Masuren
Ostpreußens vergessener Süden
Andreas Kossert erzählt vom historischen und kulturellen Erbe Masurens, der ostpreußischen Grenzlandschaft zwischen Deutschland und Polen. Wie kaum eine andere Region war Masuren stets ein kulturelles Bindeglied zwischen Polen und...
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Produktinformationen zu „Masuren “
Andreas Kossert erzählt vom historischen und kulturellen Erbe Masurens, der ostpreußischen Grenzlandschaft zwischen Deutschland und Polen. Wie kaum eine andere Region war Masuren stets ein kulturelles Bindeglied zwischen Polen und Deutschland.
"Ein gründlich recherchiertes, aber mit leichter Feder geschriebenes Buch."
SÜDDEUTSCHE ZEITUNG
Lese-Probe zu „Masuren “
Masuren - Ostpreußens vergessener Süden von Andreas KossertMasuren, das unbekannte Land
EINE EUROPÄISCHE GRENZREGION
ZWISCHEN PREUSSEN, DEUTSCHLAND UND POLEN
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Masuren - Ostpreußens vergessener Süden? Warum sollte ausgerechnet der Landstrich Ostpreußens, der am häufigsten von Fremden besucht und ob seiner landschaftlichen Reize gepriesen wird, vergessen sein? Und doch ist Masuren vergessen, seine Geschichte und die ehemaligen Bewohner dieser Grenzregion, die einst wie kaum eine andere Bindeglied zwischen polnischer und deutscher Kultur war. Die Geschichte des Landes und die Geschichte wie das Schicksal der Menschen, die hier einst lebten, dem Vergessen zu entreißen, nach den Spuren einer untergegangenen Ethnie Ostmitteleuropas zu suchen, dazu will dieses Buch einladen.
»Wo sich aufhört die Kultur, beginnt zu leben der Masur.« Solche Verse voller Spott und Hohn prägten über Jahrzehnte das Bild Masurens in der deutschen Öffentlichkeit. Masuren, das ferne und unbekannte Land im Osten, stand für Rückständigkeit, Armut und kulturelle Wüste an der Peripherie des Reiches und wurde absichtlich in seiner kulturellen Bedeutung herabgesetzt, belächelt und verhöhnt. Masuren hatte, so weit seine Geschichte zurückreicht, zu kämpfen mit Vorurteilen, Fehlinterpretationen und Versuchen politischer Vereinnahmung. Weder die deutsche Politik bis 1945 noch die folgende polnische Masurenpolitik nach dem Zweiten Weltkrieg räumten der Region eine gleichberechtigte Rolle ein. Masuren besaß keine politische Lobby.
Das Leben der Masuren lief gleichförmig dahin, bestimmt vom schweren Kampf ums tägliche Brot. Wer hier geboren wurde, den erwartete ein hartes Schicksal. Dagegen stand der Zauber des Landes. Ein Sohn Masurens, der Schriftsteller Siegfried Lenz, lässt die versunkene Welt Masurens in den heiteren Erzählungen »So zärtlich war Suleyken« wieder erstehen: »Meine Heimat lag sozusagen im Rücken der Geschichte; sie hat keine berühmten Physiker hervorgebracht, keine Rollschuhmeister oder Präsidenten; was hier vielmehr gefunden wurde, war das unscheinbare Gold der menschlichen Gesellschaft: Holzarbeiter und Bauern, Fischer, Deputatarbeiter, kleine Handwerker und Besenbinder. Gleichgültig und geduldig lebten sie ihre Tage, und wenn sie bei uns miteinander sprachen, so erzählten sie von uralten Neuigkeiten, von der Schafschur und vom Torfstechen, vom Vollmond und seinem Einfluß auf die neuen Kartoffeln, vom Borkenkäfer oder von der Liebe.« 1
»Reise in die Masuren« - diese Überschrift stand in den achtziger und neunziger Jahren verschiedentlich über Zeitungsartikeln und zeigt, wie weit vielen Deutschen diese alte Landschaft entrückt ist. Die aus dem Polnischen übernommene, aber in der deutschen Masurenrezeption unübliche Pluralkonstruktion (im Polnischen heißt es na Mazury, also in die Masuren, im Deutschen dagegen nach Masuren) offenbart Ignoranz und Unkenntnis. Während sich jede Zeitschrift mit einer Reportage über eine Reise »nach Toskana«, »in die Cornwall« oder »in die Flandern« maßlos blamiert hätte, konnte sie derartige Unkenntnis vom Osten an den Tag legen, ohne größere Kritik fürchten zu müssen. Glücklicherweise hat sich das Blatt nach 1989 gewendet. Heute fährt man wieder »nach Masuren« und kann dort eine einzigartige Landschaft erleben.
