Mach doch!
Roman. Deutsche Erstausgabe
Die Familie Corwin ist von einem Fluch besessen, der besagt, dass kein männliches Familienmitglied mit seiner großen Liebe glücklich wird. Nun scheint der Fluch bei Jason zu wirken. Er hat sich ausgerechnet in Lauren verliebt – deren...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Mach doch! “
Die Familie Corwin ist von einem Fluch besessen, der besagt, dass kein männliches Familienmitglied mit seiner großen Liebe glücklich wird. Nun scheint der Fluch bei Jason zu wirken. Er hat sich ausgerechnet in Lauren verliebt – deren Vorfahren einst den Fluch ausgesprochen hatten.
Klappentext zu „Mach doch! “
Das große Finale der BestsellerserieDer Corwin-Fluch besagt, dass kein männliches Familienmitglied mit seiner großen Liebe glücklich werden kann. - Nun, Derek und Mike Corwin sind inzwischen sehr glücklich verheiratet, aber jetzt scheint der Fluch bei ihrem Cousin Jason seine zerstörerische Wirkung zu entfalten. Denn dieser hat sich ausgerechnet in Lauren Perkins verliebt, deren Vorfahren damals die unheilvolle Beschwörung ausgesprochen hatten!
Lese-Probe zu „Mach doch! “
Mach doch! von Carly PhillipsEinleitung
Stewart, Massachusetts, ein kleines Dorf etwa zwei Kilometer westlich von Salem, dem Schauplatz der berüchtigten Hexenprozesse. Ende des neunzehnten Jahrhunderts herrschte unter den Bewohnern von Stewart schreckliche Furcht vor Verwünschungen und Hexenzauber. Just in jener Zeit geschah es, dass ein gewisser William Corwin sein Herz an eine Frau verlor und mit ihr durchbrannte, obwohl sie bereits einem anderen versprochen war. Martin Perkins, der sitzengelassene Mann, war der älteste Sohn einer wohlhabenden Familie aus dem Nachbardorf, das eben dieser Familie auch seinen Namen verdankte.
Seine Mutter, Mary Perkins, war eine Hexe, und sie rächte sich umgehend für das Unrecht, das ihrem Sohn widerfahren war, indem sie die Corwins mit einem Fluch belegte. Seither ist jeder männliche Spross der Familie dazu verdammt, die Frau seines Herzens und sein Hab und Gut zu verlieren, sobald er sich verliebt.
Fortan gab es keinen männlichen Nachfahren von William Corwin, dem dieses Schicksal erspart geblieben wäre ...
Kapitel 1
... mehr
Lauren Perkins' rotes Cabrio wirkte vor der psychiatrischen Abteilung der Justizvollzugsanstalt von Bricksville nicht weniger fehl am Platz als in Perkins, Massachusetts, der kleinen Stadt, die ihre Ahnen einst gegründet hatten. Sie parkte den Porsche an der üblichen Stelle vor dem Gefängnis. So oft, wie sie im vergangenen halben Jahr hier gewesen war, hätte man eigentlich inzwischen ein Schild mit ihrem Namen anbringen können. Sie begrüßte den Wachposten am Eingang mit einem Winken und steuerte auf das alte Gebäude zu, in dem ihre Schwester Beth untergebracht war. Dabei musste sie wie immer den neuen Trakt passieren, der gerade errichtet wurde. Mittlerweile kamen ihr sogar einige der Bauarbeiter mit ihren Schutzhelmen bekannt vor. Wie immer beäugte der eine oder andere sie und ihren Sportflitzer mit einer Mischung aus Begierde und Neid. Fehlte nur noch, dass ihr einer nachpfiff. Doch sie nahmen sich zusammen, zweifellos eingeschüchtert durch die Tatsache, dass sie sich auf dem Gelände eines Gefängnisses befanden.
Lauren hätte ihnen am liebsten den Mittelfinger gezeigt. Sie hatte sich sowohl in Dritte-Welt-Ländern als auch im Shopping-Dschungel von Manhattan durchgeschlagen, und es gab weiß Gott nicht viel, das ihr Beklemmung verursachte. Doch in dieser Umgebung fühlte sie sich mehr als unbehaglich. Entsprechend ungern kam sie hierher.
Dass sie es trotzdem tun musste, verdankte sie Beth und ihren kriminellen Machenschaften. Ihre Schwester war vor etwa einem Jahr unter anderem wegen Brandstiftung eingewiesen worden und befand sich seither in der psychiatrischen Abteilung in Bricksville. Lauren tröstete sich mit dem Gedanken, dass sie es kurz und schmerzlos machen würde, genau wie sie es sich für ihren Aufenthalt im Haus ihrer Großmutter vorgenommen hatte.
Paris wartete schon auf sie, und nichts würde sie davon abhalten, persönlich anwesend zu sein, wenn ihre Kleiderkollektion der Welt zum ersten Mal präsentiert wurde. Sie hatte ihre Entwürfe an Galliano verkauft, und nun hatte sie noch ein paar Wochen Zeit, um das alte viktorianische Haus ihrer Großmutter für die Veräußerung vorzubereiten. Danach würde sie nach Paris fliegen, um der Modenschau höchstpersönlich beizuwohnen. Und dann konnte sie nur noch hoffen und beten, dass ihre Kreationen ein durchschlagender Erfolg wurden.
