Mein Tag ist deine Nacht
Roman
Ein hinreißender Mix aus Cecelia Ahern und Marc Levy!
Gerade hat sich Singlefrau Jessica in Dan verliebt, da geschieht ein Unglück: Sie wird vom Blitz getroffen. Zwar kommt sie mit dem Leben davon, doch es ist nichts...
Leider schon ausverkauft
versandkostenfrei
Buch
12.95 €
Produktdetails
Produktinformationen zu „Mein Tag ist deine Nacht “
Ein hinreißender Mix aus Cecelia Ahern und Marc Levy!
Gerade hat sich Singlefrau Jessica in Dan verliebt, da geschieht ein Unglück: Sie wird vom Blitz getroffen. Zwar kommt sie mit dem Leben davon, doch es ist nichts mehr, wie es war. Denn nachts, wenn Jessica eingeschlafen ist, findet sie sich im Körper einer anderen Frau wieder und lebt deren Leben: Als Lauren hat sie vier Kinder, einen nervigen Ehemann und viel Geld. Jessica ist völlig durch den Wind und auch Lauren merkt, dass sie sich verändert.
Klappentext zu „Mein Tag ist deine Nacht “
Was wäre, wenn Sie plötzlich im Körper einer Fremden aufwachen würden? Vier entzückende Kinder hätten, eine luxuriöse Villa und einen liebenden Mann - aber nicht einmal Ihren Namen wüssten? Genau das passiert Jessica, in deren Singleleben doch erst am Tag zuvor die Liebe wie der Blitz einschlug. Und es kommt noch verrückter: Sobald Jessica im einen Leben einschläft, wacht sie im anderen wieder auf! Diese Geschichte glaubt ihr natürlich niemand - bis auf einmal alles einen Sinn ergibt ...
Lese-Probe zu „Mein Tag ist deine Nacht “
Mein Tag ist deine Nacht von Melanie Rose Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Schließlich konnte ich ja kaum sagen: »Hi, ich bin Jessica, nett, dich kennenzulernen.« Folglich blickte ich an ihm vorbei auf einen metallenen Handwagen, auf dem medizinischer Bedarf gestapelt war, und schwieg, während er weiterhin meine Hand hielt.
»Hast du irgendwelche Fragen an mich?«, meinte er sanft. »Du möchtest doch sicher eine Menge wissen?«
Natürlich hatte ich Fragen, aber die waren eher von der Sorte »Verdammt noch mal, was wird hier eigentlich gespielt?« als von der, die er erwartete.»Lauren?«
Seufzend begriff ich, dass ich mitspielen musste, und sei es auch nur, um hoffentlich ein paar Erklärungen für diesen Alptraum zu bekommen. Ich entzog ihm nachdrücklich meine Hand und fragte dann: »Wie alt bin ich?«
Meine Stimme klang selbst in meinen Ohren verdrießlich und mürrisch, und das Lächeln auf seinen Lippen erstarb, als ihm das Ausmaß des Problems klar wurde.
»Ach du je, nicht mal daran erinnerst du dich?«
Ich schüttelte den Kopf. Er seufzte und fuhr sich ein wenig ängstlich mit der Zunge über die Lippen.
... mehr
»Lauren, du bist fünfunddreißig. Du warst fünfundzwanzig, als wir geheiratet haben, ich siebenundzwanzig«, setzte er hinzu, als er sah, dass ich rechnete. »Wir waren damals sehr verliebt ineinander – und sind es noch.«
»Wann habe ich Geburtstag?«
»Am neunzehnten Juni.«
»Gar nicht wahr«, entgegnete ich. »Ich wurde am neunundzwanzigsten April geboren. So ein Datum würde ich doch nie vergessen!«
Grant mied meinen Blick und zuckte die Achseln. »Ist nur eine Kleinigkeit, Schatz.«
»Na gut.« Ich holte tief Luft und versuchte mich zusammenzunehmen. »Wie alt sind unsere Kinder?«
»Sophie ist acht, Nicole sechs und die Zwillinge sind erst vier.«
Schweigend saßen wir da, während ich die grässliche Vorstellung zu verdauen versuchte, dass ich vierfache Mutter sein sollte. Bislang hatte ich kaum mit Kindern zu tun gehabt. Ich arbeitete als Sekretärin in einer kleinen Kanzlei, wo ich für weit mehr, als Berichte, Protokolle und Diktate in den Computer zu tippen. Ich half einem der Anwälte auch bei Recherchen für aktuelle Fälle, las Briefe und Rechtsgutachten Korrektur und, weit interessanter, nahm an Gerichtsverhandlungen, Gesprächen auf Polizeiinspektionen und Begegnungen mit Mandanten teil.
