Land meiner Träume
Australien-Saga
Von den grünen Wiesen Cornwalls bis ins südaustralische Burra: Liebe, Leidenschaft und Dramatik auf dem fünften Kontinent!
1844: Nach dem Tod ihrer Schwester Caroline wandert die junge Meggan Collins mit ihrer...
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Produktinformationen zu „Land meiner Träume “
Von den grünen Wiesen Cornwalls bis ins südaustralische Burra: Liebe, Leidenschaft und Dramatik auf dem fünften Kontinent!
1844: Nach dem Tod ihrer Schwester Caroline wandert die junge Meggan Collins mit ihrer Familie von Cornwall nach Australien aus. Im Süden des Landes, wo vor kurzem Kupferminen gegründet wurden, lassen sie sich nieder. Doch auch dort werden die Collins immer wieder von Schicksalsschlägen heimgesucht. Eines Tages lassen zwei Besucher lange unterdrückte Erinnerungen aufkeimen. Es sind die Verlobten Con und Jenny - Jenny ist verstrickt in Carolines Tod und Con war schon immer Meggans heimliche Liebe. Und auch er erwidert ihre Gefühle.
Lese-Probe zu „Land meiner Träume “
Land meiner Träume von Merice Briffa ERSTER TEIL
Cornwall 1844
1
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Der Tag, an dem Meggan den weißen Hasen sah, begann wie jeder andere Sonntag. Dann, am selben Tag, sah sie ihre Schwester Caroline in den Armen von Rodney Tremayne.
Am Sonntag wurde in der Grube nicht gearbeitet, und wenn Meggan nach der Kirche im Haus ihre Pflichten erledigt hatte, war sie frei, ihrer Wege zu gehen. Diese Wege führten sie oft an den Wäldern von Tremayne Manor vorbei und dann hinauf zu den urzeitlichen Steinen im Moor, von wo sie, wenn sie zurückblickte, über ihre ganze Welt schauen konnte.
Der Mittelpunkt war das Dorf. Reetgedeckte, weiß getünchte Cottages schmiegten sich an die Flanken des kleinen Tals, das sich zum Meer hin absenkte. An der Küste standen eng zusammengerückt die Cottages der Fischer, und die roten und blauen Fischerboote waren bunte Farbtupfer auf dem Kiesstrand. Links von da, wo Meggan saß, führte die Straße nach Helston den Hügel hinunter, an der Kirche vorbei, um den Fuß des Dorfes herum und dann wieder hinauf, am Haus der Familie Collins vorbei, und dann noch eine Meile weiter zur Grube.
Hinter dem Dorf, wo das Maschinenhaus die Klippen überragte, waren die zusammengewürfelten, hässlichen roten Backsteingebäude von Wheal Pengelly zu sehen, der Erzgrube von Pengelly. Jenseits von alldem, jenseits des zerklüfteten Steilufers, das im Sommer von einem prächtigen Teppich von Wildblumen gekrönt wurde, ließ eine freundliche Brise weiße Schaumkronen munter über die graugrünen Wellen tanzen. Ganz weit draußen am Horizont schien ein Dreimasterschoner reglos zu verharren.
Direkt unter ihr lag Tremayne Manor mit seinen vier verzierten Schornsteinen, die mit den Bäumen in der Nähe um die Höhe wetteiferten. Diese mächtigen Eichen und Ebereschen bildeten einen Schild, der die Quelle ihres Wohlstands den Blicken der Familie Tremayne entzog. Ohne diese Bäume hätten die Bewohner des Herrenhauses direkt über das obere Ende des Dorfes auf die Grube geschaut.