Die Haute Couture Fashion Week in Paris, das war der Traum jedes Modeschöpfers. Darauf hatte Lauren die vergangenen fünf Jahre hingearbeitet. Sie hatte eine Modeschule in der City absolviert, hatte die kuriosesten Jobs angenommen, um sich die Ausbildung zu finanzieren, und nachts an ihren Entwürfen gearbeitet. Sie hatte sich diese Chance redlich verdient, und sie freute sich riesig über ihr Glück. Trotzdem fühlte es sich so an, als würde sie ihre Schwester im Stich lassen. Aber sie hätte ohnehin nicht viel mehr für Beth tun können, als sie bereits tat.
Um das Haus ihrer Großmutter für den Verkauf in Schuss zu bringen, hatte Lauren ihr Leben in New York vorübergehend aufgeben und nach Perkins ziehen müssen. Ihre Eltern waren nämlich wie üblich der Ansicht gewesen, dass ihre Tätigkeit für diverse Hilfsorganisationen wichtiger war als die materialistisch orientierten Aktivitäten ihrer Tochter. Dass sich diese Aktivitäten allmählich zu einer erfolgreichen Karriere gemausert hatten, war in ihren Augen unerheblich.
Ihre Eltern hatten nie nachvollziehen können, warum Lauren und Beth nicht in ihre Fußstapfen treten wollten. Sie erachteten ihre Arbeit im Dienste der Menschheit für so bedeutend, dass sie es selbst jetzt noch immer nicht für nötig hielten, sich um Beth zu kümmern. Sie hatten sie nur ein einziges Mal besucht.
Lauren war noch immer nicht klar, was ihre Schwester vor etwa einem Jahr dazu veranlasst hatte, ein Gebäude in Brand zu stecken, in dem sich zahlreiche unschuldige Menschen befunden hatten. Heute hüllte sich Beth - nicht nur diesbezüglich - hartnäckig in Schweigen. Die Ärzte bezeichneten ihren Zustand lapidar als Apathie. Wenn man der Polizei glauben wollte, hatte Beth damals völlig hysterisch zu Protokoll gegeben, sie habe es getan, um die schwindende Macht der Familie Perkins aufrechtzuerhalten. Im Grunde klang diese Erklärung für Lauren einleuchtend, denn viele Stadtbewohner konnten mit Geschichten davon aufwarten, wie ihre verstorbene Großmutter, die lange Bürgermeisterin von Perkins gewesen war, versucht hatte, mittels Erpressung, Einschüchterung und Manipulation ihre Machtposition zu festigen. Beth hatte als ihre Sekretärin fungiert, und wie es schien, hatte sie sich ein Beispiel an ihrem Verhalten genommen.
Lauren hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie so mit sich selbst beschäftigt gewesen war und darüber nicht bemerkt hatte, dass ihre Schwester unter ernst zu nehmenden psychischen Problemen litt. Dasselbe galt für ihre Großmutter. Lauren war nicht klar gewesen, wie schlimm es offenbar um deren geistige Gesundheit bestellt war. Ihr Verhältnis zueinander war seit Jahren getrübt, deshalb hatte sie die alte Dame nur sporadisch zu Gesicht bekommen, wenn sie Beth besuchte.
Mittlerweile weilte Mary Perkins nicht mehr unter den Lebenden, aber Lauren wusste aus eigener Erfahrung, dass sich ihre Großmutter hervorragend darauf verstanden hatte, das Denken und Verhalten ihrer Mitmenschen zu beeinflussen. Man hatte die ehemalige Bürgermeisterin damals in Untersuchungshaft genommen, da auch sie sich so einiges hatte zuschulden kommen lassen, und dort war sie kurz nach dem von Beth verursachten Brand einem Herzinfarkt erlegen. Und Beth starrte seither hier in der Abteilung für geistig abnorme Rechtsbrecher schweigend Löcher in die Luft.
Lauren besuchte ihre Schwester mindestens einmal im Monat, wenn es ging auch öfter. Genau wie früher schien sich ihr Leben nur um Beth zu drehen. Schon in ihrer Kindheit hatte sich Lauren um ihre kleine Schwester kümmern müssen. Ihre Eltern hatten keine Zeit für sie gehabt, deshalb hatte Lauren, die fünf Jahre älter war als Beth, die Rolle von Vater und Mutter übernommen, hatte sozusagen als Autoritätsperson fungiert. Trotzdem waren sie sich sehr nahegestanden. Lauren hatte mit Beth schon damals alle Hände voll zu tun gehabt, und daran hatte sich bis heute nichts geändert. Selbst jetzt, mit siebenundzwanzig, musste sie in Aktion treten, wenn ihre Schwester etwas angestellt hatte.
Sie hasste das Gefängnisgelände, und die Spezialabteilung für psychisch kranke Straftäter, in der Beth untergebracht war, fand sie schrecklich bedrückend. Trotzdem kam sie regelmäßig hierher, in der Hoffnung, die Rekonvaleszenz ihrer Schwester zu beschleunigen, indem sie als Beths Schnittstelle zur Außenwelt fungierte.
Heute lag Beth zur Abwechslung nicht im Bett, sondern saß auf einem Stuhl, doch abgesehen davon war alles wie immer. Vor ihrem Zusammenbruch war sie stets makellos, wenn auch nicht unbedingt topmodisch gekleidet gewesen. Mode, das war stets mehr Laurens Metier gewesen. Ihre Lieblingsfarbe Orange hatte sie allerdings aus ihrer Kollektion verbannt, nachdem sie Beth bei der Einlieferung in der leuchtend orangefarbenen Gefängniskluft gesehen hatte. Inzwischen trug Beth graue Anstaltskleidung mit einem nicht zu übersehenden Schriftzug auf dem Rücken. Ihre Großmutter hätte sich bei diesem Anblick garantiert im Grab umgedreht, doch Lauren hütete sich wohlweislich, dies ihrer Schwester gegenüber zu erwähnen.