»Nach Masuren« zu fahren sollte aber auch heißen, sich der Kultur und Geschichte der hier einst lebenden Bevölkerung zu nähern. Dieses Buch begibt sich auf die Spurensuche. Die Erkundung der Geschichte Masurens versteht sich als ein Versuch, Interesse an der historisch einzigartigen Grenzkultur zu wecken, die hier im Laufe von Jahrhunderten durch Prußen, Polen und Deutsche geschaffen wurde. Dieser Landschaft und ihren Menschen soll hier ein Denkmal gesetzt werden.
Die deutsche wie die polnische Geschichtsschreibung haben Masuren bislang fast ausschließlich als Objekt ihrer nationalen Begehrlichkeit gesehen. Menschen und Geschichte dieses Landes wurden entweder »germanisiert« oder »polonisiert« - eine Sonderrolle zwischen Deutschland und Polen, eine masurische regionale Identität, war nicht erwünscht und wurde von beiden Seiten mit allen Mitteln bekämpft. Masuren soll hier der Platz eingeräumt werden, den es in der Geschichte nie einnehmen durfte: den eines eigenständigen, vollwertigen Subjekts. Das ist kein leichtes Unterfangen, denn Masuren und seine Geschichte waren lange Zeit nichts weiter als ein Spielball nationalistischer Interessen. Der deutsch-polnische Konflikt führte schließlich zum Untergang des Grenzvolkes zwischen Preußen, Deutschland und Polen. Damit teilen die Masuren das Schicksal vieler ethnischer, nationaler und konfessioneller Minderheiten Ostmitteleuropas, die durch den Wahn ethnischer Ausgrenzung und nationaler Vereinnahmung im 20. Jahrhundert ausgelöscht wurden. Überlebt haben hingegen die nationalen Denkkategorien.
Der Name Masuren geht auf die Siedler aus dem polnischen Herzogtum Masowien zurück. Bereits der polnische Historiker Wojciech Ke trzyn´ski bezeichnete Masuren daher als »Mazowsze pruskie«, als preußisches Masowien. Schon im 14. Jahrhundert siedelten polnische Masowier in den südlichen und südöstlichen Gebieten des Ordensstaates und späteren Herzogtums Preußen. Masowien steht in diesem Fall als Oberbegriff für alle polnischen Regionen südlich der preußischen Grenze. Vor allem aus dem grenznahen polnischen Bug-Narew-Gebiet, der Sumpflandschaft Kurpie mit den Städten Ostroπe ka, Mπawa, ∏omz• a und Pπock, kamen immer wieder Siedler in das südliche Preußen. Nach der Reformation in Preußen vollzogen auch die polnischen Untertanen des preußischen Herzogs den Glaubenswechsel. Der polnischsprachige Protestantismus war eine der Besonderheiten Masurens. Friedrich Krostas Definition von 1875 war daher durchaus zutreffend: »So weit also der masurische Dialect von einer evangelischen Bevölkerung gesprochen wird, ist Masuren.«2
Obwohl die geografische Eingrenzung Masurens schwer festzulegen ist, stimmen deutsche und polnische Forschung darin überein, dieser Region heute die Kreise Neidenburg (Nibork, später Nidzica), Ortelsburg (Szczytno), Sensburg (Za dzbork, seit 1946 Mra gowo), Johannisburg (Jan´sbork, seit 1946 Pisz), Lötzen (Lec, seit 1946 Giz•ycko) und Lyck (Eπk) im 1905 geschaffenen Regierungsbezirk Allenstein zuzurechnen. Weiter zählen Teile des Kreises Osterode (Ostróda) zu Masuren sowie der Kreis Oletzko (nach 1928 Treuburg, seit 1945 Olecko) und Teile der Landkreise Angerburg (We gorzewo) und Goldap (Goπdap), die zum Regierungsbezirk Gumbinnen gehörten.
