Mord in Dorchester Terrace
Ein Thomas-Pitt-Roman. Deutsche Erstausgabe
London 1896: Der frisch ernannte Geheimdienstchef Thomas Pitt hat gut zu tun: Umstürzler planen ein Attentat, ein Verräter in Pitts Behörde betreibt seinen Sturz und eine Frau im noblen Dorchester Terrace wird ermordet. Als Pitt
gewisse...
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Produktinformationen zu „Mord in Dorchester Terrace “
London 1896: Der frisch ernannte Geheimdienstchef Thomas Pitt hat gut zu tun: Umstürzler planen ein Attentat, ein Verräter in Pitts Behörde betreibt seinen Sturz und eine Frau im noblen Dorchester Terrace wird ermordet. Als Pitt
gewisse Zusammenhänge
erkennt, ist es fast zu spät.
Klappentext zu „Mord in Dorchester Terrace “
Verrat und Intrigen im viktorianischen LondonLondon 1896: Gerade ist Thomas Pitt zum Chef des Geheimdienstes aufgestiegen, da überstürzen sich schon die Ereignisse: Ein wichtiger österreichischer Diplomat kommt auf Staatsbesuch und Umstürzler planen ein Attentat. Ein Verräter in Pitts Behörde betreibt seinen Sturz. Und dann wird eine Frau im noblen Viertel Dorchester Terrace grausam ermordet. Als Pitt den erschütternden Zusammenhang zwischen den drei Fällen erkennt, ist es fast zu spät für das Königreich.
Lese-Probe zu „Mord in Dorchester Terrace “
Mord in Dorchester Terrace von Anne PerryAus dem Englischen von K. Schatzhauser
Mitte Februar wurde es früher dunkel. Pitt trat von seinem Schreibtisch zu den an der Wand angebrachten Gaslampen, um die Flammen höher zu drehen. Auch wenn er sich in seinem Büro noch nicht richtig wohlfühlte, gewöhnte er sich allmählich daran. In gewisser Weise sah er es nach wie vor als das Victor Narraways an. Und so erwartete er, als er sich dem Schreibtisch erneut zuwandte, an der Wand dahinter statt der Seestücke mit blauem Himmel, die ihm Charlotte gegeben hatte, die von seinem Vorgänger dort aufgehängten Bleistiftzeichnungen kahler Bäume zu sehen. Seine Bücher hingegen unterschieden sich nicht sonderlich von denen Narraways. Zwar befanden sich weniger Gedichtbände darunter, viel-leicht auch nicht so viele Klassiker, aber die juristischen Werke sowie die Titel zu geschichtlichen und politischen Themen waren den seinen ähnlich.
Dort, wo sich zuvor das Porträt von Narraways Mutter im Silberrahmen befunden hatte, stand jetzt Pitts Lieblingsfoto. Es zeigte außer der in die Kamera lächelnden Charlotte auch Jemima, die mit ihren dreizehn Jahren schon fast erwachsen aussah, und den zehnjährigen Daniel, der noch ein richtig weiches Kindergesicht hatte. Pitt hatte das Bild gerade erst dorthin gestellt. Zwar hatte man nach dem Fiasko von Narraways Unternehmung in Irland nichts gegen seinen Vorgänger unternommen, da er sich nichts hatte zuschulden kommen lassen, ihn aber auch nicht wieder als Leiter des Staatsschutzes ein-gesetzt, sondern stattdessen Pitt, der das Amt kommissarisch verwaltet hatte, darin bestätigt. Obwohl seither bereits mehrere Monate vergangen waren, fiel es ihm immer noch schwer, sich daran zu gewöhnen. Besonders zu schaffen machte ihm das Bewusstsein, dass die Männer, die erst seine Vorgesetzten, dann ihm gleichgestellt und
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jetzt ihm untergeben waren, die neue Situation bestenfalls unbehaglich fanden. Es hatte für sich genommen nichts zu bedeuten, dass man eine hohe Position bekleidete. Zwar konnte man mit ihr Gehorsam er-zwingen, aber keine Loyalität.
Bisher hatte man ihm widerspruchslos gehorcht. Allerdings hatte die Abteilung in den letzten Monaten lediglich mit einer Reihe vorhersehbarer Schwierigkeiten zu tun gehabt. So hatte es die übliche lautstark geäußerte Unzufriedenheit der besonders in London zahlreichen Zuwanderer gegeben, aber keine Krise. Er war nicht genötigt gewesen, eine der schwierigen Entscheidungen in Situationen zu treffen, die oft in einer Grauzone lagen und die Urteilskraft auf die Probe stell-ten. Wenn es dazu kam, mochten die Dinge anders aussehen; dann konnte es sein, dass man ihm nicht unbedingt traute und ihm vielleicht sogar Widerstand entgegensetzte.
Durch das Fenster sah er auf das bunte Muster der Dächer und die elegant gegliederte Fassade des gegenüberstehenden Gebäudes, deren Umrisse er im allmählich nachlassenden Licht nach wie vor erkennen konnte. Der helle Schein der Straßenlaternen drängte sich immer mehr in den Vordergrund.
Er erinnerte sich an Narraways ernstes und müdes Gesicht, in das tiefere Falten als zuvor eingegraben waren. Das war kein Wunder. Immerhin hatte er in einer schwierigen Angelegenheit den Versuch unternehmen müssen, Schmach und Schande von sich abzuwenden, und litt wohl auch noch unter den seelischen Nachwirkungen dessen, was er in Irland durchgemacht hatte. Auch wusste Pitt inzwischen, was Narraway für Charlotte empfand, doch hatten dessen dunkle Augen wie immer so gut wie nichts von seinen Gefühlen preisgegeben.
»Sie werden Fehler begehen«, hatte er in der Stille jenes Büros gesagt, in dem sie mit dem Blick auf den Himmel und die Dächer allein gewesen waren. »Sie werden zögern, tätig zu werden, wenn Ihnen bewusst ist, dass Sie im Begriff stehen, Menschen Schmerzen zuzufügen, wenn nicht gar, sie zu vernichten. Zaudern Sie in solchen Fällen nicht zu lange. Sie werden Menschen falsch einschätzen - Sie hatten schon immer den Hang, von Angehörigen höherer Kreise besser zu denken, als angebracht wäre. Verlassen Sie sich um Gottes willen auf Ihren Instinkt, Pitt. Mitunter wird Ihr Handeln schwerwiegende Folgen haben. Damit müssen Sie leben. Ihr Wert für den Staatsschutz bemisst sich danach, dass Sie nur wenige Fehler machen und aus jedem von ihnen etwas lernen. Auf keinen Fall dürfen Sie Entscheidungen ausweichen - das wäre der schlimmste Fehler von allen.«
Sein Gesicht war bei diesen Worten düster gewesen, über-schattet von Erinnerungen. »Es zählen nicht nur die Entscheidungen, die Sie treffen, sie müssen auch im richtigen Augen-blick getroffen werden. Allein Sie entscheiden darüber, was jeweils zu tun ist. In einer Situation, die dazu angetan ist, den Frieden und die Sicherheit des Landes zu gefährden, kann das alles Mögliche sein.«
Er hatte nicht »Gott möge Ihnen helfen« hinzugefügt, ob-wohl es dazu sicherlich Grund gegeben hatte. Dann war ein Ausdruck in seine Augen getreten, in dem sich leiser Spott, Mitgefühl wegen der vor Pitt liegenden schweren Aufgabe, Neid und Bedauern darüber mischten, dass man ihn gezwungen hatte, das alles aufzugeben, und er selbst diese Auf-gabe nicht mehr ausführen durfte. Ihm würde die damit verbundene Erregung fehlen, und es ärgerte ihn, dass sein scharfer Geist nicht mehr gefragt war.
Natürlich war Pitt seither mit ihm zusammengetroffen, aber jeweils nur flüchtig. Es hatte den einen oder anderen gesellschaftlichen Anlass gegeben, Unterhaltungen, wie sie die Höflichkeit gebot, aber ohne Substanz. Die Frage, wie der je-weils andere lernte, sich in seine neue Rolle zu fügen und sich ihr anzupassen, blieb unausgesprochen.
Pitt setzte sich wieder an seinen Schreibtisch und wandte seine Aufmerksamkeit erneut den Papieren darauf zu.
Es klopfte. Kaum hatte er »Herein« gerufen, als Stoker ein-trat. Dank des Irland-Abenteuers im Vorjahr war er in der Abteilung der Einzige, von dem Pitt wusste, dass er sich mit Sicherheit auf ihn verlassen konnte.
»Ja?«, sagte er, als Stoker ihm gegenüber stehen blieb. Auf dem hageren Gesicht des Mannes lag unverkennbar ein Aus-druck von Besorgnis und Unbehagen.
»Hutchins hat einen Bericht aus Dover geschickt, Sir. Er hat gesehen, dass ein paar verdächtige Leute mit der Fähre vom Kontinent rübergekommen sind. Unruhestifter. Nicht die übliche Art, die politische Brandreden schwingt, sondern Leute, die Taten im Schilde führen. Hutchins ist ziemlich sicher, dass mindestens einer von ihnen im vorigen Jahr an der Ermordung des französischen Premierministers beteiligt war.«
Pitt spürte, wie sich seine Eingeweide verkrampften. Kein Wunder, dass Stoker besorgt wirkte. »Sagen Sie ihm, er soll zusehen, dass er absolute Sicherheit gewinnt«, sagte er. »Schicken Sie zusätzlich Barker hin. Sorgen Sie dafür, dass man die Züge von Dover nach London im Auge behält. Wir müssen wissen, ob einer von denen herkommt und mit wem er Verbindung aufnimmt.«
»Vielleicht steckt ja nichts dahinter«, sagte Stoker, doch es klang nicht überzeugend. »Hutchins neigt dazu, übervorsichtig zu sein.«
Pitt holte schon Luft, um zu sagen, dass genau das Hutchins' Aufgabe sei, überlegte es sich dann aber anders. Stoker wusste das ebenso gut wie er. Er sollte nicht immer so viel erklären. »Behalten Sie die Leute einfach im Auge. Hutchins und Barker genügen in Dover dafür. Halten Sie mich auf dem Laufenden, wenn es etwas Neues gibt.«
»Sehr wohl, Sir.«
»Danke.«
Stoker wandte sich um und ging. Pitt blieb eine Weile reg-los sitzen. Würde sich die Polizei oder der Geheimdienst Frank-reichs an ihn wenden, sofern es sich tatsächlich um einen der Mörder des Premierministers handelte? Würde man seine Hilfe erbitten oder sich den Mann selbst vornehmen? Viel-leicht erhofften sich die Franzosen von ihm Angaben über andere Anarchisten. Ebenso gut war es aber auch möglich, dass sie für den Mann einen Unfall arrangierten und dafür sorgten, dass die Geschichte nie an die Öffentlichkeit gelangte. In diesem Fall war es für den englischen Staatsschutz besser, sich ganz aus der Sache herauszuhalten. Es würde genügen, später darüber nachzudenken, ob man sich mit Paris sozusagen unter vier Augen austauschte. Diese Art von Entscheidung, bei der man sich vor hohe und nur schwer zu erfüllende moralische Anforderungen gestellt sah, hatte Narraway gemeint, als er von Grauzonen sprach.
Pitt beugte sich erneut über die Papiere, an denen er arbeitete.
Für den Abend war ein Empfang vorgesehen, an dem rund hundert wichtige Persönlichkeiten aus Politik und Gesell schaft teilnehmen würden. Angeblich wollte man sich das neueste Wunderkind anhören, das einige Salonstücke auf der Geige zum Besten geben sollte, doch ging es in Wahrheit darum, heikle Informationen über Veränderungen der Macht-verhältnisse auszutauschen, was während der Dienststunden im Büro nicht möglich war.