Wozu sollte sie sie beunruhigen, wo sich Beth doch stets unermüdlich - und mit Erfolg - um die Anerkennung ihrer Großmutter bemüht hatte? Lauren hatte diesbezüglich keinerlei Anstrengungen mehr unternommen, seit sie als Teenager bei der alten Dame wegen ihrer Affäre mit Jason Corwin in Ungnade gefallen war. Sie hatte es nie bereut, obwohl sie sich damit Mary Perkins' Zorn zugezogen hatte. Der Sommer mit Jason war es in ihren Augen mehr als wert gewesen.
Da Beth keine Schwierigkeiten machte, musste sie während der Besuche keine Handschellen tragen. Allerdings patrouillierten draußen vor dem Zimmer ständig Aufseher, und in regelmäßigen Abständen kam eine Krankenschwester herein.
»Tag, Beth«, sagte Lauren betont fröhlich. »Wie geht es dir heute?«
Keine Reaktion. Lauren hatte auch keine erwartet.
Beth starrte stur geradeaus, das Haar hing ihr ins
Gesicht. Der einst perfekte, wenn auch etwas konservative
Bob war längst herausgewachsen, ihre Frisur
wirkte ungepflegt, die graue Kleidung ließ ihre Haut noch blasser aussehen. Manchmal zog Lauren in Erwägung, ihrer Schwester einen Spiegel vorzuhalten; vielleicht würde der Schock sie ja aus ihrer Apathie reißen.
Sie räusperte sich, legte die Hände in den Schoß und versuchte, nicht nervös herumzuzappeln. »Weißt du noch, letzte Woche habe ich dir erzählt, dass ich in Grandma's Haus ziehen werde. Am ersten Dezember läuft die Frist für die Renovierung ab, und so lange werde ich dort wohnen.«
Ihre Schwester blinzelte lediglich.
Lauren hatte keine Ahnung, ob ihr Beth zuhörte; ob sie verstand, was sie ihr erzählte. Die Gefängnispsychologin hatte Lauren dazu ermuntert, aus ihrem Leben zu berichten und von vertrauten Dingen zu reden. Als wäre alles in bester Ordnung. Also führte Lauren das übliche Selbstgespräch, obwohl sie sich denkbar dämlich dabei vorkam.
»Wenn ich es schaffe, das Haus bis dahin den Vorstellungen der potenziellen Käufer entsprechend herzurichten, sollte der Verkauf eigentlich reibungslos über die Bühne gehen.« Die Interessenten hatten ihr ein Angebot unterbreitet, und in nur vier Wochen sollte die Entscheidung fallen. Danach blieben ihr noch vierzehn Tage Zeit, um nach New York zurückzukehren und ihre Reise nach Paris vorzubereiten.
Vorausgesetzt man kaufte ihr das Haus tatsächlich ab. Lauren hatte sich die ganze Angelegenheit bedeutend unkomplizierter vorgestellt. Das Gebäude hatte fast ein Jahr lang leer gestanden, bis sie die gerichtliche Ermächtigung zur Nachlassverwaltung erhalten hatte, und Lauren hatte festgestellt, dass es in einem bedeutend schlechteren Zustand war als erwartet. Ihre Großmutter hatte sich offenbar lediglich auf Schönheitsreparaturen beschränkt, statt sich um die echten Probleme zu kümmern. Die Bausubstanz war angegriffen, die Strom- und Wasserleitungen waren alt. Außerdem waren die Rigipswände mit Löchern übersät. Schwer zu sagen, ob hier Spaßvögel oder Vandalen am Werk gewesen waren. Jedenfalls würde Lauren sehr sparsam mit dem ihr zur Verfügung stehenden Budget haushalten müssen, um sämtliche Reparaturen bezahlen zu können. Hoffentlich fand sie einen Bauunternehmer, der aufgrund der schlechten Auftragslage bereit war, das Projekt zu einem halbwegs vernünftigen Preis zu übernehmen.
Sie holte tief Luft und sprach weiter. »Der Makler meinte, die potenziellen Käufer seien sehr sympathisch. Sie kommen aus Übersee und haben keine Zeit, die Reparaturen selbst zu übernehmen. Aber in Anbetracht der aktuellen Marktlage kann ich froh sein, dass ich überhaupt Interessenten gefunden habe. Wenn die Arbeiten in einem Monat nicht abgeschlossen sind, springen sie womöglich ab, und wo soll ich dann einen neuen Käufer auftreiben?«
Plötzlich hatte Lauren eine Art Déjà-vu. Hatte sie ihrer Schwester vor einer Woche nicht bereits genau dasselbe erzählt? Und wenn schon. Beth hatte das alte Haus ihrer Großmutter geliebt, und sie hätte es zweifellos gern gesehen, wenn es im Familienbesitz geblieben wäre. Doch die Erbmasse war in Anbetracht von Schulden und Anwaltskosten ihrer Großmutter arg geschrumpft. Es gab keine Alternative. Sie mussten verkaufen, und Lauren hoffte, Beth aus ihrer Lethargie reißen zu können, indem sie sie über die Geschehnisse auf dem Laufenden hielt.
