Lichtzeit
Roman
Ein packendes Abenteuer in der Tiefe des Weltraums
Der Menschheit ist der Aufbruch zu den Sternen gelungen. Allerdings nicht aus eigener Kraft - die Technologie für das Reisen in Überlichtgeschwindigkeit stammt von dem außerirdischen...
Der Menschheit ist der Aufbruch zu den Sternen gelungen. Allerdings nicht aus eigener Kraft - die Technologie für das Reisen in Überlichtgeschwindigkeit stammt von dem außerirdischen...
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Produktinformationen zu „Lichtzeit “
Ein packendes Abenteuer in der Tiefe des Weltraums
Der Menschheit ist der Aufbruch zu den Sternen gelungen. Allerdings nicht aus eigener Kraft - die Technologie für das Reisen in Überlichtgeschwindigkeit stammt von dem außerirdischen Volk der Shoal. Diese verfolgen damit jedoch ganz eigene Ziele, führen sie doch in der Galaxis seit Tausenden von Jahren einen gewaltigen Krieg. Einen Krieg, der nun die Menschheit zu verschlingen droht ...
Der Menschheit ist der Aufbruch zu den Sternen gelungen. Allerdings nicht aus eigener Kraft - die Technologie für das Reisen in Überlichtgeschwindigkeit stammt von dem außerirdischen Volk der Shoal. Diese verfolgen damit jedoch ganz eigene Ziele, führen sie doch in der Galaxis seit Tausenden von Jahren einen gewaltigen Krieg. Einen Krieg, der nun die Menschheit zu verschlingen droht ...
Klappentext zu „Lichtzeit “
Was planen die Shoal?Der Menschheit ist der Aufbruch zu den Sternen gelungen. Allerdings nicht aus eigener Kraft die Technologie für das Reisen in Überlichtgeschwindigkeit stammt von dem außerirdischen Volk der Shoal. Diese verfolgen damit jedoch ganz eigene Ziele, führen sie doch in der Galaxis seit Tausenden von Jahren einen gewaltigen Krieg. Einen Krieg, der nun die Menschheit zu verschlingen droht ...
Lese-Probe zu „Lichtzeit “
Lichtzeit von Gary Gibson PrologAn Bord einer Aufklärungskorvette der Shoal, die sich auf der Flucht vor Verfolgern in einem dichten, eintausend Lichtjahre messenden Gewirr aus Sternen und Wasserstoffwolken verirrt hatte, wurde ein Spion der Bandati gefoltert, indem man ihm einen Flügel nach dem anderen ausriss.
Dem Gefangenen zuliebe, der zum Atmen Luft brauchte, hatte man aus der Verhörzelle der Korvette, einer schlichten Stahlkammer, die flüssige Atmosphäre abgepumpt. Reste von kondensierter Salzlake bildeten trübe, schwabbelige Tropfen in dem Gemisch aus Sauerstoff und Wasserstoff, das nun die Kammer füllte. In der hier herrschenden Schwerelosigkeit drifteten die Tröpfchen durch den Raum wie winzige, wässrige Linsen.
Den Bandati hatte man an einer aufrecht stehenden Konstruktion fixiert, die in der Mitte der Zelle angebracht war, wo der Boden sich zu einer flachen, gestuften Mulde absenkte. Das ShoalMitglied, das unter dem Namen »DermittierischenFäkalienhandelt « bekannt war, sah den großen eisernen Stachel, den man durch den unteren Brustbereich der Kreatur getrieben hatte und der das Opfer festnagelte, ohne einen vorzeitigen Tod zu bewirken. Doch an den fortwährenden verzweifelten Anstrengungen des Bandati, sich zu befreien, merkte man, dass er beträchtliche Qualen litt.
Ein Geräusch, das sich anhörte wie Hammerschläge auf Metall, ließ die Schotten kurz erbeben und zeigte an, dass eine feindliche Angriffsdrohne die Schutzschilde der Korvette erfolgreich durchbrochen hatte. Der Händler hörte die Schadensberichte, die ihm über einen privaten Datenkanal zugetragen wurden; sehr zu seiner Erleichterung hatte es keine nennenswerten Schäden gegeben. Das konnte sich jedoch rasch ändern.
... mehr
Direkt über dem Kopf des BandatiScouts hatte man an der Decke der Kammer Taue befestigt, deren Enden mit Haken bestückt waren; diese Haken wiederum steckten in den äußersten Rändern der fünf noch verbliebenen Flügel des Opfers. Die straff gespannten Taue zogen die Flügel weit auseinander, so dass es aussah, als sei der Bandati mitten im Gleitflug durch die dichte Atmosphäre der Welt erstarrt, von der seine Spezies ursprünglich stammte. Der Händler fühlte sich an eine Ausstellung von kleinen geflügelten, wirbellosen Tieren erinnert, die er einmal besucht hatte - viele Reihen von ausgetrockneten, an einer Wand festgepinnten Hüllen, akribisch befestigt, etikettiert und kategorisiert.
Die Verhörspezialisten hatten sich offenkundig in einer kreativen Laune befunden, als man sie angewiesen hatte, möglichst viele Informationen aus diesem Spion herauszuholen.
Farbig kodierte Projektionen schwebten rings um die Kreatur in der Luft und gaben Aufschluss über deren innere Struktur. Die Bandati waren Zweifüßler und glichen von der Größe und der annähernden Form her einem jungen menschlichen Erwachsenen, aber damit hörte die Ähnlichkeit auch schon auf. Die vier Hauptgliedmaßen des Scouts, ausgenommen die Flügel, waren lang und schmal; die Arme liefen in länglichen, dünnen Fingern aus, während der schlanke, fälschlicherweise zerbrechlich anmutende Körper mit feinen dunklen Haaren bedeckt war. Der Schädel sah aus wie ein liegendes Oval, der Mund war klein und gespitzt, und die Haut wirkte bei näherer Betrachtung wie ein zu engen Schlingen zusammengerolltes schwarzes Seil. Doch das hervorstechendste, dem Beobachter als Erstes ins Auge fallende Merkmal an diesem Wesen waren die irisierenden, halb durchsichtigen Flügel, die verglichen mit der übrigen Statur dieses Wesens übergroß schienen.
Hätte der Händler jemals eine terrestrische Fledermaus gesehen, wäre ihm sofort eine gewisse, wenn auch flüchtige Analogie bewusst geworden. Und in diesem Moment verzerrte sich der winzige Mund des Scouts in einem schrillen Schmerzensschrei, als eine schimmernde Klinge aus Energie sich durch die Bänder und Knochen eines der fünf restlichen Flügel fraß, der noch mit dem Oberkörper des Wesens verbunden war.
Die Bandati hatten nicht die Facettenaugen der Insekten, nach deren Vorbild man sie teilweise geschaffen hatte; ihre Augen waren wie schwarze Kugeln in einem mit Pelz überzogenen Gesicht, das über eine Vielzahl exotischer Sinnesorgane verfügte, welche - vor Zehntausenden von Jahren - die legendären Vorfahren der Bandati ersonnen und entwickelt hatten. Ihre Lungen waren so beschaffen, dass sie ungeheure Mengen an Sauerstoff aufnehmen konnten, um sie während des Flugs mit Energie zu versorgen.
Der Händler überwachte die Vorgänge von einem Beobachtungsposten aus, der sich gleich hinter dem Eingang zur Verhörzelle befand. Hier wurde die flüssige Atmosphäre des Schiffs durch einen Druck aufrechterhalten, der so gewaltig war, dass er einen ungeschützten Menschen zerquetscht hätte - falls sich irgendein unvorsichtiger Humanoid in einem Umkreis von ein paar Tausend Lichtjahren befunden hätte -, und ein Kraftfeld vor der Türöffnung verhinderte, dass sie wieder in die Kammer hineinfloss. Der Händler selbst war ungefähr halb so groß wie ein durchschnittlicher Mensch und besaß die Gestalt eines Knorpelfisches. Sein dunkler, kompakter Körper wies bunte Flossen und einen Schwanz auf, der sich langsam in dem ihn umgebenden Wasser wellte.
Die Verhörspezialisten der Shoal, die sich im Inneren der Zelle befanden, steckten in schützenden Wasserblasen, die von winzigen, scheibenförmigen Feldgeneratoren zusammengehalten wurden. Trader schnippte mit einem seiner Greiftentakel, und sofort lösten sich Dutzende identischer Scheiben aus den Nischen in den Wänden rings um den Eingang und formierten sich zu einem chaotischen Wirbel, ehe sie schließlich - in gleichmäßigen Abständen voneinander - den Umriss einer neuen Wasserblase bildeten, mit dem Händler in der Mitte.
Der schwamm nach vorn und durchbrach die Kraftfeldschranke, begleitet von den Scheiben, die das Wasser festhielten, das er zum Atmen benötigte. Bei seinem Eindringen in die Zelle spritzte dennoch ein wenig Flüssigkeit aus seiner Schutzblase und tropfte auf den schleimigen, glitschigen Metallboden.
Der BandatiSpion zitterte, seine restlichen Flügel zuckten schwach, wurden aber immer noch fixiert von den Haken, die sich durch das hauchzarte Fleisch bohrten. Blut aus den Wunden des Gefangenen besudelte das Gestell, an das man ihn brutal festgenagelt hatte. Ein soeben abgetrennter Flügel lag neben diesem Aufbau, und der Händler konnte sehen, dass der Knoten aus Muskeln und Gewebe, an dem man den Flügel vom Rumpf abgetrennt hatte, schwarz verbrannt war. Ein Rinnsal aus einer grünblauen Flüssigkeit direkt unter dem Gestell ließ den Schluss zu, dass der Spion unfreiwillig seinen Darm entleert hatte.
