Micro
Eine Handvoll Studenten, ausgesetzt im Regenwald, auf der Flucht vor technisch veränderten Organismen: ein hintergründiges und hochaktuelles Actionszenario
Honolulu, Hawaii. Drei Männer liegen tot auf dem Fußboden...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Micro “
Eine Handvoll Studenten, ausgesetzt im Regenwald, auf der Flucht vor technisch veränderten Organismen: ein hintergründiges und hochaktuelles Actionszenario
Honolulu, Hawaii. Drei Männer liegen tot auf dem Fußboden eines verschlossenen Büros - keine Anzeichen eines Kampfes, keine Einbruchsspuren, keine Tatwaffe. Nur die extrem feinen, rasiermesserscharfen Schnitte, die die Leichen überziehen, liefern einen ebenso grausigen wie rätselhaften Hinweis auf die Todesursache. In Cambridge, Massachusetts, wird eine Handvoll Studenten, die sich durch besondere Fähigkeiten hervortun, von einem Unternehmen für den Einsatz an der Front der Mikrobiologie rekrutiert. Die streng geheime, höchst profitable Arbeit von Nanigen Micro Technologies führt die Forschungstalente nach Hawaii. Doch hier, weit entfernt von der Sicherheit ihrer Labors, plötzlich sich selbst überlassen im Dschungel, sehen sich die Studenten nicht nur einer erbarmungslosen Natur, sondern auch einer radikalen neuen Technik gegenüber, die die Gruppe schnell beherrschen lernen muss, will sie nicht für immer in den undurchdringlichen Wäldern Oahus verschwinden.
Mit jedem seiner Weltbestseller hat Michael Crichton bewiesen, dass er ein außerordentliches Talent hatte. Seine Thriller loten das Grenzgebiet zwischen Fakt und Fiktion aus, beschreiben Szenarien einer Welt von morgen, die uns der wissenschaftliche und technische Fortschritt von heute bescheren könnte. Mit dem Roman Micro aus seinem Nachlass, vollendet von Richard Preston - seinerseits Thrillerautor von Weltrang -, erscheint jetzt ein weiterer konsequent auf Hochspannung ausgelegter Blockbuster von Michael Crichton.
Honolulu, Hawaii. Drei Männer liegen tot auf dem Fußboden eines verschlossenen Büros - keine Anzeichen eines Kampfes, keine Einbruchsspuren, keine Tatwaffe. Nur die extrem feinen, rasiermesserscharfen Schnitte, die die Leichen überziehen, liefern einen ebenso grausigen wie rätselhaften Hinweis auf die Todesursache. In Cambridge, Massachusetts, wird eine Handvoll Studenten, die sich durch besondere Fähigkeiten hervortun, von einem Unternehmen für den Einsatz an der Front der Mikrobiologie rekrutiert. Die streng geheime, höchst profitable Arbeit von Nanigen Micro Technologies führt die Forschungstalente nach Hawaii. Doch hier, weit entfernt von der Sicherheit ihrer Labors, plötzlich sich selbst überlassen im Dschungel, sehen sich die Studenten nicht nur einer erbarmungslosen Natur, sondern auch einer radikalen neuen Technik gegenüber, die die Gruppe schnell beherrschen lernen muss, will sie nicht für immer in den undurchdringlichen Wäldern Oahus verschwinden.
Mit jedem seiner Weltbestseller hat Michael Crichton bewiesen, dass er ein außerordentliches Talent hatte. Seine Thriller loten das Grenzgebiet zwischen Fakt und Fiktion aus, beschreiben Szenarien einer Welt von morgen, die uns der wissenschaftliche und technische Fortschritt von heute bescheren könnte. Mit dem Roman Micro aus seinem Nachlass, vollendet von Richard Preston - seinerseits Thrillerautor von Weltrang -, erscheint jetzt ein weiterer konsequent auf Hochspannung ausgelegter Blockbuster von Michael Crichton.
Lese-Probe zu „Micro “
Micro von Michael CrichtonVorwort
In was für einer Welt leben wir?
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Der berühmte Tierfilmer David Attenborough äußerte sich kürzlich besorgt darüber, dass die Schulkinder von heute nicht einmal mehr die Namen häufig vorkommender Pflanzen und Insekten kennen, während frühere Generationen damit keine Probleme hatten. Offenbar ist es Kindern heute nicht mehr möglich, Natur direkt zu erleben und in freier Natur zu spielen. Dafür werden verschiedene Gründe angeführt: Die Kinder wachsen in der Stadt auf, es gibt kaum noch naturbelassene Gebiete, die Kinder verbringen zu viel Zeit am Computer und im Internet und haben einen vollen Terminplan. Alles läuft jedenfalls darauf hinaus, dass Kinder nicht mehr mit der Natur in Berührung kommen und keine unmittelbaren Erfahrungen in der Natur machen. Und das ironischerweise in einer Zeit, in der im Westen das Umweltbewusstsein wächst und immer ehrgeizigere Maßnahmen zum Umweltschutz erlassen werden.
Kinder im Sinne des Umweltschutzes zu erziehen ist ein Kerngedanke der Umweltschutzbewegung, entsprechend wird Kindern nun beigebracht, etwas zu schützen, von dem sie keine Ahnung haben. Dieser Ansatz ist zwar gut gemeint, hat der Umwelt bisher jedoch mehr geschadet als genützt - als wichtige Beispiele sind die Vernachlässigung der amerikanischen Nationalparks oder die Maßnahmen zur Verhinderung von Waldbränden in den USA zu nennen. Eine derartige Politik hätte sich nie umsetzen lassen, wenn die Menschen die Natur, die sie zu schützen versuchen, wirklich kennen würden.