Da ich anstrebte, in naher Zukunft selbst Rechtsanwältin zu werden, hatte ich im Begriff gestanden, ein rechtswissenschaftliches Diplom zu erwerben, und infolgedessen wenig Zeit für mich selbst gehabt, geschweige denn, an eine Ehe oder Kinder zu denken.
Ich hielt in meinen Gedanken inne. Vielleicht war es an der Zeit, die Wahrheit zu sagen. »Es ist nicht so, dass ich die ¬Erinnerung verloren habe«, versuchte ich dem Mann neben mir zu erklären. »Ich habe Erinnerungen – nur eben andere als die, die ich deiner Meinung nach haben sollte.«
»Wir sollten das mit Dr. Shakir besprechen.« Grant sah mich zweifelnd an. »Vielleicht hat der Blitzschlag bei dir eine Störung verursacht, die unwirkliche Gedanken in dir hervorruft.«
Ich erinnerte mich an die Aufzeichnungen, die ich an meinem letzten Arbeitstag in der Kanzlei gemacht hatte. Ich konnte mich fast Wort für Wort daran erinnern. Ich sah den Kalender meines Chefs vor meinem geistigen Auge, wo ich die Daten und Termine mit Mandanten und seine Gerichtsauftritte für die folgende Woche eingetragen hatte. Ich entsann mich sogar, was ich am Freitagabend nach meiner späten Heimkehr gegessen hatte.
»Für mich sind meine Erinnerungen real«, erklärte ich ihm.
Müde schüttelte er den Kopf. »Ich weiß nicht, Lauren. Auch ich komme mit alledem nur schwer zurecht. Ich lag die ganze Nacht über wach und habe darauf gewartet, dass du wieder zu Bewusstsein kommst. Und die Kinder vermissen dich, sie sind völlig durcheinander…«
Er warf mir einen Seitenblick zu und drehte nervös an ¬seinem Ehering. Ich schaute auf meine eigene rechte Hand hinab, zog eine Ecke des weißen Heftpflasters weg, mit dem die Tropfnadel befestigt war, und legte meinen Ringfinger frei. Ich schnappte nach Luft. Dort glänzte ein dünner Goldring.
Was für ein teuflischer Traum, dachte ich mir und klebte das Pflaster wieder hastig darüber. Aber Traum oder nicht, mir war nicht entgangen, dass er bei der Erwähnung der Kinder besorgt gewirkt hatte. Trotz der außergewöhnlichen Umstände war meine Neugierde geweckt.
»Was noch?«, wollte ich wissen. »Über die Kinder? Du hast mir doch etwas verschwiegen!«
»Ich wollte hinzufügen, ›besonders Teddy‹«, sagte Grant leise.»Teddy?«
»Edward, der jüngere der Zwillinge«, erklärte er. »Bei ihrer Geburt kam es zu Komplikationen. Toby befand sich in Steißlage und brauchte lange, um herauszukommen. Teddys Gehirn erhielt währenddessen nicht genügend Sauerstoff. Er hat… Lernschwierigkeiten.«
Niedergeschlagen dachte ich über die letzte Neuigkeit nach. Vielleicht erlebte ich ja nur einen intensiven Traum, aber ich war immer noch da, führte dieses Leben bis zu meinem Erwachen, und es schien jeden Augenblick komplizierter zu werden. Wie konnte ich es schaffen, die Mutter all dieser Kinder zu sein? Vor allem die eines Kindes mit besonderen Bedürfnissen? Was für eine Art von Wunderfrau war diese Lauren gewesen? Ich hoffte, ich würde bald erwachen, denn wenn Dr. Shakir recht hatte und dies irgendwie real war, dann bezweifelte ich ernstlich, dass ich ihr das Wasser reichen könnte.
Plötzlich fühlte ich mich sehr müde. Grant musste es mir angesehen haben, denn er erhob sich leise. »Ich bringe die Kinder nach Hause«, sagte er, beugte sich hinunter und gab mir einen Kuss auf die Stirn. Diesmal drehte ich mich nicht weg, doch er musste den Anflug von Bangigkeit in meinen Augen gesehen haben, denn ich sah, wie ein trauriger Ausdruck über sein Gesicht huschte.
