Köstlich wie dein Kuss
Roman
Die Chicago Tribune lobt: "Eine wunderbare, märchenhafte Romance ein unwiderstehlicher Leckerbissen."
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Köstlich wie dein Kuss “
Die Chicago Tribune lobt: "Eine wunderbare, märchenhafte Romance ein unwiderstehlicher Leckerbissen."
Klappentext zu „Köstlich wie dein Kuss “
Unvergleichlich köstlich! Wer einmal von den Speisen der gefeierten Meisterköchin Verity Durant kostete, wird dieses Erlebnis nie wieder vergessen. Auch Stuart Somerset verfällt ihrem Bann zumal die raffinierten Leckerbissen ihn machtvoll an eine bittersüße, verbotene Nacht erinnern, die er vor Jahren mit einer unbekannten Schönen verbrachte Unvergleichlich sinnlich! Niemals wird Verity die wunderbare Nacht vergessen, die sie damals mit Stuart teilte. Doch wie einst schon Aschenputtel musste auch sie den Geliebten vor Morgengrauen verlassen. Nun führt das Schicksal sie wieder zusammen aber es scheint zu spät: Stuart ist einer anderen versprochen
Unvergleichlich köstlich! Wer einmal von den Speisen der gefeierten Meisterköchin Verity Durant gekostet hat, wird dieses Erlebnis nie wieder vergessen. Auch Stuart Somerset verfällt ihrem Bann - zumal die raffinierten Leckerbissen ihn machtvoll an eine bittersüße, verbotene Nacht erinnern, die er vor Jahren mit einer unbekannten Schönen verbrachte ... - Unvergleichlich sinnlich! Niemals wird Verity die wunderbare Nacht vergessen, die sie damals mit Stuart teilte. Doch wie einst schon Aschenputtel musste auch sie den Geliebten vor Morgengrauen verlassen. Nun führt das Schicksal sie wieder zusammen - aber es scheint zu spät: Stuart ist einer anderen versprochen ...
Lese-Probe zu „Köstlich wie dein Kuss “
Köstlich wie dein Kuss von Sherry Thomas1. KAPITEL
Im Nachhinein hieß es, es sei wie das Märchen vom Aschenputtel. Nur dass die gute Fee gefehlt habe. Aber davon abgesehen, schien die Geschichte alle Bestandteile des Märchens zu enthalten.
Es gab einen ziemlich modernen Prinzen. Zwar war er nicht von königlichem Geblüt, aber dafür war er mächtig - Londons führender Anwalt, Mr. Gladstones rechte Hand, ein Mann, von dem man sich gut vorstellen konnte, dass er eines Tages in der Downing Street Nr. 10 residieren würde.
Dann gab es eine Frau, die einen großen Teil ihres Lebens in der Küche verbracht hatte. Für viele Leute war sie ein Niemand. Andere fanden, sie sei eine der bedeutendsten Köchinnen ihrer Generation. Angeblich war ihr Essen so göttlich, dass alte Männer mit dem Appetit der Jugend schmausten, und so verführerisch, dass Liebende unbedingt noch den letzten Krümel davon verspeisen wollten, ehe sie einander in die Arme sanken.
Einen Ball gab es auch - zwar nicht die Art Ball, von denen in Märchen oder auch in gewöhnlicheren Geschichten berichtet wird, aber doch einen Ball. Es gab auch die obligatorische böse Anverwandte. Und, für Märchenkenner vielleicht das Wichtigste, es wurde in der Eile Fußbekleidung zurückgelassen - zwar kein so frivoles oder ausgefallenes Modell wie ein gewisser gläserner Schuh, aber doch Schuhe, die viele Jahre lang hoffnungsvoll aufgehoben und in Ehren gehalten worden waren.
Wirklich wie im Märchen vom Aschenputtel.
Oder doch nicht?
Alles begann - oder setzte sich fort, je nachdem, wie man es betrachtete - an dem Tag, an dem Bertie Somerset starb.
