Missing
Winter in Belham: Die sechsjährige Sarah geht zusammen mit ihrem Vater am Hügel Schlitten fahren. Doch dort ist die halbe Stadt versammelt und schon bald verliert Mike Sullivan seine kleine Tochter aus den Augen. Sarah bleibt verschwunden....
Winter in Belham: Die sechsjährige Sarah geht zusammen mit ihrem Vater am Hügel Schlitten fahren. Doch dort ist die halbe Stadt versammelt und schon bald verliert Mike Sullivan seine kleine Tochter aus den Augen. Sarah bleibt verschwunden.
Fünf Jahre später: Francis Jonah liegt im Sterben. Angeblich soll er Sarah und einige andere Mädchen entführt haben. Doch seine Schuld konnte nie bewiesen werden. Mike glaubt nicht an Sarahs Tod und bemüht sich nun verzweifelt, Francis zum Reden zu bringen, bevor er stirbt. Und dann verschwindet erneut ein Mädchen.
Es ist Winter in Belham. Die sechsjährige Sarah wünscht sich nichts sehnlicher als eine Schlittenfahrt auf dem Hügel. Die halbe Stadt ist dort und Mike Sullivan verliert seine Tochter bald aus den Augen.
Sie bleibt verschwunden.
Fünf Jahre später liegt der ehemalige Priester Francis Jonah im Sterben. Er soll Sarah und noch mehrere andere Mädchen entführt haben. Nachzuweisen war ihm aber nie etwas. Mike glaubt nicht an den Tod seiner Tochter. In einem verzweifelten Wettlauf mit der Zeit bemüht er sich, den Sterbenden zum Reden zu bringen.
"MISSING ist erschütternd, fesselnd, herzergreifend, wunderbar geschrieben und vermutlich DER Bestseller in diesem Jahr." (Harlan Coben)
Missing von Chris Mooney
1. Kapitel
Wahrscheinlich war es die Warnung vor einem weiteren Schneesturm aus Nordost, die ihn an seine Mutter denken ließ. Es hatte schon am Morgen, einem Freitag, leicht zu schneien begonnen, als er und Bill nach Wellesley gefahren waren, um dort den Ausbau eines Hauses für eine frischgeschiedene Frau zu übernehmen, der offenbar jede Menge Geld und Zeit zur Verfügung standen. Am Mittag meldete der Nachrichtensender WBZ, dass eine schwere Sturmfront aufziehe, die gegen Samstagabend das östliche Massachusetts erreicht haben und bis zu vierzig Zentimeter Schnee mit sich bringen werde. Als Bill und Mike dies hörten, beschlossen sie, vorzeitig Feierabend zu machen und mit den Mädchen Schlitten fahren zu gehen.
Jess war in der Küche. Sie hielt ein schnurloses Telefon zwischen Ohr und Schulter geklemmt und verstaute einen Stapel Ordner, die auf dem Tisch lagen, in einem Pappkarton. Sie trug wie fast immer einen schwarzen Hosenanzug, und der breite Kragen ihres weißen Hemdes war über das Revers wie ein Flügelpaar ausgespannt, um die neue Perlenkette, die er ihr zum Geburtstag geschenkt hatte, zur Geltung zu bringen. Jess stand dem Organisationskomitee des Handarbeitsbasars vor, den die Gemeinde von St. Stephen alljährlich zu Beginn des Frühlings ausrichtete, um Geld für eine Kindertagesstätte zu sammeln. Ihre wichtigste Mitstreiterin war wegen eines erkrankten Familienmitglieds kurzfristig ausgefallen, sodass Jess nun sämtliche Vorbereitungen für den Basar, der schon in sieben Wochen stattfinden sollte, allein treffen musste.
Sie hob den Blick und wunderte sich offenbar, dass Mike schon wieder zu Hause war.
«Wir haben früher Schluss gemacht», flüsterte er, gab ihr einen Kuss auf die Stirn und holte sich ein Heineken aus dem Kühlschrank.
«Darüber sollten wir uns noch einmal ausführlicher unterhalten.» Jess beendete das Telefonat. Sie schien verärgert zu sein.