Kurz nach sieben Uhr betrat Pitt sein Haus in der Keppel Street. Unwillkürlich umspielte ein Lächeln seine Lippen, als ihn statt der beißenden Kälte des Windes die Wärme der Diele umgab und er den Geruch frisch gebackenen Brotes und sauberer Wäsche wahrnahm, der aus der Küche kam. Vermutlich war Charlotte oben, um sich für den gesellschaft-lichen Anlass fein zu machen. Sie hatte sich noch nicht rich-tig daran gewöhnt, dass sie wieder wie einst in Jungmädchen-tagen der Schicht angehörte, in die sie hineingeboren worden war. Damals hatte sie diese Gesellschaft mit ihrem Glanz und ihren Eifersüchteleien als seicht und oberflächlich emp-funden, sodass es sie zumindest anfangs nicht sonderlich ge-stört hatte, nicht mehr dazuzugehören. Doch obwohl sie nie etwas darüber gesagt hatte, war es Pitt stets bewusst gewesen, dass sie mitunter die Lebhaftigkeit, den sprühenden Geist und die damit verbundenen Herausforderungen vermisst hatte, wie oberflächlich auch immer sie das alles eingeschätzt haben mochte.
Minnie Maude machte sich an dem großen Küchenherd zu schaffen. Er sah, dass sich ihre Haare wie immer aus den Nadeln gelöst hatten. Kaum hörte sie seine Schritte, als sie sich umdrehte. Mit von der Hitze und möglicherweise auch vor Aufregung gerötetem Gesicht sagte sie: »Mr. Pitt, Sir, ham Se Mrs. Pitt schon geseh'n? Se sieht bezaubernd aus, wirklich. Ich hab noch nie jemand so ... « Da ihr die Worte fehlten, hielt sie ihm einen Teller mit noch heißem Käsetoast hin, den sie ihm für den Fall zubereitet hatte, dass sich die beim Emp fang gereichten Häppchen für einen hungrigen Menschen als zu dürftig erweisen sollten. Dann fiel ihr offenbar ein, dass Eile geboten war; sie stellte den Teller auf den Tisch und holte Messer und Gabel. »Ich mach Ihn'n noch schnell 'ne schöne Tasse Tee«, fügte sie hinzu. »Das Wasser kocht schon.«
»Vielen Dank«, sagte er und verbarg seine Belustigung, so gut er konnte. Minnie Maude Mudway war an die Stelle von Gracie Pipps getreten, die schon kurz nach Pitts Eheschließung als Mädchen für alles ins Haus gekommen war. Er hatte sich nach wie vor noch nicht völlig an die mit ihrem Weggang verbundenen Veränderungen gewöhnt. Aber Gracie, die inzwischen ihren eigenen Haushalt führte, hatte Min-nie Maude empfohlen. Zwar war Charlotte wie auch er mit ihrer Arbeit ausgesprochen zufrieden, doch fehlten ihm Gracies unverblümte Äußerungen zu Einzelheiten, die sie über seine Fälle gewusst hatte, ebenso wie ihre durch nichts zu er-schütternde Anhänglichkeit, die sie in keiner Weise an ihrem offen ausgesprochenen unabhängigen Urteil gehindert hatte.
Er aß schweigend. Es schmeckte ihm. Minnie Maude hatte sich rasch zu einer guten Köchin gemausert. Da ihr für Lebensmittel mehr Geld zur Verfügung stand als einst Gracie, probierte sie oft Neues aus - im Großen und Ganzen durch-aus mit Erfolg.
Er sah, dass sie auch für sich eine - deutlich kleinere - Portion gemacht hatte, doch schien sie mit dem Essen zu zögern.
»Sie brauchen nicht zu warten«, ermunterte er sie und wies auf den Herd. »Essen Sie doch, solange es warm ist.«
Sie lächelte unsicher und schien etwas sagen zu wollen, überlegte es sich dann aber anders und gab den Käsetoast auf einen Teller. Doch im nächsten Augenblick fiel ihr offenbar etwas anderes ein, und sie räumte abgewaschenes Geschirr in den Tellerschrank. Pitt nahm sich vor, bei passender Gelegenheit mit Charlotte darüber zu sprechen. Es war nicht einzu sehen, dass Minnie annahm, sie dürfe in seiner Anwesenheit nicht am Küchentisch essen. Da sie Gracies Stelle einnahm, war sie bei ihnen zu Hause.
Als er auch seinen Tee getrunken hatte, dankte er ihr und ging nach oben, um sich zu waschen, zu rasieren und umzuziehen.
Er trat ins Schlafzimmer und sah, dass Jemima dort war, die ihre Mutter bewundernd betrachtete. Verblüfft merkte er, dass sich das Mädchen die langen Haare mit Nadeln hochgesteckt hatte, als sei sie bereits erwachsen. Der Anblick erfüllte ihn mit Stolz, zugleich aber auch mit dem schmerzlichen Gefühl eines Verlusts.
»Herrlich, Mutti. Aber du siehst immer noch ein bisschen blass aus«, sagte Jemima und strich die burgunderfarbene Seide von Charlottes Kleid glatt. Dann begrüßte sie ihren Vater mit strahlendem Lächeln. »'n Abend, Papa. Du kommst gerade rechtzeitig, um nicht ganz pünktlich zu sein. Das musst du unbedingt tun, denn das ist jetzt Mode.«
»Ich weiß«, bestätigte er und wandte sich dann Charlotte zu. Minnie Maude hatte mit ihrem Urteil unbedingt recht gehabt; dennoch überraschte ihn, wie großartig Charlotte aus-sah. Es war mehr als die auf ihrem Gesicht liegende Vor-freude oder die Wärme in ihrem Blick. Die Reife hatte ihre Schönheit erst richtig zur Entfaltung gebracht; es stand ihr gut zu Gesicht. Mit ihren knapp vierzig Jahren legte sie eine Selbstsicherheit an den Tag, die ihr in jüngeren Jahren nicht zu Gebote gestanden hatte, und das verlieh ihr eine Anmut, die tiefer reichte als das, was äußerliche Verschönerung des Gesichts zu erreichen vermochte.
»Ich habe dir alles herausgelegt«, sagte sie und erwiderte seinen Blick. »Ein wenig zu spät zu kommen im Rahmen der gesellschaftlichen Konvention ist eine Sache, aber es ist etwas gänzlich anderes, wenn man den Eindruck erweckt, man habe den Weg nicht gefunden oder die Uhrzeit auf der Einladung falsch gelesen.«
Er lächelte, ohne sich die Mühe einer Antwort zu machen. Er verstand ihre Unruhe. Schließlich musste er noch damit zurechtkommen, dass er sich unversehens erneut in einer gesellschaftlichen Position befand, in die er nicht hineingeboren worden war. Sie unterschied sich deutlich von der des hochrangigen Polizeibeamten, der er früher gewesen war, denn selbst in jener Position war er letzten Endes anderen Rechenschaft schuldig gewesen. Als Leiter des Staatsschutzes hin-gegen war er, außer in ganz besonderen Fällen, sein eigener Herr, der Macht, Wissen und Verantwortung mit niemandem zu teilen brauchte.
Noch deutlicher kam ihm die geänderte Situation zu Bewusstsein, als er aus der Droschke stieg und Charlotte hinaus-half. Die eisig kalte Nachtluft biss ihnen ins Gesicht. Auf der Straße glänzte Eis, und er bemühte sich bewusst, nicht aus-zugleiten, während er Charlotte zum Gehsteig führte. Ein Stück weiter vorn hielt eine vierspännige Kutsche an. Ein livrierter Lakai sprang vom Trittbrett hinter dem Wagenkasten, um den mit einem Wappen verzierten Schlag zu öffnen. Der Atem der Pferde dampfte, und die Messingbeschläge ihres Geschirrs blitzten im Lichtschein auf, während sie sich bewegten.
Eine weitere Kutsche kam vorüber. Laut hörte man die Huf-eisen der Pferde auf dem Straßenpflaster.
Charlotte fasste Pitts Arm fester. Sie fürchtete nicht etwa, auszugleiten, sondern wollte sich seiner vergewissern, bevor sie eintraten. Er lächelte im Dunkeln und legte seine freie Hand einen Augenblick lang auf die ihre.
Die großen Türflügel öffneten sich vor ihnen. Pitt gab einem livrierten Diener seine Karte, worauf dieser ihn und Charlotte in den großen Saal führte, wo der Empfang bereits begonnen hatte.
Es war ein herrlicher Raum, den zur bemalten Decke emporstrebende Säulen und Mauerpfeiler zu beiden Seiten noch höher erscheinen ließen. Vier schwere, strahlend helle Kronleuchter hingen an Ketten von ihr herab, von denen man hätte glauben können, sie bestünden aus Gold, was natürlich nicht der Fall war.
»Bist du sicher, dass wir hier richtig sind?«, flüsterte Pitt Charlotte zu.
Sie wandte sich ihm mit beunruhigt geweiteten Augen zu, sah dann aber, dass er sie lediglich hatte necken wollen. Er war erkennbar nervös, zugleich aber auch stolz darauf, dass sie diesmal dort war, weil man ihn eingeladen hatte und nicht wie sonst ihre Schwester Emily oder ihre angeheiratete Großtante Lady Vespasia Cumming-Gould. Auch wenn es nicht viel war, was er ihr auf diese Weise nach all den Jahren des Lebens in bescheidenen Verhältnissen bieten konnte, freute er sich darüber.
Charlotte lächelte und hielt den Kopf ein wenig höher, bevor sie die Stufen hinabschritt, um sich zu den anderen zu gesellen. Nach wenigen Augenblicken waren sie von einem Wirbel aus Farben und Stimmen, gedämpftem Lachen und leisem Gläserklirren umgeben.
Die höflichen Gespräche drehten sich überwiegend um Belanglosigkeiten. Dabei ging es in erster Linie darum, den jeweils anderen unauffällig einzuschätzen. Während sich Charlotte erst mit der einen und dann einer anderen Gruppe von Gästen unterhielt, schien sie völlig in ihrem Element zu sein. Bewundernd sah Pitt, wie sie jedem zulächelte, sich interessiert gab und unaufdringlich wirkende Komplimente machte. Das gelang ihr mit einer Selbstverständlichkeit, die nachzuahmen er noch nicht wagte. Er fürchtete, dann wie jemand zu wirken, der den Versuch unternahm, sich etwas anzumaßen, was ihm nicht zustand, und das würde man ihm mit Sicherheit nie verzeihen.
Ein Staatssekretär, dessen Namen ihm entfallen war, sprach beiläufig mit ihm, und er hörte ihm zu, als interessiere ihn, was der Mann zu sagen hatte. Ein weiterer Gast trat hinzu, und das Gespräch nahm eine ernsthaftere Wendung. Pitt sagte hier und da selbst etwas, hörte aber in erster Linie zu und beobachtete die anderen.
Ihm fiel auf, dass man ihn deutlich anders behandelte als noch vor wenigen Monaten, obwohl sich noch nicht überall herumgesprochen hatte, welche Position er inzwischen bekleidete. Er freute sich, wenn man ihn in Unterhaltungen mit einbezog, und sah, dass Charlotte vor sich hin lächelte, bevor sie sich einer ziemlich fülligen Dame in Grün zuwandte und ihr wie bezaubert zuhörte.
»Ein absoluter Dummkopf, wenn Sie mich fragen«, sagte ein älterer Herr mit Nachdruck. Er sah zu Pitt hin und hob fragend eine Braue. »Ich wüsste gern, warum man den Burschen ins Innenministerium hochgelobt hat. Vielleicht ist er mit jemandem verwandt.« Lachend fügte er hinzu: »Oder er kennt ein paar finstere Geheimnisse, wie?«
Pitt lächelte zurück. Er hatte keine Ahnung, von dem die Rede war.
»Sie sind ja wohl nicht im Unterhaus, wie?«, fuhr der Mann fort. »Ich hatte nicht die Absicht, Sie zu kränken.«
»Nein«, gab Pitt mit einem Lächeln zurück.
»Dann ist es ja gut.« Der Mann war unübersehbar erleichtert. »Willoughby. Ich hab ein bisschen Land in Herefordshire, 'n paar Tausend Morgen.« Er nickte.