Sie zuckte zusammen, als draußen vor dem Fenster eine Säge aufkreischte, gefolgt von ohrenbetäubendem Gehämmer.
»Nicht schon wieder«, stöhnte Lauren. So ging das ständig, seit vor einem halben Jahr die Bauarbeiten am neuen Flügel begonnen hatten.
Die Augen ihrer Schwester blitzten auf, ihr linker Mundwinkel zuckte.
Sie wirkte entnervt, und Lauren konnte es ihr nicht verdenken. Es war ihr ein Rätsel, wie die Patienten unter diesen Bedingungen zu geistiger Normalität zurückfinden sollten. Man konnte ja kaum seine eigenen Gedanken hören.
Sie tätschelte ihrer Schwester die Hand. »Wir ignorieren diesen Krach ganz einfach«, sagte sie und deutete auf das vergitterte Fenster, vor dem sich die Baustelle befand. Kaum hatte sie den Satz beendet, stimmte eine Bohrmaschine in den Lärm mit ein. Beth, die bereits sichtlich aufgewühlt war, riss die Augen auf. Ihre Wangen röteten sich. Selbst Lauren bekam Kopfschmerzen.
Sie drehte sich zu der Krankenschwester um, die vorhin hereingekommen war, geschäftig in irgendwelchen Papieren blätterte und sich Notizen machte. »Entschuldigen Sie, dieser Krach macht meine Schwester ganz nervös. Kann man denn gar nichts dagegen unternehmen?«
Die junge Frau schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, aber wir können nicht viel mehr tun als abzuwarten, bis die Arbeiten beendet sind.«
Lauren legte die Stirn in Falten. » Ich weiß, ich weiß. Die Leute hier sind keine Patienten in einer Privatkli¬nik, sondern Insassen eines Gefängnisses. Sie kosten den Staat und den Steuerzahler Geld, also kann man sie ruhig leiden lassen.«
Die Schwester legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Also, falls es Sie tröstet: Normalerweise scheint ihr der Lärm nichts auszumachen.«
»Ich schätze, ich sollte froh sein, dass sie über¬haupt mal eine Reaktion zeigt.« Lauren erhob sich von ihrem Stuhl. »Was meinen Sie, ist das ein gutes Zeichen?«, fragte sie hoffnungsvoll. Würde sich der Zustand ihrer Schwester vielleicht bald ändern?
Wieder schüttelte die Krankenschwester den Kopf. »Das ist eher ein Reflex. Machen Sie sich lieber keine Hoffnungen«, erwiderte sie sanft.
Lauren seufzte und nahm wieder Platz.
Sie betrachtete ihre stumme Schwester. Beth hatte bis zur zerstörerischen letzten Konsequenz an den Corwin-Fluch geglaubt und einen hohen Preis dafür bezahlt. Lauren fragte sich, ob es das in den Augen ihrer Schwester wert gewesen war.
Der Corwin-Fluch.
Für Lauren waren die Legenden um den Fluch lange nur Gutenachtgeschichten gewesen, die ihre Großmutter gern erzählte. Dass der Fluch auch dazu gedient hatte, die künftige Generation ihrer Familie mit einer ordentlichen Portion Selbstgefälligkeit auszustatten, war ihr erst später klargeworden.
Wenn man ihrer Großmutter glauben wollte, hatte die erste Mary Perkins, eine Ahnin aus der Zeit der Hexenprozesse in Salem, einen gewissen William Corwin und all seine männlichen Nachfahren verflucht, weil er ihrem Sohn die Verlobte ausgespannt hatte. Seitdem war jeder Corwin-Mann dazu verdammt gewesen, nicht nur die Frau seines Herzens, sondern auch sein Vermögen zu verlieren, sobald er sich verliebt hatte. Man konnte es Zufall nennen oder eine Verkettung tragischer Umstände; Tatsache war, dass sämtliche Männer der Familie Corwin vom Pech verfolgt zu sein schienen. Doch Jason Corwins Cousins hatten offenbar beschlossen, dem Fluch die Stirn zu bieten. Beide hatten kürzlich geheiratet, wie Lauren von ihrer Freundin Sharon gehört hatte.
Na, dann viel Erfolg, ihr zwei!, dachte Lauren.
Sie selbst hatte den Fluch stets als Ammenmärchen abgetan; schon damals, als sie mit siebzehn wie so oft die Ferien bei ihrer Großmutter verbracht und Jason kennengelernt hatte. Im Laufe jenes Sommers hatte sie sich in ihn verliebt und sich oft zu einem geheimen Tête-à-tête mit ihm fortgeschlichen. Dummerweise hatte ihre Großmutter davon Wind bekommen - sie hatte ihr Tagebuch gelesen, und da Mary Perkins im Gegensatz zu ihrer Enkelin fest an den Fluch glaubte, Lauren zwang sich, in die Gegenwart zurückzukehren und sich wieder auf ihre Schwester zu konzentrieren. Allzu oft konnte sie Beth vor ihrer Abreise nach Paris nicht mehr besuchen, deshalb galt es, die wenige gemeinsame Zeit, die ihnen noch blieb, best-möglichst zu nutzen.
Sie nahm ihren Monolog wieder auf. »Na, jedenfalls, Großmutters Haus ist wie gesagt in einem sehr schlechten Zustand. Jemand hat die Fenster eingeschlagen ... Wahrscheinlich Kinder, die sich einen Spaß daraus machen, das alte Gebäude mutwillig zu zerstören.« Oder jemand, der sich für das Feuer rächen wollte, das Beth gelegt hatte. Doch das behielt Lauren wohlweislich für sich. »Aber ich schaffe das mit links.«
Keine Reaktion.