Yorkshire
November 1892
... mehr
Die Küche auf Fairleigh Park besaß die Ausmaße eines kleinen Palasts und war ebenso großartig wie alles, was man auf Chatsworth oder Blenheim vorfinden würde - sehr viel größer, als man es von einem Herrenhaus wie Fairleigh Park erwarten würde.
Bertie Somerset hatte den gesamten Küchentrakt im Jahr 1877 renovieren lassen: kurz nachdem er das Erbe angetreten hatte und zwei Jahre, bevor Verity Durant als Köchin zu ihm kam. Nach Fertigstellung der Arbeiten verfügten die Küchengebäude über ein Milchhaus, eine Spülküche und eine Speisekammer, jeweils so groß wie ein kleines Cottage, Vorratskammern für Fleisch, Wild und Fisch, zwei Räucherkammern und einen Pilzkeller, wo auf einem kompostierten Dunghaufen das ganze Jahr über Speisepilze wuchsen.
Die Hauptküche war mit kühlen grauen Platten gefliest, auf denen an den Hauptarbeitsstätten Holzroste lagen, und wies eine altmodische offene Feuerstelle und zwei moderne Küchenherde auf. Die Decke spannte sich in zwanzig Fuß Höhe über den Boden. Die Fenster lagen hoch oben und gingen nach Norden und Osten, damit sich kein einziger Sonnenstrahl nach drinnen verirrte. Trotzdem war die Arbeit im Winter schweißtreibend, und im Sommer wurde es schrecklich heiß.
Drei Küchenmädchen rackerten in der Spülküche nebenan; sie wuschen Geschirr und Besteck vom Nachmittagstee der Dienstboten ab. Eine von Veritys Lehrlingen stand am Arbeitstisch in der Mitte der Küche und füllte winzige Auberginen, die anderen drei befanden sich an ihren Plätzen und arbeiteten am Dinner für das Personal und den Hausherrn.
Die Suppe war eben hinausgetragen worden, umschwebt vom süßen Duft karamellisierter Zwiebeln. Auf dem Herd dampfte die Weißweinbrühe, die zu einer Sauce für das zuvor darin pochierte Glattbuttfilet eingekocht wurde. Über der großen Feuerstelle brieten vier Krickenten an einem Spieß, der von einem Küchenmädchen gedreht wurde. Sie kümmerte sich auch um das Hasenragout, das langsam über den Kohlen schmorte und bei jedem Umrühren einen kräftigen Wildgeruch verströmte.
Der Duft in ihrer Küche war für Verity so schön wie der volltönende Klang eines Orchesters. Diese Küche war ihr Reich, ihre Zuflucht. Sie kochte mit absoluter Konzentration, war sich dabei jeder geringsten Regung und Bewegung ihrer Untergebenen bewusst.
Als sie hörte, wie ihr Lieblingslehrling die gebräunte Butter nicht umrührte, wandte sie sofort den Kopf. "Mademoiselle Porter, die Butter", sagte sie streng. In der Küche klang ihre Stimme immer streng.
"Jawohl, Madame. Tut mir leid, Madame", erwiderte Becky Porter. Das Mädchen war sicher puterrot vor Verlegenheit, wusste es doch zu gut, dass es nur ein paar Sekunden der Unaufmerksamkeit bedurfte, um aus brauner Butter schwarze zu machen.
Verity warf Tim Cartwright, dem Lehrling, der vor der Weißweinsauce stand, einen scharfen Blick zu. Der junge Mann wurde bleich. Er kochte traumhaft, seine Saucen waren ebenso samtig und atemberaubend wie eine klare Sternennacht, und seine Soufflés wurden höher als Kochmützen. Aber Verity würde nicht zögern, ihn ohne Empfehlungsschreiben zu entlassen, wenn er sich Becky auf unziemliche Weise näherte - Becky arbeitete für Verity, seit sie als Dreizehnjährige in ihre Dienste getreten war.