Dabei dachte der Mensch tatsächlich, er wüsste Bescheid. Und man kann annehmen, dass die neue Generation Schulkinder noch überzeugter von sich sein wird. Heute wird in den Schulen gelehrt, dass es eine Antwort auf jede Frage gibt; erst im wahren Leben erkennen die Jugendlichen, dass vieles im Leben ungewiss und geheimnisvoll ist und der Mensch manches einfach nicht weiß. Wenn man Gelegenheit hatte, in der freien Natur zu spielen, wenn man von einem Käfer mit stinkendem Sekret bespritzt wurde, wenn man erlebt hat, wie die Farbe eines Schmetterlingsflügels an den Fingern haften bleibt, wenn man gesehen hat, wie eine Raupe ihren Kokon spinnt, bekommt man ein Gefühl für das Geheimnisvolle und Ungewisse. Je mehr man beobachtet, desto geheimnisvoller wirkt die Natur und desto mehr erkennt man, wie wenig man eigentlich weiß. Neben der Schönheit lernt man, dass es in der Natur auch Fruchtbarkeit gibt, Verschwendung, Aggressivität, Rücksichtslosigkeit, Schmarotzertum und Gewalttätigkeit - Eigenschaften, die in den Lehrbüchern vernachlässigt werden.
Die wichtigste Lehre, die man aus der direkten Erfahrung zieht, ist vermutlich die, dass die Natur mit all ihren Elementen und Verbindungen ein komplexes System darstellt, das man nicht verstehen, geschweige denn vorhersehen kann. Man macht sich etwas vor, wenn man sich so benimmt, als ob man es könnte, so wie jemand, der glaubt, er könnte die Entwicklung am Aktienmarkt vorhersehen, der ein ähnlich komplexes System darstellt. Wenn jemand behauptet, er könne den Kurs einer Aktie vorhersagen, wissen wir, dass er entweder ein Betrüger oder ein Scharlatan ist. Wenn ein Umweltschützer ähnliche Behauptungen über die Natur oder ein Ökosystem aufstellt, haben wir noch nicht gelernt, in ihm einen falschen Propheten oder einen Dummkopf zu sehen.
Der Mensch interagiert sehr erfolgreich mit komplexen Systemen. Das tun wir ständig. Aber wir interagieren mit ihnen, ohne zu behaupten, dass wir sie verstehen. Manager interagieren mit dem System: Sie tun etwas, warten die Reaktion ab und tun dann etwas anderes, um das gewünschte Resultat zu erzielen. Ein sich ständig wiederholender Prozess, bei dem man zugibt, dass man nicht sicher wissen kann, wie das System reagieren wird - man muss abwarten und schauen, was kommt. Wir haben vielleicht eine Ahnung. Vielleicht haben wir sogar meistens recht. Aber wir können uns nie sicher sein. Im Umgang mit der Natur ist uns Gewissheit verwehrt. Und das wird auch immer so bleiben.
Wie können junge Menschen nun Erfahrungen in der freien Natur sammeln? Idealerweise bei einem Aufenthalt im tropischen Regenwald - diesem enormen, unwirtlichen, beunruhigenden und faszinierenden Gebiet, das uns schnell eines Besseren belehrt, was unsere vorgefassten Meinungen betrifft.
Unvollendeter Text Michael Crichton, 28. September 2008
Prolog
NANIGEN
9. OKTOBER, 23:55 UHR
Westlich von Pearl Harbor fuhr er durch die im Mondlicht dunkelgrün schimmernden Zuckerrohrfelder den Farrington Highway hinunter. Das hier war zwar seit Langem die Ackerbaugegend der Insel Oahu, in letzter Zeit jedoch hatte sich einiges geändert. Auf der linken Seite hoben sich die silbern glänzenden flachen Stahldächer des neuen Kalikimaki Industrial Park von ihrer grünen Umgebung ab. Marcos Rodriguez wusste jedoch, dass es mit der Industrie in diesem Gewerbegebiet nicht weit her war. Die meisten Gebäude waren billig zu mietende Lagerhäuser. Außerdem gab es dort noch ein Schiffsbedarfsgeschäft, einen Mann, der maßgefertigte Surfbretter herstellte, ein paar Maschinenwerkstätten und eine Schlosserei. Das war so ziemlich alles.
Und dann war da noch das, weswegen er heute Nacht hier war: Nanigen MicroTechnologies, ein neues Unternehmen, das gerade erst vom Festland hierhergezogen war und seinen Sitz jetzt in einem großen Gebäude am äußersten Ende des Gewerbegebiets hatte.
Rodriguez bog von der Hauptstraße ab und fuhr die dunkel und still daliegenden Geschäftsbauten entlang. Es war fast Mitternacht. Das Industriegelände war menschenleer. Er parkte vor Nanigen.