Landschaftlich gliedert sich Masuren von Westen nach Osten in acht Zonen. Im äußersten Westen liegen die Kernsdorfer Höhen zwischen den Städten Gilgenburg, Osterode und Hohen-stein, die zugleich die höchste Erhebung Masurens sowie der ehemaligen Provinz Ostpreußen darstellen (bis 313 Meter). Weiter östlich erstreckt sich das Hügelland zwischen Neidenburg und Soldau, das nach Osten hin zunehmend sandiger wird. Im Norden, angrenzend an das Ermland und Natangen, liegen das so genannte Obere Allegebiet und das Sensburger Höhenland, das von langen Seenketten geprägt ist. Im mittleren Masuren bestimmen Sanderflächen der Ortelsburger und Johannisburger Heide die Landschaft, die sich auf polnischem Gebiet in der Kurpischen Heide (Puszcza Zielona) bis zum Narew fortsetzt, sowie die Masurische Senke mit den größten Seen, dem Mauer-, Löwentin- und Spirdingsee. Südlich davon liegen die seearmen Höhen von Bialla, die bis nach Kolno in Polen reichen. In Richtung Südosten erstreckt sich von dort aus das ostmasurische Hügelland von Lötzen und Lyck. Den äußersten östlichen Abschluss Masurens bilden die Seesker Höhen im Kreis Oletzko, die bis 309 Meter ansteigen.
Der landwirtschaftliche Großgrundbesitz konzentrierte sich um die Kernsdorfer Höhen im äußeren Westen und entlang einer Linie, die man westlich von Sensburg nach Ortelsburg ziehen kann, da es dort die besten Böden gab. Auch die Kreise Angerburg sowie der südliche Kreis Lötzen wiesen Gutsbetriebe auf. Charakteristisch für Masuren waren jedoch eher Mittelbesitz in den Kreisen Lötzen, Lyck und Oletzko sowie kleinere Betriebe in den Heide- und Waldgebieten der Kreise Johannisburg, Ortelsburg und Neidenburg. Zu Masuren gehörte mit Johannisburg der waldreichste Kreis Ostpreußens (ein Drittel der Fläche) sowie mit Lötzen der waldärmste (ein Sechzehntel der Fläche). Das raue Kontinentalklima mit langen Wintern und kurzen, heißen Sommern ließ nur kurze Reifephasen zu. Auf den Seesker Höhenzügen im Kreis Oletzko maß man im Vergleich zu ähnlichen Landschaften die niedrigsten durchschnittlichen Jahrestemperaturen im ehemaligen Deutschen Reich. Marggrabowa verzeichnete jährlich 56,9 Tage unter dem Gefrierpunkt.3
Wie bei fast allen Ethnien Europas handelte es sich auch bei den Masuren um eine Mehrheitsethnie, die andere Gruppen wie Altpreußen, Deutsche, französische Hugenotten, Schotten und Salzburger assimilierte. Die ethnisch polnische Bevölkerung blieb dabei bis 1945 stets die dominierende Gruppe im Süden Preußens. Über Jahrhunderte prägte sie sprachlich und kulturell das Land und gab die entscheidenden Impulse für das, was wir heute unter Masuren verstehen.
Masuren mit seiner spezifischen ethnischen Struktur hätte - in idealer Weise - wunderbar die Brücke zwischen deutscher und polnischer Kultur bilden können, doch noch heute wird seine Geschichte aus einseitig nationalen Perspektiven betrachtet. Dabei sah schon 1870 der preußische Historiker Max Toeppen in der Geschichte Masurens den »Gegensatz und die Versöhnung« zwischen Deutschen und Polen dokumentiert. In Anlehnung an Toeppen soll die vorliegende Geschichte der Masuren das Zusammenspiel von Deutschem und Polnischem bei dieser Grenzbevölkerung zum Inhalt haben. Allein aus einer vergleichenden Analyse der nationalen Positionen kann die Dimension des nach 1870 entstandenen Konflikts um die ethnische und nationale Zugehörigkeit Masurens deutlich werden. Vor allem offenbart der Vergleich die Unversöhnlichkeit der beiden nationalen Lager, die eine Annäherung beider Seiten aus ideologischen Gründen unmöglich machte. Bis heute ist die Frage der ethnischen und nationalen Zuordnung der Masuren von starken emotionalen Reaktionen begleitet.