Die gebräunte Butter würde größtenteils beim Dinner verzehrt werden. Doch eine Portion sollte für den Mitternachtsimbiss aufgehoben werden, den ihr Dienstherr bestellt hatte: ein Pfeffersteak, ein Dutzend Austern in Sauce Mornay, Kartoffelkroketten à la Dauphine, eine kleine Zitronentarte, die warm serviert wurde, und ein halbes Dutzend Crêpes mit, bien sûr, gebräunter Butter.
Crêpes mit gebräunter Butter - heute Abend kam also Mrs. Danner. Vor drei Tagen war es Mrs. Childs gewesen. Auf seine älteren Tage wurde Bertie allmählich zügellos. Verity holte den Bohnentopf aus dem Herd und grinste ein wenig, während sie sich lebhaft vorstellte, welche Szenen sich abspielen würden, wenn Mrs. Danner und Mrs. Childs herausfanden, dass sie sich Berties nicht ganz so unsterbliche Liebe teilen mussten.
Die Durchreiche wurde aufgerissen. Die Tür prallte heftig gegen die Anrichte, worauf die kupfernen Topfdeckel in ihrem Gestell zu klappern anfingen und einer unter lautem Getöse zu Boden ging. Verity sah scharf auf. Die Lakaien wussten genau, dass sie die Türen nicht so aufreißen durften.
"Madame!", keuchte Dickie, der oberste Lakai, von der Tür. Trotz der novemberlichen Kälte war er schweißgebadet. "Mr. Somerset ... Mr. Somerset ... irgendwas stimmt mit dem nicht!"
Etwas an Dickies wilder Miene verriet ihr, dass mit Bertie nicht nur irgendetwas nicht stimmte. Verity wies Letty Briggs, ihren ersten Lehrling, an, ihren Platz am Herd zu übernehmen. Dann wischte sie sich die Hände an einem sauberen Handtuch ab und wandte sich zur Tür.
"Machen Sie weiter", bedeutete sie ihrer Truppe, ehe sie die Tür hinter sich und Dickie schloss. Dickie hatte sich bereits zum Haupthaus gewandt. "Was ist los?", fragte sie und beschleunigte ihre Schritte, um mit dem Lakaien mithalten zu können.
"Er ist vollkommen weggetreten, Madame."
"Wurde schon nach Dr. Sergeant geschickt?"
"Mick von den Ställen ist gerade losgeritten."
Sie hatte ihr Schultertuch vergessen. Die ungeheizte Luft in dem Gang zwischen Küche und Herrenhaus kühlte ihr den Schweißfilm auf der Stirn und im Nacken. Dickie machte die Türen auf: Türen, die in warme Küchenräume führten, in weitere Gänge, in die Anrichte des Butlers. Mit klopfendem Herzen betrat sie schließlich den Speisesaal, der jedoch leer war bis auf einen umgestürzten Stuhl - ein Unheil verkündendes Zeichen. Neben dem Stuhl war eine Pfütze, und ein Stück weiter weg lag ein erstaunlicherweise heil gebliebener Weinkelch aus Bleikristall. Am Kopfende des Tisches stand einsam und verlassen eine Schale mit der nur halb aufgegessenen Zwiebelsuppe.
Dickie ging mit ihr in einen tiefer im Haus gelegenen Salon. An der Tür standen ein paar Hausmädchen, die sich Halt suchend aneinander klammerten und vorsichtig in den Raum lugten. Bei Veritys Ankunft traten sie zurück und knicksten. Ihr ehemaliger Geliebter lag kraftlos auf einem dunkelblauen Sofa. Seine Miene war beunruhigend friedlich. Jemand hatte ihm das Krawattentuch gelockert und den Hemdkragen geöffnet. Der halb bekleidete Zustand stand in scharfem Kontrast zu seiner steifen Haltung: Er hatte die Hände über der Brust gefaltet wie eine Statue auf einem steinernen Grabmal.
Mr. Prior, der Butler, wachte neben Berties regloser Gestalt. Bei ihrem Eintritt eilte er zu ihr und flüsterte: "Er atmet nicht mehr."