Pitt stellte sich seinerseits vor und beschloss nach kurzem Zögern, nicht zu sagen, was er tat.
Ein dritter Mann stieß zu ihnen. Er war schlank, wirkte elegant, hatte leicht vorstehende Schneidezähne und einen weißen Schnurrbart. »'n Abend«, sagte er in umgänglichem Ton.
»Üble Geschichte, das, in Kopenhagen, nicht wahr? Aber ich denke, die Aufregung wird sich legen, wie meistens.« Dann sah er Pitt aufmerksam an. »Ich vermute, dass Sie die Geschichte kennen.«
»Ich hab dies und jenes gehört«, räumte Pitt ein.
»Haben Sie womöglich selbst damit zu tun?«, fragte Willoughby.
»Thomas Pitt leitet den Staatsschutz«, sagte der dritte in scharfem Ton, »und weiß vermutlich mehr über uns beide als wir selbst.«
Willoughby erbleichte. »Ach, tatsächlich?« Er lächelte, doch seine Stimme klang belegt. »Viel gibt es da wohl nicht zu wissen, alter Junge.«
Pitt überlegte angestrengt, was er am besten darauf antworten konnte. Zwar konnte er es sich nicht leisten, Menschen gegen sich aufzubringen, doch war es andererseits auch nicht ratsam, seine eigene Bedeutung herunterzuspielen oder anderen den Eindruck zu vermitteln, er sei nicht ebenso im Besitz aller wichtigen Informationen, wie es sein Vorgänger Narraway gewesen war.
Er zwang sich, Willoughby anzulächeln. »Ich würde nicht so weit gehen zu sagen, dass Sie für uns nicht interessant sind, Sir, aber Sie machen uns keine Sorgen - was bei Weitem nicht dasselbe ist.«
Willoughbys Augen weiteten sich. »Wirklich?« Er schien beruhigt zu sein, beinahe zufrieden. »Na dann.«
Der andere Mann sah belustigt drein und fragte süffisant: »Sagen Sie das zu allen?«
»Ich bemühe mich, höflich zu sein.« Pitt sah ihm gerade-wegs in die Augen. »Aber manche Menschen sind nun ein-mal interessanter als andere.«
Diese Worte erfreuten Willoughby sichtlich, und er gab sich nicht die geringste Mühe, das zu verbergen. Vor Zufriedenheit strahlend nahm er ein weiteres Glas Champagner vom Tablett eines vorüberkommenden Lakaien.
Pitt ging weiter. Er übte Zurückhaltung, beobachtete viel, sagte so wenig wie möglich und bemühte sich, die gleichen nichtssagenden höflichen Worte zu verwenden wie die anderen. Das fiel ihm keineswegs leicht. Charlotte hätte die Zwischentöne bei allem Gesagten wie Ungesagten verstanden, während sich Pitt sehr viel wohler gefühlt hätte, wenn alle offen heraus gesagt hätten, was sie meinten. Doch dies war ab so-fort Bestandteil seiner Welt, auch wenn er sich in ihr wie ein Eindringling vorkam. Ihm war bewusst, dass das den selbstsicheren Menschen um ihn herum, die ihn hin und wieder anlächelten, durchaus klar war.
Kurz darauf sah er Charlotte wieder. Erleichtert und sogar mit einem gewissen Stolz, den er auch nach all diesen Jahren empfand, selbst wenn er unangebracht sein mochte, bahnte er sich seinen Weg zu ihr. Andere Frauen im Raum waren von eher herkömmlicher Schönheit und trugen prächtigere Kleider, aber in seinen Augen fehlte es ihnen an Wärme. Sie besaßen weniger Leidenschaft und Anmut, Eigenschaften, die aus dem Inneren kommen.
Sie unterhielt sich mit ihrer Schwester Emily Radley, die ein goldbesticktes Seidenkleid in einem changierenden blassen Blaugrün trug. Sie hatte in erster Ehe einen Mann gehei-ratet, auf den jede Schwiegermutter stolz gewesen wäre. Lord George Ashworth war in jeder Hinsicht das genaue Gegenteil von Pitt gewesen: Er entstammte einer erstklassigen Familie, hatte gut ausgesehen und über ein beträchtliches Vermögen verfügt, das mit seinem Tod für seinen und Emilys Sohn in treuhänderische Verwaltung übergegangen war. Nach angemessener Zeit hatte Emily Jack Radley geheiratet. Auch er sah gut aus, war sogar noch charmanter als sein Vorgänger, aber mittellos, da sein Vater, ein nachgeborener Sohn, eine Art Abenteurerleben geführt und mithin über keinerlei Vermögen verfügt hatte.
Emily hatte ihn dazu gebracht, in die Politik zu gehen und etwas aus sich zu machen. Möglicherweise hatte ihr Hang, auf andere Menschen einzuwirken, etwas damit zu tun, dass sie gesehen hatte, wie sich Charlotte an den Ermittlungen in einigen von Pitts frühen Kriminalfällen beteiligt hatte. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, hatte auch Emily das eine oder andere Mal mutig und alles andere als unbegabt daran mitgewirkt. Dabei hatten ihn die beiden Frauen zur Verzweiflung und in Verlegenheit gebracht. Er hatte sogar mehr-fach um ihre Sicherheit gebangt, doch hatten sie sich letztlich seinen Dank und seine Achtung erworben.
Während er jetzt zu Emily hinsah, deren Haar ebenso im Licht des Kronleuchters glänzte wie die Diamanten an ihrem Hals, dachte er mit einer gewissen Wehmut an die Abenteuer und die Gefühle jener Zeit. Jetzt konnte er nicht einmal mehr mit Charlotte über seine Fälle sprechen, denn vieles im Zusammenhang damit war nicht nur vertraulich, sondern streng geheim. Er empfand das mit überraschender Trauer als einen Verlust, während er an die Vergangenheit dachte.
Emily sah ihn und lächelte ihm strahlend zu. Er entschuldigte sich bei seinen Gesprächspartnern und ging zu ihr und Jack hinüber.
»Guten Abend, Thomas. Wie geht es dir?«, begrüßte sie ihn munter.
»Gut, vielen Dank. Und dir ganz offensichtlich ebenfalls«, fügte er hinzu.
Mit ihrem blonden Haar und den großen tiefblauen Augen war sie von einer natürlichen Schönheit. Wichtiger noch aber war, dass sie es verstand, sich zu jeder Gelegenheit genau passend zu kleiden. Da es seine Aufgabe war, Menschen aufmerk-sam zu beobachten, zu spüren, welche Empfindungen hinter den Worten lagen und hinter die Fassade zu blicken, bemerkte er an ihr eine für sie untypische Angespanntheit. Trat auch sie ihm jetzt etwa voll Argwohn gegenüber? Dieser Gedanke durchfuhr ihn mit solcher Schärfe, dass er Jack Radley nur mit einem knappen Nicken begrüßte, bevor er sich dem Herrn zuwandte, mit dem dieser gerade sprach.
»Eure Lordschaft, darf ich Ihnen meinen Schwager Thomas Pitt vorstellen?«, sagte Jack förmlich. »Lord Tregarron.« Er unterließ es, dessen Position zu nennen, vermutlich weil er annahm, dass sie Pitt bekannt war. In diesem Augenblick fiel Pitt ein, dass er von Charlotte gehört hatte, Jack bekleide seit Neuestem ein Amt mit einem beträchtlichen Maß an Verantwortung und einer gewissen Machtfülle. Tregarron war Staatssekretär im Außenministerium und Jack sein persönlicher Assistent.
Emilys rascher Blick und ihre steif zurückgenommenen Schultern sprachen von einem gewissen Trotz. Vermutlich fürchtete sie, Pitt könne Jacks Aufstieg, auf den sie ausgesprochen stolz war, durch seine neue Position in den Schatten stellen.
»Guten Abend, Eure Lordschaft«, sagte Pitt mit einem Lächeln. Ein rascher Blick zu Charlotte hinüber zeigte ihm, dass sie jede der in den Worten und Bewegungen enthaltenen Nuancen genau verstanden hatte.
»Lord Tregarron hat uns gerade von einigen der wunder-baren Orte berichtet, die er besucht hat«, erläuterte Emily in munterem Ton. »Vor allem auf dem Balkan. Seiner Beschreibung nach muss die Küste des Adriatischen Meeres von geradezu märchenhafter Schönheit sein.«
Tregarron tat die Lobeshymne mit einem Achselzucken ab. Er war stämmig, hatte dunkles, gelocktes Haar und einen Charakterkopf. Niemand hätte ihn als attraktiv bezeichnet, doch ließen seine Dynamik und eine unübersehbare geballte innere Kraft andere Menschen aufmerken. Es fiel Pitt auf, dass Damen in verschiedenen Gruppen zu Tregarron hin-übersahen und dann rasch den Blick abwandten, als sei ihre Aufmerksamkeit ungehörig.
»Es hat Mrs. Radley offenbar tief beeindruckt, dass ein Mann aus Cornwall eine andere Küste als die seiner Heimat bewundert«, sagte Tregarron mit einem Schmunzeln. »Und so gehört sich das auch. Zwar hatten wir früher auch bei uns in Cornwall reichlich Ärger mit Schiffbruch und Schmuggel, und trotzdem habe ich für Separatisten nicht das Geringste übrig. Die Menschen sollten sich zusammenschließen, statt sich auf ihrem Fleckchen Erde zu verschanzen und die Zugbrücke hochzuziehen. Die Hälfte der Kriege in Europa ist aus Angst geführt worden, die andere Hälfte aus Habgier. Meinen Sie nicht auch?« Bei diesen Worten sah er Pitt an.
»Wozu auch Missverständnisse in beträchtlichem Um-fang beigetragen haben«, gab dieser zurück, »ob gewollt oder nicht.«
»Sehr richtig, Sir!«, lobte ihn Tregarron umgehend. »Was, Radley? Eine feinsinnige Unterscheidung, finden Sie nicht auch?«
Jack zeigte sein Einverständnis und lächelte dabei so charmant wie immer. Er sah gut aus und wusste das zu seinem Vorteil zu nutzen.
Emily warf Pitt einen unübersehbar kalten Blick zu. Pitt hoffte, dass Jack das nicht mitbekommen hatte. Falls sich Charlotte für ihn so in die Bresche werfen würde, wie sie es für Jack tat, wäre ihm das gar nicht recht. Nur einen Menschen, den man für verwundbar hielt, behütete man mit solcher Fürsorglichkeit. Zweifelte sie etwa nach wie vor an Jacks Fähigkeit, sich durchzusetzen, oder glaubte sie, ihm mangele es an der nötigen Klugheit, um sich in seinem neuen Amt zu bewähren?
Hatte sich Tregarron aus eigenem Antrieb für Jack entschieden, oder hatte ihm Emily diese Stellung unter Ausnutzung des Einflusses zugeschanzt, den sie noch aus ihrer Zeit als Lady Ashworth besaß? Zwar fiel ihm niemand aus ihrer Bekanntschaft ein, der dafür mächtig genug gewesen wäre, doch war ihm die ganze Welt des politischen Geschachers fremd, bei dem es um gegenseitig erwiesene Gefallen und die Gewährung von Vorteilen ging. Narraway hätte das gewusst. Das war eine Wissenslücke, die er dringend schließen musste.
Mit einem Mal empfand er tiefes Mitgefühl für Jack, der da möglicherweise in von Haien verseuchten unbekannten Gewässern schwamm. Aber da er dank seinem Charme und seinen Instinkten auch vor seiner Heirat mit Emily schon gut durchs Leben gekommen war, würde er die Schwierigkeiten wohl meistern können.
Die Unterhaltung verlagerte sich von der Adriaküste auf das Thema Österreich-Ungarn, wanderte schließlich nach Berlin und dann nach Paris mit seiner Eleganz und Leichtigkeit. Pitt hörte ihr gern zu.
