Landschaft in wechselndem Licht
Sie wählte immer den unbequemen Weg, suchte stets die Herausforderung. Hier erzählt Helga Königsdorf, geb. 1938, gezeichnet von der Parkinson-Krankheit, mit berührender Offenheit ihr Leben. Diese Erinnerungen zeigen sie in ihrer Hochform als Spötterin und...
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Produktinformationen zu „Landschaft in wechselndem Licht “
Sie wählte immer den unbequemen Weg, suchte stets die Herausforderung. Hier erzählt Helga Königsdorf, geb. 1938, gezeichnet von der Parkinson-Krankheit, mit berührender Offenheit ihr Leben. Diese Erinnerungen zeigen sie in ihrer Hochform als Spötterin und Ironikerin, vor allem dann, wenn es um die eigenen Dinge geht. Begierig auf das »eigentliche« Leben, kann ihr als junges Mädchen kein Abenteuer riskant genug sein. Und dabei bleibt es. Sie favorisiert das Unübliche, das Risiko. Also entscheidet sie sich für eine Karriere als Mathematikerin. Sie ist ehrgeizig, hat Freude an der Macht und am Machen und ist süchtig am Erfolg. Das schlechte Gewissen, wenn sich Beruf und Kinder im Wege stehen, lässt sich schwer verdrängen. Krisen in der Ehe werden mit heftigen Liebesaffären kompensiert. Dann wieder ein Sprung ins Wasser: Sie beginnt zu schreiben und verfass freche, aufmüpfige Geschichten. Als die Krankheit, seit Jahren unerkannt in ihrem Körper, diagnostiziert wird, nimmt sie den Kampf auf.
Klappentext zu „Landschaft in wechselndem Licht “
Sie wählte immer den unbequemen Weg, suchte immer die Herausforderung. Jetzt erzählt Helga Königsdorf, gezeichnet von der Parkinson-Krankheit, gegen die sie seit über zwanzig Jahren ankämpft, mit berührender Offenheit über ihr Leben. Diese Erinnerungen zeigen sie in ihrer Hochform als Spötterin und Ironikerin, vor allem dann, wenn es um die eigenen Dinge geht. Begierig auf das 'eigentliche' Leben, kann ihr als junges Mädchen kein Abenteuer riskant genug sein. Und dabei bleibt es. Sie favorisiert das Unübliche, das Risiko. Also entscheidet sie sich für eine Karriere als Mathematikerin. Sie ist ehrgeizig, hat Freude an der Macht und am Machen und ist süchtig am Erfolg. Das schlechte Gewissen, wenn sich Beruf und Kinder im Wege stehen, lässt sich schwer verdrängen. Krisen in der Ehe werden mit heftigen Liebesaffären kompensiert. Dann wieder ein Sprung ins Wasser: sie beginnt zu schreiben - freche, aufmüpfige Geschichten. Als die Krankheit, seit Jahren unerkannt in ihrem Körper, diagnostiziert wird, nimmt sie den Kampf auf.