Als sie das hörte, stockte auch ihr der Atem. "Seit wann?"
"Schon bevor Dickie in die Küche ging, Madame", erwiderte der Butler. Seine Hände zitterten ein wenig.
Waren das fünf Minuten gewesen? Sieben? Einen langen Augenblick stand Verity einfach nur reglos da; sie konnte keinen klaren Gedanken fassen. Das war doch einfach unsinnig! Bertie war ein gesunder Mann und so gut wie nie krank. Sie ging zum Sofa und kniete sich davor. "Bertie", rief sie leise. Auf so intime Weise hatte sie ihn die letzten zehn Jahre nicht mehr angesprochen. "Bertie, kannst du mich hören?"
Er antwortete nicht. Kein dramatisches Flattern der Augenlider. Kein Blick wie von Schneewittchen, das aus seinem vergifteten Schlaf erwachte und nun den Prinzen ansah, der ihm das Leben gerettet hatte.
Sie berührte ihn - auch das hatte sie die letzten zehn Jahre nicht mehr getan. Seine Handfläche war feucht, ebenso die gestärkte Manschette. Er war noch warm, doch als sie die Finger an sein Handgelenk legte, konnte sie keinen Puls spüren, nur eine hartnäckige Stille.
Sie verstärkte den Griff. Konnte er denn tot sein? Er war doch erst achtunddreißig. Und er war nie krank gewesen. Außerdem war er heute Abend mit Mrs. Danner verabredet. Die Austern für die Stärkung danach warteten auf einem Bett von Eis in der Speisekammer, und die gebräunte Butter stand bereit für die Crêpes, die Mrs. Danner so gerne aß.
Sein Puls wollte einfach nicht mehr schlagen.
Sie gab seine Hand frei und stand auf. Sie war wie betäubt. Das Küchenpersonal war auf ihre Anweisung hin unten geblieben. Aber die übrigen Dienstboten hatten sich im Salon versammelt, die Männer hinter Mr. Prior, die Frauen hinter Mrs. Boyce, der Haushälterin ... ein Meer von schwarzen Livreen mit Schaumkronen aus weißen Krägen und Schürzen.
Auf Mrs. Boyce' fragenden Blick hin schüttelte Verity den Kopf. Der Mann, den sie einst zu ihrem Prinzen erkoren hatte, war tot. Er hatte sie auf sein Schloss mitgenommen, sie aber nicht dort behalten. Am Ende war sie in die Küche zurückgekehrt, hatte die Scherben ihrer Träume begraben und weitergemacht, als hätte sie nie wirklich geglaubt, einmal Herrin dieses schönen Hauses zu werden.
"Dann sollten wir seinen Anwälten kabeln", meinte Mrs. Boyce. "Die müssen ja seinen Bruder verständigen, dass Fairleigh Park nun ihm gehört."
Seinen Bruder. In dem ganzen Drama um Berties abruptes Ableben hatte Verity gar nicht daran gedacht, dass Fairleigh Park nun den Besitzer wechseln würde. Tief im Innersten begann sie zu zittern - wie eine Portion Aspik, die man zu heftig auf den Tisch gestellt hatte.
Sie nickte unbestimmt. "Ich bin in der Küche, wenn Sie mich brauchen."
In ihrer Ausgabe der mittelalterlichen Rezeptsammlung Le Viandier de Taillevent steckte zwischen den Seiten mit dem Rezept für Hühnchen mit Blattgold und Klößchen ein Umschlag mit der Aufschrift "Liste der Käsehändler im 16. Arondissement".
Der Umschlag enthielt unter anderem einen Zeitungsausschnitt aus der Lokalpresse, der sich mit dem Wahlsieg der Liberalen befasste, die nach sechs Jahren Opposition wieder an die Macht gekommen waren. In einer Ecke hatte Verity das Datum vermerkt: 16.08.1892. Von dem Ausschnitt blickte ihr ein körniges Abbild von Stuart Somerset entgegen.