Der Bandati gab zirpende Laute von sich, und das ShoalMitglied, welches das Verhör leitete, prüfte die Antwort, die automatisch annähernd in die ShoalSprache übersetzt wurde. Der Händler sah zu, wie ein anderer Verhörspezialist sich an einer Reihe von mechanischen, spinnenbeinähnlichen Auslegern zu schaffen machte, die zu einer direkt über dem Kopf des Opfers angebrachten Vorrichtung gehörten. Die Enden dieser Arme waren mit Messern, Sonden und einer Lötlampe bestückt, deren zischende, Flammen sprühende Düse sich nun auf einen anderen Flügel des unglücklichen Bandati richtete.
Angesichts der nächsten Tortur nahm der Bandati seine zunehmend matter werdenden Anstrengungen wieder auf, sich von den Fesseln zu befreien. Der Händler ignorierte die immer verzweifelter klingenden Schreie und näherte sich seinem alten Gönner und Förderer namens »DergewaltsameLösungenliebt «, der das gesamte Verhör beaufsichtigte.
»Ah, da sind Sie ja endlich.« Der Gewaltliebhaber drehte sich auf dem Platz um, von dem aus er die Vorgänge in aller Ruhe verfolgt hatte. »Wir amüsieren uns hier köstlich. Was hat Sie aufgehalten? «
Ein zweites donnerndes Geräusch erfüllte die Luft, und abermals rasselten die Schotten, während die grellweißen Lichter, die überall im Raum verteilt waren, vorübergehend flackerten. Der Händler gewahrte eine Anzahl von Projektionen, die neben dem Gewaltliebhaber in der Luft hingen, komplexe Realzeitsimulationen und Bilder von der Schlacht, die veranschaulichten, wie die KampfägerFlotille der Emissäre allmählich zur Korvette aufschloss. Hilfreiche bunte Linien, die die Flugbahnen und die geschätzte Zeit bis zum Aufprall der abgefeuerten Geschosse wiedergaben, zeigten an, wie rapide sich ihre Überlebenschancen verringerten, je länger sie sich derart tief in feindlichem Territorium aufhielten.
Die überlichtschnelle Yacht des Händlers hatte sich vor knapp einer Stunde mit der Korvette getroffen. Dieses Rendezvous fand an einem Punkt statt, der nur wenige Lichtminuten entfernt von einer kleinen, felsigen Welt lag, die zu einem so unbedeutenden System gehörte, dass es nicht einmal einen Namen hatte, sondern lediglich durch eine Katalognummer gekennzeichnet war. Nichtsdestotrotz schienen die Emissäre dort schon vor Jahrtausenden Drohnen stationiert zu haben, die sich seit der Ankunft der Korvette abmühten, die Verteidigungssysteme des Schiffs zu durchbrechen.
Die Yacht des Händlers war sofort unter Beschuss geraten, und er durchlebte ein paar spannungsgeladene Augenblicke, während die Kampfsysteme an Bord seines eigenen Schiffs sich mit denen der Korvette vernetzten und es ermöglichten, dass die Yacht in den verhältnismäßig sicheren Haupthangar des wesentlich größeren Kriegsschiffs hineingezogen wurde.
Die Drohnen der Emissäre verwendeten Angriffstechnologien, die von primitiven Energiestrahlwaffen bis zu SubquantenDisruptoren reichten. Letztere vermochten Löcher in die Schutzschirme der Korvette zu reißen, so dass winzige, mit Atomsprengköpfen bestückte Raketen die relativ schwache Außenhülle des Schiffs erreichen konnten. Gleichzeitig hagelte ein Dauerbombardement mit verdichtetem Plasma auf die Korvette nieder, eine Strategie, die rasch die Batterien erschöpfte, welche die Schutzschirme mit Energie versorgten.
Hunderte von Drohnen attackierten, viel zu viele für die Korvette, die ausgelegt war, um mit nur leichter Bewaffnung größere, besser ausgerüstete Schiffe zu eskortieren. Trotzdem konnte der Händler erkennen, wie die Techniker an Bord der Korvette versuchten, jedes bisschen verfügbare Energie von den Schirmbatterien abzuzweigen, um schneller die erforderliche Geschwindigkeit zum TransluminalSprung zu erreichen. Diese Leute wussten ganz offenkundig, was sie taten; dennoch blieb es ein extrem riskantes Unterfangen.
»Ich wurde aufgehalten«, beantwortete der Händler die Frage seines Vorgesetzten, einen bissigen Ton anschlagend, »weil Sie versäumt hatten, mich darauf hinzuweisen, dass ich gleich bei meiner Ankunft hier unter Feuer genommen würde.«
»Ach ja«, räumte der Gewaltliebhaber ein. »Diese Art von Begrüßung ist in der Tat unerquicklich. Wir haben diesen kleinen Burschen dort aufgeschnappt« - wie auf ein Stichwort hin fing der Bandati in höchsten Tönen an zu kreischen, als man den nächsten Flügel von seinem Körper abtrennte -, »und ehe wir uns versahen, gerieten wir in diesen verdammten Hinterhalt. Aber der Commander hat mir versichert, dass wir im Nu aus diesem Schlamassel heraus sein werden.«
»Vermutlich haben Sie mich hierherbeordert, um mir zu berichten, wie dieser Bandati es geschafft hat, sich so weit aus dem Territorium herauszubewegen, das man seiner Spezies zugesteht.« Der Händler wackelte mit den Flossen, eine Geste, die geheuchelte, bis an Schwachsinn grenzende Ahnungslosigkeit ausdrücken sollte. »Halten Sie es für möglich, dass dieser Hinterhalt in irgendeiner Verbindung zu der Gefangennahme steht?«
Unter dem breiten Bauch zuckten die Greiftentakel des Generals in einer lässigen Gebärde. »Ich denke, wir hatten ganz einfach nur Pech. Ein unglücklicher Zufall, weiter nichts. Ich muss Sie doch gewiss nicht daran erinnern, dass wir immer noch ziemlich weit von der ursprünglichen Konfliktzone entfernt sind.«
»In der geheimen Botschaft, die Sie mir zukommen ließen, war die Rede von einer wichtigen Entdeckung, die Sie gemacht hätten«, erwiderte der Händler. »Sie sind also auf etwas gestoßen, das vielleicht den Ausgang des Langen Kriegs beeinflussen könnte?«
Der General verdrehte die Greiftentakel, was bei den Shoal einem zustimmenden Nicken gleichkam, ehe er den Händler in eine etwas abgeschiedenere Ecke der Kammer führte.
»Wir müssen uns doch sicher nicht vor unseren eigenen Verhörspezialisten verstecken?«, protestierte der Händler.
»Vergeben Sie einem alten Fisch seine eingefleischten Gewohnheiten, aber ich fühle mich wohler, wenn wir zumindest die Illusion von Privatsphäre wahren.« Der General schaltete den Modus ihrer Kommunikationsgeräte auf ein persönliches, nur seinem Gesprächspartner zugängliches Netzwerk, und als Folge davon änderte sich ein wenig das Timbre seiner Stimme. »Wir haben etwas geradezu Ungeheuerliches entdeckt, mein alter Freund. Leider ist es nichts, was uns unbedingt zum Vorteil gereicht. Es sind keine guten Nachrichten, die ich Ihnen mitzuteilen habe.«
Ein bleiernes Gewicht sank mitten ins Innerste des Händlers, wie eine Sternschnuppe, die in die Tiefen von Mutter Ozean fällt. Ihm war sofort klar, dass der General etwas sehr Unangenehmes für ihn parat hielt, denn dieser alte Narr hätte ihn niemals den langen Weg bis hierher zurücklegen lassen, wenn er, der Händler, nicht bereits in diese leidige Geschichte verwickelt wäre.
»Fahren Sie fort«, sagte er schließlich.
»Seit geraumer Zeit verfolgen wir die Bewegungen mehrerer BandatiScouts «, erklärte der General. »Getrennt begaben sie sich alle an Bord eines Kernschiffs, das ein BandatiSystem mit Namen Night's End aufsuchte. Anschließend nutzten sie eine Schwachstelle in unseren Sicherheitsprotokollen, um sich in Gebiete der Galaxis einzuschmuggeln, die für ihre Spezies normalerweise gesperrt sind. Nachdem wir diese Sicherheitslücke entdeckt hatten, gelang es uns, unseren Freund durch vier verschiedene Systeme zu verfolgen, die er mit drei Kernschiffen bereiste, ehe er kurz von unserem Radar verschwand.«
Mit ihren Kernschiffen beherrschten die Shoal einen großen Teil der Galaxis, eben weil sie das Geheimnis des überlichtschnellen Flugs mehr als eine Viertelmillion Jahre lang eifersüchtig gehütet hatten. Diese Sternenschiffe besaßen die Größe von Planeten, waren ausgestattet mit vielfältigen Habitaten und imstande, ganze Völker schnell von einem System zum anderen zu befördern. Den meisten Spezies wurde nur selten gestattet, sich weiter als ein paar Lichtjahre von ihren Heimatsystemen zu entfernen, doch mit viel List und Tücke war es zu schaffen, diesen einengenden Radius zu sprengen.
»Ein Bandati wurde also losgeschickt, um ein bisschen Spionage zu betreiben, und er schlüpfte uns durch die Maschen«, entgegnete der Händler müde. »Ist das alles, was Sie mir erzählen wollen?«
Der Gewaltliebhaber überhörte den angedeuteten Vorwurf und wedelte mit einer Flosse. Daraufhin erschien zwischen ihren durch Energiefelder stabilisierten Wasserblasen eine solide aussehende Projektion von Reihen sich bewegender ShoalGlyphen.