Das musikalische Zwischenspiel begann. Es ging zum großen Teil über die Köpfe jener hinweg, die, statt den herrlichen Klängen zu lauschen, einfach höflich schwiegen und warteten, bis es vorüber war und sie ihr Gespräch wieder aufnehmen konnten.
Die unvergleichliche Schönheit der Musik ließ Charlotte indes wünschen, dass das Orchester länger gespielt hätte. Doch der Ablauf solcher Veranstaltungen war ihr ebenso vertraut wie der Zweck, dem sie dienten. Die Unterbrechung hatte lediglich den Gästen Gelegenheit geben sollen, sich über das Gehörte und Gesehene klar zu werden und zu überlegen, was sie als Nächstes sagen und wie sie es in die Unterhaltung einfließen lassen konnten.
Sie saß neben Pitt, ihre Hand ruhte leicht auf seinem Unterarm. Ihre Gedanken galten Emily, die zwei Reihen vor ihr auf einem mit Goldfarbe verzierten Stuhl neben Lord Tregarron saß. Zwar wusste sie, dass Jacks neue Aufgabe für ihn wichtig war, doch war ihr zuvor nicht bewusst gewesen, einen wie großen Schritt auf der Karriereleiter sie bedeutete und dass Emily bei allem seichten Geplauder und trotz der Mühe, die sie sich gab, bezaubernd zu wirken, unübersehbar Angst hatte.
Kannte sie Jack so gut, dass sie eine Schwäche in ihm zu erkennen glaubte, die anderen nicht bewusst war? Oder traf das Gegenteil zu und kannte sie ihn nicht gut genug, um hinter seiner leicht und mühelos wirkenden Art den eisernen Willen zu sehen?
Vermutlich hatte Emily nach ihrer inzwischen zehnjährigen Ehe erkannt, dass sie Jack nicht nur liebte, sondern dass ihr auch am Herzen lag, was er empfand, sodass ihr sein beruflicher Erfolg nun um seinetwillen wichtig war, und nicht nur dessentwegen, was selbiger für sie abwarf. Emily war nicht nur die jüngste und hübscheste der drei Schwestern Ellison gewesen, sondern auch die in ihrem ehrgeizigen Streben unbeirrbarste. Sarah, die Älteste, war vor fünfzehn Jahren ums Leben gekommen, doch es kam Charlotte vor wie ein ganzes Menschenleben. Die Angst und die Qual jener Zeit drangen nur noch selten als ferner Albtraum in ihre Gedanken. Vor vier Jahren war auch Vater Ellison gestorben, und eine Weile danach hatte Caroline, die Mutter, noch einmal geheiratet. Auch damit waren gemischte Gefühle verbunden gewesen, doch inzwischen hatte sich Emily zum Teil und Charlotte vollständig damit abgefunden. Lediglich ihre Großmutter Mariah Ellison zeigte sich nach wie vor über diese »Mesalliance« entsetzt - so nannte sie es, da Caroline einen Mann geheiratet hatte, der nicht nur deutlich jünger war als sie, sondern außerdem noch Schauspieler und, als ob das nicht genügte, auch noch Jude. Sie ließ sich keine Gelegenheit entgehen, all ihrer aufgestauten Wut darüber Luft zu machen. Dass Caroline mit ihm unübersehbar glücklich war, setzte in ihren Augen dem Ganzen die Krone auf.
Immerhin sah es so aus, als lernte Emily inzwischen auf eine andere Art zu lieben. Es ging ihr nicht um sie selbst, sondern es war eine reifere Empfindung: Sie wollte Jack beschützen.
Allerdings bedeutete das keineswegs das Ende ihres Ehr-geizes - dazu war dieser zu fest in ihr innerstes Wesen verwoben.
Charlotte verstand ihre Schwester mindestens ebenso gut wie diese sich selbst. Auch sie hatte den Instinkt einer Tigerin entwickelt, wenn es gegolten hatte, Pitt zu beschützen, doch zugleich war ihr jederzeit bewusst gewesen, dass sie ihn in seiner neuen Stellung so gut wie nicht unterstützen konnte. Er bewegte sich auf einem weit weniger vertrauten Gelände als Jack, der aus einer zwar unvermögenden, aber eben doch aristokratischen Familie stammte und in der Hälfte der englischen Grafschaften über Beziehungen zu wichtigen Persönlichkeiten verfügte. Pitt hingegen war der Sohn eines Wild-hüters, eines Mannes aus der dienenden Klasse.
Und dennoch. Sofern Charlotte die Absicht gehabt hätte, ihn hier und jetzt zu beschützen, hätte sie nie und nimmer so offen wie Emily zu erkennen geben, dass sie das für nötig hielt.
Als die Musik geendet hatte und der Beifall verhallt war, wurden die Gespräche wieder aufgenommen. Schon bald fand sich Charlotte in eine Unterhaltung mit einer ungewöhnlichen Frau verwickelt. Sie war vermutlich etwa in ihrem Alter, um die Ende dreißig, unterschied sich aber in jeder anderen Beziehung gründlich von ihr. Sie war von zerbrechlicher Schlankheit und trug ein weites Kleid, dessen Farbe man am ehesten mit der von Cognac hätte vergleichen können, durch den das Licht einer Kerze fiel. Sie hatte volle, weiche Lippen, Hals und Schultern wirkten so empfindlich, als könnten sie bei kräftigem Druck in Stücke gehen. Bläuliche Adern schimmerten durch ihre milchweiße Haut, und ihr Haar war nahe-zu nachtschwarz. Über hohen Wangenknochen saßen Augen mit schweren Lidern und dunklen Wimpern. Auf Charlotte machte ihr makelloses Gesicht sogleich einen liebenswerten Eindruck, und sie spürte, dass von dieser Frau eine große innere Stärke ausging.
Sie stellte sich als Adriana Blantyre vor. Sie sprach mit leiser und ein wenig belegter Stimme, in der Charlotte einen kaum wahrnehmbaren fremdländischen Akzent zu erkennen meinte. Sie hörte doppelt aufmerksam zu, um sich zu vergewissern, dass es sich tatsächlich so verhielt.
Auch der hochgewachsene und dunkelhaarige Mann an ihrer Seite war eine auffallende Erscheinung. Auf den ersten Blick hätte man ihn wohl als gut aussehend bezeichnet, doch war da weit mehr als lediglich ein gleichmäßig geschnittenes Gesicht. Nachdem Charlotte ihm in die Augen gesehen hatte, fühlte sie sich genötigt, immer wieder den Blick auf ihn zu richten, denn in diesen Augen lag der Ausdruck einer wachen Klugheit und aufrichtiger Empfindungen. Seine Haltung war von unangestrengter Anmut. Zwar merkte sie, dass Pitt neugierig zusah, wie sie den Mann musterte, ließ sich aber dadurch nicht davon abhalten.
Evan Blantyre war ein ehemaliger Diplomat, dessen besonderes Interesse dem Gebiet um das östliche Mittelmeer galt.
»Das Mittelmeer ist herrlich«, sagte er, als spreche er zu sich selbst, obwohl er Charlotte dabei ansah. »Es ist Europa, doch zugleich auch das Tor zu einer weit älteren Welt und zu Zivilisationen, die der unseren vorausgegangen sind und der diese ihre Entstehung verdankt.«
»Wie beispielsweise Griechenland?«, fragte Charlotte, die ihr Interesse nicht zu heucheln brauchte, »und möglicher-weise auch Ägypten?«
»Byzanz, Makedonien und davor Troja«, führte er aus. »Die Welt Homers, die unserem Denken zugrunde liegenden Erinnerungen, die Begriffe, auf die es zurückgeht, die damit verbundenen Vorstellungen.«
Unmöglich konnte sie ihm das einfach so durchgehen lassen - nicht weil sie ihm nicht geglaubt hätte, sondern weil sie an ihm eine Arroganz wahrnahm, die sie als Provokation empfand.
»Tatsächlich? Ich hätte gedacht, dass die entscheidenden Anstöße von Judäa ausgegangen sind«, sagte sie.
Er lächelte und ging sogleich darauf ein, weil er ihr Inter-esse erkannte. »Gewiss, wenn es um die Wurzeln des Glaubens geht - aber nicht um die des Denkens, der Philosophie, der Liebe zur Weisheit anstelle eines verordneten Glaubens. Ich habe mich mit Bedacht für das Wort ›verordnet‹ entschieden, Mrs. Pitt.«
Jetzt wusste sie genau, was er meinte. Sie begriff nicht nur, dass er für sie mit voller Absicht einen Köder ausgelegt hatte, sondern auch, dass er fest von dem überzeugt war, was er sagte. Die Leidenschaft in seiner Stimme war nicht gespielt.
Lächelnd hielt sie seinem Blick stand. »Aha. Und wer in Europa trägt jetzt die Fackel dieser Philosophie?«, fragte sie herausfordernd. Sie wollte darauf unbedingt eine Antwort haben.
»Tja.« Jetzt achtete er nicht mehr auf die anderen. »Eine interessante Frage. Das Deutsche Reich nicht, wo alles so glänzend herausgeputzt ist und man darauf wartet, nassforsch mutige Taten begehen zu dürfen. Frankreich eigentlich auch nicht, trotz seiner einzigartigen und faszinierenden Kultiviertheit. Italien, das den Keim zu großem Ruhm gelegt hat, wird inzwischen im Inneren von unaufhörlichen Streitereien zerrissen.« Er machte eine elegante Bewegung des Bedauerns.
»Und wir?«, fragte Charlotte in etwas schärferem Ton, als sie beabsichtigt hatte. Sie hatte, ganz wider Willen, zugelassen, dass sie sich von ihm in ihrem Stolz gekränkt fühlte.
»England? Abenteurer«, gab er ohne zu zögern zurück, »und in den Augen der Welt ein Volk von Krämerseelen.«
»Heißt das, es gibt in der Gegenwart gar keine Erben?«, fragte sie, plötzlich enttäuscht. Es ärgerte sie, dass sie sich von ihm so vollständig hatte einfangen lassen.
»Doch. Die Donaumonarchie«, sagte er so rasch, dass sie darin seine Empfindungen erkennen konnte. »Österreich-Ungarn. Es hat die Stellung des einstigen Heiligen Römischen Reiches geerbt, das nach dem Untergang Roms Europa im Geist des Christentums als einheitliches Ganzes zusammen-gehalten hat.«
Sie war erstaunt. »Österreich? Ist das nicht eine baufällige Konstruktion, die an allen Ecken und Enden zerbröckelt? Oder hat man uns da etwa lauter Unsinn erzählt?«
Ihre Worte belustigten ihn offensichtlich. In seinem Lächeln, mit dem er darauf reagierte, lag zwar eine gewisse Wärme, aber auch so viel unverhohlener Spott, dass es sie schmerzte.
»Ich hatte geglaubt, Sie herausfordern zu können, und sehe jetzt, dass Sie dasselbe mit mir tun.« Er wandte sich an Pitt. »Ich habe Ihre Gattin unterschätzt, Sir. Jemand hat gesagt, dass Sie Leiter des Staatsschutzes sind. Sofern es sich so verhält, hätte ich mir denken müssen, dass Sie bei der Wahl Ihrer Gattin nicht nur nach dem Aussehen gegangen sind, und wenn es noch so bezaubernd ist.«
Jetzt lächelte auch Pitt. »Damals hatte ich dies Amt noch nicht inne«, gab er zur Antwort, »aber trotzdem war ich so ehrgeizig und begierig, dass ich das Beste haben wollte, ohne dabei meine eigenen Grenzen zu bedenken.«
»Ausgezeichnet!«, lobte Blantyre. »Man sollte seinen Träumen nie Schranken setzen, sondern ganz im Gegenteil nach den Sternen streben, mit ausgestreckten Armen und dem Blick auf das nächste Ziel leben und sterben.«
»Evan, du redest dummes Zeug«, sagte Adriana gelassen, wobei sie zuerst zu Charlotte und dann zu Pitt sah, um deren Reaktion zu beobachten. »Hast du eigentlich keine Sorge, dass man dir glauben könnte?«
»Glauben Sie mir, Mrs. Pitt?«, fragte Blantyre mit weit geöffneten Augen herausfordernd.