Sie fasste das Foto nie an, aus Furcht, sie könne es verwischen, wenn sie es streichelte. Manchmal sah sie es sehr genau an, hielt sich den Ausschnitt fast bis vor die Nase. Manchmal legte sie es sich in den Schoß, aber nie weiter, nie außer Reichweite.
Der Mann auf der Fotografie war unglaublich attraktiv - ein Gesicht wie ein Shakespeare-Darsteller in der Blüte seiner Jahre, mit kantigen, scharf geschnittenen Zügen. Von Weitem hatte sie seinen glänzenden Aufstieg verfolgt. Er war einer von Londons gefragtesten Anwälten und jetzt, da die Liberalen wieder an der Macht waren, war er Mr. Gladstones Fraktionsführer im Unterhaus - was keine geringe Sache war für einen Mann, der die ersten neun Jahre seines Lebens in einem Slum in Manchester verbracht hatte.
Natürlich hatte er all das aus eigener Kraft geschafft. Aber auch sie hatte eine kleine Rolle dabei gespielt. Sie hatte ihn verlassen, hatte damit Hoffnungen und Träume hinter sich gelassen, die einer ganzen Generation von Dichtern Nahrung gegeben hätten, damit er der Mann werden konnte, der er werden sollte, der Mann, dessen Fotografie sie nicht zu berühren wagte.
...
Übersetzung: Petra Lingsminat
© MIRA Taschenbuch
Die Küche auf Fairleigh Park besaß die Ausmaße eines kleinen Palasts und war ebenso großartig wie alles, was man auf Chatsworth oder Blenheim vorfinden würde - sehr viel größer, als man es von einem Herrenhaus wie Fairleigh Park erwarten würde.
Bertie Somerset hatte den gesamten Küchentrakt im Jahr 1877 renovieren lassen: kurz nachdem er das Erbe angetreten hatte und zwei Jahre, bevor Verity Durant als Köchin zu ihm kam. Nach Fertigstellung der Arbeiten verfügten die Küchengebäude über ein Milchhaus, eine Spülküche und eine Speisekammer, jeweils so groß wie ein kleines Cottage, Vorratskammern für Fleisch, Wild und Fisch, zwei Räucherkammern und einen Pilzkeller, wo auf einem kompostierten Dunghaufen das ganze Jahr über Speisepilze wuchsen.
Die Hauptküche war mit kühlen grauen Platten gefliest, auf denen an den Hauptarbeitsstätten Holzroste lagen, und wies eine altmodische offene Feuerstelle und zwei moderne Küchenherde auf. Die Decke spannte sich in zwanzig Fuß Höhe über den Boden. Die Fenster lagen hoch oben und gingen nach Norden und Osten, damit sich kein einziger Sonnenstrahl nach drinnen verirrte. Trotzdem war die Arbeit im Winter schweißtreibend, und im Sommer wurde es schrecklich heiß.
Drei Küchenmädchen rackerten in der Spülküche nebenan; sie wuschen Geschirr und Besteck vom Nachmittagstee der Dienstboten ab. Eine von Veritys Lehrlingen stand am Arbeitstisch in der Mitte der Küche und füllte winzige Auberginen, die anderen drei befanden sich an ihren Plätzen und arbeiteten am Dinner für das Personal und den Hausherrn.
Die Suppe war eben hinausgetragen worden, umschwebt vom süßen Duft karamellisierter Zwiebeln. Auf dem Herd dampfte die Weißweinbrühe, die zu einer Sauce für das zuvor darin pochierte Glattbuttfilet eingekocht wurde. Über der großen Feuerstelle brieten vier Krickenten an einem Spieß, der von einem Küchenmädchen gedreht wurde. Sie kümmerte sich auch um das Hasenragout, das langsam über den Kohlen schmorte und bei jedem Umrühren einen kräftigen Wildgeruch verströmte.