»Hoffentlich nimmt es die Kinder nicht zu sehr mit, dass sie mich nicht sehen konnten«, murmelte ich schuldbewusst.
»Die kommen schon damit klar«, versicherte er. »Das werden wir alle. Hör mal«, setzte er hinzu, »kann ich sie heute Nachmittag wieder mitbringen, wenn du dich ausgeruht hast?«
Ich nickte, wünschte aber, ich hätte den Mut gehabt, nein zu sagen. Doch kam mir das so kleinlich vor, wo die Kinder doch offensichtlich ihre Mutter so sehr vermissten, und überhaupt, so sagte ich mir, könnte ich bis dahin ja schon aufgewacht sein.
Kaum war er fort, legte ich mich stöhnend auf mein Kissen ¬zurück. »Sie haben besser unrecht, Dr. Shakir«, murmelte ich zur Zimmerdecke. »Ich bin Jessica, nicht Lauren. Ich ¬wache bald auf und beweise, dass ich immer noch ich bin.«
Später kam Grant mit einem riesigen Strauß Sonnen¬blumen zurück, den die Krankenschwester in einer großen Vase ¬neben die kleine mit den Veilchen stellte, die eines der Mädchen mir zuvor mitgebracht hatte. Schwester Sally, wie sie genannt werden wollte, hatte dem Mädchen das Sträußchen abgenommen, ehe die Familie gegangen war, und ihm versprochen, ich würde es bekommen.
»Sonnenblumen, meine Lieblingsblumen!«, rief ich aus, als Schwester Sally uns verlassen hatte.
Grant blickte mich forschend an. Hoffnung erhellte seine Züge. »Du hast sie immer geliebt«, flüsterte er und nahm meine Hand. »Erinnerst du dich an den einmonatigen ¬Urlaub, den wir in der Provence verbracht haben, ehe die Kinder kamen? Diese Sonnenblumenfelder schienen end¬los, und wir füllten alle Behälter und Vasen in der Villa damit.«
»Ich liebe Sonnenblumen in meinem wirklichen Leben«, versetzte ich bockig. »In dem Leben, in dem ich unverheiratet bin und keine Kinder habe!«
»Hör auf damit, Lauren.« Grant ließ abrupt meine Hand los. »Es gibt kein anderes Leben!« Einen Augenblick schloss er die Augen, als wolle er sich zügeln, dann schlug er sie wieder auf, und obwohl ich ihn kaum kannte, fand ich, er sehe erschöpft und müde aus. »Tut mir leid, Schatz. Ich habe mit der Situation genauso zu kämpfen wie du. Ich weiß nicht, was ich tun soll.«
Er sank auf den Besucherstuhl und fuhr sich mit der Hand über die Augen. »Ich kann es nicht ertragen, dass du dich nicht an uns erinnerst«, sagte er leise. »All die Jahre, all die Erfahrungen, die wir geteilt haben, die Liebe, den Kummer, die Energie, die wir in unsere Kinder gesteckt haben. Wenn du nichts mehr davon weißt, dann ist es, als wäre alles fort, es könnte gut und gern nie geschehen sein. Es kommt mir vor, als hätte ich dich verloren.«
Er beugte sich zu mir, aber ich wich instinktiv vor ihm zurück, und er betrachtete mich gequält. »Ich liebe dich, Lauren. Als sie angerufen und mir Bescheid gegeben haben, dass man dich hierhergebracht hat und dass dein Herz ausgesetzt hatte, da dachte ich, du wärst tot. Kannst du dir vorstellen, wie das ist? Mir wurde klar, dass ich das nicht ertragen könnte. Als die Ärzte sagten, du würdest überleben, war ich so, so dankbar. Aber du bist nicht wirklich hier bei uns, nicht wahr? Ich habe dich also doch verloren.«
Ich starrte ihn bestürzt an, wollte diesen Fremden nicht verletzen, war aber auch nicht imstande, ihm zu helfen. Schlimm genug, dass ich, ohne es zu wollen, in diesem Alptraum gelandet war, musste ich mich nun auch noch mit dem Kummer dieses Mannes auseinandersetzen. Warum wachte ich nicht auf? Noch nie zuvor hatte ich so lange und realistisch geträumt. Nicht einmal, wenn ich vor dem Zubettgehen Käse oder etwas stark Gewürztes zu mir genommen hatte. Einmal, als ich mit einer meiner Freundinnen ein besonders scharfes Curry gegessen hatte, hatte ich die ganze Nacht einen furchtbaren Traum nach dem anderen gehabt. Aber nie etwas in dieser Art. Wie lange würde das noch so weitergehen?