Mike fragte: «Findet dieses Treffen bei Pater Jack noch statt?»
«Ja. Wie sieht's draußen aus?»
«Die Straßen sind frei, der Räumdienst ist im Einsatz.»
Jess nickte und seufzte. «Shirley wird sich wohl verspäten – sie hat Probleme mit dem Auto. Aber da du schon wieder hier bist, könntest du ja auf Sarah aufpassen, wenn sie gleich gebracht wird.»
«Natürlich. Wann wirst du zurück sein?» «Wahrscheinlich nicht vor sieben.»
«Soll ich was fürs Abendessen besorgen?»
«Es sind schon ein paar Steaks aufgetaut; sie liegen im Kühlschrank. UM den Rest kümmere ich mich, wenn ich wieder da bin.» Jess griff nach Handtasche und Mantel und eilte durch die Hintertür zur Garage.
Zehn Minuten später saß Mike auf der Couch im Wohnzimmer und las die aktuelle Ausgabe der Globe. Er hatte sein zweites Bier fast leer getrunken, als er den roten Honda Civic von Shirley Chambers in die Einfahrt einbiegen sah. Sarah war sechs Jahre alt, die Kleinste in ihrer Klasse, und als Mike sie mit ihrem kleinen Rucksack auf dem Rücken auf die Haustür zulaufen sah – sie winkte Mrs Chambers mit der einen Hand zum Abschied und schob mit der anderen die Brille zurecht –, fragte er sich, wann seine Tochter wohl endlich einen Schuss in die Länge machen und zu ihren Mitschülern der ersten Klasse aufschließen würde.
Als die Haustür aufging, kam Fang, der schon kräftig gewordene Bulldoggenwelpe, den Sarah zu Weihnachten geschenkt bekommen hatte, die Treppe heruntergerannt. Mike stand auf und eilte in den Flur, doch dort war das gut dreißig Pfund schwere Kraftpaket bereits in freudiger Begrüßung über Sarah hergefallen. Die Kleine saß auf ihren vier Buchstaben und schrie.
«Alles okay, Sarah, ich hab ihn.» Mike hielt Fang im Arm, der aufgeregt mit dem Schwanz wedelte und laut grunzend mit der Zunge über Mikes Kinn schleckte. Sarah suchte mit verschwommenem Blick den Boden ab.
«Meine Brille, Daddy.»
«Was habe ich dir denn beigebracht?»
«Ich brauche meine Brille», sagte Sarah mit zitternden Lippen. «Ohne sie kann ich nichts sehen.»
Jess eilte ihrer Tochter in solchen Fällen immer zur Hilfe, und es kam häufig vor, dass der Kleinen die Brille von der Nase rutschte, dass sie stürzte oder sich den Kopf stieß. Jess war jedes Mal sofort zur Stelle, um sie auf den Arm zu nehmen. Nicht so Mike. Er wusste, wie hart das Leben zuschlagen konnte, und dass dann immer jemand da sein würde, der half oder tröstete, war nicht zu erwarten.
«Daddy, hilf mir ...»
«Willst du mit Paula Schlitten fahren?»
Ihre Lippen hörten zu zittern auf. Sarah hockte still auf dem Boden.
«Also dann», sagte Mike. «Dafür brauchst du deine Brille. Eben hattest du sie noch auf, stimmt's?»
«Ja.»
«Sie kann also nicht weit weg sein.»
«Aber was, wenn ...»
«Du schaffst das auch allein. Beruhige dich und tu, was ich dir gezeigt habe. Du bist doch ein großes Mädchen, oder?»
Blinzelnd suchte Sarah den Boden ab, tastete mit den Händen über die Dielen und fand wenig später ihre Brille vor der Garderobentür. Sie setzte sie auf und strahlte übers ganze Gesicht.
«Na bitte», meinte Mike. Er ließ den Welpen laufen und sagte seiner Tochter, sie solle sich eines ihrer Videos anschauen, denn er wollte jetzt schnell unter die Dusche springen. Als er nach oben ging, klingelte das Telefon. Am Apparat im Schlafzimmer nahm er den Anruf entgegen.