»Es scheint, als hätte der BandatiHive, der diesen Spion aussandte, sich irgendwie in den Besitz des Körperpanzers eines verstorbenen Atn gebracht. Gegen Ende seiner Reise verbarg der Agent sich in diesem Panzer, zusammen mit den kryogenen Gerätschaften, die ihn am Leben erhalten sollten. Wir vermuten, dass der Panzer später in den interstellaren Raum hinauskatapultiert wurde, wahrscheinlich während das Kernschiff wegen einer Navigationskontrolle einen planmäßigen Zwischenstopp einlegte. Da dieser spezielle eingeplante Stopp ungefähr einhundert Lichtjahre von hier stattfand, fiel es einem Spähtrupp der Emissäre offenkundig nicht schwer, den Spion wie vereinbart aufzunehmen, nachdem das Kernschiff weitergeflogen war.«
Die Kammer bebte wieder, was darauf hindeutete, dass irgendetwas die Schutzschirme der Korvette durchdrungen hatte. Der Händler checkte die Kampfsysteme seiner Yacht und sah, dass ein metallisches, wurmähnliches Objekt sich durch die Außenhülle der Korvette bohrte. Die Maschine begann zu schmelzen und sich in ihre Bestandteile aufzulösen, als sekundäre Verteidigungswaffen ihre Energiestrahlen gezielt auf sie richteten.
Zum Glück war die Korvette beinahe bereit, um in den Superluminalraum zurückzuspringen, wo sie vor Angriffen geschützt war.
Der Händler richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das Verhörzimmer und sah zu, wie man dem immer noch verzweifelt zappelnden BandatiSpion auf barbarische Weise den nächsten Flügel vom Rumpf schnitt. Kleine Blutströpfchen wirbelten durch den gravitationsfreien Raum, eingehüllt in schwarzen, öligen Rauch, der beim Einsatz der Lötlampe entstanden war.
Jählings hörte der gefolterte Bandati auf, sich zu wehren, und sackte schlaff vornüber; aller Wahrscheinlichkeit nach war er an seinen Verletzungen gestorben. All diese Bemühungen für eine ein zige unbedeutende Kreatur, sinnierte der Händler. Er spürte, wie sich die Haut über seinem Schwanzrücken unangenehm spannte, ein instinktiver, durch Angst ausgelöster Reflex.
»Ein Spähtrupp der Emissäre«, wiederholte der Händler. Allein die Tatsache, dass die Bandati überhaupt von der Existenz der Emissäre Kenntnis hatten, verblüffte den Händler ungemein. »Das ergibt keinen Sinn, General. Warum sollten die Emissäre einem solchen Coup zustimmen? Es gibt nichts, was die Bandati ihnen als Gegenleistung bieten könnten.«
»Nun ja, mein Guter, vielleicht besitzen sie ja doch etwas, wofür sich die Emissäre interessieren. Ein BandatiHive, der unter dem Namen ›Immerwährendes Licht‹ bekannt ist, regiert über Night's End, und wir sind uns absolut sicher, dass dieser Hive mit den Emissären via kodierter TachyonenNetzÜbertragungen kommuniziert hat. Bevor es uns gelang, die Kodes zu knacken, hatten sich ihre Spione schon längst in alle Richtungen zerstreut. Dieser hier ...«, der Gewaltliebhaber drehte sich in seiner Blase aus Salzlake um und warf einen Blick auf den immer noch an dem Gestell festgenagelten, vornüberhängenden Leib des Spions, »kehrte von einem Treffen mit den Emissären zurück, als wir ihn schnappten.«
Er deutete auf eine Sekundärprojektion, die eine schematische Darstellung einer überlichtschnellen Drohne zeigte, welche so umfunktioniert war, dass sie einen einzelnen Passagier befördern konnte. Offenbar verfügte sie über einen Selbstzerstörungsmechanismus, der aktiviert werden sollte, nachdem sie den BandatiSpion zum nächsten System gebracht hätte, das von Kernschiffen angeflogen wurde, aber die Korvette hatte die Drohne abgefangen, als sie wegen eines Navigationschecks in den Subluminalraum zurücksprang.
Da die Shoal das Monopol des überlichtschnellen Reisens rigoros für sich allein beanspruchten und keinem anderen Volk den Besitz eines TransluminalAntriebs erlaubten, waren sämtliche anderen Zivilisationen, die den Wunsch nach Interstellarflügen hegten, darauf angewiesen, in den Kernschiffen der Shoal mitgenommen zu werden. Die überwiegende Mehrheit dieser Klientenrassen lebte in der festen Überzeugung, die Shoal seien die einzige Spezies in dieser Galaxie, die jemals eine TransluminalTechnologie entwickelt hatte.
Aber das stimmte so nicht.
Die Emissäre zum Beispiel verfügten über den TransluminalAntrieb und verfolgten das Ziel, den Shoal die Dominanz über die Milchstraße streitig zu machen. In dieser Hinsicht waren sie bislang die einzigen ernstzunehmenden Rivalen jenes Volkes, das mittels seiner überragenden Technik nahezu alle anderen bekannten Völker der Galaxis in Schach hielt. Doch im Gegensatz zu den Shoal hatten sich die Emissäre ihr Knowhow bezüglich des TransluminalAntriebs direkt aus einem von den legendären »Schöpfern« angelegten Hort beschafft, geheime Lager, die angefüllt waren mit an Zauberei grenzender Technologie. Und diesen Vorsprung hatten sie dazu genutzt, sich die Kontrolle über einen beträchtlichen Teil eines Spiralarms der Galaxis zu sichern.
Seit annähernd fünfzehntausend Jahren führten die Shoal und die Emissäre einen Krieg um einen »Brückenkopf« aus Sternsystemen und Nebeln, der an dem von interstellarem Staub durchsetzten Rand des Spiralarms lag, in dem sich zufällig die Heimat der Menschen befand. Bereits vor langer Zeit hatten die Emissäre die nahezu sternenfreie Kluft von einem benachbarten Spiralarm aus überquert, und an dem Punkt, an dem sie im Zuge ihrer Expansion die Grenzen der ShoalHegemonie erreicht hatten, war zwangsläufig ein bewaffneter Konflikt ausgebrochen, der als »Der Lange Krieg« bezeichnet wurde. Hier, am Saum des Spiralarms, ziemlich weit weg vom Herzstück der Milchstraße, lag der Hauptschauplatz der Feindseligkeiten zweier galaktischer Großmächte, die sich gegenseitig die Vorherrschaft über ein bestimmtes Gebiet im Universum streitig machten.
Gelegentliche Versuche, einen Frieden zwischen diesen beiden Imperien auszuhandeln, hatten unweigerlich damit geendet, dass irgendeine Seite Verrat beging - und hinterher nahmen die militärischen Aktionen meist zu. Die Emissäre hatten sich als genauso kriegslüstern entpuppt, wie die Shoal heimtückisch sein konnten. Im Hinblick auf Aggressivität und Wortbrüchigkeit stand keine Partei der anderen in etwas nach.
Wieder klirrten und zitterten die Schotten rings um sie herum, dieses Mal heftiger als zuvor. Das Geräusch von kreischendem Metall durchschnitt die mit Feuchtigkeit übersättigte Luft, und am Rande seines Blickfeldes nahm der Händler Alarmsignale wahr, die vor einem drohenden Hüllenbruch warnten.
»Vielleicht sollten Sie sich mit Ihren Ausführungen ein wenig beeilen, General.«
»In der Tat.« Der Gewaltliebhaber vollführte eine Geste, und die dreidimensionalen Bilder, die zwischen ihnen in der Luft schwebten, formierten sich neu zu einer im Zeitraffertempo abgespulten Simulation eines Planetensystems, das dem Fäkalienhändler nur allzu bekannt vorkam. Im Mittelpunkt befand sich Nova Arctis, ein Stern, der noch bis vor kurzem in seinen Tiefen mannigfache Geheimnisse verborgen hatte, während farbige Markierungen die Positionen seiner vielen Satelliten anzeigten. Nun sausten sie mit einer Geschwindigkeit um ihr Zentralgestirn, als würden Tage und Monate binnen Sekundenbruchteilen vergehen.
Plötzlich blähte sich der Stern gewaltig auf, gleichzeitig gigantische Plasmaschleifen ausschleudernd, die wie mehrere Millionen Grad heiße Peitschenschnüre durch das simulierte Vakuum fegten. In Echtzeit hätte sich der Vorgang, der in der Simulation nur wenige Momente dauerte, über Stunden hingezogen.
Dakota Merrick.
Auf einmal fiel dem Händler der Name ein. Er hatte zu dieser Pilotin eine gewisse Zuneigung entwickelt, selbst als er geplant hatte, sie zu töten - und mit ihr jeden andern Menschen, der das Pech hatte, sich zu jenem Zeitpunkt im NovaArctisSystem aufzuhalten.
Jählings explodierte der Stern mit verheerenden Folgen. Ein gewaltiger Lichtkranz breitete sich aus, als Nova Arctis den größten Teil seines Plasmas in den interstellaren Raum entlud; zurück blieb nur ein winziger, rasant kreisender Kern, der einzige Zeuge dessen, was sich an dieser Stelle einmal befunden hatte. Die farbigen Punkte, die die Planeten des Systems darstellten, strahlten vorübergehend in einem hellen Glanz, sobald der sich ausweitende Feuerring einen nach dem anderen erreichte. Danach verwandelten sich ganze Welten in glühende Schlackebrocken, die irgendwann einmal erloschen. Und dabei verursachten sie einigen der hochrangigsten Mitgliedern der ShoalHegemonie die schlimmsten Alpträume seit langem.
Der Händler spürte eine eigentümliche Kälte, als er sah, wie so viel urtümliche Gewalt auf einen Schlag freigesetzt wurde. Dass sein virtueller Doppelgänger - der sich heimlich in Dakota Merricks MaschinenkopfImplantate eingeschlichen hatte - zu dieser Apokalypse beigetragen hatte, erfüllte ihn mit Ehrfurcht.
Die Zerstörung von Nova Arctis war unerfreulich gewesen, ließ sich aber nicht vermeiden, denn die dort neu gegründete Kolonie der Menschen hatte durch einen puren Zufall ein Schiff der sogenannten »Weisen« aufgestöbert - ein überlichtschnelles Sternenschiff, konstruiert von derselben Spezies, der die Shoal vor einer Viertelmillion Jahre das Geheimnis des TransluminalAntriebs entrissen hatten. Die Menschen, die in die Entdeckung dieses Schiffs involviert waren, mussten sterben, damit ein fundamentales Geheimnis gewahrt blieb - niemand durfte jemals erfahren, dass der Sternantrieb gleichzeitig eine ungeheuer gefährliche Waffe war. Und sein Doppelgänger hatte exakt diese Waffe eingesetzt, einen wahren Kataklysmus auslösend.