Von außen sah das Nanigen-Gebäude wie alle anderen aus: eine einstöckige Stahlfassade und ein flaches Wellblechdach. Im Grunde war es nur ein riesiger, billig und schnell errichteter Kasten. Rodriguez wusste jedoch, dass dies beileibe nicht alles war. Vor dem Bau hatte das Unternehmen ein tiefes Loch in das Lavagestein graben lassen und dieses mit einer Menge elektronischer Geräte gefüllt. Erst danach hatte man diese unscheinbare Fassade errichtet, die jetzt von dem feinen roten Staub bedeckt war, der von den benachbarten Äckern herüberwehte.
Rodriguez zog seine Gummihandschuhe an und steckte seine Digitalkamera mit ihrem Infrarotfilter in die Tasche. Dann stieg er aus. Er trug die Uniform eines Sicherheitsunternehmens. Er zog sich die Mütze tief ins Gesicht, falls irgendwelche Kameras die Straße überwachen sollten. Er holte den Schlüssel heraus, den er einige Wochen zuvor dieser Nanigen-Empfangsdame stibitzt hatte, nachdem sie von ihrem dritten Blue-Hawaii-Cocktail außer Gefecht gesetzt worden war. Er hatte ihn nachmachen lassen und ihr danach wieder in die Handtasche gesteckt, bevor sie aufgewacht war.
Von ihr hatte er auch erfahren, dass das Nanigen-Gebäude voller Laboratorien und Hightech-Einrichtungen steckte, die insgesamt eine Fläche von 3700 Quadratmetern einnahmen. Sie meinte, sie würden dort Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Robotik durchführen. Was genau sie erforschten, konnte sie jedoch nicht sagen, außer dass die Roboter extrem klein waren. »Die untersuchen da Chemikalien und Pflanzen«, sagte sie etwas vage.
»Dafür braucht man Roboter?«
»Anscheinend.« Sie zuckte die Achseln.
Sie hatte ihm jedoch auch erzählt, dass das Gebäude selbst keine Sicherheitseinrichtungen hatte. Keine Alarmanlage, keine Bewegungsmelder, keine Wachleute, Kameras oder Laserstrahlen. »Und was benutzen sie stattdessen?«, fragte er nach. »Hunde?«
Die Empfangsdame schüttelte den Kopf. »Nichts«, sagte sie. »Nur ein Schloss an der Vordertür. Sie sagen, sie kämen ohne Sicherheitsmaßnahmen aus.«
Rodriguez begann zu vermuten, dass Nanigen ein Schwindelunternehmen oder irgendein Steuerbetrug war. Keine Hightech-Firma würde sich in einem staubigen Lagerhaus niederlassen, das dermaßen weit von der Stadtmitte und der Universität von Honolulu entfernt lag, von der alle Hightech-Unternehmen ihre Forschungskräfte bezogen. Wenn Nanigen also einen solch abgelegenen Flecken gewählt hatte, musste es etwas zu verbergen haben.
Diese Meinung teilte im Übrigen auch sein Kunde. Deswegen hatte man Rodriguez überhaupt erst diesen Auftrag erteilt. Eigentlich war die Untersuchung von Hightech-Unternehmen nicht gerade sein gewöhnliches Betätigungsfeld. Meist riefen ihn Anwälte an und ließen ihn irgendwelche Ehemänner fotografieren, die in Waikiki ihre Frauen betrogen. Auch in diesem Fall hatte ihn ein örtlicher Anwalt angeheuert: Willy Fong. Aber Fong war nicht sein eigentlicher Auftraggeber. Er wollte ihm auch nicht sagen, wer es war.
Rodriguez hatte allerdings seine Vermutungen. Nanigen hatte sich angeblich aus Schanghai und Osaka Elektronik im Wert von vielen Millionen Dollar kommen lassen. Einige dieser Lieferanten wollten jetzt wohl wissen, was man mit ihren Erzeugnissen hier so anstellte. »Sind das die, Willy? Die Chinesen oder die Japaner?«
Willy Fong zuckte die Achseln. »Sie wissen doch, dass ich Ihnen das nicht erzählen kann, Marcos.«
»Aber das Ganze ergibt doch keinen Sinn«, hatte Rodriguez gemeint. »Der Laden hat keine Sicherheitseinrichtungen. Ihre Auftraggeber könnten also einfach in der Nacht das Schloss knacken, da reingehen und selbst nachschauen. Dazu brauchen die mich doch nicht.«
»Sie wollen den Job also nicht?«
»Ich will nur wissen, worum 's hier eigentlich geht.«
»Die wollen, dass Sie in dieses Gebäude gehen und ein paar Fotos für sie machen. Das ist alles.«
»Mir gefällt das Ganze nicht. Ich glaub, das ist irgendein Beschiss.«
»Wahrscheinlich haben Sie recht.«
Willy schaute ihn müde an, als wolle er sagen: Das kann Ihnen doch egal sein. »Wenigstens wird niemand vom Esstisch aufstehen und Ihnen aufs Maul hauen.«
»Stimmt.«
Willy schob seinen Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor seinem ausladenden Bauch. »Also, was ist jetzt, Marcos? Nehmen Sie den Auftrag an oder nicht?«
Als Rodriguez jetzt genau um Mitternacht auf die Eingangstür zuging, wurde er plötzlich nervös. Sie kommen ohne Sicherheitsmaßnahmen aus. Was zum Teufel bedeutete das? Heutzutage hatte doch jeder Sicherheitseinrichtungen - eine Menge Sicherheitseinrichtungen. Vor allem hier in der Umgebung von Honolulu. Es blieb einem ja gar nichts anderes übrig.