Lese-Probe zu „Landschaft in wechselndem Licht “
Als ich ein Kind war, wohnten wir in einem Gutshaus. Die Leute vom Dorf nannten es das Schloß. Sie sagten, die Grundmauern wären 800 Jahre alt. Wenn man in den Keller hinunter mußte, war man vor Gespenstern nicht sicher. Immer wieder behauptete jemand, er habe den Reiter ohne Kopf gesehen. Eigentlich glaubte ich nicht an Gespenster. Wenn ich aber die steile Treppe hinabstieg und vor mir den Torbogen zum Kohlenkeller sah, wäre ich gern umgekehrt. Dieses Gefühl verstärkte sich, wenn rechts die Tür aus dicken Bohlen zu Mutters Vorratskeller kam und links die Tür mit dem schweren eisernen Riegel, hinter der eine schmale Treppe nach unten in den riesigen Kartoffelkeller führte. Alles lag im trüben Licht mit Staub bedeckter Glühbirnen, die in einfachen Fassungen an der Decke angebracht waren und den Raum nicht voll ausleuchteten. Da brauchte nur noch irgendwo eine Maus zu rascheln, schon stand ich starr und meine Nackenhaare sträubten sich vor Schrecken.Das Haus stand auf einer Anhöhe. Aus den Fenstern auf der Nordseite sahen wir ins Tal der Saale, die hier am oberen Ende des Stausees immer noch eine stattliche Breite hatte. Sie wand ihr schwarzes Wasser kurvenreich durch Felsmassive aus graublauem Schiefer, vorbei an steilen Hängen, auf denen im Frühsommer Margeriten, Wiesenknopf, Pechnelken und Glockenblumen leuchteten, vorbei an düsteren Fichtenwäldern, aus denen im Winter weißer Nebel aufstieg. An der Südseite des Hauses lag der Hof, wo, in angemessener Entfernung zum Haus, von einer hohen Mauer umgeben, ein großer Misthaufen dampfte. Sein Fundament war wohl mit der Zeit undicht geworden. Das erklärte die kleinen Quellen, die unterhalb des Tores aus der Erde sprudelten und die einen verdächtigen Jauchegeruch verbreiteten. Die Straße zum Tal säumten hohe Brennesselstauden, deren Blätter, fein gehackt, unter das Futter der Küken und der jungen Gänse gemischt wurden. Die Dächer aller Gebäude, die zum Hof gehörten, waren mit blauem Schiefer gedeckt. Der Hof wurde, vom
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Haus aus gesehen, rechts und gegenüber, durch zweistöckige Gebäude begrenzt. Die Mauern der Obergeschosse bestanden aus rot-schwarzem Fachwerk. Unten sah man rechts die Türen zum Milchhaus, zum Waschhaus und zu den Garagen für die beiden Traktoren. Oben wohnten Umsiedler und Leute, die auf dem Hof arbeiteten. Gegenüber befanden sich die Ställe für die Kühe, die Schweine und die Pferde. Im Obergeschoß lagen der Heuboden und die verschiedenen Speicher. Die Gewölbe im Unterbau ließen auf ein hohes Alter des Gemäuers schließen. Den Abschluß links bildete die große Scheune, deren Wände aus dunklem Holz gefügt waren. Auf der Tenne stand die Dreschmaschine, ohne deren Summen ein Sommertag nicht vollständig gewesen wäre. Auf der Ostseite befanden sich die Remisen. Dort standen die landwirtschaftlichen Geräte, die Leiter- und die Kastenwagen, die Kutsche und der Pferdeschlitten. Mein Großvater hatte das Haus Ende der zwanziger Jahre vollkommen umgestaltet. Er hatte es mit modernem Komfort ausgestattet und mit Turm, Erker und Zinnen schmücken lassen. Für mich hatte das alles etwas Beständiges. Obwohl ich doch nur meine Kindheit dort verlebte, hatte ich ein starkes Heimatgefühl. Als ich wegging, wußte ich, daß es ein Abschied für immer war. Das Dorf war auf die Dauer kein Ort für mich. Aber ich habe mich nie wieder so beheimatet gefühlt wie dort. Der Hof war eine Welt für sich. Hier herrschte tagsüber buntes Treiben. Wir Kinder spielten mit Puppen oder mit den jungen Katzen. Wir tobten trotz des strengen Verbotes in der großen Scheune. Wir malten Kästchen auf die Erde, warfen kleine Steine hinein und