»Ein ganzes Sternsystem wurde zerstört: ein Hauptreihenstern mittleren Alters, der normalerweise nie explodiert wäre. Ein derartiges Ereignis dürfte jedes unserer Klientenvölker ziemlich neugierig machen, finden Sie nicht auch?«, äußerte der General.
»Es gab keine Alternative«, knurrte der Händler. »Das Übel musste mit der Wurzel ausgerissen werden - mit Stumpf und Stiel.«
»Nun, mein Freund, dann werden Sie vielleicht mit Interesse vernehmen, dass der Hive Immerwährendes Licht vor kurzem in den Besitz eines Sternenschiffs der Weisen gelangte. Und nicht nur das - an Bord hielten sich zwei Menschen auf.«
Der Händler erwiderte nichts auf diese Enthüllung, und der General fuhr fort: »Wie es sich herausstellte, enthielten die DNAStränge unseres BandatiSpions eine Vielzahl kodierter Daten, die er als Botschaft in seinem genetischen Material versteckt mit sich herumschleppte. Mittlerweile konnte man die relevanten Informationen isolieren. Sehen Sie sich das an.«
Die Darstellung eines anderen Sternsystems löste das Bild von Nova Arctis ab. Die Illustration wurde beinahe von einer wüsten Zusammenballung farbiger Punkte verdeckt, die Hunderte von überall verteilten Siedlungen und Industriegebiete markierten. Es handelte sich um Night's End, die Heimat des Hives Immerwährendes Licht.
Abrupt vergrößerte sich ein bestimmter Ausschnitt. Zuerst wurde ein kleiner, mit zahllosen Kratern übersäter Mond herangezoomt, der sich um einen von Wolkenstreifen verhüllten Gasriesen bewegte; danach richtete sich der Fokus auf einen riesigen Industriekomplex, der ein paar Hundert Kilometer über dem Äquator des Mondes im Orbit kreiste. Hunderte von druckfesten Kapseln waren aneinandergereiht, verbunden durch hauchdünne Transportröhren; die gesamte, unglaublich zerbrechlich wirkende Struktur umschloss eine Anzahl bauchiger HeliumBagger. Das Bild wurde ein drittes Mal vergrößert, und nun zeigte sie ein in der Nähe angedocktes Schiff, das keinerlei Ähnlichkeit mit einem der anderen in Sichtweite befindlichen Raumfahrzeuge aufwies.
Ein jäher, unangenehmer Schauer durchzuckte den Händler, als er das Schiff erkannte: ein Sternenschiff der uralten Flotte der Weisen, das einen reichlich ramponierten Eindruck machte.
Lange, geschwungene Arme ragten aus dem Heck heraus, als wollten sie nach irgendetwas greifen, das sich jedoch dem Auge des Betrachters entzog. Es handelte sich um die Antriebsdorne, Leitungen, die Zeit und Raum aufreißen und das Schiff im Nu Lichtjahre durch den Transluminalraum katapultieren konnten. Ein beträchtlicher Teil der milchweißen Außenhülle des Schiffs war weggebrannt worden - besonders der Belag an den Antriebsdornen -, und das darunterliegende blanke Gerippe lag frei.
»Und wo stecken die beiden Menschen?«
»Hier.« Abermals machte der General eine Geste. Das Schiff der Weisen verblasste, und an seiner Stelle tauchten zwei Gestalten auf; die eine erkannte der Händler auf Anhieb, bei der anderen musste er schon etwas genauer hinsehen.
Bei der ersten handelte es sich natürlich um Dakota Merrick, klein, von schmaler Statur, mit kurzen schwarzen Haaren, die sich um ihre Ohren ringelten. Der andere Mensch war Lucas Corso, Bürger einer zur Gewalttätigkeit neigenden Randgruppe der menschlichen Gesellschaft, die sich selbst als Gemeinschaft der Freistaatler oder Freie Demokratische Gemeinschaft bezeichnete. Wie es schien, hatte seine Regierung ihn gegen seinen Willen damit beauftragt, die Geheimnisse des havarierten Schiffs der Weisen zu enträtseln.
Beide lagen, mit Gurten fixiert, auf Rollpritschen in einer Kammer. Mehrere Bandati klammerten sich an die überall im Raum verteilten Säulen, während andere sich über die Menschen beugten.
»Leben sie noch?«, fragte der Händler seinen Vorgesetzten mit gespielter Gleichgültigkeit.
»Ja«, antwortete der Gewaltliebhaber. »Das Immerwährende Licht versucht, ihnen Informationen zu entlocken, seit sie in dem Schiff der Weisen ziemlich unverhofft am Rande ihres HiveSystems auftauchten.«
»Dann wissen die Bandati vielleicht schon zu viel«, bemerkte der Händler betrübt. »Möglicherweise haben sie bereits erfahren, dass der TransluminalAntrieb eine Waffe ist, und ich möchte wetten, dass die elenden geflügelten Bastarde diese Information an die Emissäre verkaufen wollen.«
Trotz ihrer feindlichen Einfälle in das Territorium der Hegemonie, hatten die Emissäre - die den interstellaren Flug immerhin seit Jahrtausenden beherrschten - das destruktive Potenzial des Sternantriebs offenbar noch nicht entdeckt.
»Das ist sicherlich die logischste Vermutung«, stimmte der Gewaltliebhaber zu. »In diesem Fall könnte uns bald ein NovaKrieg von nie da gewesenen Ausmaßen bevorstehen - ein Konflikt, der unsere gesamte Zivilisation auszulöschen vermag. Anhand der Informationen, die wir aus unserem BandatiSpion herausholten, verlangen die Emissäre konkrete Beweise dafür, dass der Hive Immerwährendes Licht sich auch tatsächlich in dem Besitz der Sache befindet, über die er angeblich verfügt. Sie beabsichtigen, eine geheime Expedition tief in unser Territorium hinein zu schicken, mit dem simplen Ziel, die Behauptung der Bandati zu bestätigen. In Anbetracht der Umstände ließe sich leicht eine Rechtfertigung für einen Präventivschlag gegen die Streitkräfte der Emissäre finden, die unsere Grenzen belagern.«
Dem Händler wurde einen Moment lang schwindlig. »Wir sollten darüber nicht in Hörweite Ihrer Crew diskutieren«, schnauzte er.
Die Herrscher der ShoalHegemonie hatten sich lange gescheut, NovaWaffen gegen die Emissäre einzusetzen, aus Furcht, ihnen genau dadurch die nötigen Anhaltspunkte zu verschaffen, die sie brauchten, um ihre eigenen Waffen zu entwickeln.
Die dann zu erwartende Eskalation des Konflikts konnte beiden Krieg führenden Parteien den totalen Untergang bescheren. Aber gleichzeitig blieb die durchaus begründete Sorge, die Emissäre könnten jederzeit die Wahrheit auf eigene Faust herausfinden, und wenn es jemals dazu käme, stünden die Shoal vor der größten Herausforderung in ihrer gesamten Geschichte.
Präventive Eskalation war ein Begriff, den man nur selten hörte, normalerweise geflüstert in dunklen Ecken oder bei in kleinstem Kreis stattfindenden Treffen, an denen nur Mitglieder der höchsten Führungsschicht teilnehmen durften. Es ging darum, einen vorbeugenden NovaAngriff gegen die Emissäre zu führen, um ihren Brückenkopf im Orionarm mit einem einzigen verheerenden Schlag zu zerstören. Und wenn man diejenigen, die den Befehl dazu gaben, später zur Verantwortung ziehen würde ... mussten sie die zwingende Notwendigkeit ihres Vorgehens beweisen, und gegebenenfalls abwarten, wie nachfolgende Generationen ihre Handlungen beurteilten. Die Historie selbst würde sozusagen über sie richten.
Der General wackelte wie abwinkend mit seinen Greiftentakeln. »Seien Sie unbesorgt, Händler. Unsere Geheimnisse sind hier völlig sicher. In Anbetracht der besonderen Umstände stimmen Sie gewiss mit mir überein, dass wir derzeit mitten in einer Krise stecken, die nur mit klarem Verstand und einem kühlen Kopf gemeistert werden kann. Es ist erforderlich, unerfreuliche, aber notwendige Schritte zu unternehmen, egal, wie drastisch diese Maßnahmen einem außenstehenden Beobachter erscheinen mögen.«
»Und zweifellos ist es unumgänglich, dass die gesamte Verantwortung dafür auf den Flossen eines einzigen ShoalMitglieds ruhen muss«, ergänzte der Händler mit unverhohlenem Sarkasmus.
»Wir beide dienen vielen Herren, Händler. Natürlich müssen sie anonym bleiben. Wenn ihre Namen bekannt würden, gäbe es Spekulationen über eine große und tief in der Vergangenheit gründende Verschwörung, um bestimmte Wahrheiten von der Masse der Shoal fernzuhalten ... Wahrheiten, die, sollten sie jemals herauskommen, letzten Endes die Hegemonie gefährden könnten. Und an einer Destabilisierung des Status quo kann doch wohl niemandem gelegen sein, oder?«
Nein, verdammt nochmal, das käme einer Katastrophe gleich! »Vermutlich irre ich mich nicht, wenn Sie mich ausgesucht haben, um diesen Job zu übernehmen ... davon ausgehend, dass ich mich ohnehin freiwillig gemeldet hätte.« Die Stimme des Händlers troff vor Ironie.