Für Meggan Collins war das Leben an diesem Sonntag Ende August 1844 voller Versprechungen. Mit ihren zwölf Jahren würde sie sich bald ihren größten Wunsch erfüllen können, und so war sie, als sie vom Cottage aufbrach, vor Aufregung ganz hibbelig. Sommerfarben kleideten noch das Moor, denn weißgelber Stechginster und purpurrotes Heidekraut warfen Farbtupfer zwischen die Cottages im Tal. Der Tag hätte nicht schöner sein können: Die Hitze des Sommers ließ allmählich nach, und die Sommerblumen zeigten sich in ihrer letzten duftenden Pracht. Es war ein Tag, den man lieben musste. Und einer zum Laufen, Herumwirbeln und Tanzen ein Tag, an dem man als Kind genau das mit unbeschwerter Zügellosigkeit tat.
Meggan sang den Vögeln etwas vor und lachte begeistert auf, als sie als Antwort trillerten und zwitscherten. Sie sah einige Hasen, die auseinanderstoben, als sie versuchte, sich an sie heranzuschleichen. Am Abend würde es Hase zum Abendessen geben, mit Karotten und weißen Rüben so lange gedünstet, bis er so zart war, dass einem das Wasser im Mund zusammenlief. Meggan erreichte die aufrechten Steinkolosse und ließ sich ins Gras fallen. Sie war den letzten Teil des Weges gelaufen und deshalb angenehm außer Atem. Den Kopf auf die Hände gestützt, beobachtete sie eine einsame Schäfchenwolke, die gemächlich über den Himmel zog.
»Ich glaube, du bist da oben ganz allein sehr glücklich, kleine 8
Wolke, genauso glücklich wie ich hier unten. Ob ich noch glücklich bin, wenn ich nicht mehr so frei sein kann wie du?«
Ihre Ma ermahnte sie stets, daran zu denken, dass sie allmählich erwachsen wurde, dass sie kein Kind mehr war, das frei durchs Moor streifte wie eine Zigeunerin. In mancher Hinsicht wollte Meggan nicht erwachsen werden, besonders seit ihr Körper sie vor zwei Monaten mit dem unwiderlegbaren Beweis für das Ende ihrer Kindheit konfrontiert hatte. Und bei den Veränderungen, die es in ihrem Leben schon gegeben hatte und bald noch geben würde, verweilten jetzt auch ihre Gedanken. Sie schaute gerade einem Rotkehlchen hinterher, das über die Heide flatterte, da fiel ihr ein weißer Blitz ins Auge. Er huschte so schnell vorbei, dass sie zuerst nicht erkannte, was für eine Kreatur es war, der das weiße Fell gehörte.
»Ein weißer Hase?«, flüsterte sie und drückte sich vorsichtig auf die Ellbogen hoch. »Sehe ich Gespenster?« Meggan kannte niemanden, der schon einmal einen weißen Hasen gesehen hatte. Sie verharrte ganz still und wartete auf das erneute Auftauchen des Tieres. Als dies nicht geschah, kroch sie vorsichtig auf Händen und Knien um den nächsten Monolith. Sie linste dahinter und konnte ein lautes Keuchen gerade noch unterdrücken. Keine drei Meter von ihr entfernt hockte ein Hase, weißer als Meeresschaum. Sobald er ihre Gegenwart spürte, ließ er kurz seine langen Ohren fliegen und huschte außer Sichtweite. Meggan bekam Gänsehaut, und ein Frösteln zog ihr über den Rücken. »Das ist ein Omen.« Sie erinnerte sich an die Sage und an all die Geschichten, die man ihr über die Katastrophe von 1836 erzählt hatte, als neun Bergleute umgekommen waren. Viele behaupteten, damals sei ein weißer Hase gesehen worden. Und obwohl es hieß, der Mann, der wirr vom Anblick des Vorboten der Tragödie geschwätzt hatte, sei doch ein rechter Einfaltspinsel gewesen, waren abergläubische Geister überzeugt, dass es da einen Zusammenhang gab. Hatten sie nicht just am nächsten Morgen, nachdem der Schwachkopf in den Gasthof gestolpert war, um allen von dem weißen Hasen im Moor zu erzählen, angefangen, den eingebrochenen Gang freizugraben, um die Leichen der toten Bergleute zu bergen?