«Ich bin gerade losgefahren», meldete sich Bill. «Wenn du willst, komm ich vorbei und nehme euch mit.»
«Ja, ich will nur eben noch duschen.»
«Bin in fünf Minuten da.»
Mike hatte nicht ahnen können, dass Jess zurückkehren würde, um die vergessenen Ordner zu holen, die noch in dem Karton auf dem Küchentisch standen. Als er den Wasserhahn zudrehte, hörte er aufgebrachte Stimmen.
«Aber Dad hat gesagt, wir würden Schlitten fahren», rief Sarah.»
«Und ich sage nein.»
Verflixt. Mike trat aus der Dusche, langte nach einem Handtuch und trocknete sich schnell ab.
«Aber warum?»
Sag ihr die Wahrheit, Jess. Sag ihr, du willst nicht, dass sie Schlitten fährt oder vom Sprungbrett springt, auf dem Jet-Ski mitfährt oder auf Bäume klettert, denn Spaß zu haben ist immer auch riskant, und Risiko bedeutet Gefahr, und Gefahren lauern an jeder Straßenecke und warten nur darauf alle zu bestrafen, die nicht achtsam genug sind. ,So wie damals deinen Vater, stimmt's? Hätte er auf die Straße achtgegeben, anstatt am Autoradio herumzufummeln, wäre ihm rechtzeitig aufgefallen, dass ihm ein betrunkener Fahrer auf der falschen Spur entgegenkommt.
Jess sagte: «Du fährst nicht Schlitten. Basta.»
«Aber Dad hat versprochen ...»
«Noch ein Wort, und du gehst ins Bett.»
Mike hörte, wie Sarah aus der Küche und ins Wohnzimmer stürmte. Er zog sich frische Boxershorts an und stieg gerade in seine Jeans, als Jess mit laut klappernden Stiefelabsätzen das Haus verließ.
Die Tür zur Garage fiel ins Schloss. Mike knöpfte die Hose zu, hastete auf bloßen Füßen und mit blanker Brust hinunter und stellte sich Jess in den Weg, die gerade rückwärts aus der Garage fahren wollte. Sie starrte ihn an und kurbelte das Seitenfenster ihres Explorers herunter.
«Ich hätte mir denken können, dass du mir in den Rücken fällst», sagte sie.
«Was letzten Monat passiert ist, war ein Unfall.» «Michael, sie hätte sich fast den Schädel aufgeschlagen.» «Es war nur eine Beule, weiter nichts. Erinnere dich, der Arzt hat nicht einmal eine Gehirnerschütterung feststellen können.»
«Ich will nicht, dass sie auf den Hill geht. Es wimmelt da nur so von Rabauken, und sie ist so klein. Du weißt, wie ich darüber denke, und solltest Rücksicht darauf nehmen.»
«Ich nehme Rücksicht auf dich, gleichzeitig aber auch auf Sarah.»
«Wenn du mit ihr hier vorm Haus Schlitten fahren möchtest, schön, aber sie wird nicht auf den Hill gehen.» Jess legte den Gang ein und fuhr aus der Garage.
Mike schaute ihr nach, und wieder musste er daran denken, wie sehr sie trotz ihres geschäftsmäßigen Outfits, das sie wie eine Rüstung trug, trotz der Perlen und Designerschuhe immer noch jenem Highschool-Mädchen glich, in das er sich damals verliebt hatte. Sie trug ihre aschblonden, langen Haare immer noch offen, machte in Jeans nach wie vor eine tolle Figur und vermochte es wie eh und je, ihm das Gefühl zu geben, der wichtigste Mann der Welt zu sein. Doch welche Kämpfe sie im Inneren mit sich ausfocht, blieb ihm ein Rätsel.
© Rowohlt Verlag
Übersetzung: Michael Windgassen
- Autor: Chris Mooney
- 2009, 2. Aufl., 384 Seiten, Maße: 11,3 x 18,8 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Windgassen, Michael
- Übersetzer: Michael Windgassen
- Verlag: Rowohlt TB.
- ISBN-10: 3499247194
- ISBN-13: 9783499247194
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