Das Gebäude hatte keine Fenster, nur eine einzige Metalltür. Neben ihr hing ein Schild: NANIGEN MICROTECHNOLOGIES, INC. Und darunter: NUR NACH VEREINBARUNG.
Er steckte den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn um. Die Tür öffnete sich.
Viel zu einfach, dachte er, während er auf die völlig leere Straße zurückschaute. Dann schlüpfte er in das Gebäude.
Nachtlampen beleuchteten einen von Glaswänden umgebenen Eingangsbereich, eine Empfangstheke und einen Warteraum mit Sofas, Zeitschriften und Informationsmaterial über das Unternehmen. Rodriguez schaltete seine Taschenlampe ein und ging den dahinterliegenden Gang hinunter. An dessen Ende befanden sich zwei Türen. Als er durch die erste trat, gelangte er in einen weiteren von Glaswänden eingefassten Gang. Auf beiden Seiten lagen Labore mit langen schwarzen Arbeitstischen, auf denen eine Menge Forschungsutensilien zu sehen waren. In den Wandregalen waren unzählige Flaschen und Fläschchen nebeneinander aufgereiht. Etwa alle zehn Meter summte ein Edelstahlkühlschrank und stand etwas, das wie eine Waschmaschine aussah.
Von Nachrichtenzetteln übersäte Anschlagtafeln, Post-its auf den Kühlschränken und mit Formeln vollgekritzelte Weißwandtafeln - alles ziemlich chaotisch, für Rodriguez jedoch ein deutliches Zeichen dafür, dass es sich hier um eine echte Firma handelte und dass Nanigen hier wirklich wissenschaftliche Arbeiten verrichtete. Wofür sollten die Roboter benötigen?
Und dann sah er sie endlich. Diese Roboter sahen jedoch äußerst seltsam aus: kastenförmige, silbern glänzende Metallapparaturen mit mechanischen Armen, Antriebssystemen und wie Gliedmaßen aussehenden Anhängseln. Sie erinnerten am ehesten an die Rover, die man zum Mars geschickt hatte. Es gab sie in den unterschiedlichsten Formen und Größen. Einige waren gerade einmal so groß wie eine Schuhschachtel, andere jedoch weit größer. Dann bemerkte er, dass neben jedem Roboter eine kleinere Version seiner selbst stand. Und daneben eine noch kleinere. Schließlich waren sie nur noch so groß wie ein Zehennagel, schienen jedoch bis in die kleinste Kleinigkeit eine exakte, winzige Kopie des jeweils größten Geräts zu sein. Auf den Arbeitstischen waren riesige Vergrößerungsgläser installiert, die den Laborarbeitern offensichtlich eine genaue Betrachtung der Roboter ermöglichen sollten. Rodriguez wunderte sich, wie man so etwas Winziges überhaupt bauen konnte.
Am Ende des Gangs traf er auf eine Tür, auf deren kleinem Schild TENSORKERN stand. Als er sie aufstieß, wehte ihm ein kühler Luftzug entgegen. Der Raum dahinter war groß und dunkel. An der rechten Wand hing an starken Haken eine ganze Reihe von Rucksäcken, als ob sie auf einen längeren Campingausflug warteten. Sonst war der Raum völlig leer. Als einziges Geräusch war ein lautes Wechselstrombrummen zu hören. Er bemerkte, dass in den Boden tiefe Rillen eingeritzt waren, die jeweils ein Sechseck ergaben. Oder handelte es sich dabei vielleicht um sechseckige Bodenplatten? Bei diesem schwachen Licht konnte er das nicht genau erkennen.
Aber dann wurde ihm plötzlich bewusst, dass es unter diesem Boden noch etwas gab. Eine riesige, komplexe Anlage aus sechseckigen Röhren und Kupferdrähten, kaum zu erkennen. Der Boden bestand aus Kunststoff, durch den man die in den Erdboden eingesenkten elektronischen Installationen wahrnehmen konnte.
Rodriguez kniete sich hin, um das Ganze besser betrachten zu können. Als er auf die unter ihm liegenden Sechsecke starrte, sah er plötzlich, wie ein Blutspritzer auf den Plastikboden tropfte. Und dann noch einer. Er starrte sie an, bevor er sich schließlich mit der Hand an die Stirn griff. Er blutete direkt über seiner rechten Augenbraue.
»Was zum Teufel -« Irgendwo musste er sich geschnitten haben. Er hatte überhaupt nichts gespürt, aber da war Blut auf seinem Handschuh, und aus seiner Augenbraue tropfte immer noch Blut herunter. Einige Sekunden lang stand er ganz ruhig da. Das Blut lief ihm über die Wange, das Kinn und dann hinunter auf seine Uniform. Er hielt sich die Hand an die Stirn und rannte in das nächstliegende Labor zurück, um dort nach einem Kleenex oder einem Stofftuch zu suchen. Er fand eine Schachtel mit Papiertaschentüchern und ging zu einem Waschbecken hinüber, über dem ein kleiner Spiegel angebracht war. Er tupfte sein Gesicht ab. Die Wunde hatte bereits aufgehört zu bluten. Der Schnitt war klein, aber rasiermesserscharf. Er wusste nicht, wie das passiert war. Am ehesten erinnerte ihn die Verletzung an eine Papierschnittwunde.