Die Geschichte der kleinen Grenzbevölkerung, die in den Strudel der großen Politik geriet und als Opfer zweier konträrer Nationalismen mit dem Untergang masurischen Eigenlebens zahlte, soll hier weder einem »deutschen« noch einem »polnischen« Lager zugeordnet werden. Masurens spannende und komplexe Geschichte kann durchaus als Mahnung verstanden werden - als Plädoyer für den Erhalt der Vielfalt in den Grenzregionen Europas. Den einstigen Bewohnern Masurens, die von der ethnischen Landkarte Europas verschwunden sind, sei diese Arbeit gewidmet.
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Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
Masuren - Ostpreußens vergessener Süden? Warum sollte ausgerechnet der Landstrich Ostpreußens, der am häufigsten von Fremden besucht und ob seiner landschaftlichen Reize gepriesen wird, vergessen sein? Und doch ist Masuren vergessen, seine Geschichte und die ehemaligen Bewohner dieser Grenzregion, die einst wie kaum eine andere Bindeglied zwischen polnischer und deutscher Kultur war. Die Geschichte des Landes und die Geschichte wie das Schicksal der Menschen, die hier einst lebten, dem Vergessen zu entreißen, nach den Spuren einer untergegangenen Ethnie Ostmitteleuropas zu suchen, dazu will dieses Buch einladen.
»Wo sich aufhört die Kultur, beginnt zu leben der Masur.« Solche Verse voller Spott und Hohn prägten über Jahrzehnte das Bild Masurens in der deutschen Öffentlichkeit. Masuren, das ferne und unbekannte Land im Osten, stand für Rückständigkeit, Armut und kulturelle Wüste an der Peripherie des Reiches und wurde absichtlich in seiner kulturellen Bedeutung herabgesetzt, belächelt und verhöhnt. Masuren hatte, so weit seine Geschichte zurückreicht, zu kämpfen mit Vorurteilen, Fehlinterpretationen und Versuchen politischer Vereinnahmung. Weder die deutsche Politik bis 1945 noch die folgende polnische Masurenpolitik nach dem Zweiten Weltkrieg räumten der Region eine gleichberechtigte Rolle ein. Masuren besaß keine politische Lobby.
Das Leben der Masuren lief gleichförmig dahin, bestimmt vom schweren Kampf ums tägliche Brot. Wer hier geboren wurde, den erwartete ein hartes Schicksal. Dagegen stand der Zauber des Landes. Ein Sohn Masurens, der Schriftsteller Siegfried Lenz, lässt die versunkene Welt Masurens in den heiteren Erzählungen »So zärtlich war Suleyken« wieder erstehen: »Meine Heimat lag sozusagen im Rücken der Geschichte; sie hat keine berühmten Physiker hervorgebracht, keine Rollschuhmeister oder Präsidenten; was hier vielmehr gefunden wurde, war das unscheinbare Gold der menschlichen Gesellschaft: Holzarbeiter und Bauern, Fischer, Deputatarbeiter, kleine Handwerker und Besenbinder. Gleichgültig und geduldig lebten sie ihre Tage, und wenn sie bei uns miteinander sprachen, so erzählten sie von uralten Neuigkeiten, von der Schafschur und vom Torfstechen, vom Vollmond und seinem Einfluß auf die neuen Kartoffeln, vom Borkenkäfer oder von der Liebe.« 1
»Reise in die Masuren« - diese Überschrift stand in den achtziger und neunziger Jahren verschiedentlich über Zeitungsartikeln und zeigt, wie weit vielen Deutschen diese alte Landschaft entrückt ist. Die aus dem Polnischen übernommene, aber in der deutschen Masurenrezeption unübliche Pluralkonstruktion (im Polnischen heißt es na Mazury, also in die Masuren, im Deutschen dagegen nach Masuren) offenbart Ignoranz und Unkenntnis. Während sich jede Zeitschrift mit einer Reportage über eine Reise »nach Toskana«, »in die Cornwall« oder »in die Flandern« maßlos blamiert hätte, konnte sie derartige Unkenntnis vom Osten an den Tag legen, ohne größere Kritik fürchten zu müssen. Glücklicherweise hat sich das Blatt nach 1989 gewendet. Heute fährt man wieder »nach Masuren« und kann dort eine einzigartige Landschaft erleben.
»Nach Masuren« zu fahren sollte aber auch heißen, sich der Kultur und Geschichte der hier einst lebenden Bevölkerung zu nähern. Dieses Buch begibt sich auf die Spurensuche. Die Erkundung der Geschichte Masurens versteht sich als ein Versuch, Interesse an der historisch einzigartigen Grenzkultur zu wecken, die hier im Laufe von Jahrhunderten durch Prußen, Polen und Deutsche geschaffen wurde. Dieser Landschaft und ihren Menschen soll hier ein Denkmal gesetzt werden.