Lauren sah sich um und hatte plötzlich das Gefühl, als würden die Wände näher kommen. Sie schämte sich. Beth saß Tag für Tag in diesem engen, kleinen Zimmer fest und hatte keine Möglichkeit, von hier zu fliehen.
»Keine Sorge, Beth. Ich bleibe weiterhin mit deinem Rechtsanwalt in Kontakt, auch von Paris aus. Ich werde versuchen, dich hier rauszuholen.«
Übersetzung: Ursula C. Sturm
Copyright © 2010 der deutschsprachigen Ausgabe
by Wilhelm Heyne Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Lauren Perkins' rotes Cabrio wirkte vor der psychiatrischen Abteilung der Justizvollzugsanstalt von Bricksville nicht weniger fehl am Platz als in Perkins, Massachusetts, der kleinen Stadt, die ihre Ahnen einst gegründet hatten. Sie parkte den Porsche an der üblichen Stelle vor dem Gefängnis. So oft, wie sie im vergangenen halben Jahr hier gewesen war, hätte man eigentlich inzwischen ein Schild mit ihrem Namen anbringen können. Sie begrüßte den Wachposten am Eingang mit einem Winken und steuerte auf das alte Gebäude zu, in dem ihre Schwester Beth untergebracht war. Dabei musste sie wie immer den neuen Trakt passieren, der gerade errichtet wurde. Mittlerweile kamen ihr sogar einige der Bauarbeiter mit ihren Schutzhelmen bekannt vor. Wie immer beäugte der eine oder andere sie und ihren Sportflitzer mit einer Mischung aus Begierde und Neid. Fehlte nur noch, dass ihr einer nachpfiff. Doch sie nahmen sich zusammen, zweifellos eingeschüchtert durch die Tatsache, dass sie sich auf dem Gelände eines Gefängnisses befanden.
Lauren hätte ihnen am liebsten den Mittelfinger gezeigt. Sie hatte sich sowohl in Dritte-Welt-Ländern als auch im Shopping-Dschungel von Manhattan durchgeschlagen, und es gab weiß Gott nicht viel, das ihr Beklemmung verursachte. Doch in dieser Umgebung fühlte sie sich mehr als unbehaglich. Entsprechend ungern kam sie hierher.
Dass sie es trotzdem tun musste, verdankte sie Beth und ihren kriminellen Machenschaften. Ihre Schwester war vor etwa einem Jahr unter anderem wegen Brandstiftung eingewiesen worden und befand sich seither in der psychiatrischen Abteilung in Bricksville. Lauren tröstete sich mit dem Gedanken, dass sie es kurz und schmerzlos machen würde, genau wie sie es sich für ihren Aufenthalt im Haus ihrer Großmutter vorgenommen hatte.
Paris wartete schon auf sie, und nichts würde sie davon abhalten, persönlich anwesend zu sein, wenn ihre Kleiderkollektion der Welt zum ersten Mal präsentiert wurde. Sie hatte ihre Entwürfe an Galliano verkauft, und nun hatte sie noch ein paar Wochen Zeit, um das alte viktorianische Haus ihrer Großmutter für die Veräußerung vorzubereiten. Danach würde sie nach Paris fliegen, um der Modenschau höchstpersönlich beizuwohnen. Und dann konnte sie nur noch hoffen und beten, dass ihre Kreationen ein durchschlagender Erfolg wurden.
Die Haute Couture Fashion Week in Paris, das war der Traum jedes Modeschöpfers. Darauf hatte Lauren die vergangenen fünf Jahre hingearbeitet. Sie hatte eine Modeschule in der City absolviert, hatte die kuriosesten Jobs angenommen, um sich die Ausbildung zu finanzieren, und nachts an ihren Entwürfen gearbeitet. Sie hatte sich diese Chance redlich verdient, und sie freute sich riesig über ihr Glück. Trotzdem fühlte es sich so an, als würde sie ihre Schwester im Stich lassen. Aber sie hätte ohnehin nicht viel mehr für Beth tun können, als sie bereits tat.
Um das Haus ihrer Großmutter für den Verkauf in Schuss zu bringen, hatte Lauren ihr Leben in New York vorübergehend aufgeben und nach Perkins ziehen müssen. Ihre Eltern waren nämlich wie üblich der Ansicht gewesen, dass ihre Tätigkeit für diverse Hilfsorganisationen wichtiger war als die materialistisch orientierten Aktivitäten ihrer Tochter. Dass sich diese Aktivitäten allmählich zu einer erfolgreichen Karriere gemausert hatten, war in ihren Augen unerheblich.
Ihre Eltern hatten nie nachvollziehen können, warum Lauren und Beth nicht in ihre Fußstapfen treten wollten. Sie erachteten ihre Arbeit im Dienste der Menschheit für so bedeutend, dass sie es selbst jetzt noch immer nicht für nötig hielten, sich um Beth zu kümmern. Sie hatten sie nur ein einziges Mal besucht.