Charlotte sah ihn offen an. Sie war ihrer Antwort gewiss und sagte: »Es tut mir leid, Mr. Blantyre, denn ich nehme an, dass Sie das nicht wollen - aber ja, ich glaube Ihnen.«
»Bravo!«, sagte er ohne jeden Nachdruck. »Ich habe eine Kontrahentin gefunden, bei der sich die Mühe lohnt.« Zu Pitt gewandt fragte er: »Erstreckt sich Ihr Aufgabengebiet auch auf Beziehungen zu den Balkanländern?«
Pitt sah zu Jack und Emily hinüber, die ein Stückchen weitergegangen waren und sich dort unterhielten, und dann wieder zu Blantyre. »Auf alles und alle, von denen eine Gefahr für die Sicherheit oder den Frieden unseres Landes aus-gehen könnte«, gab er zurück. Sein Gesicht war jetzt ernst.
Blantyre hob die Brauen. »Selbst wenn sich die betreffen-den Personen in Norditalien oder Kroatien befinden? Oder gar in Wien?«
»Sie wissen ebenso gut wie ich, dass das nicht der Fall ist«, teilte ihm Pitt mit, nach wie vor um Verbindlichkeit bemüht, als gehe es um ein unbedeutendes Gesellschaftsspiel. »Ich bin ausschließlich für Vorfälle auf britischem Boden zu-ständig. Um Dinge außerhalb des Landes kümmert sich Mr. Radley.«
© 2013 der deutschen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München,
Bisher hatte man ihm widerspruchslos gehorcht. Allerdings hatte die Abteilung in den letzten Monaten lediglich mit einer Reihe vorhersehbarer Schwierigkeiten zu tun gehabt. So hatte es die übliche lautstark geäußerte Unzufriedenheit der besonders in London zahlreichen Zuwanderer gegeben, aber keine Krise. Er war nicht genötigt gewesen, eine der schwierigen Entscheidungen in Situationen zu treffen, die oft in einer Grauzone lagen und die Urteilskraft auf die Probe stell-ten. Wenn es dazu kam, mochten die Dinge anders aussehen; dann konnte es sein, dass man ihm nicht unbedingt traute und ihm vielleicht sogar Widerstand entgegensetzte.
Durch das Fenster sah er auf das bunte Muster der Dächer und die elegant gegliederte Fassade des gegenüberstehenden Gebäudes, deren Umrisse er im allmählich nachlassenden Licht nach wie vor erkennen konnte. Der helle Schein der Straßenlaternen drängte sich immer mehr in den Vordergrund.
Er erinnerte sich an Narraways ernstes und müdes Gesicht, in das tiefere Falten als zuvor eingegraben waren. Das war kein Wunder. Immerhin hatte er in einer schwierigen Angelegenheit den Versuch unternehmen müssen, Schmach und Schande von sich abzuwenden, und litt wohl auch noch unter den seelischen Nachwirkungen dessen, was er in Irland durchgemacht hatte. Auch wusste Pitt inzwischen, was Narraway für Charlotte empfand, doch hatten dessen dunkle Augen wie immer so gut wie nichts von seinen Gefühlen preisgegeben.
»Sie werden Fehler begehen«, hatte er in der Stille jenes Büros gesagt, in dem sie mit dem Blick auf den Himmel und die Dächer allein gewesen waren. »Sie werden zögern, tätig zu werden, wenn Ihnen bewusst ist, dass Sie im Begriff stehen, Menschen Schmerzen zuzufügen, wenn nicht gar, sie zu vernichten. Zaudern Sie in solchen Fällen nicht zu lange. Sie werden Menschen falsch einschätzen - Sie hatten schon immer den Hang, von Angehörigen höherer Kreise besser zu denken, als angebracht wäre. Verlassen Sie sich um Gottes willen auf Ihren Instinkt, Pitt. Mitunter wird Ihr Handeln schwerwiegende Folgen haben. Damit müssen Sie leben. Ihr Wert für den Staatsschutz bemisst sich danach, dass Sie nur wenige Fehler machen und aus jedem von ihnen etwas lernen. Auf keinen Fall dürfen Sie Entscheidungen ausweichen - das wäre der schlimmste Fehler von allen.«
Sein Gesicht war bei diesen Worten düster gewesen, über-schattet von Erinnerungen. »Es zählen nicht nur die Entscheidungen, die Sie treffen, sie müssen auch im richtigen Augen-blick getroffen werden. Allein Sie entscheiden darüber, was jeweils zu tun ist. In einer Situation, die dazu angetan ist, den Frieden und die Sicherheit des Landes zu gefährden, kann das alles Mögliche sein.«
Er hatte nicht »Gott möge Ihnen helfen« hinzugefügt, ob-wohl es dazu sicherlich Grund gegeben hatte. Dann war ein Ausdruck in seine Augen getreten, in dem sich leiser Spott, Mitgefühl wegen der vor Pitt liegenden schweren Aufgabe, Neid und Bedauern darüber mischten, dass man ihn gezwungen hatte, das alles aufzugeben, und er selbst diese Auf-gabe nicht mehr ausführen durfte. Ihm würde die damit verbundene Erregung fehlen, und es ärgerte ihn, dass sein scharfer Geist nicht mehr gefragt war.
Natürlich war Pitt seither mit ihm zusammengetroffen, aber jeweils nur flüchtig. Es hatte den einen oder anderen gesellschaftlichen Anlass gegeben, Unterhaltungen, wie sie die Höflichkeit gebot, aber ohne Substanz. Die Frage, wie der je-weils andere lernte, sich in seine neue Rolle zu fügen und sich ihr anzupassen, blieb unausgesprochen.
Pitt setzte sich wieder an seinen Schreibtisch und wandte seine Aufmerksamkeit erneut den Papieren darauf zu.
Es klopfte. Kaum hatte er »Herein« gerufen, als Stoker ein-trat. Dank des Irland-Abenteuers im Vorjahr war er in der Abteilung der Einzige, von dem Pitt wusste, dass er sich mit Sicherheit auf ihn verlassen konnte.
»Ja?«, sagte er, als Stoker ihm gegenüber stehen blieb. Auf dem hageren Gesicht des Mannes lag unverkennbar ein Aus-druck von Besorgnis und Unbehagen.
»Hutchins hat einen Bericht aus Dover geschickt, Sir. Er hat gesehen, dass ein paar verdächtige Leute mit der Fähre vom Kontinent rübergekommen sind. Unruhestifter. Nicht die übliche Art, die politische Brandreden schwingt, sondern Leute, die Taten im Schilde führen. Hutchins ist ziemlich sicher, dass mindestens einer von ihnen im vorigen Jahr an der Ermordung des französischen Premierministers beteiligt war.«
Pitt spürte, wie sich seine Eingeweide verkrampften. Kein Wunder, dass Stoker besorgt wirkte. »Sagen Sie ihm, er soll zusehen, dass er absolute Sicherheit gewinnt«, sagte er. »Schicken Sie zusätzlich Barker hin. Sorgen Sie dafür, dass man die Züge von Dover nach London im Auge behält. Wir müssen wissen, ob einer von denen herkommt und mit wem er Verbindung aufnimmt.«
»Vielleicht steckt ja nichts dahinter«, sagte Stoker, doch es klang nicht überzeugend. »Hutchins neigt dazu, übervorsichtig zu sein.«
Pitt holte schon Luft, um zu sagen, dass genau das Hutchins' Aufgabe sei, überlegte es sich dann aber anders. Stoker wusste das ebenso gut wie er. Er sollte nicht immer so viel erklären. »Behalten Sie die Leute einfach im Auge. Hutchins und Barker genügen in Dover dafür. Halten Sie mich auf dem Laufenden, wenn es etwas Neues gibt.«
»Sehr wohl, Sir.«
»Danke.«
Stoker wandte sich um und ging. Pitt blieb eine Weile reg-los sitzen. Würde sich die Polizei oder der Geheimdienst Frank-reichs an ihn wenden, sofern es sich tatsächlich um einen der Mörder des Premierministers handelte? Würde man seine Hilfe erbitten oder sich den Mann selbst vornehmen? Viel-leicht erhofften sich die Franzosen von ihm Angaben über andere Anarchisten. Ebenso gut war es aber auch möglich, dass sie für den Mann einen Unfall arrangierten und dafür sorgten, dass die Geschichte nie an die Öffentlichkeit gelangte. In diesem Fall war es für den englischen Staatsschutz besser, sich ganz aus der Sache herauszuhalten. Es würde genügen, später darüber nachzudenken, ob man sich mit Paris sozusagen unter vier Augen austauschte. Diese Art von Entscheidung, bei der man sich vor hohe und nur schwer zu erfüllende moralische Anforderungen gestellt sah, hatte Narraway gemeint, als er von Grauzonen sprach.
Pitt beugte sich erneut über die Papiere, an denen er arbeitete.
Für den Abend war ein Empfang vorgesehen, an dem rund hundert wichtige Persönlichkeiten aus Politik und Gesell schaft teilnehmen würden. Angeblich wollte man sich das neueste Wunderkind anhören, das einige Salonstücke auf der Geige zum Besten geben sollte, doch ging es in Wahrheit darum, heikle Informationen über Veränderungen der Macht-verhältnisse auszutauschen, was während der Dienststunden im Büro nicht möglich war.
Kurz nach sieben Uhr betrat Pitt sein Haus in der Keppel Street. Unwillkürlich umspielte ein Lächeln seine Lippen, als ihn statt der beißenden Kälte des Windes die Wärme der Diele umgab und er den Geruch frisch gebackenen Brotes und sauberer Wäsche wahrnahm, der aus der Küche kam. Vermutlich war Charlotte oben, um sich für den gesellschaft-lichen Anlass fein zu machen. Sie hatte sich noch nicht rich-tig daran gewöhnt, dass sie wieder wie einst in Jungmädchen-tagen der Schicht angehörte, in die sie hineingeboren worden war. Damals hatte sie diese Gesellschaft mit ihrem Glanz und ihren Eifersüchteleien als seicht und oberflächlich emp-funden, sodass es sie zumindest anfangs nicht sonderlich ge-stört hatte, nicht mehr dazuzugehören. Doch obwohl sie nie etwas darüber gesagt hatte, war es Pitt stets bewusst gewesen, dass sie mitunter die Lebhaftigkeit, den sprühenden Geist und die damit verbundenen Herausforderungen vermisst hatte, wie oberflächlich auch immer sie das alles eingeschätzt haben mochte.
Minnie Maude machte sich an dem großen Küchenherd zu schaffen. Er sah, dass sich ihre Haare wie immer aus den Nadeln gelöst hatten. Kaum hörte sie seine Schritte, als sie sich umdrehte. Mit von der Hitze und möglicherweise auch vor Aufregung gerötetem Gesicht sagte sie: »Mr. Pitt, Sir, ham Se Mrs. Pitt schon geseh'n? Se sieht bezaubernd aus, wirklich. Ich hab noch nie jemand so ... « Da ihr die Worte fehlten, hielt sie ihm einen Teller mit noch heißem Käsetoast hin, den sie ihm für den Fall zubereitet hatte, dass sich die beim Emp fang gereichten Häppchen für einen hungrigen Menschen als zu dürftig erweisen sollten. Dann fiel ihr offenbar ein, dass Eile geboten war; sie stellte den Teller auf den Tisch und holte Messer und Gabel. »Ich mach Ihn'n noch schnell 'ne schöne Tasse Tee«, fügte sie hinzu. »Das Wasser kocht schon.«
»Vielen Dank«, sagte er und verbarg seine Belustigung, so gut er konnte. Minnie Maude Mudway war an die Stelle von Gracie Pipps getreten, die schon kurz nach Pitts Eheschließung als Mädchen für alles ins Haus gekommen war. Er hatte sich nach wie vor noch nicht völlig an die mit ihrem Weggang verbundenen Veränderungen gewöhnt. Aber Gracie, die inzwischen ihren eigenen Haushalt führte, hatte Min-nie Maude empfohlen. Zwar war Charlotte wie auch er mit ihrer Arbeit ausgesprochen zufrieden, doch fehlten ihm Gracies unverblümte Äußerungen zu Einzelheiten, die sie über seine Fälle gewusst hatte, ebenso wie ihre durch nichts zu er-schütternde Anhänglichkeit, die sie in keiner Weise an ihrem offen ausgesprochenen unabhängigen Urteil gehindert hatte.