Ich blickte in sein leidendes Gesicht, sah, dass er kurz davor war, in Tränen auszubrechen, und begriff, dass ich, solange ich hier war, die Situation bestmöglich in den Griff bekommen musste.
»Es tut mir leid, Grant. Ich habe nicht gewollt, dass das hier passiert«, sagte ich leise. »Es ist niemandes Schuld. Ich verstehe ja, dass du alles wieder so haben möchtest wie zuvor, aber das geht nicht. Ich erinnere mich nicht daran, deine Frau zu sein, ich möchte nicht Lauren sein. So ist das nun einmal.«
Er starrte mich mit Tränen in den Augen an, erhob sich dann vom Stuhl und setzte sich auf meine Bettkante. Er nahm meine Hand in seine und drückte sie, und es bedurfte all meiner Willenskraft, sie dort zu lassen.
»Du bleibst aber doch bei uns, nicht wahr?«, fragte er. »Du wirst uns nicht verlassen?«
© Knaur Verlag
Übersetzung: Heidi Lichtblau
»Wann habe ich Geburtstag?«
»Am neunzehnten Juni.«
»Gar nicht wahr«, entgegnete ich. »Ich wurde am neunundzwanzigsten April geboren. So ein Datum würde ich doch nie vergessen!«
Grant mied meinen Blick und zuckte die Achseln. »Ist nur eine Kleinigkeit, Schatz.«
»Na gut.« Ich holte tief Luft und versuchte mich zusammenzunehmen. »Wie alt sind unsere Kinder?«
»Sophie ist acht, Nicole sechs und die Zwillinge sind erst vier.«
Schweigend saßen wir da, während ich die grässliche Vorstellung zu verdauen versuchte, dass ich vierfache Mutter sein sollte. Bislang hatte ich kaum mit Kindern zu tun gehabt. Ich arbeitete als Sekretärin in einer kleinen Kanzlei, wo ich für weit mehr, als Berichte, Protokolle und Diktate in den Computer zu tippen. Ich half einem der Anwälte auch bei Recherchen für aktuelle Fälle, las Briefe und Rechtsgutachten Korrektur und, weit interessanter, nahm an Gerichtsverhandlungen, Gesprächen auf Polizeiinspektionen und Begegnungen mit Mandanten teil.
Da ich anstrebte, in naher Zukunft selbst Rechtsanwältin zu werden, hatte ich im Begriff gestanden, ein rechtswissenschaftliches Diplom zu erwerben, und infolgedessen wenig Zeit für mich selbst gehabt, geschweige denn, an eine Ehe oder Kinder zu denken.
Ich hielt in meinen Gedanken inne. Vielleicht war es an der Zeit, die Wahrheit zu sagen. »Es ist nicht so, dass ich die ¬Erinnerung verloren habe«, versuchte ich dem Mann neben mir zu erklären. »Ich habe Erinnerungen – nur eben andere als die, die ich deiner Meinung nach haben sollte.«
»Wir sollten das mit Dr. Shakir besprechen.« Grant sah mich zweifelnd an. »Vielleicht hat der Blitzschlag bei dir eine Störung verursacht, die unwirkliche Gedanken in dir hervorruft.«
Ich erinnerte mich an die Aufzeichnungen, die ich an meinem letzten Arbeitstag in der Kanzlei gemacht hatte. Ich konnte mich fast Wort für Wort daran erinnern. Ich sah den Kalender meines Chefs vor meinem geistigen Auge, wo ich die Daten und Termine mit Mandanten und seine Gerichtsauftritte für die folgende Woche eingetragen hatte. Ich entsann mich sogar, was ich am Freitagabend nach meiner späten Heimkehr gegessen hatte.
»Für mich sind meine Erinnerungen real«, erklärte ich ihm.
Müde schüttelte er den Kopf. »Ich weiß nicht, Lauren. Auch ich komme mit alledem nur schwer zurecht. Ich lag die ganze Nacht über wach und habe darauf gewartet, dass du wieder zu Bewusstsein kommst. Und die Kinder vermissen dich, sie sind völlig durcheinander…«
Er warf mir einen Seitenblick zu und drehte nervös an ¬seinem Ehering. Ich schaute auf meine eigene rechte Hand hinab, zog eine Ecke des weißen Heftpflasters weg, mit dem die Tropfnadel befestigt war, und legte meinen Ringfinger frei. Ich schnappte nach Luft. Dort glänzte ein dünner Goldring.