Lauren war noch immer nicht klar, was ihre Schwester vor etwa einem Jahr dazu veranlasst hatte, ein Gebäude in Brand zu stecken, in dem sich zahlreiche unschuldige Menschen befunden hatten. Heute hüllte sich Beth - nicht nur diesbezüglich - hartnäckig in Schweigen. Die Ärzte bezeichneten ihren Zustand lapidar als Apathie. Wenn man der Polizei glauben wollte, hatte Beth damals völlig hysterisch zu Protokoll gegeben, sie habe es getan, um die schwindende Macht der Familie Perkins aufrechtzuerhalten. Im Grunde klang diese Erklärung für Lauren einleuchtend, denn viele Stadtbewohner konnten mit Geschichten davon aufwarten, wie ihre verstorbene Großmutter, die lange Bürgermeisterin von Perkins gewesen war, versucht hatte, mittels Erpressung, Einschüchterung und Manipulation ihre Machtposition zu festigen. Beth hatte als ihre Sekretärin fungiert, und wie es schien, hatte sie sich ein Beispiel an ihrem Verhalten genommen.
Lauren hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie so mit sich selbst beschäftigt gewesen war und darüber nicht bemerkt hatte, dass ihre Schwester unter ernst zu nehmenden psychischen Problemen litt. Dasselbe galt für ihre Großmutter. Lauren war nicht klar gewesen, wie schlimm es offenbar um deren geistige Gesundheit bestellt war. Ihr Verhältnis zueinander war seit Jahren getrübt, deshalb hatte sie die alte Dame nur sporadisch zu Gesicht bekommen, wenn sie Beth besuchte.
Mittlerweile weilte Mary Perkins nicht mehr unter den Lebenden, aber Lauren wusste aus eigener Erfahrung, dass sich ihre Großmutter hervorragend darauf verstanden hatte, das Denken und Verhalten ihrer Mitmenschen zu beeinflussen. Man hatte die ehemalige Bürgermeisterin damals in Untersuchungshaft genommen, da auch sie sich so einiges hatte zuschulden kommen lassen, und dort war sie kurz nach dem von Beth verursachten Brand einem Herzinfarkt erlegen. Und Beth starrte seither hier in der Abteilung für geistig abnorme Rechtsbrecher schweigend Löcher in die Luft.
Lauren besuchte ihre Schwester mindestens einmal im Monat, wenn es ging auch öfter. Genau wie früher schien sich ihr Leben nur um Beth zu drehen. Schon in ihrer Kindheit hatte sich Lauren um ihre kleine Schwester kümmern müssen. Ihre Eltern hatten keine Zeit für sie gehabt, deshalb hatte Lauren, die fünf Jahre älter war als Beth, die Rolle von Vater und Mutter übernommen, hatte sozusagen als Autoritätsperson fungiert. Trotzdem waren sie sich sehr nahegestanden. Lauren hatte mit Beth schon damals alle Hände voll zu tun gehabt, und daran hatte sich bis heute nichts geändert. Selbst jetzt, mit siebenundzwanzig, musste sie in Aktion treten, wenn ihre Schwester etwas angestellt hatte.
Sie hasste das Gefängnisgelände, und die Spezialabteilung für psychisch kranke Straftäter, in der Beth untergebracht war, fand sie schrecklich bedrückend. Trotzdem kam sie regelmäßig hierher, in der Hoffnung, die Rekonvaleszenz ihrer Schwester zu beschleunigen, indem sie als Beths Schnittstelle zur Außenwelt fungierte.
Heute lag Beth zur Abwechslung nicht im Bett, sondern saß auf einem Stuhl, doch abgesehen davon war alles wie immer. Vor ihrem Zusammenbruch war sie stets makellos, wenn auch nicht unbedingt topmodisch gekleidet gewesen. Mode, das war stets mehr Laurens Metier gewesen. Ihre Lieblingsfarbe Orange hatte sie allerdings aus ihrer Kollektion verbannt, nachdem sie Beth bei der Einlieferung in der leuchtend orangefarbenen Gefängniskluft gesehen hatte. Inzwischen trug Beth graue Anstaltskleidung mit einem nicht zu übersehenden Schriftzug auf dem Rücken. Ihre Großmutter hätte sich bei diesem Anblick garantiert im Grab umgedreht, doch Lauren hütete sich wohlweislich, dies ihrer Schwester gegenüber zu erwähnen.
Wozu sollte sie sie beunruhigen, wo sich Beth doch stets unermüdlich - und mit Erfolg - um die Anerkennung ihrer Großmutter bemüht hatte? Lauren hatte diesbezüglich keinerlei Anstrengungen mehr unternommen, seit sie als Teenager bei der alten Dame wegen ihrer Affäre mit Jason Corwin in Ungnade gefallen war. Sie hatte es nie bereut, obwohl sie sich damit Mary Perkins' Zorn zugezogen hatte. Der Sommer mit Jason war es in ihren Augen mehr als wert gewesen.
Da Beth keine Schwierigkeiten machte, musste sie während der Besuche keine Handschellen tragen. Allerdings patrouillierten draußen vor dem Zimmer ständig Aufseher, und in regelmäßigen Abständen kam eine Krankenschwester herein.
»Tag, Beth«, sagte Lauren betont fröhlich. »Wie geht es dir heute?«
Keine Reaktion. Lauren hatte auch keine erwartet.
Beth starrte stur geradeaus, das Haar hing ihr ins
Gesicht. Der einst perfekte, wenn auch etwas konservative
Bob war längst herausgewachsen, ihre Frisur
wirkte ungepflegt, die graue Kleidung ließ ihre Haut noch blasser aussehen. Manchmal zog Lauren in Erwägung, ihrer Schwester einen Spiegel vorzuhalten; vielleicht würde der Schock sie ja aus ihrer Apathie reißen.