»Ich würde sagen, dass Sie sich Ihr ganzes Leben lang auf diese Aufgabe vorbereitet haben«, versetzte der Gewaltliebhaber. »Schließlich haben Sie sich oft genug für einen Präventivschlag ausgesprochen. Außerdem - kennen Sie jemanden, der sich für eine derart heikle Operation besser eignen würde als Sie? Dem Sie überhaupt zutrauen würden, diesen Job erfolgreich durchzuführen? Fassen Sie diese Fragen als rein rhetorisch auf.«
Genüsslich malte sich der Händler in seiner Fantasie aus, wie der General von seinen eigenen Verhörspezialisten gefoltert würde. »Unser Ziel ist und bleibt das Überleben unserer Rasse, der Erhalt der Hegemonie und die Wahrung des Friedens.« Der Händler legte eine Kunstpause ein, ehe er fortfuhr: »Gleichgültig, wie teuer es uns zu stehen kommt. Kein Preis darf uns zu hoch sein.«
In einer Geste grimmiger Zustimmung krümmte der Gewaltliebhaber seine Tentakel. »Richtig, kein Preis ist zu hoch«, bekräftigte er. »Unser Geheimnis wurde schließlich doch gelüftet, Händler. Deshalb müssen wir schnell, brutal und ohne jeden Skrupel vorgehen. Wir beantragen, die Primärsysteme der Emissäre entlang ihres Brückenkopfes in diesem Spiralarm zu zerstören. Auf diese Weise stecken wir die Himmel in Brand, aber nur für eine kurze Dauer.«
»Und trotzdem, General, stellen Sie sich das Ausmaß der Verwüstung vor. Die Schäden wären gigantisch.«
»Zweifelsohne. Aber nicht so groß, um die Existenz der Shoal ernsthaft zu gefährden - jedenfalls behaupten das die Träumer.«
»Viele unserer Klientenrassen würden total ausgelöscht, haben Sie das bedacht?«
»Natürlich«, entgegnete der Gewaltliebhaber. »Doch Sie werden mir beipflichten, wenn ich meine, besser sie gehen drauf als die Shoal.«
Copyright © 2010 der deutschen Ausgabe und der Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Direkt über dem Kopf des BandatiScouts hatte man an der Decke der Kammer Taue befestigt, deren Enden mit Haken bestückt waren; diese Haken wiederum steckten in den äußersten Rändern der fünf noch verbliebenen Flügel des Opfers. Die straff gespannten Taue zogen die Flügel weit auseinander, so dass es aussah, als sei der Bandati mitten im Gleitflug durch die dichte Atmosphäre der Welt erstarrt, von der seine Spezies ursprünglich stammte. Der Händler fühlte sich an eine Ausstellung von kleinen geflügelten, wirbellosen Tieren erinnert, die er einmal besucht hatte - viele Reihen von ausgetrockneten, an einer Wand festgepinnten Hüllen, akribisch befestigt, etikettiert und kategorisiert.
Die Verhörspezialisten hatten sich offenkundig in einer kreativen Laune befunden, als man sie angewiesen hatte, möglichst viele Informationen aus diesem Spion herauszuholen.
Farbig kodierte Projektionen schwebten rings um die Kreatur in der Luft und gaben Aufschluss über deren innere Struktur. Die Bandati waren Zweifüßler und glichen von der Größe und der annähernden Form her einem jungen menschlichen Erwachsenen, aber damit hörte die Ähnlichkeit auch schon auf. Die vier Hauptgliedmaßen des Scouts, ausgenommen die Flügel, waren lang und schmal; die Arme liefen in länglichen, dünnen Fingern aus, während der schlanke, fälschlicherweise zerbrechlich anmutende Körper mit feinen dunklen Haaren bedeckt war. Der Schädel sah aus wie ein liegendes Oval, der Mund war klein und gespitzt, und die Haut wirkte bei näherer Betrachtung wie ein zu engen Schlingen zusammengerolltes schwarzes Seil. Doch das hervorstechendste, dem Beobachter als Erstes ins Auge fallende Merkmal an diesem Wesen waren die irisierenden, halb durchsichtigen Flügel, die verglichen mit der übrigen Statur dieses Wesens übergroß schienen.
Hätte der Händler jemals eine terrestrische Fledermaus gesehen, wäre ihm sofort eine gewisse, wenn auch flüchtige Analogie bewusst geworden. Und in diesem Moment verzerrte sich der winzige Mund des Scouts in einem schrillen Schmerzensschrei, als eine schimmernde Klinge aus Energie sich durch die Bänder und Knochen eines der fünf restlichen Flügel fraß, der noch mit dem Oberkörper des Wesens verbunden war.
Die Bandati hatten nicht die Facettenaugen der Insekten, nach deren Vorbild man sie teilweise geschaffen hatte; ihre Augen waren wie schwarze Kugeln in einem mit Pelz überzogenen Gesicht, das über eine Vielzahl exotischer Sinnesorgane verfügte, welche - vor Zehntausenden von Jahren - die legendären Vorfahren der Bandati ersonnen und entwickelt hatten. Ihre Lungen waren so beschaffen, dass sie ungeheure Mengen an Sauerstoff aufnehmen konnten, um sie während des Flugs mit Energie zu versorgen.
Der Händler überwachte die Vorgänge von einem Beobachtungsposten aus, der sich gleich hinter dem Eingang zur Verhörzelle befand. Hier wurde die flüssige Atmosphäre des Schiffs durch einen Druck aufrechterhalten, der so gewaltig war, dass er einen ungeschützten Menschen zerquetscht hätte - falls sich irgendein unvorsichtiger Humanoid in einem Umkreis von ein paar Tausend Lichtjahren befunden hätte -, und ein Kraftfeld vor der Türöffnung verhinderte, dass sie wieder in die Kammer hineinfloss. Der Händler selbst war ungefähr halb so groß wie ein durchschnittlicher Mensch und besaß die Gestalt eines Knorpelfisches. Sein dunkler, kompakter Körper wies bunte Flossen und einen Schwanz auf, der sich langsam in dem ihn umgebenden Wasser wellte.
Die Verhörspezialisten der Shoal, die sich im Inneren der Zelle befanden, steckten in schützenden Wasserblasen, die von winzigen, scheibenförmigen Feldgeneratoren zusammengehalten wurden. Trader schnippte mit einem seiner Greiftentakel, und sofort lösten sich Dutzende identischer Scheiben aus den Nischen in den Wänden rings um den Eingang und formierten sich zu einem chaotischen Wirbel, ehe sie schließlich - in gleichmäßigen Abständen voneinander - den Umriss einer neuen Wasserblase bildeten, mit dem Händler in der Mitte.
Der schwamm nach vorn und durchbrach die Kraftfeldschranke, begleitet von den Scheiben, die das Wasser festhielten, das er zum Atmen benötigte. Bei seinem Eindringen in die Zelle spritzte dennoch ein wenig Flüssigkeit aus seiner Schutzblase und tropfte auf den schleimigen, glitschigen Metallboden.
Der BandatiSpion zitterte, seine restlichen Flügel zuckten schwach, wurden aber immer noch fixiert von den Haken, die sich durch das hauchzarte Fleisch bohrten. Blut aus den Wunden des Gefangenen besudelte das Gestell, an das man ihn brutal festgenagelt hatte. Ein soeben abgetrennter Flügel lag neben diesem Aufbau, und der Händler konnte sehen, dass der Knoten aus Muskeln und Gewebe, an dem man den Flügel vom Rumpf abgetrennt hatte, schwarz verbrannt war. Ein Rinnsal aus einer grünblauen Flüssigkeit direkt unter dem Gestell ließ den Schluss zu, dass der Spion unfreiwillig seinen Darm entleert hatte.
Der Bandati gab zirpende Laute von sich, und das ShoalMitglied, welches das Verhör leitete, prüfte die Antwort, die automatisch annähernd in die ShoalSprache übersetzt wurde. Der Händler sah zu, wie ein anderer Verhörspezialist sich an einer Reihe von mechanischen, spinnenbeinähnlichen Auslegern zu schaffen machte, die zu einer direkt über dem Kopf des Opfers angebrachten Vorrichtung gehörten. Die Enden dieser Arme waren mit Messern, Sonden und einer Lötlampe bestückt, deren zischende, Flammen sprühende Düse sich nun auf einen anderen Flügel des unglücklichen Bandati richtete.
Angesichts der nächsten Tortur nahm der Bandati seine zunehmend matter werdenden Anstrengungen wieder auf, sich von den Fesseln zu befreien. Der Händler ignorierte die immer verzweifelter klingenden Schreie und näherte sich seinem alten Gönner und Förderer namens »DergewaltsameLösungenliebt «, der das gesamte Verhör beaufsichtigte.
»Ah, da sind Sie ja endlich.« Der Gewaltliebhaber drehte sich auf dem Platz um, von dem aus er die Vorgänge in aller Ruhe verfolgt hatte. »Wir amüsieren uns hier köstlich. Was hat Sie aufgehalten? «
Ein zweites donnerndes Geräusch erfüllte die Luft, und abermals rasselten die Schotten, während die grellweißen Lichter, die überall im Raum verteilt waren, vorübergehend flackerten. Der Händler gewahrte eine Anzahl von Projektionen, die neben dem Gewaltliebhaber in der Luft hingen, komplexe Realzeitsimulationen und Bilder von der Schlacht, die veranschaulichten, wie die KampfägerFlotille der Emissäre allmählich zur Korvette aufschloss. Hilfreiche bunte Linien, die die Flugbahnen und die geschätzte Zeit bis zum Aufprall der abgefeuerten Geschosse wiedergaben, zeigten an, wie rapide sich ihre Überlebenschancen verringerten, je länger sie sich derart tief in feindlichem Territorium aufhielten.
Die überlichtschnelle Yacht des Händlers hatte sich vor knapp einer Stunde mit der Korvette getroffen. Dieses Rendezvous fand an einem Punkt statt, der nur wenige Lichtminuten entfernt von einer kleinen, felsigen Welt lag, die zu einem so unbedeutenden System gehörte, dass es nicht einmal einen Namen hatte, sondern lediglich durch eine Katalognummer gekennzeichnet war. Nichtsdestotrotz schienen die Emissäre dort schon vor Jahrtausenden Drohnen stationiert zu haben, die sich seit der Ankunft der Korvette abmühten, die Verteidigungssysteme des Schiffs zu durchbrechen.