Was für ein teuflischer Traum, dachte ich mir und klebte das Pflaster wieder hastig darüber. Aber Traum oder nicht, mir war nicht entgangen, dass er bei der Erwähnung der Kinder besorgt gewirkt hatte. Trotz der außergewöhnlichen Umstände war meine Neugierde geweckt.
»Was noch?«, wollte ich wissen. »Über die Kinder? Du hast mir doch etwas verschwiegen!«
»Ich wollte hinzufügen, ›besonders Teddy‹«, sagte Grant leise.»Teddy?«
»Edward, der jüngere der Zwillinge«, erklärte er. »Bei ihrer Geburt kam es zu Komplikationen. Toby befand sich in Steißlage und brauchte lange, um herauszukommen. Teddys Gehirn erhielt währenddessen nicht genügend Sauerstoff. Er hat… Lernschwierigkeiten.«
Niedergeschlagen dachte ich über die letzte Neuigkeit nach. Vielleicht erlebte ich ja nur einen intensiven Traum, aber ich war immer noch da, führte dieses Leben bis zu meinem Erwachen, und es schien jeden Augenblick komplizierter zu werden. Wie konnte ich es schaffen, die Mutter all dieser Kinder zu sein? Vor allem die eines Kindes mit besonderen Bedürfnissen? Was für eine Art von Wunderfrau war diese Lauren gewesen? Ich hoffte, ich würde bald erwachen, denn wenn Dr. Shakir recht hatte und dies irgendwie real war, dann bezweifelte ich ernstlich, dass ich ihr das Wasser reichen könnte.
Plötzlich fühlte ich mich sehr müde. Grant musste es mir angesehen haben, denn er erhob sich leise. »Ich bringe die Kinder nach Hause«, sagte er, beugte sich hinunter und gab mir einen Kuss auf die Stirn. Diesmal drehte ich mich nicht weg, doch er musste den Anflug von Bangigkeit in meinen Augen gesehen haben, denn ich sah, wie ein trauriger Ausdruck über sein Gesicht huschte.
»Hoffentlich nimmt es die Kinder nicht zu sehr mit, dass sie mich nicht sehen konnten«, murmelte ich schuldbewusst.
»Die kommen schon damit klar«, versicherte er. »Das werden wir alle. Hör mal«, setzte er hinzu, »kann ich sie heute Nachmittag wieder mitbringen, wenn du dich ausgeruht hast?«
Ich nickte, wünschte aber, ich hätte den Mut gehabt, nein zu sagen. Doch kam mir das so kleinlich vor, wo die Kinder doch offensichtlich ihre Mutter so sehr vermissten, und überhaupt, so sagte ich mir, könnte ich bis dahin ja schon aufgewacht sein.
Kaum war er fort, legte ich mich stöhnend auf mein Kissen ¬zurück. »Sie haben besser unrecht, Dr. Shakir«, murmelte ich zur Zimmerdecke. »Ich bin Jessica, nicht Lauren. Ich ¬wache bald auf und beweise, dass ich immer noch ich bin.«
Später kam Grant mit einem riesigen Strauß Sonnen¬blumen zurück, den die Krankenschwester in einer großen Vase ¬neben die kleine mit den Veilchen stellte, die eines der Mädchen mir zuvor mitgebracht hatte. Schwester Sally, wie sie genannt werden wollte, hatte dem Mädchen das Sträußchen abgenommen, ehe die Familie gegangen war, und ihm versprochen, ich würde es bekommen.
»Sonnenblumen, meine Lieblingsblumen!«, rief ich aus, als Schwester Sally uns verlassen hatte.