Er aß schweigend. Es schmeckte ihm. Minnie Maude hatte sich rasch zu einer guten Köchin gemausert. Da ihr für Lebensmittel mehr Geld zur Verfügung stand als einst Gracie, probierte sie oft Neues aus - im Großen und Ganzen durch-aus mit Erfolg.
Er sah, dass sie auch für sich eine - deutlich kleinere - Portion gemacht hatte, doch schien sie mit dem Essen zu zögern.
»Sie brauchen nicht zu warten«, ermunterte er sie und wies auf den Herd. »Essen Sie doch, solange es warm ist.«
Sie lächelte unsicher und schien etwas sagen zu wollen, überlegte es sich dann aber anders und gab den Käsetoast auf einen Teller. Doch im nächsten Augenblick fiel ihr offenbar etwas anderes ein, und sie räumte abgewaschenes Geschirr in den Tellerschrank. Pitt nahm sich vor, bei passender Gelegenheit mit Charlotte darüber zu sprechen. Es war nicht einzu sehen, dass Minnie annahm, sie dürfe in seiner Anwesenheit nicht am Küchentisch essen. Da sie Gracies Stelle einnahm, war sie bei ihnen zu Hause.
Als er auch seinen Tee getrunken hatte, dankte er ihr und ging nach oben, um sich zu waschen, zu rasieren und umzuziehen.
Er trat ins Schlafzimmer und sah, dass Jemima dort war, die ihre Mutter bewundernd betrachtete. Verblüfft merkte er, dass sich das Mädchen die langen Haare mit Nadeln hochgesteckt hatte, als sei sie bereits erwachsen. Der Anblick erfüllte ihn mit Stolz, zugleich aber auch mit dem schmerzlichen Gefühl eines Verlusts.
»Herrlich, Mutti. Aber du siehst immer noch ein bisschen blass aus«, sagte Jemima und strich die burgunderfarbene Seide von Charlottes Kleid glatt. Dann begrüßte sie ihren Vater mit strahlendem Lächeln. »'n Abend, Papa. Du kommst gerade rechtzeitig, um nicht ganz pünktlich zu sein. Das musst du unbedingt tun, denn das ist jetzt Mode.«
»Ich weiß«, bestätigte er und wandte sich dann Charlotte zu. Minnie Maude hatte mit ihrem Urteil unbedingt recht gehabt; dennoch überraschte ihn, wie großartig Charlotte aus-sah. Es war mehr als die auf ihrem Gesicht liegende Vor-freude oder die Wärme in ihrem Blick. Die Reife hatte ihre Schönheit erst richtig zur Entfaltung gebracht; es stand ihr gut zu Gesicht. Mit ihren knapp vierzig Jahren legte sie eine Selbstsicherheit an den Tag, die ihr in jüngeren Jahren nicht zu Gebote gestanden hatte, und das verlieh ihr eine Anmut, die tiefer reichte als das, was äußerliche Verschönerung des Gesichts zu erreichen vermochte.
»Ich habe dir alles herausgelegt«, sagte sie und erwiderte seinen Blick. »Ein wenig zu spät zu kommen im Rahmen der gesellschaftlichen Konvention ist eine Sache, aber es ist etwas gänzlich anderes, wenn man den Eindruck erweckt, man habe den Weg nicht gefunden oder die Uhrzeit auf der Einladung falsch gelesen.«
Er lächelte, ohne sich die Mühe einer Antwort zu machen. Er verstand ihre Unruhe. Schließlich musste er noch damit zurechtkommen, dass er sich unversehens erneut in einer gesellschaftlichen Position befand, in die er nicht hineingeboren worden war. Sie unterschied sich deutlich von der des hochrangigen Polizeibeamten, der er früher gewesen war, denn selbst in jener Position war er letzten Endes anderen Rechenschaft schuldig gewesen. Als Leiter des Staatsschutzes hin-gegen war er, außer in ganz besonderen Fällen, sein eigener Herr, der Macht, Wissen und Verantwortung mit niemandem zu teilen brauchte.
Noch deutlicher kam ihm die geänderte Situation zu Bewusstsein, als er aus der Droschke stieg und Charlotte hinaus-half. Die eisig kalte Nachtluft biss ihnen ins Gesicht. Auf der Straße glänzte Eis, und er bemühte sich bewusst, nicht aus-zugleiten, während er Charlotte zum Gehsteig führte. Ein Stück weiter vorn hielt eine vierspännige Kutsche an. Ein livrierter Lakai sprang vom Trittbrett hinter dem Wagenkasten, um den mit einem Wappen verzierten Schlag zu öffnen. Der Atem der Pferde dampfte, und die Messingbeschläge ihres Geschirrs blitzten im Lichtschein auf, während sie sich bewegten.
Eine weitere Kutsche kam vorüber. Laut hörte man die Huf-eisen der Pferde auf dem Straßenpflaster.
Charlotte fasste Pitts Arm fester. Sie fürchtete nicht etwa, auszugleiten, sondern wollte sich seiner vergewissern, bevor sie eintraten. Er lächelte im Dunkeln und legte seine freie Hand einen Augenblick lang auf die ihre.
Die großen Türflügel öffneten sich vor ihnen. Pitt gab einem livrierten Diener seine Karte, worauf dieser ihn und Charlotte in den großen Saal führte, wo der Empfang bereits begonnen hatte.
Es war ein herrlicher Raum, den zur bemalten Decke emporstrebende Säulen und Mauerpfeiler zu beiden Seiten noch höher erscheinen ließen. Vier schwere, strahlend helle Kronleuchter hingen an Ketten von ihr herab, von denen man hätte glauben können, sie bestünden aus Gold, was natürlich nicht der Fall war.
»Bist du sicher, dass wir hier richtig sind?«, flüsterte Pitt Charlotte zu.
Sie wandte sich ihm mit beunruhigt geweiteten Augen zu, sah dann aber, dass er sie lediglich hatte necken wollen. Er war erkennbar nervös, zugleich aber auch stolz darauf, dass sie diesmal dort war, weil man ihn eingeladen hatte und nicht wie sonst ihre Schwester Emily oder ihre angeheiratete Großtante Lady Vespasia Cumming-Gould. Auch wenn es nicht viel war, was er ihr auf diese Weise nach all den Jahren des Lebens in bescheidenen Verhältnissen bieten konnte, freute er sich darüber.
Charlotte lächelte und hielt den Kopf ein wenig höher, bevor sie die Stufen hinabschritt, um sich zu den anderen zu gesellen. Nach wenigen Augenblicken waren sie von einem Wirbel aus Farben und Stimmen, gedämpftem Lachen und leisem Gläserklirren umgeben.
Die höflichen Gespräche drehten sich überwiegend um Belanglosigkeiten. Dabei ging es in erster Linie darum, den jeweils anderen unauffällig einzuschätzen. Während sich Charlotte erst mit der einen und dann einer anderen Gruppe von Gästen unterhielt, schien sie völlig in ihrem Element zu sein. Bewundernd sah Pitt, wie sie jedem zulächelte, sich interessiert gab und unaufdringlich wirkende Komplimente machte. Das gelang ihr mit einer Selbstverständlichkeit, die nachzuahmen er noch nicht wagte. Er fürchtete, dann wie jemand zu wirken, der den Versuch unternahm, sich etwas anzumaßen, was ihm nicht zustand, und das würde man ihm mit Sicherheit nie verzeihen.
Ein Staatssekretär, dessen Namen ihm entfallen war, sprach beiläufig mit ihm, und er hörte ihm zu, als interessiere ihn, was der Mann zu sagen hatte. Ein weiterer Gast trat hinzu, und das Gespräch nahm eine ernsthaftere Wendung. Pitt sagte hier und da selbst etwas, hörte aber in erster Linie zu und beobachtete die anderen.
Ihm fiel auf, dass man ihn deutlich anders behandelte als noch vor wenigen Monaten, obwohl sich noch nicht überall herumgesprochen hatte, welche Position er inzwischen bekleidete. Er freute sich, wenn man ihn in Unterhaltungen mit einbezog, und sah, dass Charlotte vor sich hin lächelte, bevor sie sich einer ziemlich fülligen Dame in Grün zuwandte und ihr wie bezaubert zuhörte.
»Ein absoluter Dummkopf, wenn Sie mich fragen«, sagte ein älterer Herr mit Nachdruck. Er sah zu Pitt hin und hob fragend eine Braue. »Ich wüsste gern, warum man den Burschen ins Innenministerium hochgelobt hat. Vielleicht ist er mit jemandem verwandt.« Lachend fügte er hinzu: »Oder er kennt ein paar finstere Geheimnisse, wie?«
Pitt lächelte zurück. Er hatte keine Ahnung, von dem die Rede war.
»Sie sind ja wohl nicht im Unterhaus, wie?«, fuhr der Mann fort. »Ich hatte nicht die Absicht, Sie zu kränken.«
»Nein«, gab Pitt mit einem Lächeln zurück.
»Dann ist es ja gut.« Der Mann war unübersehbar erleichtert. »Willoughby. Ich hab ein bisschen Land in Herefordshire, 'n paar Tausend Morgen.« Er nickte.
Pitt stellte sich seinerseits vor und beschloss nach kurzem Zögern, nicht zu sagen, was er tat.
Ein dritter Mann stieß zu ihnen. Er war schlank, wirkte elegant, hatte leicht vorstehende Schneidezähne und einen weißen Schnurrbart. »'n Abend«, sagte er in umgänglichem Ton.
»Üble Geschichte, das, in Kopenhagen, nicht wahr? Aber ich denke, die Aufregung wird sich legen, wie meistens.« Dann sah er Pitt aufmerksam an. »Ich vermute, dass Sie die Geschichte kennen.«
»Ich hab dies und jenes gehört«, räumte Pitt ein.
»Haben Sie womöglich selbst damit zu tun?«, fragte Willoughby.
»Thomas Pitt leitet den Staatsschutz«, sagte der dritte in scharfem Ton, »und weiß vermutlich mehr über uns beide als wir selbst.«
Willoughby erbleichte. »Ach, tatsächlich?« Er lächelte, doch seine Stimme klang belegt. »Viel gibt es da wohl nicht zu wissen, alter Junge.«
Pitt überlegte angestrengt, was er am besten darauf antworten konnte. Zwar konnte er es sich nicht leisten, Menschen gegen sich aufzubringen, doch war es andererseits auch nicht ratsam, seine eigene Bedeutung herunterzuspielen oder anderen den Eindruck zu vermitteln, er sei nicht ebenso im Besitz aller wichtigen Informationen, wie es sein Vorgänger Narraway gewesen war.
Er zwang sich, Willoughby anzulächeln. »Ich würde nicht so weit gehen zu sagen, dass Sie für uns nicht interessant sind, Sir, aber Sie machen uns keine Sorgen - was bei Weitem nicht dasselbe ist.«
Willoughbys Augen weiteten sich. »Wirklich?« Er schien beruhigt zu sein, beinahe zufrieden. »Na dann.«
Der andere Mann sah belustigt drein und fragte süffisant: »Sagen Sie das zu allen?«
»Ich bemühe mich, höflich zu sein.« Pitt sah ihm gerade-wegs in die Augen. »Aber manche Menschen sind nun ein-mal interessanter als andere.«
Diese Worte erfreuten Willoughby sichtlich, und er gab sich nicht die geringste Mühe, das zu verbergen. Vor Zufriedenheit strahlend nahm er ein weiteres Glas Champagner vom Tablett eines vorüberkommenden Lakaien.