Die Yacht des Händlers war sofort unter Beschuss geraten, und er durchlebte ein paar spannungsgeladene Augenblicke, während die Kampfsysteme an Bord seines eigenen Schiffs sich mit denen der Korvette vernetzten und es ermöglichten, dass die Yacht in den verhältnismäßig sicheren Haupthangar des wesentlich größeren Kriegsschiffs hineingezogen wurde.
Die Drohnen der Emissäre verwendeten Angriffstechnologien, die von primitiven Energiestrahlwaffen bis zu SubquantenDisruptoren reichten. Letztere vermochten Löcher in die Schutzschirme der Korvette zu reißen, so dass winzige, mit Atomsprengköpfen bestückte Raketen die relativ schwache Außenhülle des Schiffs erreichen konnten. Gleichzeitig hagelte ein Dauerbombardement mit verdichtetem Plasma auf die Korvette nieder, eine Strategie, die rasch die Batterien erschöpfte, welche die Schutzschirme mit Energie versorgten.
Hunderte von Drohnen attackierten, viel zu viele für die Korvette, die ausgelegt war, um mit nur leichter Bewaffnung größere, besser ausgerüstete Schiffe zu eskortieren. Trotzdem konnte der Händler erkennen, wie die Techniker an Bord der Korvette versuchten, jedes bisschen verfügbare Energie von den Schirmbatterien abzuzweigen, um schneller die erforderliche Geschwindigkeit zum TransluminalSprung zu erreichen. Diese Leute wussten ganz offenkundig, was sie taten; dennoch blieb es ein extrem riskantes Unterfangen.
»Ich wurde aufgehalten«, beantwortete der Händler die Frage seines Vorgesetzten, einen bissigen Ton anschlagend, »weil Sie versäumt hatten, mich darauf hinzuweisen, dass ich gleich bei meiner Ankunft hier unter Feuer genommen würde.«
»Ach ja«, räumte der Gewaltliebhaber ein. »Diese Art von Begrüßung ist in der Tat unerquicklich. Wir haben diesen kleinen Burschen dort aufgeschnappt« - wie auf ein Stichwort hin fing der Bandati in höchsten Tönen an zu kreischen, als man den nächsten Flügel von seinem Körper abtrennte -, »und ehe wir uns versahen, gerieten wir in diesen verdammten Hinterhalt. Aber der Commander hat mir versichert, dass wir im Nu aus diesem Schlamassel heraus sein werden.«
»Vermutlich haben Sie mich hierherbeordert, um mir zu berichten, wie dieser Bandati es geschafft hat, sich so weit aus dem Territorium herauszubewegen, das man seiner Spezies zugesteht.« Der Händler wackelte mit den Flossen, eine Geste, die geheuchelte, bis an Schwachsinn grenzende Ahnungslosigkeit ausdrücken sollte. »Halten Sie es für möglich, dass dieser Hinterhalt in irgendeiner Verbindung zu der Gefangennahme steht?«
Unter dem breiten Bauch zuckten die Greiftentakel des Generals in einer lässigen Gebärde. »Ich denke, wir hatten ganz einfach nur Pech. Ein unglücklicher Zufall, weiter nichts. Ich muss Sie doch gewiss nicht daran erinnern, dass wir immer noch ziemlich weit von der ursprünglichen Konfliktzone entfernt sind.«
»In der geheimen Botschaft, die Sie mir zukommen ließen, war die Rede von einer wichtigen Entdeckung, die Sie gemacht hätten«, erwiderte der Händler. »Sie sind also auf etwas gestoßen, das vielleicht den Ausgang des Langen Kriegs beeinflussen könnte?«
Der General verdrehte die Greiftentakel, was bei den Shoal einem zustimmenden Nicken gleichkam, ehe er den Händler in eine etwas abgeschiedenere Ecke der Kammer führte.
»Wir müssen uns doch sicher nicht vor unseren eigenen Verhörspezialisten verstecken?«, protestierte der Händler.
»Vergeben Sie einem alten Fisch seine eingefleischten Gewohnheiten, aber ich fühle mich wohler, wenn wir zumindest die Illusion von Privatsphäre wahren.« Der General schaltete den Modus ihrer Kommunikationsgeräte auf ein persönliches, nur seinem Gesprächspartner zugängliches Netzwerk, und als Folge davon änderte sich ein wenig das Timbre seiner Stimme. »Wir haben etwas geradezu Ungeheuerliches entdeckt, mein alter Freund. Leider ist es nichts, was uns unbedingt zum Vorteil gereicht. Es sind keine guten Nachrichten, die ich Ihnen mitzuteilen habe.«
Ein bleiernes Gewicht sank mitten ins Innerste des Händlers, wie eine Sternschnuppe, die in die Tiefen von Mutter Ozean fällt. Ihm war sofort klar, dass der General etwas sehr Unangenehmes für ihn parat hielt, denn dieser alte Narr hätte ihn niemals den langen Weg bis hierher zurücklegen lassen, wenn er, der Händler, nicht bereits in diese leidige Geschichte verwickelt wäre.
»Fahren Sie fort«, sagte er schließlich.
»Seit geraumer Zeit verfolgen wir die Bewegungen mehrerer BandatiScouts «, erklärte der General. »Getrennt begaben sie sich alle an Bord eines Kernschiffs, das ein BandatiSystem mit Namen Night's End aufsuchte. Anschließend nutzten sie eine Schwachstelle in unseren Sicherheitsprotokollen, um sich in Gebiete der Galaxis einzuschmuggeln, die für ihre Spezies normalerweise gesperrt sind. Nachdem wir diese Sicherheitslücke entdeckt hatten, gelang es uns, unseren Freund durch vier verschiedene Systeme zu verfolgen, die er mit drei Kernschiffen bereiste, ehe er kurz von unserem Radar verschwand.«
Mit ihren Kernschiffen beherrschten die Shoal einen großen Teil der Galaxis, eben weil sie das Geheimnis des überlichtschnellen Flugs mehr als eine Viertelmillion Jahre lang eifersüchtig gehütet hatten. Diese Sternenschiffe besaßen die Größe von Planeten, waren ausgestattet mit vielfältigen Habitaten und imstande, ganze Völker schnell von einem System zum anderen zu befördern. Den meisten Spezies wurde nur selten gestattet, sich weiter als ein paar Lichtjahre von ihren Heimatsystemen zu entfernen, doch mit viel List und Tücke war es zu schaffen, diesen einengenden Radius zu sprengen.
»Ein Bandati wurde also losgeschickt, um ein bisschen Spionage zu betreiben, und er schlüpfte uns durch die Maschen«, entgegnete der Händler müde. »Ist das alles, was Sie mir erzählen wollen?«
Der Gewaltliebhaber überhörte den angedeuteten Vorwurf und wedelte mit einer Flosse. Daraufhin erschien zwischen ihren durch Energiefelder stabilisierten Wasserblasen eine solide aussehende Projektion von Reihen sich bewegender ShoalGlyphen.
»Es scheint, als hätte der BandatiHive, der diesen Spion aussandte, sich irgendwie in den Besitz des Körperpanzers eines verstorbenen Atn gebracht. Gegen Ende seiner Reise verbarg der Agent sich in diesem Panzer, zusammen mit den kryogenen Gerätschaften, die ihn am Leben erhalten sollten. Wir vermuten, dass der Panzer später in den interstellaren Raum hinauskatapultiert wurde, wahrscheinlich während das Kernschiff wegen einer Navigationskontrolle einen planmäßigen Zwischenstopp einlegte. Da dieser spezielle eingeplante Stopp ungefähr einhundert Lichtjahre von hier stattfand, fiel es einem Spähtrupp der Emissäre offenkundig nicht schwer, den Spion wie vereinbart aufzunehmen, nachdem das Kernschiff weitergeflogen war.«
Die Kammer bebte wieder, was darauf hindeutete, dass irgendetwas die Schutzschirme der Korvette durchdrungen hatte. Der Händler checkte die Kampfsysteme seiner Yacht und sah, dass ein metallisches, wurmähnliches Objekt sich durch die Außenhülle der Korvette bohrte. Die Maschine begann zu schmelzen und sich in ihre Bestandteile aufzulösen, als sekundäre Verteidigungswaffen ihre Energiestrahlen gezielt auf sie richteten.
Zum Glück war die Korvette beinahe bereit, um in den Superluminalraum zurückzuspringen, wo sie vor Angriffen geschützt war.
Der Händler richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das Verhörzimmer und sah zu, wie man dem immer noch verzweifelt zappelnden BandatiSpion auf barbarische Weise den nächsten Flügel vom Rumpf schnitt. Kleine Blutströpfchen wirbelten durch den gravitationsfreien Raum, eingehüllt in schwarzen, öligen Rauch, der beim Einsatz der Lötlampe entstanden war.
Jählings hörte der gefolterte Bandati auf, sich zu wehren, und sackte schlaff vornüber; aller Wahrscheinlichkeit nach war er an seinen Verletzungen gestorben. All diese Bemühungen für eine ein zige unbedeutende Kreatur, sinnierte der Händler. Er spürte, wie sich die Haut über seinem Schwanzrücken unangenehm spannte, ein instinktiver, durch Angst ausgelöster Reflex.
