonnabendvon Platz nach Ducherow fährt, befördert in einem Nichtraucherabteil dritterKlasse Herrn und Frau Pinneberg, in seinem Packwagen einen »ganz großen« Schließkorbmit Emmas Habe, einen Sack mit Emmas Betten - aber nur ihr Bett, »für seinBett kann er selber sorgen, wie kommen wir dazu« - und eine Eierkiste mit EmmasPorzellan.
Der Zug verläßt eilig die große Stadt Platz, am Bahnhof warkeiner, die letzten Vorstadthäuser bleiben zurück, nun kommen die Felder. EineWeile noch geht es an dem Ufer der glitzernden Strela entlang, und nun Wald,Birken an der Bahnlang.
Im Abteil sitzt außer ihnen nur noch ein grämlicher Mann,der sich nicht entschließen kann, was er nun eigentlich tun soll: Zeitunglesen, die Landschaft besehen oder das junge Paar beobachten. Überraschend gehter von einem zum anderen über, und immer, wenn die beiden sich gerade ganzsicher glauben, werden sie von ihm erwischt.
Pinneberg legt ostentativ seine rechte Hand aufs Knie. DerReif schimmert freundlich. Jedenfalls sind es vollständig legitime Dinge, diedieser Grämling beobachtet. Er sieht aber nicht den Ring an, sondern dieLandschaft.
»Macht sich gut, der Ring«, sagt Pinneberg zufrieden. »Kannman überhaupt nicht sehen, daß er nur vergoldet ist.«
»Weißt du, ein komisches Gefühl ist es doch mit dem Ring,ich fühl ihn immerzu und muß ihn ewig ansehen.«
»Bist ihn eben noch nicht gewöhnt. Alte Eheleute spüren ihnüberhaupt nicht. Verlieren ihn, merken es gar nicht.«
»Das sollte mir passieren«, sagt Lämmchen entrüstet. »Ich werdihn merken, immer und immer.«
»Ich auch«, erklärt Pinneberg. »Wo er mich an dich erinnert.«
»Und mich an dich!«
Sie neigen sich gegeneinander, immer näher, immer näher. Undfahren zurück, der Grämliche starrt geradezu schamlos.
»Keiner aus Ducherow«, flüstert Pinneberg. »Müßte ihn kennen.«
»Kennst du denn alle bei euch?«
»Was so in Frage kommt, natürlich. Wo ich früher bei BergmannHerren- und Damenkonfektion verkauft habe. Da kennt man alles.«
»Warum hast du denn das aufgegeben? Das ist doch eigentlichdeine Branche.«
»Hab mich verkracht mit dem Chef«, sagt Pinneberg kurz.
Lämmchen möchte weiterfragen, sie spürt, hier ist noch einAbgrund, aber lieber läßt sie es. Alles hat Zeit, jetzt, wo sie richtigstandesamtlich getraut sind.
Er hat anscheinend auch gerade daran gedacht. »Deine Muttersitzt nun längst wieder zu Haus«, sagt er.
»Ja«, sagt sie. »Mutter ist böse, deswegen ist sie auchnicht mit zur Bahn gegangen. 'ne Hundehochzeit ist das, hat sie gesagt, wie wirweggegangen sind vom Standesamt.«
»Soll ihr Geld sparen. So 'ne Festfresserei, wo alle nur dreckigeWitze reißen, ist mir gräßlich.«
»Natürlich«, sagt Lämmchen. »Mutter hätte es nur Spaß gemacht.«
»Haben nicht geheiratet, damit Mutter Spaß hat«, sagt erkurz angebunden.
Pause.
»Du«, fängt Lämmchen wieder an, »ich bin so schrecklich gespanntauf die Wohnung.«
»Na ja, hoffentlich gefällt sie dir. Viel Auswahl ist nichtin Ducherow.«
»Also, Hannes, beschreib sie mir noch mal.«
»Schön«, sagt er und erzählt, was er schon öfter erzählt hat.»Daß sie ganz draußen liegt, hab ich schon gesagt. Ganz im Grünen.«
»Das finde ich grade so fein.«
»Aber es ist ein richtiger Mietskasten. Maurermeister Motheshat ihn da draußen hingesetzt, hat gedacht, da kommen noch mehr. Aber keinerkommt und baut da.«
»Warum nicht?«
»Weiß ich nicht. Ist den Leuten zu einsam, zwanzig Minutenvon der Stadt. Kein gepflasterter Weg.«
»Also die Wohnung«, erinnert sie ihn.
»Ja, also, wir wohnen ganz oben, bei der Witwe Scharrenhöfer.«
»Wie ist sie denn?«
»Gott, was soll ich sagen. Sie tat ja sehr fein, sie hatauch mal bessere Tage gesehen, aber die Inflation ... Na, sie hat mir tüchtigwas vorgeweint.«
»O Gott!«
»Sie wird ja nicht immer weinen. Und überhaupt, das ist ausgemacht,nicht wahr, wir sind schrecklich reserviert! Wir wollen keinen Verkehr mitandern Leuten haben. Wir sind für uns genug.«
»Natürlich. Aber wenn sie aufdringlich ist?«
»Glaube ich nicht. Ist 'ne richtige feine alte Dame mit ganzweißen Haaren. Und sie hat schreckliche Angst um ihre Sachen, es sind doch nochdie guten Sachen von ihrer Mutter selig, und wir sollen uns immer langsam aufdas Sofa setzen, weil das noch die gute alte Federung hat, die verträgt keineplötzliche Belastung.«
»Wenn ich da man nur immer dran denke«, sagt Lämmchenbedenklich. »Wenn ich mich freue oder wenn ich schrecklich traurig bin undrasch mal heulen möchte, und ich setz mich hin, dann kann ich doch nicht an diegute alte Federung denken.«
(...)
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Weitere wichtige Werke: 'Bauern, Bonzen und Bomben' (1931), 'Wer einmal aus dem Blechnapf frißt' (1934), 'Wolf unter Wölfen' (1937), 'Der eiserne Gustav' (1938), 'Geschichten aus der Murkelei' (1938), 'Jeder stirbt für sich allein' (1947).
- Autor: Hans Fallada
- 2005, 396 Seiten, Maße: 11,5 x 19 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: Aufbau TB
- ISBN-10: 3746653282
- ISBN-13: 9783746653280
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