Meggan war nicht weniger abergläubisch als andere junge Mädchen in Cornwall, doch mit gesundem Menschenverstand beruhigte sie sich nach dem anfänglichen Schock. Sie stand auf und ging in die Richtung, in die der Hase verschwunden war. Solange sie das Tier im Blick behielt, konnte sie sich sicher sein, dass es ein Geschöpf aus Fleisch und Blut war. Wäre es das mythische Vorzeichen einer Katastrophe, so redete sie sich vernünftig zu, würde es sich in Luft auflösen. Echte Hasen gruben sich flache Kuhlen in die Erde. Meggan war wild entschlossen, die Sasse des weißen Hasen zu finden. Eine ganze Weile blieb Meggan dem Tier auf der Spur; sie schob sich durch Brombeersträucher, kletterte über Felsbrocken und folgte so seinem Pfad. Zuweilen verschwand er, um wenige Augenblicke später wieder aufzutauchen, die langen Ohren aufgestellt, als spürte er ihre Gegenwart. »Es ist, als wolltest du, dass ich dir folge«, flüsterte sie bei sich, und die Neugier hatte alle abergläubischen Ängste vollkommen verscheucht. Jedes Mal, wenn der Hase weiterlief, folgte Meggan ihm so heimlich, wie sie es vermochte. Doch dann blieb sie mit dem Rock in einer Brombeerhecke hängen, und da sie fürchtete, ihn zu zerreißen, nahm sie sich die Zeit, den Stoff vorsichtig loszuzupfen. Wenn sie den Rock zerriss, würde sie nicht nur Ärger mit ihrer Ma bekommen, sie würde ihn auch eigenhändig flicken müssen. Und wenn es eine Aufgabe gab, die Meggan über alle Maßen zuwider war, dann das Nähen. Als sie ihren Rock endlich von den Dornen befreit hatte, schaute Meggan wieder auf und sah, dass der Hase in den Wäldern von Tremayne Manor verschwand.
Doch Meggan war noch nicht bereit, ihre Suche aufzugeben, und lief in den Wald, ohne darauf zu achten, dass sie Privatgrund betrat. Als sie einen Blick auf einen stillen weißen Fleck erhaschte, schlug ihr Herz schneller. Heimlich wie ein Jäger kroch sie, tief am Boden gebückt, vorsichtig weiter. Der Hase rührte sich nicht. Meggan bewegte sich besonders leise, um das Tier nicht noch einmal aufzuschrecken, und schob sich sachte näher. Als sie ganz nah war, sah sie, dass sie nicht auf den Hasen zugekrochen war.
Das Weiße war Carolines Unterrock, ihr bester Sonntagsunterrock, auf dem Boden ausgebreitet, zusammen mit ihrem Kleid. Daneben lagen Männerkleider. Meggan sah schnell, dass das nackte Paar das tat, was nur Ehemann und Ehefrau im Ehebett tun sollten. Sie drückte sich rasch die geballten Fäuste auf den Mund und konnte so gerade noch ein Japsen verhindern, das ihre Gegenwart verraten hätte. Den jungen Mann, dessen Körper sich über Carolines bewegte, dessen Rücken die Arme ihrer Schwester umklammerten und an dessen Lippen sich ihr Mund presste, erkannte sie sofort. Blonde Menschen waren in Pengelly selten. Rodney Tremaynes Haar hatte fast dieselbe weizengelbe Farbe wie Carolines.
Noch während Meggan diesen Schock verarbeitete, schrie Rodney bebend auf. In Carolines Schrei lag fast ein Anflug von Schmerz. Sie drängte sich an ihren Liebsten, und sie hielten einander mit einer Inbrunst umklammert, die irgendwo in Meggans Bauch ein äußerst seltsames Gefühl hervorlockte. Ein Gefühl, das sie so noch nie gehabt hatte. Sie spürte, dass ihr Herz wild pochte und dass sie am ganzen Leib zitterte. Die Fäuste immer noch auf den Mund gepresst, um jeglichen Laut, der ihr sonst womöglich entfahren wäre, zu unterdrücken, zog Meggan sich still und leise zurück, während sie gegen eine plötzliche Übelkeit ankämpfte.