Pitt ging weiter. Er übte Zurückhaltung, beobachtete viel, sagte so wenig wie möglich und bemühte sich, die gleichen nichtssagenden höflichen Worte zu verwenden wie die anderen. Das fiel ihm keineswegs leicht. Charlotte hätte die Zwischentöne bei allem Gesagten wie Ungesagten verstanden, während sich Pitt sehr viel wohler gefühlt hätte, wenn alle offen heraus gesagt hätten, was sie meinten. Doch dies war ab so-fort Bestandteil seiner Welt, auch wenn er sich in ihr wie ein Eindringling vorkam. Ihm war bewusst, dass das den selbstsicheren Menschen um ihn herum, die ihn hin und wieder anlächelten, durchaus klar war.
Kurz darauf sah er Charlotte wieder. Erleichtert und sogar mit einem gewissen Stolz, den er auch nach all diesen Jahren empfand, selbst wenn er unangebracht sein mochte, bahnte er sich seinen Weg zu ihr. Andere Frauen im Raum waren von eher herkömmlicher Schönheit und trugen prächtigere Kleider, aber in seinen Augen fehlte es ihnen an Wärme. Sie besaßen weniger Leidenschaft und Anmut, Eigenschaften, die aus dem Inneren kommen.
Sie unterhielt sich mit ihrer Schwester Emily Radley, die ein goldbesticktes Seidenkleid in einem changierenden blassen Blaugrün trug. Sie hatte in erster Ehe einen Mann gehei-ratet, auf den jede Schwiegermutter stolz gewesen wäre. Lord George Ashworth war in jeder Hinsicht das genaue Gegenteil von Pitt gewesen: Er entstammte einer erstklassigen Familie, hatte gut ausgesehen und über ein beträchtliches Vermögen verfügt, das mit seinem Tod für seinen und Emilys Sohn in treuhänderische Verwaltung übergegangen war. Nach angemessener Zeit hatte Emily Jack Radley geheiratet. Auch er sah gut aus, war sogar noch charmanter als sein Vorgänger, aber mittellos, da sein Vater, ein nachgeborener Sohn, eine Art Abenteurerleben geführt und mithin über keinerlei Vermögen verfügt hatte.
Emily hatte ihn dazu gebracht, in die Politik zu gehen und etwas aus sich zu machen. Möglicherweise hatte ihr Hang, auf andere Menschen einzuwirken, etwas damit zu tun, dass sie gesehen hatte, wie sich Charlotte an den Ermittlungen in einigen von Pitts frühen Kriminalfällen beteiligt hatte. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, hatte auch Emily das eine oder andere Mal mutig und alles andere als unbegabt daran mitgewirkt. Dabei hatten ihn die beiden Frauen zur Verzweiflung und in Verlegenheit gebracht. Er hatte sogar mehr-fach um ihre Sicherheit gebangt, doch hatten sie sich letztlich seinen Dank und seine Achtung erworben.
Während er jetzt zu Emily hinsah, deren Haar ebenso im Licht des Kronleuchters glänzte wie die Diamanten an ihrem Hals, dachte er mit einer gewissen Wehmut an die Abenteuer und die Gefühle jener Zeit. Jetzt konnte er nicht einmal mehr mit Charlotte über seine Fälle sprechen, denn vieles im Zusammenhang damit war nicht nur vertraulich, sondern streng geheim. Er empfand das mit überraschender Trauer als einen Verlust, während er an die Vergangenheit dachte.
Emily sah ihn und lächelte ihm strahlend zu. Er entschuldigte sich bei seinen Gesprächspartnern und ging zu ihr und Jack hinüber.
»Guten Abend, Thomas. Wie geht es dir?«, begrüßte sie ihn munter.
»Gut, vielen Dank. Und dir ganz offensichtlich ebenfalls«, fügte er hinzu.
Mit ihrem blonden Haar und den großen tiefblauen Augen war sie von einer natürlichen Schönheit. Wichtiger noch aber war, dass sie es verstand, sich zu jeder Gelegenheit genau passend zu kleiden. Da es seine Aufgabe war, Menschen aufmerk-sam zu beobachten, zu spüren, welche Empfindungen hinter den Worten lagen und hinter die Fassade zu blicken, bemerkte er an ihr eine für sie untypische Angespanntheit. Trat auch sie ihm jetzt etwa voll Argwohn gegenüber? Dieser Gedanke durchfuhr ihn mit solcher Schärfe, dass er Jack Radley nur mit einem knappen Nicken begrüßte, bevor er sich dem Herrn zuwandte, mit dem dieser gerade sprach.
»Eure Lordschaft, darf ich Ihnen meinen Schwager Thomas Pitt vorstellen?«, sagte Jack förmlich. »Lord Tregarron.« Er unterließ es, dessen Position zu nennen, vermutlich weil er annahm, dass sie Pitt bekannt war. In diesem Augenblick fiel Pitt ein, dass er von Charlotte gehört hatte, Jack bekleide seit Neuestem ein Amt mit einem beträchtlichen Maß an Verantwortung und einer gewissen Machtfülle. Tregarron war Staatssekretär im Außenministerium und Jack sein persönlicher Assistent.
Emilys rascher Blick und ihre steif zurückgenommenen Schultern sprachen von einem gewissen Trotz. Vermutlich fürchtete sie, Pitt könne Jacks Aufstieg, auf den sie ausgesprochen stolz war, durch seine neue Position in den Schatten stellen.
»Guten Abend, Eure Lordschaft«, sagte Pitt mit einem Lächeln. Ein rascher Blick zu Charlotte hinüber zeigte ihm, dass sie jede der in den Worten und Bewegungen enthaltenen Nuancen genau verstanden hatte.
»Lord Tregarron hat uns gerade von einigen der wunder-baren Orte berichtet, die er besucht hat«, erläuterte Emily in munterem Ton. »Vor allem auf dem Balkan. Seiner Beschreibung nach muss die Küste des Adriatischen Meeres von geradezu märchenhafter Schönheit sein.«
Tregarron tat die Lobeshymne mit einem Achselzucken ab. Er war stämmig, hatte dunkles, gelocktes Haar und einen Charakterkopf. Niemand hätte ihn als attraktiv bezeichnet, doch ließen seine Dynamik und eine unübersehbare geballte innere Kraft andere Menschen aufmerken. Es fiel Pitt auf, dass Damen in verschiedenen Gruppen zu Tregarron hin-übersahen und dann rasch den Blick abwandten, als sei ihre Aufmerksamkeit ungehörig.
»Es hat Mrs. Radley offenbar tief beeindruckt, dass ein Mann aus Cornwall eine andere Küste als die seiner Heimat bewundert«, sagte Tregarron mit einem Schmunzeln. »Und so gehört sich das auch. Zwar hatten wir früher auch bei uns in Cornwall reichlich Ärger mit Schiffbruch und Schmuggel, und trotzdem habe ich für Separatisten nicht das Geringste übrig. Die Menschen sollten sich zusammenschließen, statt sich auf ihrem Fleckchen Erde zu verschanzen und die Zugbrücke hochzuziehen. Die Hälfte der Kriege in Europa ist aus Angst geführt worden, die andere Hälfte aus Habgier. Meinen Sie nicht auch?« Bei diesen Worten sah er Pitt an.
»Wozu auch Missverständnisse in beträchtlichem Um-fang beigetragen haben«, gab dieser zurück, »ob gewollt oder nicht.«
»Sehr richtig, Sir!«, lobte ihn Tregarron umgehend. »Was, Radley? Eine feinsinnige Unterscheidung, finden Sie nicht auch?«
Jack zeigte sein Einverständnis und lächelte dabei so charmant wie immer. Er sah gut aus und wusste das zu seinem Vorteil zu nutzen.
Emily warf Pitt einen unübersehbar kalten Blick zu. Pitt hoffte, dass Jack das nicht mitbekommen hatte. Falls sich Charlotte für ihn so in die Bresche werfen würde, wie sie es für Jack tat, wäre ihm das gar nicht recht. Nur einen Menschen, den man für verwundbar hielt, behütete man mit solcher Fürsorglichkeit. Zweifelte sie etwa nach wie vor an Jacks Fähigkeit, sich durchzusetzen, oder glaubte sie, ihm mangele es an der nötigen Klugheit, um sich in seinem neuen Amt zu bewähren?
Hatte sich Tregarron aus eigenem Antrieb für Jack entschieden, oder hatte ihm Emily diese Stellung unter Ausnutzung des Einflusses zugeschanzt, den sie noch aus ihrer Zeit als Lady Ashworth besaß? Zwar fiel ihm niemand aus ihrer Bekanntschaft ein, der dafür mächtig genug gewesen wäre, doch war ihm die ganze Welt des politischen Geschachers fremd, bei dem es um gegenseitig erwiesene Gefallen und die Gewährung von Vorteilen ging. Narraway hätte das gewusst. Das war eine Wissenslücke, die er dringend schließen musste.
Mit einem Mal empfand er tiefes Mitgefühl für Jack, der da möglicherweise in von Haien verseuchten unbekannten Gewässern schwamm. Aber da er dank seinem Charme und seinen Instinkten auch vor seiner Heirat mit Emily schon gut durchs Leben gekommen war, würde er die Schwierigkeiten wohl meistern können.
Die Unterhaltung verlagerte sich von der Adriaküste auf das Thema Österreich-Ungarn, wanderte schließlich nach Berlin und dann nach Paris mit seiner Eleganz und Leichtigkeit. Pitt hörte ihr gern zu.
Das musikalische Zwischenspiel begann. Es ging zum großen Teil über die Köpfe jener hinweg, die, statt den herrlichen Klängen zu lauschen, einfach höflich schwiegen und warteten, bis es vorüber war und sie ihr Gespräch wieder aufnehmen konnten.
Die unvergleichliche Schönheit der Musik ließ Charlotte indes wünschen, dass das Orchester länger gespielt hätte. Doch der Ablauf solcher Veranstaltungen war ihr ebenso vertraut wie der Zweck, dem sie dienten. Die Unterbrechung hatte lediglich den Gästen Gelegenheit geben sollen, sich über das Gehörte und Gesehene klar zu werden und zu überlegen, was sie als Nächstes sagen und wie sie es in die Unterhaltung einfließen lassen konnten.
Sie saß neben Pitt, ihre Hand ruhte leicht auf seinem Unterarm. Ihre Gedanken galten Emily, die zwei Reihen vor ihr auf einem mit Goldfarbe verzierten Stuhl neben Lord Tregarron saß. Zwar wusste sie, dass Jacks neue Aufgabe für ihn wichtig war, doch war ihr zuvor nicht bewusst gewesen, einen wie großen Schritt auf der Karriereleiter sie bedeutete und dass Emily bei allem seichten Geplauder und trotz der Mühe, die sie sich gab, bezaubernd zu wirken, unübersehbar Angst hatte.
Kannte sie Jack so gut, dass sie eine Schwäche in ihm zu erkennen glaubte, die anderen nicht bewusst war? Oder traf das Gegenteil zu und kannte sie ihn nicht gut genug, um hinter seiner leicht und mühelos wirkenden Art den eisernen Willen zu sehen?
