Lob der Disziplin
Bernhard Bueb, langjähriger Leiter des Internates Salem und selbst Vater, plädiert für mehr Disziplin in der Erziehung. Für ihn die Voraussetzung für Glück und Freiheit: Nur wer andere anerkennt, Verantwortung übernimmt und auch verzichten lernt,...
Bernhard Bueb, langjähriger Leiter des Internates Salem und selbst Vater, plädiert für mehr Disziplin in der Erziehung. Für ihn die Voraussetzung für Glück und Freiheit: Nur wer andere anerkennt, Verantwortung übernimmt und auch verzichten lernt, kann sein Leben später selbst bestimmen.
''Bueb will mehr Mut zur Erziehung machen. Damit meint er, die Erwachsenen sollten sich nicht verstecken. Sie schulden den Kindern Lebensformen und Herausforderungen.''
Die Zeit
''Bernhard Bueb hat einen Nerv getroffen. Überforderte Eltern, verzweifelte Lehrer, Jugendliche, die sich nach der Schule als kaum ausbildungsfähig erweisen - das Scheitern der Erziehung, früher mal ein Randphänomen, ist zu einem Top-Thema in der Politik geworden.''
Neue Ruhr Zeitung
Es gibt keinen Konsens mehr darüber, wie man Kinder und Jugendliche erzieht, mit der fatalen Folge, daß viele Eltern verunsichert sind. Sie haben Skrupel, klare Regeln vorzugeben und Grenzen zu ziehen, und leiden gleichzeitig darunter, daß ihnen die Kinder auf der Nase herumtanzen. Bernhard Bueb, langjähriger Schulleiter der Internatsschule Salem und Vater von zwei Töchtern, schreibt der Disziplin eine zentrale Rolle bei der Kindererziehung zu: Sie ist in seinen Augen die Voraussetzung für Glück und Freiheit. Nur wer früh gelernt hat, Verzicht zu üben, Autoritäten anzuerkennen und Verantwortung zu übernehmen, kann später sein Leben selbstbestimmend in die Hand nehmen. Lob der Disziplin ist ein provokanter Beitrag zum Thema »richtige Erziehung« und ein engagiertes und überzeugendes Buch für Eltern und Pädagogen.Lernen Sie auch das Hörbuch zu diesem Titel kennen!
Lob der Disziplin von Bernhard Bueb
LESEPROBE
1 Wirbrauchen wieder Mut zur Erziehung
DerBildungsnotstand in Deutschland ist die Folge eines Erziehungsnotstandes.Kinder und Jugendliche werden heute nicht mehr aufgezogen, sondern wachseneinfach auf. Sie sind umgeben von ungewollt aggressiv präsenten Erziehern: vomFernsehen, vom plakativen Wohlstand unseres Landes, von den Verführern derKonsumgesellschaft, von den Vorbildern eines geistigen und charakterlichenMittelmaßes, das unsere "Eliten" repräsentieren. Zukunftserwartungen, dieJugendliche zu Taten beflügeln könnten, sind Zukunftsdrohungen gewichen: diestrukturbedingte Arbeitslosigkeit, die Sinnentleerung unseres Daseins, auchverursacht durch den Verlust der Religion, die Vergreisung der Gesellschaft,die Ausbeutung der Lebensgrundlagen der Menschen, die Herrschaft des Geldes alsletzter sinngebender Instanz - die Aufzählung ließe sich fortsetzen. Wem dieZukunft verloren geht, der wird nicht an sich arbeiten, sich nicht mehranstrengen und keinen Idealen nachstreben. Den mangelnden Zukunftsaussichtentreten wir nicht durch Erziehung entgegen. Die Kunst der Erziehung haben wirverlernt, gemeinsame Maßstäbe sind verloren gegangen, der Glaube hat sichbreitgemacht, das Aufwachsen der Kinder werde schon irgendwie gelingen. Allemeinen es gut. Von Gottfried Benn haben wir jedoch gelernt, dass das Gegenteilvon Kunst nicht Natur ist, sondern gut gemeint. Wir fahren auf einem Schiffohne Kompass.
Was heißtErziehung? Wie können wir durch Erziehung und Bildung Jugendliche zu Zuversichtund Lebensmut führen und wie können wir sie überhaupt erreichen?
Der Trainerführte seine Schüler mit harter Hand durch die hohe Schule des Handballs. Zügigflog der Ball von Mann zu Mann, ein atemberaubendes Tempo ließ auch denZuschauern das Herz schneller schlagen, präzise und wie nach einem geheimenPlan bewegten sich die Spieler. Intellektuell und körperlich verlangte derTrainer höchste Anstrengung. Handballtraining hieß bei ihm, eine Gruppedurchtrainierter junger Menschen zu strategischem Denken, taktisch wendigemZusammenspiel und zu einer Haltung des Fair Play zu führen. Was zunächst wieeine Folge schneidender Befehle klang, wurde von den Spielern als fortlaufendeLiebeserklärungen erlebt. Die Führung seiner Schüler mit Disziplin und Liebebildete das Geheimnis seines Erfolges. Mit jedem Handballtraining demonstrierteer, was Erziehung bedeuten kann.
DieserTrainer war Lehrer und Erzieher am Internat Salem, er war Argentinier, seinAnspruch an sich und die Schüler erinnerte eher an Preußen als an Südamerika. Wieer die Handballmannschaft trainierte, erzog er seine Schüler im Internat. DieSchüler liebten und verehrten ihn. Wir anderen Lehrer und Erzieher bewunderten,wie er mit Konsequenz und Fürsorge die Jugendlichen erreichte; wir beneidetenihn auch ein wenig, dass er so unbefangen mitten im Deutschland der Jahre nachl968 Disziplin forderte.