Der Duft in ihrer Küche war für Verity so schön wie der volltönende Klang eines Orchesters. Diese Küche war ihr Reich, ihre Zuflucht. Sie kochte mit absoluter Konzentration, war sich dabei jeder geringsten Regung und Bewegung ihrer Untergebenen bewusst.
Als sie hörte, wie ihr Lieblingslehrling die gebräunte Butter nicht umrührte, wandte sie sofort den Kopf. "Mademoiselle Porter, die Butter", sagte sie streng. In der Küche klang ihre Stimme immer streng.
"Jawohl, Madame. Tut mir leid, Madame", erwiderte Becky Porter. Das Mädchen war sicher puterrot vor Verlegenheit, wusste es doch zu gut, dass es nur ein paar Sekunden der Unaufmerksamkeit bedurfte, um aus brauner Butter schwarze zu machen.
Verity warf Tim Cartwright, dem Lehrling, der vor der Weißweinsauce stand, einen scharfen Blick zu. Der junge Mann wurde bleich. Er kochte traumhaft, seine Saucen waren ebenso samtig und atemberaubend wie eine klare Sternennacht, und seine Soufflés wurden höher als Kochmützen. Aber Verity würde nicht zögern, ihn ohne Empfehlungsschreiben zu entlassen, wenn er sich Becky auf unziemliche Weise näherte - Becky arbeitete für Verity, seit sie als Dreizehnjährige in ihre Dienste getreten war.
Die gebräunte Butter würde größtenteils beim Dinner verzehrt werden. Doch eine Portion sollte für den Mitternachtsimbiss aufgehoben werden, den ihr Dienstherr bestellt hatte: ein Pfeffersteak, ein Dutzend Austern in Sauce Mornay, Kartoffelkroketten à la Dauphine, eine kleine Zitronentarte, die warm serviert wurde, und ein halbes Dutzend Crêpes mit, bien sûr, gebräunter Butter.
Crêpes mit gebräunter Butter - heute Abend kam also Mrs. Danner. Vor drei Tagen war es Mrs. Childs gewesen. Auf seine älteren Tage wurde Bertie allmählich zügellos. Verity holte den Bohnentopf aus dem Herd und grinste ein wenig, während sie sich lebhaft vorstellte, welche Szenen sich abspielen würden, wenn Mrs. Danner und Mrs. Childs herausfanden, dass sie sich Berties nicht ganz so unsterbliche Liebe teilen mussten.
Die Durchreiche wurde aufgerissen. Die Tür prallte heftig gegen die Anrichte, worauf die kupfernen Topfdeckel in ihrem Gestell zu klappern anfingen und einer unter lautem Getöse zu Boden ging. Verity sah scharf auf. Die Lakaien wussten genau, dass sie die Türen nicht so aufreißen durften.
"Madame!", keuchte Dickie, der oberste Lakai, von der Tür. Trotz der novemberlichen Kälte war er schweißgebadet. "Mr. Somerset ... Mr. Somerset ... irgendwas stimmt mit dem nicht!"
Etwas an Dickies wilder Miene verriet ihr, dass mit Bertie nicht nur irgendetwas nicht stimmte. Verity wies Letty Briggs, ihren ersten Lehrling, an, ihren Platz am Herd zu übernehmen. Dann wischte sie sich die Hände an einem sauberen Handtuch ab und wandte sich zur Tür.
"Machen Sie weiter", bedeutete sie ihrer Truppe, ehe sie die Tür hinter sich und Dickie schloss. Dickie hatte sich bereits zum Haupthaus gewandt. "Was ist los?", fragte sie und beschleunigte ihre Schritte, um mit dem Lakaien mithalten zu können.
"Er ist vollkommen weggetreten, Madame."
"Wurde schon nach Dr. Sergeant geschickt?"
"Mick von den Ställen ist gerade losgeritten."