Sie räusperte sich, legte die Hände in den Schoß und versuchte, nicht nervös herumzuzappeln. »Weißt du noch, letzte Woche habe ich dir erzählt, dass ich in Grandma's Haus ziehen werde. Am ersten Dezember läuft die Frist für die Renovierung ab, und so lange werde ich dort wohnen.«
Ihre Schwester blinzelte lediglich.
Lauren hatte keine Ahnung, ob ihr Beth zuhörte; ob sie verstand, was sie ihr erzählte. Die Gefängnispsychologin hatte Lauren dazu ermuntert, aus ihrem Leben zu berichten und von vertrauten Dingen zu reden. Als wäre alles in bester Ordnung. Also führte Lauren das übliche Selbstgespräch, obwohl sie sich denkbar dämlich dabei vorkam.
»Wenn ich es schaffe, das Haus bis dahin den Vorstellungen der potenziellen Käufer entsprechend herzurichten, sollte der Verkauf eigentlich reibungslos über die Bühne gehen.« Die Interessenten hatten ihr ein Angebot unterbreitet, und in nur vier Wochen sollte die Entscheidung fallen. Danach blieben ihr noch vierzehn Tage Zeit, um nach New York zurückzukehren und ihre Reise nach Paris vorzubereiten.
Vorausgesetzt man kaufte ihr das Haus tatsächlich ab. Lauren hatte sich die ganze Angelegenheit bedeutend unkomplizierter vorgestellt. Das Gebäude hatte fast ein Jahr lang leer gestanden, bis sie die gerichtliche Ermächtigung zur Nachlassverwaltung erhalten hatte, und Lauren hatte festgestellt, dass es in einem bedeutend schlechteren Zustand war als erwartet. Ihre Großmutter hatte sich offenbar lediglich auf Schönheitsreparaturen beschränkt, statt sich um die echten Probleme zu kümmern. Die Bausubstanz war angegriffen, die Strom- und Wasserleitungen waren alt. Außerdem waren die Rigipswände mit Löchern übersät. Schwer zu sagen, ob hier Spaßvögel oder Vandalen am Werk gewesen waren. Jedenfalls würde Lauren sehr sparsam mit dem ihr zur Verfügung stehenden Budget haushalten müssen, um sämtliche Reparaturen bezahlen zu können. Hoffentlich fand sie einen Bauunternehmer, der aufgrund der schlechten Auftragslage bereit war, das Projekt zu einem halbwegs vernünftigen Preis zu übernehmen.
Sie holte tief Luft und sprach weiter. »Der Makler meinte, die potenziellen Käufer seien sehr sympathisch. Sie kommen aus Übersee und haben keine Zeit, die Reparaturen selbst zu übernehmen. Aber in Anbetracht der aktuellen Marktlage kann ich froh sein, dass ich überhaupt Interessenten gefunden habe. Wenn die Arbeiten in einem Monat nicht abgeschlossen sind, springen sie womöglich ab, und wo soll ich dann einen neuen Käufer auftreiben?«
Plötzlich hatte Lauren eine Art Déjà-vu. Hatte sie ihrer Schwester vor einer Woche nicht bereits genau dasselbe erzählt? Und wenn schon. Beth hatte das alte Haus ihrer Großmutter geliebt, und sie hätte es zweifellos gern gesehen, wenn es im Familienbesitz geblieben wäre. Doch die Erbmasse war in Anbetracht von Schulden und Anwaltskosten ihrer Großmutter arg geschrumpft. Es gab keine Alternative. Sie mussten verkaufen, und Lauren hoffte, Beth aus ihrer Lethargie reißen zu können, indem sie sie über die Geschehnisse auf dem Laufenden hielt.
Sie zuckte zusammen, als draußen vor dem Fenster eine Säge aufkreischte, gefolgt von ohrenbetäubendem Gehämmer.
»Nicht schon wieder«, stöhnte Lauren. So ging das ständig, seit vor einem halben Jahr die Bauarbeiten am neuen Flügel begonnen hatten.
Die Augen ihrer Schwester blitzten auf, ihr linker Mundwinkel zuckte.
Sie wirkte entnervt, und Lauren konnte es ihr nicht verdenken. Es war ihr ein Rätsel, wie die Patienten unter diesen Bedingungen zu geistiger Normalität zurückfinden sollten. Man konnte ja kaum seine eigenen Gedanken hören.
Sie tätschelte ihrer Schwester die Hand. »Wir ignorieren diesen Krach ganz einfach«, sagte sie und deutete auf das vergitterte Fenster, vor dem sich die Baustelle befand. Kaum hatte sie den Satz beendet, stimmte eine Bohrmaschine in den Lärm mit ein. Beth, die bereits sichtlich aufgewühlt war, riss die Augen auf. Ihre Wangen röteten sich. Selbst Lauren bekam Kopfschmerzen.
Sie drehte sich zu der Krankenschwester um, die vorhin hereingekommen war, geschäftig in irgendwelchen Papieren blätterte und sich Notizen machte. »Entschuldigen Sie, dieser Krach macht meine Schwester ganz nervös. Kann man denn gar nichts dagegen unternehmen?«
Die junge Frau schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, aber wir können nicht viel mehr tun als abzuwarten, bis die Arbeiten beendet sind.«
Lauren legte die Stirn in Falten. » Ich weiß, ich weiß. Die Leute hier sind keine Patienten in einer Privatkli¬nik, sondern Insassen eines Gefängnisses. Sie kosten den Staat und den Steuerzahler Geld, also kann man sie ruhig leiden lassen.«
Die Schwester legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Also, falls es Sie tröstet: Normalerweise scheint ihr der Lärm nichts auszumachen.«
»Ich schätze, ich sollte froh sein, dass sie über¬haupt mal eine Reaktion zeigt.« Lauren erhob sich von ihrem Stuhl. »Was meinen Sie, ist das ein gutes Zeichen?«, fragte sie hoffnungsvoll. Würde sich der Zustand ihrer Schwester vielleicht bald ändern?