Übersetzung: Elvira Willems
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH, Steinerne Furt, 86167 Augsburg
Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2008 by Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Am Sonntag wurde in der Grube nicht gearbeitet, und wenn Meggan nach der Kirche im Haus ihre Pflichten erledigt hatte, war sie frei, ihrer Wege zu gehen. Diese Wege führten sie oft an den Wäldern von Tremayne Manor vorbei und dann hinauf zu den urzeitlichen Steinen im Moor, von wo sie, wenn sie zurückblickte, über ihre ganze Welt schauen konnte.
Der Mittelpunkt war das Dorf. Reetgedeckte, weiß getünchte Cottages schmiegten sich an die Flanken des kleinen Tals, das sich zum Meer hin absenkte. An der Küste standen eng zusammengerückt die Cottages der Fischer, und die roten und blauen Fischerboote waren bunte Farbtupfer auf dem Kiesstrand. Links von da, wo Meggan saß, führte die Straße nach Helston den Hügel hinunter, an der Kirche vorbei, um den Fuß des Dorfes herum und dann wieder hinauf, am Haus der Familie Collins vorbei, und dann noch eine Meile weiter zur Grube.
Hinter dem Dorf, wo das Maschinenhaus die Klippen überragte, waren die zusammengewürfelten, hässlichen roten Backsteingebäude von Wheal Pengelly zu sehen, der Erzgrube von Pengelly. Jenseits von alldem, jenseits des zerklüfteten Steilufers, das im Sommer von einem prächtigen Teppich von Wildblumen gekrönt wurde, ließ eine freundliche Brise weiße Schaumkronen munter über die graugrünen Wellen tanzen. Ganz weit draußen am Horizont schien ein Dreimasterschoner reglos zu verharren.
Direkt unter ihr lag Tremayne Manor mit seinen vier verzierten Schornsteinen, die mit den Bäumen in der Nähe um die Höhe wetteiferten. Diese mächtigen Eichen und Ebereschen bildeten einen Schild, der die Quelle ihres Wohlstands den Blicken der Familie Tremayne entzog. Ohne diese Bäume hätten die Bewohner des Herrenhauses direkt über das obere Ende des Dorfes auf die Grube geschaut.
Für Meggan Collins war das Leben an diesem Sonntag Ende August 1844 voller Versprechungen. Mit ihren zwölf Jahren würde sie sich bald ihren größten Wunsch erfüllen können, und so war sie, als sie vom Cottage aufbrach, vor Aufregung ganz hibbelig. Sommerfarben kleideten noch das Moor, denn weißgelber Stechginster und purpurrotes Heidekraut warfen Farbtupfer zwischen die Cottages im Tal. Der Tag hätte nicht schöner sein können: Die Hitze des Sommers ließ allmählich nach, und die Sommerblumen zeigten sich in ihrer letzten duftenden Pracht. Es war ein Tag, den man lieben musste. Und einer zum Laufen, Herumwirbeln und Tanzen ein Tag, an dem man als Kind genau das mit unbeschwerter Zügellosigkeit tat.
Meggan sang den Vögeln etwas vor und lachte begeistert auf, als sie als Antwort trillerten und zwitscherten. Sie sah einige Hasen, die auseinanderstoben, als sie versuchte, sich an sie heranzuschleichen. Am Abend würde es Hase zum Abendessen geben, mit Karotten und weißen Rüben so lange gedünstet, bis er so zart war, dass einem das Wasser im Mund zusammenlief. Meggan erreichte die aufrechten Steinkolosse und ließ sich ins Gras fallen. Sie war den letzten Teil des Weges gelaufen und deshalb angenehm außer Atem. Den Kopf auf die Hände gestützt, beobachtete sie eine einsame Schäfchenwolke, die gemächlich über den Himmel zog.