Sie hatte ihr Schultertuch vergessen. Die ungeheizte Luft in dem Gang zwischen Küche und Herrenhaus kühlte ihr den Schweißfilm auf der Stirn und im Nacken. Dickie machte die Türen auf: Türen, die in warme Küchenräume führten, in weitere Gänge, in die Anrichte des Butlers. Mit klopfendem Herzen betrat sie schließlich den Speisesaal, der jedoch leer war bis auf einen umgestürzten Stuhl - ein Unheil verkündendes Zeichen. Neben dem Stuhl war eine Pfütze, und ein Stück weiter weg lag ein erstaunlicherweise heil gebliebener Weinkelch aus Bleikristall. Am Kopfende des Tisches stand einsam und verlassen eine Schale mit der nur halb aufgegessenen Zwiebelsuppe.
Dickie ging mit ihr in einen tiefer im Haus gelegenen Salon. An der Tür standen ein paar Hausmädchen, die sich Halt suchend aneinander klammerten und vorsichtig in den Raum lugten. Bei Veritys Ankunft traten sie zurück und knicksten. Ihr ehemaliger Geliebter lag kraftlos auf einem dunkelblauen Sofa. Seine Miene war beunruhigend friedlich. Jemand hatte ihm das Krawattentuch gelockert und den Hemdkragen geöffnet. Der halb bekleidete Zustand stand in scharfem Kontrast zu seiner steifen Haltung: Er hatte die Hände über der Brust gefaltet wie eine Statue auf einem steinernen Grabmal.
Mr. Prior, der Butler, wachte neben Berties regloser Gestalt. Bei ihrem Eintritt eilte er zu ihr und flüsterte: "Er atmet nicht mehr."
Als sie das hörte, stockte auch ihr der Atem. "Seit wann?"
"Schon bevor Dickie in die Küche ging, Madame", erwiderte der Butler. Seine Hände zitterten ein wenig.
Waren das fünf Minuten gewesen? Sieben? Einen langen Augenblick stand Verity einfach nur reglos da; sie konnte keinen klaren Gedanken fassen. Das war doch einfach unsinnig! Bertie war ein gesunder Mann und so gut wie nie krank. Sie ging zum Sofa und kniete sich davor. "Bertie", rief sie leise. Auf so intime Weise hatte sie ihn die letzten zehn Jahre nicht mehr angesprochen. "Bertie, kannst du mich hören?"
Er antwortete nicht. Kein dramatisches Flattern der Augenlider. Kein Blick wie von Schneewittchen, das aus seinem vergifteten Schlaf erwachte und nun den Prinzen ansah, der ihm das Leben gerettet hatte.
Sie berührte ihn - auch das hatte sie die letzten zehn Jahre nicht mehr getan. Seine Handfläche war feucht, ebenso die gestärkte Manschette. Er war noch warm, doch als sie die Finger an sein Handgelenk legte, konnte sie keinen Puls spüren, nur eine hartnäckige Stille.
Sie verstärkte den Griff. Konnte er denn tot sein? Er war doch erst achtunddreißig. Und er war nie krank gewesen. Außerdem war er heute Abend mit Mrs. Danner verabredet. Die Austern für die Stärkung danach warteten auf einem Bett von Eis in der Speisekammer, und die gebräunte Butter stand bereit für die Crêpes, die Mrs. Danner so gerne aß.
Sein Puls wollte einfach nicht mehr schlagen.
Sie gab seine Hand frei und stand auf. Sie war wie betäubt. Das Küchenpersonal war auf ihre Anweisung hin unten geblieben. Aber die übrigen Dienstboten hatten sich im Salon versammelt, die Männer hinter Mr. Prior, die Frauen hinter Mrs. Boyce, der Haushälterin ... ein Meer von schwarzen Livreen mit Schaumkronen aus weißen Krägen und Schürzen.
Auf Mrs. Boyce' fragenden Blick hin schüttelte Verity den Kopf. Der Mann, den sie einst zu ihrem Prinzen erkoren hatte, war tot. Er hatte sie auf sein Schloss mitgenommen, sie aber nicht dort behalten. Am Ende war sie in die Küche zurückgekehrt, hatte die Scherben ihrer Träume begraben und weitergemacht, als hätte sie nie wirklich geglaubt, einmal Herrin dieses schönen Hauses zu werden.