Er schaute auf die Uhr. Zwanzig nach zwölf. Zeit, sich wieder an die Arbeit zu machen. Einen Augenblick später sah er, wie sich längs seines Handrückens vom Handgelenk bis zu den Fingerknöcheln ein tiefer roter Riss auftat. Die Haut öffnete sich und begann zu bluten. Rodriguez schrie entsetzt auf. Er schnappte sich noch ein paar Kleenex und dazu noch ein neben dem Waschbecken hängendes Handtuch.
Er riss ein Stück davon ab und wickelte es sich um die Hand. Plötzlich fühlte er einen scharfen Schmerz an seinem Bein. Als er hinunterschaute, sah er, dass seine Hosen bis auf halbe Schenkelhöhe aufgeschnitten waren. Gleichzeitig spürte er, wie das Blut jetzt auch seine Beine hinunterfloss.
Rodriguez hatte genug. Er drehte sich um und machte sich davon.
So schnell es ihm sein verletztes Bein erlaubte, humpelte er durch den Gang zur Eingangstür zurück. Es war ihm wohl bewusst, dass man ihn anhand der Blutspuren, die er hier hinterließ, später leicht identifizieren könnte, aber das war ihm völlig egal. Er wollte nur noch weg von hier.
...
Übersetzung: Michael Bayer
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2012
by Karl Blessing Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Der berühmte Tierfilmer David Attenborough äußerte sich kürzlich besorgt darüber, dass die Schulkinder von heute nicht einmal mehr die Namen häufig vorkommender Pflanzen und Insekten kennen, während frühere Generationen damit keine Probleme hatten. Offenbar ist es Kindern heute nicht mehr möglich, Natur direkt zu erleben und in freier Natur zu spielen. Dafür werden verschiedene Gründe angeführt: Die Kinder wachsen in der Stadt auf, es gibt kaum noch naturbelassene Gebiete, die Kinder verbringen zu viel Zeit am Computer und im Internet und haben einen vollen Terminplan. Alles läuft jedenfalls darauf hinaus, dass Kinder nicht mehr mit der Natur in Berührung kommen und keine unmittelbaren Erfahrungen in der Natur machen. Und das ironischerweise in einer Zeit, in der im Westen das Umweltbewusstsein wächst und immer ehrgeizigere Maßnahmen zum Umweltschutz erlassen werden.
Kinder im Sinne des Umweltschutzes zu erziehen ist ein Kerngedanke der Umweltschutzbewegung, entsprechend wird Kindern nun beigebracht, etwas zu schützen, von dem sie keine Ahnung haben. Dieser Ansatz ist zwar gut gemeint, hat der Umwelt bisher jedoch mehr geschadet als genützt - als wichtige Beispiele sind die Vernachlässigung der amerikanischen Nationalparks oder die Maßnahmen zur Verhinderung von Waldbränden in den USA zu nennen. Eine derartige Politik hätte sich nie umsetzen lassen, wenn die Menschen die Natur, die sie zu schützen versuchen, wirklich kennen würden.
Dabei dachte der Mensch tatsächlich, er wüsste Bescheid. Und man kann annehmen, dass die neue Generation Schulkinder noch überzeugter von sich sein wird. Heute wird in den Schulen gelehrt, dass es eine Antwort auf jede Frage gibt; erst im wahren Leben erkennen die Jugendlichen, dass vieles im Leben ungewiss und geheimnisvoll ist und der Mensch manches einfach nicht weiß. Wenn man Gelegenheit hatte, in der freien Natur zu spielen, wenn man von einem Käfer mit stinkendem Sekret bespritzt wurde, wenn man erlebt hat, wie die Farbe eines Schmetterlingsflügels an den Fingern haften bleibt, wenn man gesehen hat, wie eine Raupe ihren Kokon spinnt, bekommt man ein Gefühl für das Geheimnisvolle und Ungewisse. Je mehr man beobachtet, desto geheimnisvoller wirkt die Natur und desto mehr erkennt man, wie wenig man eigentlich weiß. Neben der Schönheit lernt man, dass es in der Natur auch Fruchtbarkeit gibt, Verschwendung, Aggressivität, Rücksichtslosigkeit, Schmarotzertum und Gewalttätigkeit - Eigenschaften, die in den Lehrbüchern vernachlässigt werden.
Die wichtigste Lehre, die man aus der direkten Erfahrung zieht, ist vermutlich die, dass die Natur mit all ihren Elementen und Verbindungen ein komplexes System darstellt, das man nicht verstehen, geschweige denn vorhersehen kann. Man macht sich etwas vor, wenn man sich so benimmt, als ob man es könnte, so wie jemand, der glaubt, er könnte die Entwicklung am Aktienmarkt vorhersehen, der ein ähnlich komplexes System darstellt. Wenn jemand behauptet, er könne den Kurs einer Aktie vorhersagen, wissen wir, dass er entweder ein Betrüger oder ein Scharlatan ist. Wenn ein Umweltschützer ähnliche Behauptungen über die Natur oder ein Ökosystem aufstellt, haben wir noch nicht gelernt, in ihm einen falschen Propheten oder einen Dummkopf zu sehen.