Die deutsche wie die polnische Geschichtsschreibung haben Masuren bislang fast ausschließlich als Objekt ihrer nationalen Begehrlichkeit gesehen. Menschen und Geschichte dieses Landes wurden entweder »germanisiert« oder »polonisiert« - eine Sonderrolle zwischen Deutschland und Polen, eine masurische regionale Identität, war nicht erwünscht und wurde von beiden Seiten mit allen Mitteln bekämpft. Masuren soll hier der Platz eingeräumt werden, den es in der Geschichte nie einnehmen durfte: den eines eigenständigen, vollwertigen Subjekts. Das ist kein leichtes Unterfangen, denn Masuren und seine Geschichte waren lange Zeit nichts weiter als ein Spielball nationalistischer Interessen. Der deutsch-polnische Konflikt führte schließlich zum Untergang des Grenzvolkes zwischen Preußen, Deutschland und Polen. Damit teilen die Masuren das Schicksal vieler ethnischer, nationaler und konfessioneller Minderheiten Ostmitteleuropas, die durch den Wahn ethnischer Ausgrenzung und nationaler Vereinnahmung im 20. Jahrhundert ausgelöscht wurden. Überlebt haben hingegen die nationalen Denkkategorien.
Der Name Masuren geht auf die Siedler aus dem polnischen Herzogtum Masowien zurück. Bereits der polnische Historiker Wojciech Ke trzyn´ski bezeichnete Masuren daher als »Mazowsze pruskie«, als preußisches Masowien. Schon im 14. Jahrhundert siedelten polnische Masowier in den südlichen und südöstlichen Gebieten des Ordensstaates und späteren Herzogtums Preußen. Masowien steht in diesem Fall als Oberbegriff für alle polnischen Regionen südlich der preußischen Grenze. Vor allem aus dem grenznahen polnischen Bug-Narew-Gebiet, der Sumpflandschaft Kurpie mit den Städten Ostroπe ka, Mπawa, ∏omz• a und Pπock, kamen immer wieder Siedler in das südliche Preußen. Nach der Reformation in Preußen vollzogen auch die polnischen Untertanen des preußischen Herzogs den Glaubenswechsel. Der polnischsprachige Protestantismus war eine der Besonderheiten Masurens. Friedrich Krostas Definition von 1875 war daher durchaus zutreffend: »So weit also der masurische Dialect von einer evangelischen Bevölkerung gesprochen wird, ist Masuren.«2
Obwohl die geografische Eingrenzung Masurens schwer festzulegen ist, stimmen deutsche und polnische Forschung darin überein, dieser Region heute die Kreise Neidenburg (Nibork, später Nidzica), Ortelsburg (Szczytno), Sensburg (Za dzbork, seit 1946 Mra gowo), Johannisburg (Jan´sbork, seit 1946 Pisz), Lötzen (Lec, seit 1946 Giz•ycko) und Lyck (Eπk) im 1905 geschaffenen Regierungsbezirk Allenstein zuzurechnen. Weiter zählen Teile des Kreises Osterode (Ostróda) zu Masuren sowie der Kreis Oletzko (nach 1928 Treuburg, seit 1945 Olecko) und Teile der Landkreise Angerburg (We gorzewo) und Goldap (Goπdap), die zum Regierungsbezirk Gumbinnen gehörten.
Landschaftlich gliedert sich Masuren von Westen nach Osten in acht Zonen. Im äußersten Westen liegen die Kernsdorfer Höhen zwischen den Städten Gilgenburg, Osterode und Hohen-stein, die zugleich die höchste Erhebung Masurens sowie der ehemaligen Provinz Ostpreußen darstellen (bis 313 Meter). Weiter östlich erstreckt sich das Hügelland zwischen Neidenburg und Soldau, das nach Osten hin zunehmend sandiger wird. Im Norden, angrenzend an das Ermland und Natangen, liegen das so genannte Obere Allegebiet und das Sensburger Höhenland, das von langen Seenketten geprägt ist. Im mittleren Masuren bestimmen Sanderflächen der Ortelsburger und Johannisburger Heide die Landschaft, die sich auf polnischem Gebiet in der Kurpischen Heide (Puszcza Zielona) bis zum Narew fortsetzt, sowie die Masurische Senke mit den größten Seen, dem Mauer-, Löwentin- und Spirdingsee. Südlich davon liegen die seearmen Höhen von Bialla, die bis nach Kolno in Polen reichen. In Richtung Südosten erstreckt sich von dort aus das ostmasurische Hügelland von Lötzen und Lyck. Den äußersten östlichen Abschluss Masurens bilden die Seesker Höhen im Kreis Oletzko, die bis 309 Meter ansteigen.