»Ich glaube, du bist da oben ganz allein sehr glücklich, kleine 8
Wolke, genauso glücklich wie ich hier unten. Ob ich noch glücklich bin, wenn ich nicht mehr so frei sein kann wie du?«
Ihre Ma ermahnte sie stets, daran zu denken, dass sie allmählich erwachsen wurde, dass sie kein Kind mehr war, das frei durchs Moor streifte wie eine Zigeunerin. In mancher Hinsicht wollte Meggan nicht erwachsen werden, besonders seit ihr Körper sie vor zwei Monaten mit dem unwiderlegbaren Beweis für das Ende ihrer Kindheit konfrontiert hatte. Und bei den Veränderungen, die es in ihrem Leben schon gegeben hatte und bald noch geben würde, verweilten jetzt auch ihre Gedanken. Sie schaute gerade einem Rotkehlchen hinterher, das über die Heide flatterte, da fiel ihr ein weißer Blitz ins Auge. Er huschte so schnell vorbei, dass sie zuerst nicht erkannte, was für eine Kreatur es war, der das weiße Fell gehörte.
»Ein weißer Hase?«, flüsterte sie und drückte sich vorsichtig auf die Ellbogen hoch. »Sehe ich Gespenster?« Meggan kannte niemanden, der schon einmal einen weißen Hasen gesehen hatte. Sie verharrte ganz still und wartete auf das erneute Auftauchen des Tieres. Als dies nicht geschah, kroch sie vorsichtig auf Händen und Knien um den nächsten Monolith. Sie linste dahinter und konnte ein lautes Keuchen gerade noch unterdrücken. Keine drei Meter von ihr entfernt hockte ein Hase, weißer als Meeresschaum. Sobald er ihre Gegenwart spürte, ließ er kurz seine langen Ohren fliegen und huschte außer Sichtweite. Meggan bekam Gänsehaut, und ein Frösteln zog ihr über den Rücken. »Das ist ein Omen.« Sie erinnerte sich an die Sage und an all die Geschichten, die man ihr über die Katastrophe von 1836 erzählt hatte, als neun Bergleute umgekommen waren. Viele behaupteten, damals sei ein weißer Hase gesehen worden. Und obwohl es hieß, der Mann, der wirr vom Anblick des Vorboten der Tragödie geschwätzt hatte, sei doch ein rechter Einfaltspinsel gewesen, waren abergläubische Geister überzeugt, dass es da einen Zusammenhang gab. Hatten sie nicht just am nächsten Morgen, nachdem der Schwachkopf in den Gasthof gestolpert war, um allen von dem weißen Hasen im Moor zu erzählen, angefangen, den eingebrochenen Gang freizugraben, um die Leichen der toten Bergleute zu bergen?
Meggan war nicht weniger abergläubisch als andere junge Mädchen in Cornwall, doch mit gesundem Menschenverstand beruhigte sie sich nach dem anfänglichen Schock. Sie stand auf und ging in die Richtung, in die der Hase verschwunden war. Solange sie das Tier im Blick behielt, konnte sie sich sicher sein, dass es ein Geschöpf aus Fleisch und Blut war. Wäre es das mythische Vorzeichen einer Katastrophe, so redete sie sich vernünftig zu, würde es sich in Luft auflösen. Echte Hasen gruben sich flache Kuhlen in die Erde. Meggan war wild entschlossen, die Sasse des weißen Hasen zu finden. Eine ganze Weile blieb Meggan dem Tier auf der Spur; sie schob sich durch Brombeersträucher, kletterte über Felsbrocken und folgte so seinem Pfad. Zuweilen verschwand er, um wenige Augenblicke später wieder aufzutauchen, die langen Ohren aufgestellt, als spürte er ihre Gegenwart. »Es ist, als wolltest du, dass ich dir folge«, flüsterte sie bei sich, und die Neugier hatte alle abergläubischen Ängste vollkommen verscheucht. Jedes Mal, wenn der Hase weiterlief, folgte Meggan ihm so heimlich, wie sie es vermochte. Doch dann blieb sie mit dem Rock in einer Brombeerhecke hängen, und da sie fürchtete, ihn zu zerreißen, nahm sie sich die Zeit, den Stoff vorsichtig loszuzupfen. Wenn sie den Rock zerriss, würde sie nicht nur Ärger mit ihrer Ma bekommen, sie würde ihn auch eigenhändig flicken müssen. Und wenn es eine Aufgabe gab, die Meggan über alle Maßen zuwider war, dann das Nähen. Als sie ihren Rock endlich von den Dornen befreit hatte, schaute Meggan wieder auf und sah, dass der Hase in den Wäldern von Tremayne Manor verschwand.