Der Mensch interagiert sehr erfolgreich mit komplexen Systemen. Das tun wir ständig. Aber wir interagieren mit ihnen, ohne zu behaupten, dass wir sie verstehen. Manager interagieren mit dem System: Sie tun etwas, warten die Reaktion ab und tun dann etwas anderes, um das gewünschte Resultat zu erzielen. Ein sich ständig wiederholender Prozess, bei dem man zugibt, dass man nicht sicher wissen kann, wie das System reagieren wird - man muss abwarten und schauen, was kommt. Wir haben vielleicht eine Ahnung. Vielleicht haben wir sogar meistens recht. Aber wir können uns nie sicher sein. Im Umgang mit der Natur ist uns Gewissheit verwehrt. Und das wird auch immer so bleiben.
Wie können junge Menschen nun Erfahrungen in der freien Natur sammeln? Idealerweise bei einem Aufenthalt im tropischen Regenwald - diesem enormen, unwirtlichen, beunruhigenden und faszinierenden Gebiet, das uns schnell eines Besseren belehrt, was unsere vorgefassten Meinungen betrifft.
Unvollendeter Text Michael Crichton, 28. September 2008
Prolog
NANIGEN
9. OKTOBER, 23:55 UHR
Westlich von Pearl Harbor fuhr er durch die im Mondlicht dunkelgrün schimmernden Zuckerrohrfelder den Farrington Highway hinunter. Das hier war zwar seit Langem die Ackerbaugegend der Insel Oahu, in letzter Zeit jedoch hatte sich einiges geändert. Auf der linken Seite hoben sich die silbern glänzenden flachen Stahldächer des neuen Kalikimaki Industrial Park von ihrer grünen Umgebung ab. Marcos Rodriguez wusste jedoch, dass es mit der Industrie in diesem Gewerbegebiet nicht weit her war. Die meisten Gebäude waren billig zu mietende Lagerhäuser. Außerdem gab es dort noch ein Schiffsbedarfsgeschäft, einen Mann, der maßgefertigte Surfbretter herstellte, ein paar Maschinenwerkstätten und eine Schlosserei. Das war so ziemlich alles.
Und dann war da noch das, weswegen er heute Nacht hier war: Nanigen MicroTechnologies, ein neues Unternehmen, das gerade erst vom Festland hierhergezogen war und seinen Sitz jetzt in einem großen Gebäude am äußersten Ende des Gewerbegebiets hatte.
Rodriguez bog von der Hauptstraße ab und fuhr die dunkel und still daliegenden Geschäftsbauten entlang. Es war fast Mitternacht. Das Industriegelände war menschenleer. Er parkte vor Nanigen.
Von außen sah das Nanigen-Gebäude wie alle anderen aus: eine einstöckige Stahlfassade und ein flaches Wellblechdach. Im Grunde war es nur ein riesiger, billig und schnell errichteter Kasten. Rodriguez wusste jedoch, dass dies beileibe nicht alles war. Vor dem Bau hatte das Unternehmen ein tiefes Loch in das Lavagestein graben lassen und dieses mit einer Menge elektronischer Geräte gefüllt. Erst danach hatte man diese unscheinbare Fassade errichtet, die jetzt von dem feinen roten Staub bedeckt war, der von den benachbarten Äckern herüberwehte.
Rodriguez zog seine Gummihandschuhe an und steckte seine Digitalkamera mit ihrem Infrarotfilter in die Tasche. Dann stieg er aus. Er trug die Uniform eines Sicherheitsunternehmens. Er zog sich die Mütze tief ins Gesicht, falls irgendwelche Kameras die Straße überwachen sollten. Er holte den Schlüssel heraus, den er einige Wochen zuvor dieser Nanigen-Empfangsdame stibitzt hatte, nachdem sie von ihrem dritten Blue-Hawaii-Cocktail außer Gefecht gesetzt worden war. Er hatte ihn nachmachen lassen und ihr danach wieder in die Handtasche gesteckt, bevor sie aufgewacht war.
Von ihr hatte er auch erfahren, dass das Nanigen-Gebäude voller Laboratorien und Hightech-Einrichtungen steckte, die insgesamt eine Fläche von 3700 Quadratmetern einnahmen. Sie meinte, sie würden dort Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Robotik durchführen. Was genau sie erforschten, konnte sie jedoch nicht sagen, außer dass die Roboter extrem klein waren. »Die untersuchen da Chemikalien und Pflanzen«, sagte sie etwas vage.
»Dafür braucht man Roboter?«
»Anscheinend.« Sie zuckte die Achseln.
Sie hatte ihm jedoch auch erzählt, dass das Gebäude selbst keine Sicherheitseinrichtungen hatte. Keine Alarmanlage, keine Bewegungsmelder, keine Wachleute, Kameras oder Laserstrahlen. »Und was benutzen sie stattdessen?«, fragte er nach. »Hunde?«
Die Empfangsdame schüttelte den Kopf. »Nichts«, sagte sie. »Nur ein Schloss an der Vordertür. Sie sagen, sie kämen ohne Sicherheitsmaßnahmen aus.«
Rodriguez begann zu vermuten, dass Nanigen ein Schwindelunternehmen oder irgendein Steuerbetrug war. Keine Hightech-Firma würde sich in einem staubigen Lagerhaus niederlassen, das dermaßen weit von der Stadtmitte und der Universität von Honolulu entfernt lag, von der alle Hightech-Unternehmen ihre Forschungskräfte bezogen. Wenn Nanigen also einen solch abgelegenen Flecken gewählt hatte, musste es etwas zu verbergen haben.