"Dann sollten wir seinen Anwälten kabeln", meinte Mrs. Boyce. "Die müssen ja seinen Bruder verständigen, dass Fairleigh Park nun ihm gehört."
Seinen Bruder. In dem ganzen Drama um Berties abruptes Ableben hatte Verity gar nicht daran gedacht, dass Fairleigh Park nun den Besitzer wechseln würde. Tief im Innersten begann sie zu zittern - wie eine Portion Aspik, die man zu heftig auf den Tisch gestellt hatte.
Sie nickte unbestimmt. "Ich bin in der Küche, wenn Sie mich brauchen."
In ihrer Ausgabe der mittelalterlichen Rezeptsammlung Le Viandier de Taillevent steckte zwischen den Seiten mit dem Rezept für Hühnchen mit Blattgold und Klößchen ein Umschlag mit der Aufschrift "Liste der Käsehändler im 16. Arondissement".
Der Umschlag enthielt unter anderem einen Zeitungsausschnitt aus der Lokalpresse, der sich mit dem Wahlsieg der Liberalen befasste, die nach sechs Jahren Opposition wieder an die Macht gekommen waren. In einer Ecke hatte Verity das Datum vermerkt: 16.08.1892. Von dem Ausschnitt blickte ihr ein körniges Abbild von Stuart Somerset entgegen.
Sie fasste das Foto nie an, aus Furcht, sie könne es verwischen, wenn sie es streichelte. Manchmal sah sie es sehr genau an, hielt sich den Ausschnitt fast bis vor die Nase. Manchmal legte sie es sich in den Schoß, aber nie weiter, nie außer Reichweite.
Der Mann auf der Fotografie war unglaublich attraktiv - ein Gesicht wie ein Shakespeare-Darsteller in der Blüte seiner Jahre, mit kantigen, scharf geschnittenen Zügen. Von Weitem hatte sie seinen glänzenden Aufstieg verfolgt. Er war einer von Londons gefragtesten Anwälten und jetzt, da die Liberalen wieder an der Macht waren, war er Mr. Gladstones Fraktionsführer im Unterhaus - was keine geringe Sache war für einen Mann, der die ersten neun Jahre seines Lebens in einem Slum in Manchester verbracht hatte.
Natürlich hatte er all das aus eigener Kraft geschafft. Aber auch sie hatte eine kleine Rolle dabei gespielt. Sie hatte ihn verlassen, hatte damit Hoffnungen und Träume hinter sich gelassen, die einer ganzen Generation von Dichtern Nahrung gegeben hätten, damit er der Mann werden konnte, der er werden sollte, der Mann, dessen Fotografie sie nicht zu berühren wagte.
...
Übersetzung: Petra Lingsminat
© MIRA Taschenbuch
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Autoren-Porträt von Sherry Thomas
Sherry Thomas kam als Teenager nach Amerika. Englisch lernte die gebürtige Chinesin und begeisterte Leserin buchstäblich beim Lesen: Jedes fremde Wort schlug sie nach. Gleich mit ihrem ersten historischen Liebesroman eroberte sie sich eine große Fangemeinde. Wenn sie gerade nicht schreibt, spielt sie gern mit ihren beiden Söhnen am Computer.
Bibliographische Angaben
- Autor: Sherry Thomas
- 2012, 368 Seiten, Maße: 12,5 x 18,6 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Lingsminat, Petra
- Übersetzer: Petra Lingsminat
- Verlag: MIRA Taschenbuch
- ISBN-10: 3862783448
- ISBN-13: 9783862783441
Rezension zu „Köstlich wie dein Kuss “
"Der Roman ist selbst wie ein köstliches Festessen: die Zutaten sind eine wunderbare Geschichte, überzeugende Figuren und entzückende Dialoge."- TheRomanceReader.com
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