Doch Meggan war noch nicht bereit, ihre Suche aufzugeben, und lief in den Wald, ohne darauf zu achten, dass sie Privatgrund betrat. Als sie einen Blick auf einen stillen weißen Fleck erhaschte, schlug ihr Herz schneller. Heimlich wie ein Jäger kroch sie, tief am Boden gebückt, vorsichtig weiter. Der Hase rührte sich nicht. Meggan bewegte sich besonders leise, um das Tier nicht noch einmal aufzuschrecken, und schob sich sachte näher. Als sie ganz nah war, sah sie, dass sie nicht auf den Hasen zugekrochen war.
Das Weiße war Carolines Unterrock, ihr bester Sonntagsunterrock, auf dem Boden ausgebreitet, zusammen mit ihrem Kleid. Daneben lagen Männerkleider. Meggan sah schnell, dass das nackte Paar das tat, was nur Ehemann und Ehefrau im Ehebett tun sollten. Sie drückte sich rasch die geballten Fäuste auf den Mund und konnte so gerade noch ein Japsen verhindern, das ihre Gegenwart verraten hätte. Den jungen Mann, dessen Körper sich über Carolines bewegte, dessen Rücken die Arme ihrer Schwester umklammerten und an dessen Lippen sich ihr Mund presste, erkannte sie sofort. Blonde Menschen waren in Pengelly selten. Rodney Tremaynes Haar hatte fast dieselbe weizengelbe Farbe wie Carolines.
Noch während Meggan diesen Schock verarbeitete, schrie Rodney bebend auf. In Carolines Schrei lag fast ein Anflug von Schmerz. Sie drängte sich an ihren Liebsten, und sie hielten einander mit einer Inbrunst umklammert, die irgendwo in Meggans Bauch ein äußerst seltsames Gefühl hervorlockte. Ein Gefühl, das sie so noch nie gehabt hatte. Sie spürte, dass ihr Herz wild pochte und dass sie am ganzen Leib zitterte. Die Fäuste immer noch auf den Mund gepresst, um jeglichen Laut, der ihr sonst womöglich entfahren wäre, zu unterdrücken, zog Meggan sich still und leise zurück, während sie gegen eine plötzliche Übelkeit ankämpfte.
Übersetzung: Elvira Willems
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH, Steinerne Furt, 86167 Augsburg
Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2008 by Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
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Autoren-Porträt von Merice Briffa
Merice Briffa lebt in Brisbane, Australien, mit vielen Tieren, adrunter einem Zwergspitz und einheimischen Tieren wie Papageien, Schlangen und einem Opossum. 1994 erschien ihr erster Roman, "The Final Dreaming", seither hat sie zehn weitere Bücher verschiedener Genres veröffentlicht. "Land meiner Träume" ist der erste Band einer großen Australien-Saga. Weitere Bände sind in Vorbereitung.
Bibliographische Angaben
- Autor: Merice Briffa
- 476 Seiten, Maße: 13 x 19,2 cm, Geb. mit Su.
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 382899623X
- ISBN-13: 9783828996236
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