SeinErziehungsstil fand erstaunlicherweise allgemeine Zustimmung in einem Umfeld,das Erziehung eher als verständnisvolle Begleitung aufwachsender jungerMenschen propagierte, weil die Leidenschaft seiner Zuwendung und seinpädagogischer Eros jeden Einwand theoretisch und dürr erscheinen ließen. Esgibt geborene Lehrer und Erzieher, er war so einer.
Zurgleichen Zeit arbeitete an der Schule eine Lehrerin, deren Erziehungsstilgegensätzlicher nicht hätte sein können, die aber denselben Anspruch aufFührung der Schüler erhob, nur tat sie es mit anmutiger, stiller Autorität,aber keinem geringeren pädagogischen Eros als der Argentinier und mit derselbenGefolgschaft der Schüler.
Führen oderwachsen lassen - so charakterisieren wir traditionell die gegensätzlichen Poleder Erziehung. Sie lassen sich im Bild des Töpfers oder des Gärtnersanschaulich darstellen. Der Erzieher, der das Bild des Töpfers zu seinerLeitidee erkoren hat, will den jungen Menschen formen, er greift ein, steuert,fordert heraus, diszipliniert, schafft Freiräume, um ihn auf dieSelbstständigkeit vorzubereiten, ja er wird ihn in die Selbstständigkeit undFreiheit zwingen. Wer sich am Bild des Gärtners orientiert, wird eher daraufachten, dass der junge Mensch gute Bedingungen des Aufwachsens vorfindet, erwird ihn mehr fördern als fordern, weniger eingreifen, aber darauf vertrauen,dass er sich selbst diszipliniert, also wenig Zwang und Autorität braucht.
Der Töpferund der Gärtner repräsentieren zwei legitime Stile der Erziehung, die inReinform selten vorkommen, meistens treffen wir eine Mischung mit einer Neigungzum einen oder anderen Pol an. Beide Stile bergen Gefahren in sich, der Stildes Töpfers kann in autoritäre Erziehung ausarten und der Stil des Gärtners inNicht-Erziehung.
Wir wolltennach den Erfahrungen einer autoritären Erziehungstradition, die in einerDiktatur endete, eine Nation von Gärtnern werden, sind aber zu einer Nation vonNicht-Erziehern geworden, denn es herrscht das Missverständnis, dass derGärtner auf Führung verzichten dürfe. Auch er greift ein, beschneidet diePflanzen, bindet sie an Stangen und bewahrt sie vor Befall und Fehlentwicklung,wenn er ein guter Gärtner sein will.
Erziehungbedeutet immer Führung, diese Wahrheit wird durch den Begriff "Pädagoge"bestätigt. Er stammt aus dem Griechischen und heißt Knabenführer. Wer führt,erwartet Gefolgschaft. Da Kinder nicht gehorsam geboren werden, ignorieren sieAnweisungen, rebellieren gegen Erziehungsmaßnahmen, missachten Gebote undwenden alle Mittel an, um ihren eigenen Willen durchzusetzen. Wutanfälle einesdreijährigen Kindes auszuhalten, dessen Äußerungen ohne Verstand sind, und sichnicht ab und an zu Klapsen oder gar Schlägen hinreißen zu lassen, bedarfgehöriger Selbstdisziplin von Vater oder Mutter. Solche Selbstdisziplin wächstmit dem Bildungsgrad der Eltern. Gebildete Eltern wissen, dass Erziehung nichtohne Konflikte gelingen kann. Sich ihnen zu stellen, nicht gleich nachzugebenund auch die Öffentlichkeit nicht zu scheuen, wenn konsequentes HandelnÄrgernis erregt, braucht Mut zur Erziehung. Supermärkte, Restaurants undEisenbahnabteile sind beliebte öffentliche Austragungsorte pädagogischerKonflikte. Wer konsequent Unterordnung eines Kindes verlangt, beweist Mut vorZuschauern, die in Deutschland konsequentes Handeln zu häufig missbilligen. Dasgilt auch für die kleinere Öffentlichkeit der weiteren Familie oder derFreunde.
Mut zurErziehung heißt vor allem Mut zur Disziplin. Disziplin ist das ungeliebte Kindder Pädagogik, sie ist aber das Fundament aller Erziehung. Disziplin verkörpertalles, was Menschen verabscheuen: Zwang, Unterordnung, verordneten Verzicht,Triebunterdrückung, Einschränkung des eigenen Willens. Disziplin setzt anstelledes Lustprinzips das Leistungsprinzip: Jede Einschränkung ist erlaubt odersogar geboten, die dem Erreichen eines gesetzten Zieles dient. Disziplinbeginnt immer fremdbestimmt und sollte selbstbestimmt enden, aus Disziplin sollimmer Selbstdisziplin werden. Disziplin in der Erziehung legitimiert sich nurdurch Liebe zu Kindern und Jugendlichen. ()
© ListVerlag
Bernhard Bueb, 1938 in Tansania geboren, studierte Philosophie und katholische Theologie. Von 1974 bis 2005 war er Schulleiter der Eliteschule Schloss Salem am Bodensee. Seine Buchveröffentlichungen, Lob der Disziplin (2006) und Von der Pflicht zu führen (2008), waren wochenlang auf der Bestsellerliste. Bueb ist verheiratet und hat zwei Töchter.
- Autor: Bernhard Bueb
- 2006, 14. Aufl., 176 Seiten, Maße: 12,8 x 21 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: List
- ISBN-10: 3471795421
- ISBN-13: 9783471795422
- Erscheinungsdatum: 08.09.2006
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
Schreiben Sie einen Kommentar zu "Lob der Disziplin".
Kommentar verfassen