Diese Meinung teilte im Übrigen auch sein Kunde. Deswegen hatte man Rodriguez überhaupt erst diesen Auftrag erteilt. Eigentlich war die Untersuchung von Hightech-Unternehmen nicht gerade sein gewöhnliches Betätigungsfeld. Meist riefen ihn Anwälte an und ließen ihn irgendwelche Ehemänner fotografieren, die in Waikiki ihre Frauen betrogen. Auch in diesem Fall hatte ihn ein örtlicher Anwalt angeheuert: Willy Fong. Aber Fong war nicht sein eigentlicher Auftraggeber. Er wollte ihm auch nicht sagen, wer es war.
Rodriguez hatte allerdings seine Vermutungen. Nanigen hatte sich angeblich aus Schanghai und Osaka Elektronik im Wert von vielen Millionen Dollar kommen lassen. Einige dieser Lieferanten wollten jetzt wohl wissen, was man mit ihren Erzeugnissen hier so anstellte. »Sind das die, Willy? Die Chinesen oder die Japaner?«
Willy Fong zuckte die Achseln. »Sie wissen doch, dass ich Ihnen das nicht erzählen kann, Marcos.«
»Aber das Ganze ergibt doch keinen Sinn«, hatte Rodriguez gemeint. »Der Laden hat keine Sicherheitseinrichtungen. Ihre Auftraggeber könnten also einfach in der Nacht das Schloss knacken, da reingehen und selbst nachschauen. Dazu brauchen die mich doch nicht.«
»Sie wollen den Job also nicht?«
»Ich will nur wissen, worum 's hier eigentlich geht.«
»Die wollen, dass Sie in dieses Gebäude gehen und ein paar Fotos für sie machen. Das ist alles.«
»Mir gefällt das Ganze nicht. Ich glaub, das ist irgendein Beschiss.«
»Wahrscheinlich haben Sie recht.«
Willy schaute ihn müde an, als wolle er sagen: Das kann Ihnen doch egal sein. »Wenigstens wird niemand vom Esstisch aufstehen und Ihnen aufs Maul hauen.«
»Stimmt.«
Willy schob seinen Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor seinem ausladenden Bauch. »Also, was ist jetzt, Marcos? Nehmen Sie den Auftrag an oder nicht?«
Als Rodriguez jetzt genau um Mitternacht auf die Eingangstür zuging, wurde er plötzlich nervös. Sie kommen ohne Sicherheitsmaßnahmen aus. Was zum Teufel bedeutete das? Heutzutage hatte doch jeder Sicherheitseinrichtungen - eine Menge Sicherheitseinrichtungen. Vor allem hier in der Umgebung von Honolulu. Es blieb einem ja gar nichts anderes übrig.
Das Gebäude hatte keine Fenster, nur eine einzige Metalltür. Neben ihr hing ein Schild: NANIGEN MICROTECHNOLOGIES, INC. Und darunter: NUR NACH VEREINBARUNG.
Er steckte den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn um. Die Tür öffnete sich.
Viel zu einfach, dachte er, während er auf die völlig leere Straße zurückschaute. Dann schlüpfte er in das Gebäude.
Nachtlampen beleuchteten einen von Glaswänden umgebenen Eingangsbereich, eine Empfangstheke und einen Warteraum mit Sofas, Zeitschriften und Informationsmaterial über das Unternehmen. Rodriguez schaltete seine Taschenlampe ein und ging den dahinterliegenden Gang hinunter. An dessen Ende befanden sich zwei Türen. Als er durch die erste trat, gelangte er in einen weiteren von Glaswänden eingefassten Gang. Auf beiden Seiten lagen Labore mit langen schwarzen Arbeitstischen, auf denen eine Menge Forschungsutensilien zu sehen waren. In den Wandregalen waren unzählige Flaschen und Fläschchen nebeneinander aufgereiht. Etwa alle zehn Meter summte ein Edelstahlkühlschrank und stand etwas, das wie eine Waschmaschine aussah.
Von Nachrichtenzetteln übersäte Anschlagtafeln, Post-its auf den Kühlschränken und mit Formeln vollgekritzelte Weißwandtafeln - alles ziemlich chaotisch, für Rodriguez jedoch ein deutliches Zeichen dafür, dass es sich hier um eine echte Firma handelte und dass Nanigen hier wirklich wissenschaftliche Arbeiten verrichtete. Wofür sollten die Roboter benötigen?
Und dann sah er sie endlich. Diese Roboter sahen jedoch äußerst seltsam aus: kastenförmige, silbern glänzende Metallapparaturen mit mechanischen Armen, Antriebssystemen und wie Gliedmaßen aussehenden Anhängseln. Sie erinnerten am ehesten an die Rover, die man zum Mars geschickt hatte. Es gab sie in den unterschiedlichsten Formen und Größen. Einige waren gerade einmal so groß wie eine Schuhschachtel, andere jedoch weit größer. Dann bemerkte er, dass neben jedem Roboter eine kleinere Version seiner selbst stand. Und daneben eine noch kleinere. Schließlich waren sie nur noch so groß wie ein Zehennagel, schienen jedoch bis in die kleinste Kleinigkeit eine exakte, winzige Kopie des jeweils größten Geräts zu sein. Auf den Arbeitstischen waren riesige Vergrößerungsgläser installiert, die den Laborarbeitern offensichtlich eine genaue Betrachtung der Roboter ermöglichen sollten. Rodriguez wunderte sich, wie man so etwas Winziges überhaupt bauen konnte.