sprangen mit beiden Beinen hinterher. Auf dem Hausboden spielten wir Tischtennis. Im Winter trafen wir uns mit dem Rodelschlitten am Weg, der steil hoch zum Bahnhof führte. Einmal war eine Cousine meines Vaters mit ihrer Tochter, die etwa in meinem Alter war, zu Besuch. Ihre Namen habe ich vergessen. Ich weiß nur noch, daß wir die Tochter Süße nannten, weil ihre Mutter sie so rief. Uns wäre es unvorstellbar peinlich gewesen, so gerufen zu werden. Süße stand auf dem Hausstein, mit sauberen weißen Strümpfen, einem Dirndlkleid und einer Schleife im Haar. Sie roch nach einer Mischung aus Parfüm und Pipi. Ich lud sie ein mitzuspielen. Aber Süße schüttelte den Kopf. Sie durfte sich nicht schmutzig machen. Wir hätten es gern gesehen, wie sich Süßes Strümpfe unseren anpaßten. Unsere Strümpfe waren grau oder braun und mehrfach gestopft. Meistens hatten sie ihren Besitzer schon mal gewechselt. Zum Mitspielen war es nun zu spät, denn Süße und ihre Mutter reisten ab. Mein Vater hatte seiner Cousine am Tag zuvor erklärt: "Du fährst morgen mit dem ersten Zug, der Anschluß hat. Und solltest du hier noch mal auftauchen, zeige ich dich an." Ich hatte in dem großen Ledersessel gesessen, wo sie mich nicht bemerkten. "Dieses Flittchen, mißbraucht unsere Gastfreundschaft für ihre dunklen Geschäfte", sagte mein Vater später zu meiner Mutter. "Und bringt sogar ihr eigenes Kind in Gefahr", entrüstete sich meine Mutter. In meiner Phantasie sah ich Süße und ihre Mutter in einer Zelle hocken, vor sich einen Becher mit Wasser und eine Scheibe trockenes Brot. "Du kannst vielleicht gar nicht spielen", provozierte ich Süße auf dem Hausstein. "Wo solltest du in Berlin auch spielen." Meine Vorstellungen von der Großstadt waren trostlos, kein Baum, kein Strauch, aber jede Menge Hundehaufen. "In Berlin spielen wir genausogut und besser, det könnt ihr mir glauben", widersprach Süße. Da zählten wir alles auf, alle Orte, die es überhaupt gab, auch die Wälder und die Felsen, aber Süße war durch nichts zu beeindrucken. Sie schüttelte nur lächelnd den Kopf. Als wir unser Pulver schon verschossen hatten, kam sie mit ihrem Trumpf heraus: "Und in Berlin haben wir die Ruinen." Das saß. Darauf waren wir nicht gefaßt gewesen. Süße nutzte unsere Verblüffung und wurde zum erstenmal gesprächig. Sie erzählte von zusammenstürzendem Mauerwerk und von einem Schieberlager voller Schokolade, die sie unter sich aufgeteilt hätten. Und davon, wie sie eine Leiche gefunden hatten und von der Polizei verhört worden waren. Wir saßen auf der Mauer, die den Hausstein umgab, und staunten. Erst hatte ich die Sache mit der Schokolade am tollsten gefunden, neigte dann aber mehr zu der Leiche, schon wegen des Verhörs durch die Polizei. "Hat die Leiche gestunken?" fragte ich, doch da kam ihre Mutter mit einem Koffer, und die beiden verschwanden grußlos durch das Tor. Am Abend suchte ich im Lexikon nach dem Wort Flittchen.
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Autoren-Porträt von Helga Königsdorf
Helga Königsdorf wurde 1938 in Gera geboren. Von 1955 bis 1961 studierte sie Physik in Jena und Berlin. Ab 1961 wissenschaftliche Tätigkeit auf dem Gebiet der Mathematik. 1963 Promotion, 1972 Habilitation. 1974 wurde sie zur Professorin an der Akademie der Wissenschaften berufen und leitete eine Abteilung für Wahrscheinlichkeitsrechnung und mathematische Statistik. Seit 1990 freischaffende Autorin. Helga Königsdorf lebt in Berlin.
Bibliographische Angaben
- Autor: Helga Königsdorf
- 2002, 1, 233 Seiten, teilweise farbige Abbildungen, Maße: 13 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: AUFBAU-VERLAG
- ISBN-10: 3351029543
- ISBN-13: 9783351029548
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