»Ein Spähtrupp der Emissäre«, wiederholte der Händler. Allein die Tatsache, dass die Bandati überhaupt von der Existenz der Emissäre Kenntnis hatten, verblüffte den Händler ungemein. »Das ergibt keinen Sinn, General. Warum sollten die Emissäre einem solchen Coup zustimmen? Es gibt nichts, was die Bandati ihnen als Gegenleistung bieten könnten.«
»Nun ja, mein Guter, vielleicht besitzen sie ja doch etwas, wofür sich die Emissäre interessieren. Ein BandatiHive, der unter dem Namen ›Immerwährendes Licht‹ bekannt ist, regiert über Night's End, und wir sind uns absolut sicher, dass dieser Hive mit den Emissären via kodierter TachyonenNetzÜbertragungen kommuniziert hat. Bevor es uns gelang, die Kodes zu knacken, hatten sich ihre Spione schon längst in alle Richtungen zerstreut. Dieser hier ...«, der Gewaltliebhaber drehte sich in seiner Blase aus Salzlake um und warf einen Blick auf den immer noch an dem Gestell festgenagelten, vornüberhängenden Leib des Spions, »kehrte von einem Treffen mit den Emissären zurück, als wir ihn schnappten.«
Er deutete auf eine Sekundärprojektion, die eine schematische Darstellung einer überlichtschnellen Drohne zeigte, welche so umfunktioniert war, dass sie einen einzelnen Passagier befördern konnte. Offenbar verfügte sie über einen Selbstzerstörungsmechanismus, der aktiviert werden sollte, nachdem sie den BandatiSpion zum nächsten System gebracht hätte, das von Kernschiffen angeflogen wurde, aber die Korvette hatte die Drohne abgefangen, als sie wegen eines Navigationschecks in den Subluminalraum zurücksprang.
Da die Shoal das Monopol des überlichtschnellen Reisens rigoros für sich allein beanspruchten und keinem anderen Volk den Besitz eines TransluminalAntriebs erlaubten, waren sämtliche anderen Zivilisationen, die den Wunsch nach Interstellarflügen hegten, darauf angewiesen, in den Kernschiffen der Shoal mitgenommen zu werden. Die überwiegende Mehrheit dieser Klientenrassen lebte in der festen Überzeugung, die Shoal seien die einzige Spezies in dieser Galaxie, die jemals eine TransluminalTechnologie entwickelt hatte.
Aber das stimmte so nicht.
Die Emissäre zum Beispiel verfügten über den TransluminalAntrieb und verfolgten das Ziel, den Shoal die Dominanz über die Milchstraße streitig zu machen. In dieser Hinsicht waren sie bislang die einzigen ernstzunehmenden Rivalen jenes Volkes, das mittels seiner überragenden Technik nahezu alle anderen bekannten Völker der Galaxis in Schach hielt. Doch im Gegensatz zu den Shoal hatten sich die Emissäre ihr Knowhow bezüglich des TransluminalAntriebs direkt aus einem von den legendären »Schöpfern« angelegten Hort beschafft, geheime Lager, die angefüllt waren mit an Zauberei grenzender Technologie. Und diesen Vorsprung hatten sie dazu genutzt, sich die Kontrolle über einen beträchtlichen Teil eines Spiralarms der Galaxis zu sichern.
Seit annähernd fünfzehntausend Jahren führten die Shoal und die Emissäre einen Krieg um einen »Brückenkopf« aus Sternsystemen und Nebeln, der an dem von interstellarem Staub durchsetzten Rand des Spiralarms lag, in dem sich zufällig die Heimat der Menschen befand. Bereits vor langer Zeit hatten die Emissäre die nahezu sternenfreie Kluft von einem benachbarten Spiralarm aus überquert, und an dem Punkt, an dem sie im Zuge ihrer Expansion die Grenzen der ShoalHegemonie erreicht hatten, war zwangsläufig ein bewaffneter Konflikt ausgebrochen, der als »Der Lange Krieg« bezeichnet wurde. Hier, am Saum des Spiralarms, ziemlich weit weg vom Herzstück der Milchstraße, lag der Hauptschauplatz der Feindseligkeiten zweier galaktischer Großmächte, die sich gegenseitig die Vorherrschaft über ein bestimmtes Gebiet im Universum streitig machten.
Gelegentliche Versuche, einen Frieden zwischen diesen beiden Imperien auszuhandeln, hatten unweigerlich damit geendet, dass irgendeine Seite Verrat beging - und hinterher nahmen die militärischen Aktionen meist zu. Die Emissäre hatten sich als genauso kriegslüstern entpuppt, wie die Shoal heimtückisch sein konnten. Im Hinblick auf Aggressivität und Wortbrüchigkeit stand keine Partei der anderen in etwas nach.
Wieder klirrten und zitterten die Schotten rings um sie herum, dieses Mal heftiger als zuvor. Das Geräusch von kreischendem Metall durchschnitt die mit Feuchtigkeit übersättigte Luft, und am Rande seines Blickfeldes nahm der Händler Alarmsignale wahr, die vor einem drohenden Hüllenbruch warnten.
»Vielleicht sollten Sie sich mit Ihren Ausführungen ein wenig beeilen, General.«
»In der Tat.« Der Gewaltliebhaber vollführte eine Geste, und die dreidimensionalen Bilder, die zwischen ihnen in der Luft schwebten, formierten sich neu zu einer im Zeitraffertempo abgespulten Simulation eines Planetensystems, das dem Fäkalienhändler nur allzu bekannt vorkam. Im Mittelpunkt befand sich Nova Arctis, ein Stern, der noch bis vor kurzem in seinen Tiefen mannigfache Geheimnisse verborgen hatte, während farbige Markierungen die Positionen seiner vielen Satelliten anzeigten. Nun sausten sie mit einer Geschwindigkeit um ihr Zentralgestirn, als würden Tage und Monate binnen Sekundenbruchteilen vergehen.
Plötzlich blähte sich der Stern gewaltig auf, gleichzeitig gigantische Plasmaschleifen ausschleudernd, die wie mehrere Millionen Grad heiße Peitschenschnüre durch das simulierte Vakuum fegten. In Echtzeit hätte sich der Vorgang, der in der Simulation nur wenige Momente dauerte, über Stunden hingezogen.
Dakota Merrick.
Auf einmal fiel dem Händler der Name ein. Er hatte zu dieser Pilotin eine gewisse Zuneigung entwickelt, selbst als er geplant hatte, sie zu töten - und mit ihr jeden andern Menschen, der das Pech hatte, sich zu jenem Zeitpunkt im NovaArctisSystem aufzuhalten.
Jählings explodierte der Stern mit verheerenden Folgen. Ein gewaltiger Lichtkranz breitete sich aus, als Nova Arctis den größten Teil seines Plasmas in den interstellaren Raum entlud; zurück blieb nur ein winziger, rasant kreisender Kern, der einzige Zeuge dessen, was sich an dieser Stelle einmal befunden hatte. Die farbigen Punkte, die die Planeten des Systems darstellten, strahlten vorübergehend in einem hellen Glanz, sobald der sich ausweitende Feuerring einen nach dem anderen erreichte. Danach verwandelten sich ganze Welten in glühende Schlackebrocken, die irgendwann einmal erloschen. Und dabei verursachten sie einigen der hochrangigsten Mitgliedern der ShoalHegemonie die schlimmsten Alpträume seit langem.
Der Händler spürte eine eigentümliche Kälte, als er sah, wie so viel urtümliche Gewalt auf einen Schlag freigesetzt wurde. Dass sein virtueller Doppelgänger - der sich heimlich in Dakota Merricks MaschinenkopfImplantate eingeschlichen hatte - zu dieser Apokalypse beigetragen hatte, erfüllte ihn mit Ehrfurcht.
Die Zerstörung von Nova Arctis war unerfreulich gewesen, ließ sich aber nicht vermeiden, denn die dort neu gegründete Kolonie der Menschen hatte durch einen puren Zufall ein Schiff der sogenannten »Weisen« aufgestöbert - ein überlichtschnelles Sternenschiff, konstruiert von derselben Spezies, der die Shoal vor einer Viertelmillion Jahre das Geheimnis des TransluminalAntriebs entrissen hatten. Die Menschen, die in die Entdeckung dieses Schiffs involviert waren, mussten sterben, damit ein fundamentales Geheimnis gewahrt blieb - niemand durfte jemals erfahren, dass der Sternantrieb gleichzeitig eine ungeheuer gefährliche Waffe war. Und sein Doppelgänger hatte exakt diese Waffe eingesetzt, einen wahren Kataklysmus auslösend.
»Ein ganzes Sternsystem wurde zerstört: ein Hauptreihenstern mittleren Alters, der normalerweise nie explodiert wäre. Ein derartiges Ereignis dürfte jedes unserer Klientenvölker ziemlich neugierig machen, finden Sie nicht auch?«, äußerte der General.
»Es gab keine Alternative«, knurrte der Händler. »Das Übel musste mit der Wurzel ausgerissen werden - mit Stumpf und Stiel.«
»Nun, mein Freund, dann werden Sie vielleicht mit Interesse vernehmen, dass der Hive Immerwährendes Licht vor kurzem in den Besitz eines Sternenschiffs der Weisen gelangte. Und nicht nur das - an Bord hielten sich zwei Menschen auf.«
Der Händler erwiderte nichts auf diese Enthüllung, und der General fuhr fort: »Wie es sich herausstellte, enthielten die DNAStränge unseres BandatiSpions eine Vielzahl kodierter Daten, die er als Botschaft in seinem genetischen Material versteckt mit sich herumschleppte. Mittlerweile konnte man die relevanten Informationen isolieren. Sehen Sie sich das an.«
Die Darstellung eines anderen Sternsystems löste das Bild von Nova Arctis ab. Die Illustration wurde beinahe von einer wüsten Zusammenballung farbiger Punkte verdeckt, die Hunderte von überall verteilten Siedlungen und Industriegebiete markierten. Es handelte sich um Night's End, die Heimat des Hives Immerwährendes Licht.
Abrupt vergrößerte sich ein bestimmter Ausschnitt. Zuerst wurde ein kleiner, mit zahllosen Kratern übersäter Mond herangezoomt, der sich um einen von Wolkenstreifen verhüllten Gasriesen bewegte; danach richtete sich der Fokus auf einen riesigen Industriekomplex, der ein paar Hundert Kilometer über dem Äquator des Mondes im Orbit kreiste. Hunderte von druckfesten Kapseln waren aneinandergereiht, verbunden durch hauchdünne Transportröhren; die gesamte, unglaublich zerbrechlich wirkende Struktur umschloss eine Anzahl bauchiger HeliumBagger. Das Bild wurde ein drittes Mal vergrößert, und nun zeigte sie ein in der Nähe angedocktes Schiff, das keinerlei Ähnlichkeit mit einem der anderen in Sichtweite befindlichen Raumfahrzeuge aufwies.