Vermutlich hatte Emily nach ihrer inzwischen zehnjährigen Ehe erkannt, dass sie Jack nicht nur liebte, sondern dass ihr auch am Herzen lag, was er empfand, sodass ihr sein beruflicher Erfolg nun um seinetwillen wichtig war, und nicht nur dessentwegen, was selbiger für sie abwarf. Emily war nicht nur die jüngste und hübscheste der drei Schwestern Ellison gewesen, sondern auch die in ihrem ehrgeizigen Streben unbeirrbarste. Sarah, die Älteste, war vor fünfzehn Jahren ums Leben gekommen, doch es kam Charlotte vor wie ein ganzes Menschenleben. Die Angst und die Qual jener Zeit drangen nur noch selten als ferner Albtraum in ihre Gedanken. Vor vier Jahren war auch Vater Ellison gestorben, und eine Weile danach hatte Caroline, die Mutter, noch einmal geheiratet. Auch damit waren gemischte Gefühle verbunden gewesen, doch inzwischen hatte sich Emily zum Teil und Charlotte vollständig damit abgefunden. Lediglich ihre Großmutter Mariah Ellison zeigte sich nach wie vor über diese »Mesalliance« entsetzt - so nannte sie es, da Caroline einen Mann geheiratet hatte, der nicht nur deutlich jünger war als sie, sondern außerdem noch Schauspieler und, als ob das nicht genügte, auch noch Jude. Sie ließ sich keine Gelegenheit entgehen, all ihrer aufgestauten Wut darüber Luft zu machen. Dass Caroline mit ihm unübersehbar glücklich war, setzte in ihren Augen dem Ganzen die Krone auf.
Immerhin sah es so aus, als lernte Emily inzwischen auf eine andere Art zu lieben. Es ging ihr nicht um sie selbst, sondern es war eine reifere Empfindung: Sie wollte Jack beschützen.
Allerdings bedeutete das keineswegs das Ende ihres Ehr-geizes - dazu war dieser zu fest in ihr innerstes Wesen verwoben.
Charlotte verstand ihre Schwester mindestens ebenso gut wie diese sich selbst. Auch sie hatte den Instinkt einer Tigerin entwickelt, wenn es gegolten hatte, Pitt zu beschützen, doch zugleich war ihr jederzeit bewusst gewesen, dass sie ihn in seiner neuen Stellung so gut wie nicht unterstützen konnte. Er bewegte sich auf einem weit weniger vertrauten Gelände als Jack, der aus einer zwar unvermögenden, aber eben doch aristokratischen Familie stammte und in der Hälfte der englischen Grafschaften über Beziehungen zu wichtigen Persönlichkeiten verfügte. Pitt hingegen war der Sohn eines Wild-hüters, eines Mannes aus der dienenden Klasse.
Und dennoch. Sofern Charlotte die Absicht gehabt hätte, ihn hier und jetzt zu beschützen, hätte sie nie und nimmer so offen wie Emily zu erkennen geben, dass sie das für nötig hielt.
Als die Musik geendet hatte und der Beifall verhallt war, wurden die Gespräche wieder aufgenommen. Schon bald fand sich Charlotte in eine Unterhaltung mit einer ungewöhnlichen Frau verwickelt. Sie war vermutlich etwa in ihrem Alter, um die Ende dreißig, unterschied sich aber in jeder anderen Beziehung gründlich von ihr. Sie war von zerbrechlicher Schlankheit und trug ein weites Kleid, dessen Farbe man am ehesten mit der von Cognac hätte vergleichen können, durch den das Licht einer Kerze fiel. Sie hatte volle, weiche Lippen, Hals und Schultern wirkten so empfindlich, als könnten sie bei kräftigem Druck in Stücke gehen. Bläuliche Adern schimmerten durch ihre milchweiße Haut, und ihr Haar war nahe-zu nachtschwarz. Über hohen Wangenknochen saßen Augen mit schweren Lidern und dunklen Wimpern. Auf Charlotte machte ihr makelloses Gesicht sogleich einen liebenswerten Eindruck, und sie spürte, dass von dieser Frau eine große innere Stärke ausging.
Sie stellte sich als Adriana Blantyre vor. Sie sprach mit leiser und ein wenig belegter Stimme, in der Charlotte einen kaum wahrnehmbaren fremdländischen Akzent zu erkennen meinte. Sie hörte doppelt aufmerksam zu, um sich zu vergewissern, dass es sich tatsächlich so verhielt.
Auch der hochgewachsene und dunkelhaarige Mann an ihrer Seite war eine auffallende Erscheinung. Auf den ersten Blick hätte man ihn wohl als gut aussehend bezeichnet, doch war da weit mehr als lediglich ein gleichmäßig geschnittenes Gesicht. Nachdem Charlotte ihm in die Augen gesehen hatte, fühlte sie sich genötigt, immer wieder den Blick auf ihn zu richten, denn in diesen Augen lag der Ausdruck einer wachen Klugheit und aufrichtiger Empfindungen. Seine Haltung war von unangestrengter Anmut. Zwar merkte sie, dass Pitt neugierig zusah, wie sie den Mann musterte, ließ sich aber dadurch nicht davon abhalten.
Evan Blantyre war ein ehemaliger Diplomat, dessen besonderes Interesse dem Gebiet um das östliche Mittelmeer galt.
»Das Mittelmeer ist herrlich«, sagte er, als spreche er zu sich selbst, obwohl er Charlotte dabei ansah. »Es ist Europa, doch zugleich auch das Tor zu einer weit älteren Welt und zu Zivilisationen, die der unseren vorausgegangen sind und der diese ihre Entstehung verdankt.«
»Wie beispielsweise Griechenland?«, fragte Charlotte, die ihr Interesse nicht zu heucheln brauchte, »und möglicher-weise auch Ägypten?«
»Byzanz, Makedonien und davor Troja«, führte er aus. »Die Welt Homers, die unserem Denken zugrunde liegenden Erinnerungen, die Begriffe, auf die es zurückgeht, die damit verbundenen Vorstellungen.«
Unmöglich konnte sie ihm das einfach so durchgehen lassen - nicht weil sie ihm nicht geglaubt hätte, sondern weil sie an ihm eine Arroganz wahrnahm, die sie als Provokation empfand.
»Tatsächlich? Ich hätte gedacht, dass die entscheidenden Anstöße von Judäa ausgegangen sind«, sagte sie.
Er lächelte und ging sogleich darauf ein, weil er ihr Inter-esse erkannte. »Gewiss, wenn es um die Wurzeln des Glaubens geht - aber nicht um die des Denkens, der Philosophie, der Liebe zur Weisheit anstelle eines verordneten Glaubens. Ich habe mich mit Bedacht für das Wort ›verordnet‹ entschieden, Mrs. Pitt.«
Jetzt wusste sie genau, was er meinte. Sie begriff nicht nur, dass er für sie mit voller Absicht einen Köder ausgelegt hatte, sondern auch, dass er fest von dem überzeugt war, was er sagte. Die Leidenschaft in seiner Stimme war nicht gespielt.
Lächelnd hielt sie seinem Blick stand. »Aha. Und wer in Europa trägt jetzt die Fackel dieser Philosophie?«, fragte sie herausfordernd. Sie wollte darauf unbedingt eine Antwort haben.
»Tja.« Jetzt achtete er nicht mehr auf die anderen. »Eine interessante Frage. Das Deutsche Reich nicht, wo alles so glänzend herausgeputzt ist und man darauf wartet, nassforsch mutige Taten begehen zu dürfen. Frankreich eigentlich auch nicht, trotz seiner einzigartigen und faszinierenden Kultiviertheit. Italien, das den Keim zu großem Ruhm gelegt hat, wird inzwischen im Inneren von unaufhörlichen Streitereien zerrissen.« Er machte eine elegante Bewegung des Bedauerns.
»Und wir?«, fragte Charlotte in etwas schärferem Ton, als sie beabsichtigt hatte. Sie hatte, ganz wider Willen, zugelassen, dass sie sich von ihm in ihrem Stolz gekränkt fühlte.
»England? Abenteurer«, gab er ohne zu zögern zurück, »und in den Augen der Welt ein Volk von Krämerseelen.«
»Heißt das, es gibt in der Gegenwart gar keine Erben?«, fragte sie, plötzlich enttäuscht. Es ärgerte sie, dass sie sich von ihm so vollständig hatte einfangen lassen.
»Doch. Die Donaumonarchie«, sagte er so rasch, dass sie darin seine Empfindungen erkennen konnte. »Österreich-Ungarn. Es hat die Stellung des einstigen Heiligen Römischen Reiches geerbt, das nach dem Untergang Roms Europa im Geist des Christentums als einheitliches Ganzes zusammen-gehalten hat.«
Sie war erstaunt. »Österreich? Ist das nicht eine baufällige Konstruktion, die an allen Ecken und Enden zerbröckelt? Oder hat man uns da etwa lauter Unsinn erzählt?«
Ihre Worte belustigten ihn offensichtlich. In seinem Lächeln, mit dem er darauf reagierte, lag zwar eine gewisse Wärme, aber auch so viel unverhohlener Spott, dass es sie schmerzte.
»Ich hatte geglaubt, Sie herausfordern zu können, und sehe jetzt, dass Sie dasselbe mit mir tun.« Er wandte sich an Pitt. »Ich habe Ihre Gattin unterschätzt, Sir. Jemand hat gesagt, dass Sie Leiter des Staatsschutzes sind. Sofern es sich so verhält, hätte ich mir denken müssen, dass Sie bei der Wahl Ihrer Gattin nicht nur nach dem Aussehen gegangen sind, und wenn es noch so bezaubernd ist.«
Jetzt lächelte auch Pitt. »Damals hatte ich dies Amt noch nicht inne«, gab er zur Antwort, »aber trotzdem war ich so ehrgeizig und begierig, dass ich das Beste haben wollte, ohne dabei meine eigenen Grenzen zu bedenken.«
»Ausgezeichnet!«, lobte Blantyre. »Man sollte seinen Träumen nie Schranken setzen, sondern ganz im Gegenteil nach den Sternen streben, mit ausgestreckten Armen und dem Blick auf das nächste Ziel leben und sterben.«
»Evan, du redest dummes Zeug«, sagte Adriana gelassen, wobei sie zuerst zu Charlotte und dann zu Pitt sah, um deren Reaktion zu beobachten. »Hast du eigentlich keine Sorge, dass man dir glauben könnte?«
»Glauben Sie mir, Mrs. Pitt?«, fragte Blantyre mit weit geöffneten Augen herausfordernd.
Charlotte sah ihn offen an. Sie war ihrer Antwort gewiss und sagte: »Es tut mir leid, Mr. Blantyre, denn ich nehme an, dass Sie das nicht wollen - aber ja, ich glaube Ihnen.«
»Bravo!«, sagte er ohne jeden Nachdruck. »Ich habe eine Kontrahentin gefunden, bei der sich die Mühe lohnt.« Zu Pitt gewandt fragte er: »Erstreckt sich Ihr Aufgabengebiet auch auf Beziehungen zu den Balkanländern?«
Pitt sah zu Jack und Emily hinüber, die ein Stückchen weitergegangen waren und sich dort unterhielten, und dann wieder zu Blantyre. »Auf alles und alle, von denen eine Gefahr für die Sicherheit oder den Frieden unseres Landes aus-gehen könnte«, gab er zurück. Sein Gesicht war jetzt ernst.
Blantyre hob die Brauen. »Selbst wenn sich die betreffen-den Personen in Norditalien oder Kroatien befinden? Oder gar in Wien?«
»Sie wissen ebenso gut wie ich, dass das nicht der Fall ist«, teilte ihm Pitt mit, nach wie vor um Verbindlichkeit bemüht, als gehe es um ein unbedeutendes Gesellschaftsspiel. »Ich bin ausschließlich für Vorfälle auf britischem Boden zu-ständig. Um Dinge außerhalb des Landes kümmert sich Mr. Radley.«
© 2013 der deutschen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München,
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Autoren-Porträt von Anne Perry
Perry, AnneDie Engländerin Anne Perry, 1938 in London geboren, verbrachte einen Teil ihrer Jugend in Neuseeland und auf den Bahamas. Ihre historischen Kriminalromane begeistern ein Millionenpublikum und gelangten international auf die Bestsellerlisten. Anne Perry lebt und schreibt in Schottland.
Bibliographische Angaben
- Autor: Anne Perry
- 2012, 512 Seiten, Maße: 11,8 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Schatzhauser, K.
- Übersetzer: K. Schatzhauser
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453435540
- ISBN-13: 9783453435544
- Erscheinungsdatum: 10.12.2012
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