Am Ende des Gangs traf er auf eine Tür, auf deren kleinem Schild TENSORKERN stand. Als er sie aufstieß, wehte ihm ein kühler Luftzug entgegen. Der Raum dahinter war groß und dunkel. An der rechten Wand hing an starken Haken eine ganze Reihe von Rucksäcken, als ob sie auf einen längeren Campingausflug warteten. Sonst war der Raum völlig leer. Als einziges Geräusch war ein lautes Wechselstrombrummen zu hören. Er bemerkte, dass in den Boden tiefe Rillen eingeritzt waren, die jeweils ein Sechseck ergaben. Oder handelte es sich dabei vielleicht um sechseckige Bodenplatten? Bei diesem schwachen Licht konnte er das nicht genau erkennen.
Aber dann wurde ihm plötzlich bewusst, dass es unter diesem Boden noch etwas gab. Eine riesige, komplexe Anlage aus sechseckigen Röhren und Kupferdrähten, kaum zu erkennen. Der Boden bestand aus Kunststoff, durch den man die in den Erdboden eingesenkten elektronischen Installationen wahrnehmen konnte.
Rodriguez kniete sich hin, um das Ganze besser betrachten zu können. Als er auf die unter ihm liegenden Sechsecke starrte, sah er plötzlich, wie ein Blutspritzer auf den Plastikboden tropfte. Und dann noch einer. Er starrte sie an, bevor er sich schließlich mit der Hand an die Stirn griff. Er blutete direkt über seiner rechten Augenbraue.
»Was zum Teufel -« Irgendwo musste er sich geschnitten haben. Er hatte überhaupt nichts gespürt, aber da war Blut auf seinem Handschuh, und aus seiner Augenbraue tropfte immer noch Blut herunter. Einige Sekunden lang stand er ganz ruhig da. Das Blut lief ihm über die Wange, das Kinn und dann hinunter auf seine Uniform. Er hielt sich die Hand an die Stirn und rannte in das nächstliegende Labor zurück, um dort nach einem Kleenex oder einem Stofftuch zu suchen. Er fand eine Schachtel mit Papiertaschentüchern und ging zu einem Waschbecken hinüber, über dem ein kleiner Spiegel angebracht war. Er tupfte sein Gesicht ab. Die Wunde hatte bereits aufgehört zu bluten. Der Schnitt war klein, aber rasiermesserscharf. Er wusste nicht, wie das passiert war. Am ehesten erinnerte ihn die Verletzung an eine Papierschnittwunde.
Er schaute auf die Uhr. Zwanzig nach zwölf. Zeit, sich wieder an die Arbeit zu machen. Einen Augenblick später sah er, wie sich längs seines Handrückens vom Handgelenk bis zu den Fingerknöcheln ein tiefer roter Riss auftat. Die Haut öffnete sich und begann zu bluten. Rodriguez schrie entsetzt auf. Er schnappte sich noch ein paar Kleenex und dazu noch ein neben dem Waschbecken hängendes Handtuch.
Er riss ein Stück davon ab und wickelte es sich um die Hand. Plötzlich fühlte er einen scharfen Schmerz an seinem Bein. Als er hinunterschaute, sah er, dass seine Hosen bis auf halbe Schenkelhöhe aufgeschnitten waren. Gleichzeitig spürte er, wie das Blut jetzt auch seine Beine hinunterfloss.
Rodriguez hatte genug. Er drehte sich um und machte sich davon.
So schnell es ihm sein verletztes Bein erlaubte, humpelte er durch den Gang zur Eingangstür zurück. Es war ihm wohl bewusst, dass man ihn anhand der Blutspuren, die er hier hinterließ, später leicht identifizieren könnte, aber das war ihm völlig egal. Er wollte nur noch weg von hier.
...
Übersetzung: Michael Bayer
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2012
by Karl Blessing Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
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Autoren-Porträt von Michael Crichton
Michael Crichton wurde 1942 in Chicago geboren und studierte in Harvard Medizin. Crichton, der seit Mitte der Sechzigerjahre Romane schrieb, griff immer wieder gekonnt neueste naturwissenschaftliche und technische Forschungen auf. Für die international erfolgreiche Serie "Emergency Room" schrieb er das Drehbuch. Seine Thriller wurden auch als Filme weltweite Erfolge, über siebenundzwanzig Romane und hundert Millionen verkaufte Bücher stehen für sein Werk. Im November 2008 starb Michael Crichton im Alter von 66 Jahren.Richard Preston ist der Autor verschiedener Tatsachen-Thriller. u.a. des internationalen Bestsellers Hot Zone. Er schreibt seit 1985 für den New Yorker und lebt in der Nähe von New York City.
Bibliographische Angaben
- Autor: Michael Crichton
- 2012, 1, 543 Seiten, Maße: 13,5 x 21,5 cm, Gebunden, Deutsch
- Mitarbeit: Preston, Richard; Übersetzung: Bayer, Michael
- Übersetzer: Michael Bayer
- Verlag: Blessing
- ISBN-10: 3896674293
- ISBN-13: 9783896674296
Rezension zu „Micro “
"Auch der letzte Michael Crichton ist einer dieser Thriller, die man in einer Nacht verschlingen muss."
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