Ein jäher, unangenehmer Schauer durchzuckte den Händler, als er das Schiff erkannte: ein Sternenschiff der uralten Flotte der Weisen, das einen reichlich ramponierten Eindruck machte.
Lange, geschwungene Arme ragten aus dem Heck heraus, als wollten sie nach irgendetwas greifen, das sich jedoch dem Auge des Betrachters entzog. Es handelte sich um die Antriebsdorne, Leitungen, die Zeit und Raum aufreißen und das Schiff im Nu Lichtjahre durch den Transluminalraum katapultieren konnten. Ein beträchtlicher Teil der milchweißen Außenhülle des Schiffs war weggebrannt worden - besonders der Belag an den Antriebsdornen -, und das darunterliegende blanke Gerippe lag frei.
»Und wo stecken die beiden Menschen?«
»Hier.« Abermals machte der General eine Geste. Das Schiff der Weisen verblasste, und an seiner Stelle tauchten zwei Gestalten auf; die eine erkannte der Händler auf Anhieb, bei der anderen musste er schon etwas genauer hinsehen.
Bei der ersten handelte es sich natürlich um Dakota Merrick, klein, von schmaler Statur, mit kurzen schwarzen Haaren, die sich um ihre Ohren ringelten. Der andere Mensch war Lucas Corso, Bürger einer zur Gewalttätigkeit neigenden Randgruppe der menschlichen Gesellschaft, die sich selbst als Gemeinschaft der Freistaatler oder Freie Demokratische Gemeinschaft bezeichnete. Wie es schien, hatte seine Regierung ihn gegen seinen Willen damit beauftragt, die Geheimnisse des havarierten Schiffs der Weisen zu enträtseln.
Beide lagen, mit Gurten fixiert, auf Rollpritschen in einer Kammer. Mehrere Bandati klammerten sich an die überall im Raum verteilten Säulen, während andere sich über die Menschen beugten.
»Leben sie noch?«, fragte der Händler seinen Vorgesetzten mit gespielter Gleichgültigkeit.
»Ja«, antwortete der Gewaltliebhaber. »Das Immerwährende Licht versucht, ihnen Informationen zu entlocken, seit sie in dem Schiff der Weisen ziemlich unverhofft am Rande ihres HiveSystems auftauchten.«
»Dann wissen die Bandati vielleicht schon zu viel«, bemerkte der Händler betrübt. »Möglicherweise haben sie bereits erfahren, dass der TransluminalAntrieb eine Waffe ist, und ich möchte wetten, dass die elenden geflügelten Bastarde diese Information an die Emissäre verkaufen wollen.«
Trotz ihrer feindlichen Einfälle in das Territorium der Hegemonie, hatten die Emissäre - die den interstellaren Flug immerhin seit Jahrtausenden beherrschten - das destruktive Potenzial des Sternantriebs offenbar noch nicht entdeckt.
»Das ist sicherlich die logischste Vermutung«, stimmte der Gewaltliebhaber zu. »In diesem Fall könnte uns bald ein NovaKrieg von nie da gewesenen Ausmaßen bevorstehen - ein Konflikt, der unsere gesamte Zivilisation auszulöschen vermag. Anhand der Informationen, die wir aus unserem BandatiSpion herausholten, verlangen die Emissäre konkrete Beweise dafür, dass der Hive Immerwährendes Licht sich auch tatsächlich in dem Besitz der Sache befindet, über die er angeblich verfügt. Sie beabsichtigen, eine geheime Expedition tief in unser Territorium hinein zu schicken, mit dem simplen Ziel, die Behauptung der Bandati zu bestätigen. In Anbetracht der Umstände ließe sich leicht eine Rechtfertigung für einen Präventivschlag gegen die Streitkräfte der Emissäre finden, die unsere Grenzen belagern.«
Dem Händler wurde einen Moment lang schwindlig. »Wir sollten darüber nicht in Hörweite Ihrer Crew diskutieren«, schnauzte er.
Die Herrscher der ShoalHegemonie hatten sich lange gescheut, NovaWaffen gegen die Emissäre einzusetzen, aus Furcht, ihnen genau dadurch die nötigen Anhaltspunkte zu verschaffen, die sie brauchten, um ihre eigenen Waffen zu entwickeln.
Die dann zu erwartende Eskalation des Konflikts konnte beiden Krieg führenden Parteien den totalen Untergang bescheren. Aber gleichzeitig blieb die durchaus begründete Sorge, die Emissäre könnten jederzeit die Wahrheit auf eigene Faust herausfinden, und wenn es jemals dazu käme, stünden die Shoal vor der größten Herausforderung in ihrer gesamten Geschichte.
Präventive Eskalation war ein Begriff, den man nur selten hörte, normalerweise geflüstert in dunklen Ecken oder bei in kleinstem Kreis stattfindenden Treffen, an denen nur Mitglieder der höchsten Führungsschicht teilnehmen durften. Es ging darum, einen vorbeugenden NovaAngriff gegen die Emissäre zu führen, um ihren Brückenkopf im Orionarm mit einem einzigen verheerenden Schlag zu zerstören. Und wenn man diejenigen, die den Befehl dazu gaben, später zur Verantwortung ziehen würde ... mussten sie die zwingende Notwendigkeit ihres Vorgehens beweisen, und gegebenenfalls abwarten, wie nachfolgende Generationen ihre Handlungen beurteilten. Die Historie selbst würde sozusagen über sie richten.
Der General wackelte wie abwinkend mit seinen Greiftentakeln. »Seien Sie unbesorgt, Händler. Unsere Geheimnisse sind hier völlig sicher. In Anbetracht der besonderen Umstände stimmen Sie gewiss mit mir überein, dass wir derzeit mitten in einer Krise stecken, die nur mit klarem Verstand und einem kühlen Kopf gemeistert werden kann. Es ist erforderlich, unerfreuliche, aber notwendige Schritte zu unternehmen, egal, wie drastisch diese Maßnahmen einem außenstehenden Beobachter erscheinen mögen.«
»Und zweifellos ist es unumgänglich, dass die gesamte Verantwortung dafür auf den Flossen eines einzigen ShoalMitglieds ruhen muss«, ergänzte der Händler mit unverhohlenem Sarkasmus.
»Wir beide dienen vielen Herren, Händler. Natürlich müssen sie anonym bleiben. Wenn ihre Namen bekannt würden, gäbe es Spekulationen über eine große und tief in der Vergangenheit gründende Verschwörung, um bestimmte Wahrheiten von der Masse der Shoal fernzuhalten ... Wahrheiten, die, sollten sie jemals herauskommen, letzten Endes die Hegemonie gefährden könnten. Und an einer Destabilisierung des Status quo kann doch wohl niemandem gelegen sein, oder?«
Nein, verdammt nochmal, das käme einer Katastrophe gleich! »Vermutlich irre ich mich nicht, wenn Sie mich ausgesucht haben, um diesen Job zu übernehmen ... davon ausgehend, dass ich mich ohnehin freiwillig gemeldet hätte.« Die Stimme des Händlers troff vor Ironie.
»Ich würde sagen, dass Sie sich Ihr ganzes Leben lang auf diese Aufgabe vorbereitet haben«, versetzte der Gewaltliebhaber. »Schließlich haben Sie sich oft genug für einen Präventivschlag ausgesprochen. Außerdem - kennen Sie jemanden, der sich für eine derart heikle Operation besser eignen würde als Sie? Dem Sie überhaupt zutrauen würden, diesen Job erfolgreich durchzuführen? Fassen Sie diese Fragen als rein rhetorisch auf.«
Genüsslich malte sich der Händler in seiner Fantasie aus, wie der General von seinen eigenen Verhörspezialisten gefoltert würde. »Unser Ziel ist und bleibt das Überleben unserer Rasse, der Erhalt der Hegemonie und die Wahrung des Friedens.« Der Händler legte eine Kunstpause ein, ehe er fortfuhr: »Gleichgültig, wie teuer es uns zu stehen kommt. Kein Preis darf uns zu hoch sein.«
In einer Geste grimmiger Zustimmung krümmte der Gewaltliebhaber seine Tentakel. »Richtig, kein Preis ist zu hoch«, bekräftigte er. »Unser Geheimnis wurde schließlich doch gelüftet, Händler. Deshalb müssen wir schnell, brutal und ohne jeden Skrupel vorgehen. Wir beantragen, die Primärsysteme der Emissäre entlang ihres Brückenkopfes in diesem Spiralarm zu zerstören. Auf diese Weise stecken wir die Himmel in Brand, aber nur für eine kurze Dauer.«
»Und trotzdem, General, stellen Sie sich das Ausmaß der Verwüstung vor. Die Schäden wären gigantisch.«
»Zweifelsohne. Aber nicht so groß, um die Existenz der Shoal ernsthaft zu gefährden - jedenfalls behaupten das die Träumer.«
»Viele unserer Klientenrassen würden total ausgelöscht, haben Sie das bedacht?«
»Natürlich«, entgegnete der Gewaltliebhaber. »Doch Sie werden mir beipflichten, wenn ich meine, besser sie gehen drauf als die Shoal.«
Copyright © 2010 der deutschen Ausgabe und der Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
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Autoren-Porträt von Gary Gibson
Gary Gibson ist eines der gefeierten jungen Talente des Genres.
Bibliographische Angaben
- Autor: Gary Gibson
- 2010, 430 Seiten, Maße: 11,8 x 18,6 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Herrmann-Nytko, Ingrid
- Übersetzer: Ingrid Herrmann-Nytko
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453526945
- ISBN-13: 9783453526945
Kommentar zu "Lichtzeit"
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