Wieder schüttelte die Krankenschwester den Kopf. »Das ist eher ein Reflex. Machen Sie sich lieber keine Hoffnungen«, erwiderte sie sanft.
Lauren seufzte und nahm wieder Platz.
Sie betrachtete ihre stumme Schwester. Beth hatte bis zur zerstörerischen letzten Konsequenz an den Corwin-Fluch geglaubt und einen hohen Preis dafür bezahlt. Lauren fragte sich, ob es das in den Augen ihrer Schwester wert gewesen war.
Der Corwin-Fluch.
Für Lauren waren die Legenden um den Fluch lange nur Gutenachtgeschichten gewesen, die ihre Großmutter gern erzählte. Dass der Fluch auch dazu gedient hatte, die künftige Generation ihrer Familie mit einer ordentlichen Portion Selbstgefälligkeit auszustatten, war ihr erst später klargeworden.
Wenn man ihrer Großmutter glauben wollte, hatte die erste Mary Perkins, eine Ahnin aus der Zeit der Hexenprozesse in Salem, einen gewissen William Corwin und all seine männlichen Nachfahren verflucht, weil er ihrem Sohn die Verlobte ausgespannt hatte. Seitdem war jeder Corwin-Mann dazu verdammt gewesen, nicht nur die Frau seines Herzens, sondern auch sein Vermögen zu verlieren, sobald er sich verliebt hatte. Man konnte es Zufall nennen oder eine Verkettung tragischer Umstände; Tatsache war, dass sämtliche Männer der Familie Corwin vom Pech verfolgt zu sein schienen. Doch Jason Corwins Cousins hatten offenbar beschlossen, dem Fluch die Stirn zu bieten. Beide hatten kürzlich geheiratet, wie Lauren von ihrer Freundin Sharon gehört hatte.
Na, dann viel Erfolg, ihr zwei!, dachte Lauren.
Sie selbst hatte den Fluch stets als Ammenmärchen abgetan; schon damals, als sie mit siebzehn wie so oft die Ferien bei ihrer Großmutter verbracht und Jason kennengelernt hatte. Im Laufe jenes Sommers hatte sie sich in ihn verliebt und sich oft zu einem geheimen Tête-à-tête mit ihm fortgeschlichen. Dummerweise hatte ihre Großmutter davon Wind bekommen - sie hatte ihr Tagebuch gelesen, und da Mary Perkins im Gegensatz zu ihrer Enkelin fest an den Fluch glaubte, Lauren zwang sich, in die Gegenwart zurückzukehren und sich wieder auf ihre Schwester zu konzentrieren. Allzu oft konnte sie Beth vor ihrer Abreise nach Paris nicht mehr besuchen, deshalb galt es, die wenige gemeinsame Zeit, die ihnen noch blieb, best-möglichst zu nutzen.
Sie nahm ihren Monolog wieder auf. »Na, jedenfalls, Großmutters Haus ist wie gesagt in einem sehr schlechten Zustand. Jemand hat die Fenster eingeschlagen ... Wahrscheinlich Kinder, die sich einen Spaß daraus machen, das alte Gebäude mutwillig zu zerstören.« Oder jemand, der sich für das Feuer rächen wollte, das Beth gelegt hatte. Doch das behielt Lauren wohlweislich für sich. »Aber ich schaffe das mit links.«
Keine Reaktion.
Lauren sah sich um und hatte plötzlich das Gefühl, als würden die Wände näher kommen. Sie schämte sich. Beth saß Tag für Tag in diesem engen, kleinen Zimmer fest und hatte keine Möglichkeit, von hier zu fliehen.
»Keine Sorge, Beth. Ich bleibe weiterhin mit deinem Rechtsanwalt in Kontakt, auch von Paris aus. Ich werde versuchen, dich hier rauszuholen.«
Übersetzung: Ursula C. Sturm
Copyright © 2010 der deutschsprachigen Ausgabe
by Wilhelm Heyne Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
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Autoren-Porträt von Carly Phillips
Phillips, CarlyCarly Phillips, eine New-York-Times- und USA-Today-Bestsellerautorin, hat über 50 prickelnde Liebesromane geschrieben, mit heißen Männern, starken Frauen und den emotional fesselnden Geschichten, die ihre Leser inzwischen erwarten und lieben. Sie ist glücklich verheiratet mit ihrer Collegeliebe, hat zwei fast erwachsene Töchter und drei verrückte Hunde, die auf ihrer Facebook-Fan-Page und ihrer Website zu bewundern sind. Carly Phillips liebt die sozialen Medien und steht in engem Kontakt mit ihren Lesern.
Bibliographische Angaben
- Autor: Carly Phillips
- 2010, 429 Seiten, Maße: 11,8 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Sturm, Ursula C.
- Übersetzer: Ursula C. Sturm
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453407717
- ISBN-13: 9783453407718
Rezension zu „Mach doch! “
"Rasant und sexy." -- The New York Times
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