Der landwirtschaftliche Großgrundbesitz konzentrierte sich um die Kernsdorfer Höhen im äußeren Westen und entlang einer Linie, die man westlich von Sensburg nach Ortelsburg ziehen kann, da es dort die besten Böden gab. Auch die Kreise Angerburg sowie der südliche Kreis Lötzen wiesen Gutsbetriebe auf. Charakteristisch für Masuren waren jedoch eher Mittelbesitz in den Kreisen Lötzen, Lyck und Oletzko sowie kleinere Betriebe in den Heide- und Waldgebieten der Kreise Johannisburg, Ortelsburg und Neidenburg. Zu Masuren gehörte mit Johannisburg der waldreichste Kreis Ostpreußens (ein Drittel der Fläche) sowie mit Lötzen der waldärmste (ein Sechzehntel der Fläche). Das raue Kontinentalklima mit langen Wintern und kurzen, heißen Sommern ließ nur kurze Reifephasen zu. Auf den Seesker Höhenzügen im Kreis Oletzko maß man im Vergleich zu ähnlichen Landschaften die niedrigsten durchschnittlichen Jahrestemperaturen im ehemaligen Deutschen Reich. Marggrabowa verzeichnete jährlich 56,9 Tage unter dem Gefrierpunkt.3
Wie bei fast allen Ethnien Europas handelte es sich auch bei den Masuren um eine Mehrheitsethnie, die andere Gruppen wie Altpreußen, Deutsche, französische Hugenotten, Schotten und Salzburger assimilierte. Die ethnisch polnische Bevölkerung blieb dabei bis 1945 stets die dominierende Gruppe im Süden Preußens. Über Jahrhunderte prägte sie sprachlich und kulturell das Land und gab die entscheidenden Impulse für das, was wir heute unter Masuren verstehen.
Masuren mit seiner spezifischen ethnischen Struktur hätte - in idealer Weise - wunderbar die Brücke zwischen deutscher und polnischer Kultur bilden können, doch noch heute wird seine Geschichte aus einseitig nationalen Perspektiven betrachtet. Dabei sah schon 1870 der preußische Historiker Max Toeppen in der Geschichte Masurens den »Gegensatz und die Versöhnung« zwischen Deutschen und Polen dokumentiert. In Anlehnung an Toeppen soll die vorliegende Geschichte der Masuren das Zusammenspiel von Deutschem und Polnischem bei dieser Grenzbevölkerung zum Inhalt haben. Allein aus einer vergleichenden Analyse der nationalen Positionen kann die Dimension des nach 1870 entstandenen Konflikts um die ethnische und nationale Zugehörigkeit Masurens deutlich werden. Vor allem offenbart der Vergleich die Unversöhnlichkeit der beiden nationalen Lager, die eine Annäherung beider Seiten aus ideologischen Gründen unmöglich machte. Bis heute ist die Frage der ethnischen und nationalen Zuordnung der Masuren von starken emotionalen Reaktionen begleitet.
Die Geschichte der kleinen Grenzbevölkerung, die in den Strudel der großen Politik geriet und als Opfer zweier konträrer Nationalismen mit dem Untergang masurischen Eigenlebens zahlte, soll hier weder einem »deutschen« noch einem »polnischen« Lager zugeordnet werden. Masurens spannende und komplexe Geschichte kann durchaus als Mahnung verstanden werden - als Plädoyer für den Erhalt der Vielfalt in den Grenzregionen Europas. Den einstigen Bewohnern Masurens, die von der ethnischen Landkarte Europas verschwunden sind, sei diese Arbeit gewidmet.
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Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
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Bibliographische Angaben
- Autor: Andreas Kossert
- 432 Seiten, mit zahlreichen Schwarz-Weiß-Abbildungen, Maße: 13 x 20,9 cm, Gebunden
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3828945155
- ISBN-13: 9783828945159
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