Grant blickte mich forschend an. Hoffnung erhellte seine Züge. »Du hast sie immer geliebt«, flüsterte er und nahm meine Hand. »Erinnerst du dich an den einmonatigen ¬Urlaub, den wir in der Provence verbracht haben, ehe die Kinder kamen? Diese Sonnenblumenfelder schienen end¬los, und wir füllten alle Behälter und Vasen in der Villa damit.«
»Ich liebe Sonnenblumen in meinem wirklichen Leben«, versetzte ich bockig. »In dem Leben, in dem ich unverheiratet bin und keine Kinder habe!«
»Hör auf damit, Lauren.« Grant ließ abrupt meine Hand los. »Es gibt kein anderes Leben!« Einen Augenblick schloss er die Augen, als wolle er sich zügeln, dann schlug er sie wieder auf, und obwohl ich ihn kaum kannte, fand ich, er sehe erschöpft und müde aus. »Tut mir leid, Schatz. Ich habe mit der Situation genauso zu kämpfen wie du. Ich weiß nicht, was ich tun soll.«
Er sank auf den Besucherstuhl und fuhr sich mit der Hand über die Augen. »Ich kann es nicht ertragen, dass du dich nicht an uns erinnerst«, sagte er leise. »All die Jahre, all die Erfahrungen, die wir geteilt haben, die Liebe, den Kummer, die Energie, die wir in unsere Kinder gesteckt haben. Wenn du nichts mehr davon weißt, dann ist es, als wäre alles fort, es könnte gut und gern nie geschehen sein. Es kommt mir vor, als hätte ich dich verloren.«
Er beugte sich zu mir, aber ich wich instinktiv vor ihm zurück, und er betrachtete mich gequält. »Ich liebe dich, Lauren. Als sie angerufen und mir Bescheid gegeben haben, dass man dich hierhergebracht hat und dass dein Herz ausgesetzt hatte, da dachte ich, du wärst tot. Kannst du dir vorstellen, wie das ist? Mir wurde klar, dass ich das nicht ertragen könnte. Als die Ärzte sagten, du würdest überleben, war ich so, so dankbar. Aber du bist nicht wirklich hier bei uns, nicht wahr? Ich habe dich also doch verloren.«
Ich starrte ihn bestürzt an, wollte diesen Fremden nicht verletzen, war aber auch nicht imstande, ihm zu helfen. Schlimm genug, dass ich, ohne es zu wollen, in diesem Alptraum gelandet war, musste ich mich nun auch noch mit dem Kummer dieses Mannes auseinandersetzen. Warum wachte ich nicht auf? Noch nie zuvor hatte ich so lange und realistisch geträumt. Nicht einmal, wenn ich vor dem Zubettgehen Käse oder etwas stark Gewürztes zu mir genommen hatte. Einmal, als ich mit einer meiner Freundinnen ein besonders scharfes Curry gegessen hatte, hatte ich die ganze Nacht einen furchtbaren Traum nach dem anderen gehabt. Aber nie etwas in dieser Art. Wie lange würde das noch so weitergehen?
Ich blickte in sein leidendes Gesicht, sah, dass er kurz davor war, in Tränen auszubrechen, und begriff, dass ich, solange ich hier war, die Situation bestmöglich in den Griff bekommen musste.
»Es tut mir leid, Grant. Ich habe nicht gewollt, dass das hier passiert«, sagte ich leise. »Es ist niemandes Schuld. Ich verstehe ja, dass du alles wieder so haben möchtest wie zuvor, aber das geht nicht. Ich erinnere mich nicht daran, deine Frau zu sein, ich möchte nicht Lauren sein. So ist das nun einmal.«
Er starrte mich mit Tränen in den Augen an, erhob sich dann vom Stuhl und setzte sich auf meine Bettkante. Er nahm meine Hand in seine und drückte sie, und es bedurfte all meiner Willenskraft, sie dort zu lassen.
»Du bleibst aber doch bei uns, nicht wahr?«, fragte er. »Du wirst uns nicht verlassen?«
© Knaur Verlag
Übersetzung: Heidi Lichtblau
... weniger
Autoren-Porträt von Melanie Rose
Melanie Rose lebt in Surrey und hat schon als Teenager Kurzgeschichten für Zeitschriften und Magazine geschrieben. Schon damals beschäftigte sie immer wieder die Frage: Was wäre, wenn ? Die Autorin hat zunächst als Kinderkrankenschwester und Spieltherapeutin gearbeitet, bevor sie mit ihrem Mann eine Familie gründete, zwei Söhne bekam und zwei weitere Kinder adoptierte.
Bibliographische Angaben
- Autor: Melanie Rose
- 2009, 394 Seiten, Maße: 12 x 19,4 cm, Gebunden, Deutsch
- Aus d. Engl. v. Heidi Lichtblau
- Übersetzer: Heidi Lichtblau
- Verlag: Knaur
- ISBN-10: 3426663643
- ISBN-13: 9783426663646
Kommentar zu "Mein Tag ist deine Nacht"
0 Gebrauchte Artikel zu „Mein Tag ist deine Nacht“
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
5 von 5 Sternen
5 Sterne 1Schreiben Sie einen Kommentar zu "Mein Tag ist deine Nacht".
Kommentar verfassen