Mordsviecher / Kommissarin Irmi Mangold Bd.4
Ein Alpen-Krimi
Kilian Stowasser, ein sehr erfolgreicher Unternehmer, wird tot aufgefunden inmitten von Schlangen, Spinnen und Skorpionen. Todesursache: Der Biss einer schwarzen Mamba! Doch wer hat ihm diese "Mordsvieher" zukommen lassen? Das Opfer hatte Feinde ......
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Mordsviecher / Kommissarin Irmi Mangold Bd.4 “
Kilian Stowasser, ein sehr erfolgreicher Unternehmer, wird tot aufgefunden inmitten von Schlangen, Spinnen und Skorpionen. Todesursache: Der Biss einer schwarzen Mamba! Doch wer hat ihm diese "Mordsvieher" zukommen lassen? Das Opfer hatte Feinde ...
Kommissarin Irmi Mangold und Kathi Reindl ermitteln.
Klappentext zu „Mordsviecher / Kommissarin Irmi Mangold Bd.4 “
Noch schnattern sie glücklich vor sich hin, die artgerecht gehaltenen Gänse, deren Daunen in der Firma von Kilian Stowasser zu edlen Jacken und Schlafsäcken verarbeitet werden. Doch warum ist der Unternehmer unter so seltsamen Umständen zu Tode gekommen? Hatte er doch Dreck am Stecken? Irmi Mangold und Kathi Reindl haben es mit einem kniffligen Fall zu tun, bei dem nicht nur Gänse ihre Federn lassen müssen ...
Lese-Probe zu „Mordsviecher / Kommissarin Irmi Mangold Bd.4 “
Mordsviecher von Nicola FörgProlog
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Diese verdammten Köter. Unnützes kläffendes Gschwerl. Da bringt man ihnen was zu Fressen, und die Viecher beißen einem den halben Arm ab. Sein rechter Arm sah aus wie durch den Fleischwolf gedreht. Eiterte, schmerzte. Alles nur wegen der Köter. Da lobte er sich seine Lieblinge. Stumm und elegant. Vor ein paar Tagen waren neue gekommen. Nachts natürlich. Die deutschen Behörden waren so unflexibel ...
Ihre Gegenwart war ein Fest für ihn, das er regelrecht zelebrierte. Er sah sie an. Lange. Er würde umbauenmüssen, ja, das würde er als Nächstes tun. Sie waren so schön. Er nahm die rasche Bewegung kaum wahr. Sie kam aus dem Nichts. Wieder schmerzte sein Arm. Stärker. Anders diesmal. Er riss an dem Verband, der längst schon in Fetzen hing, doch sein linker Arm gehorchte ihm nicht, erlahmte auf einmal. Da ahnte er etwas, wollte loslaufen und sackte im nächsten Raum zusammen. Dachte dabei an einen Boxkampf von Klitschko gegen irgendwen, der - kaum hatte er begonnen - wieder zu Ende gewesen war.
Er mochte Boxen. Boxen war männlich. Kraftvoll und gewaltig. Und es ging ums Bluffen, um große Worte und große Gesten. Es ging darum, sich nicht in die Karten schauen zu lassen. Das hatte auch er immer vermieden. Er hatte die Karten in der Hand behalten, das Ass stets im Ärmel gehabt. Die Welt war so leicht zu manipulieren. Die Menschen waren so gutgläubig. Sie bettelten doch fast darum, betrogen zu werden.
Nun aber war er bewegungslos. Das letzte Ass war ihm abhandengekommen. Er lag am Boden, wie festgenagelt. Aber sein Gehirn gab immer noch Botenstoffe ab. Es dachte. Es fühlte. Es lehnte sich auf. Angst und Panik fluteten ein. Er hätte schreien wollen, aber kein Laut kam aus seiner Kehle. Er starrte zu den Heizungsrohren an der Decke und hörte die Kläffer da drüben. Deutlich hörte er sie. Gefangen in seinem Körper.
Die Brust wurde ihm eng, ein gewaltiger Felsbrocken schien sich auf ihn zu wälzen. Dann sah er ein Augenpaar, und er wusste alles. So zu verlieren. Gegen so einen Gegner. Er wusste, dass es noch dauern würde. Nicht sehr lange, und doch eine grauenvolle Ewigkeit.
Bis das Ende kam.
Das gnädige Ende.
1
Andrea war nahe dran gewesen, das Foto wegzuwerfen. Kathi konnte aber auch ätzend sein. » Hanni und Andreanni ! «, hatte sie gerufen. » Dick und Dalli und die Ponys ! « Dabei hatte sie sie provozierend angesehen und offen gelassen, in welcher Rolle bei den » Mädels vom Immenhof « sie Andrea sah.
Diese hatte sich vorgenommen, Kathis Attacken zu ignorieren. War sie wirklich ein kindisches Ponymädel, bloß weil sie ein Bild ihres Pferdes auf dem Schreibtisch stehen hatte ? Keinen Mann, keinen Lover, keine Kinder.
Natürlich hätte sie kontern können und sollen : » Besser ein netter Gaul als deine ständig wechselnden Lover. So schnell kannst du die Bilder ja gar nicht austauschen. « Das wäre gut gewesen, aber die guten Sachen fielen ihr nie ein, wenn die schlanke Kathi sich vor ihr aufbaute.
Sie hätte auch sagen können : » Wie praktisch, dass du ein Foto deiner Tochter aufgestellt hast, da siehst du sie wenigstens ab und zu mal. Die kennt ihre Mutter doch eh kaum, sondern bloß die Oma. « So eine Bemerkung hätte Kathi getroffen, denn das war ihre verwundbare Stelle : Sie hatte nie Zeit für ihre Tochter Sophia. Das wäre richtig fies gewesen, aber Andrea war nicht fies.
Letztlich hatte sie das Bild von Moritz, dem braunen süddeutschen Kaltblut, dann doch stehen lassen und empfand das als Sieg. Als Sieg über Kathis Ätzereien.
Während Andrea sinnierend vor dem Foto saß, kam ihr Kollege Sailer zur Tür herein.
» Andrea, mir müssen. «
» Was müssen wir ? «
» Raus. «
» Raus wohin ? «
» Die Frau Irmengard und die Kathi san ja auf Weilheim zu einer Besprechung. Und sonst is auch keiner verfügbar außer unsereinem. «
Zwei weitere Kollegen waren zu einem Nachbarschaftsstreit unterwegs, bei dem es seit Monaten um einen renitenten Gockel ging, zwei andere waren auf Fortbildung.
» Und wohin sollen wir, Sailer ? «
» Zu dem Gebelle. «
» Hä ? «
» Da, wo die Hund immer bellen wie verruckt. «
Sailer war der Meister kryptischer Reden, der Erfinder der Minimalkonversation. Das waren keine Würmer, die man ihm aus der Nase ziehen musste, sondern richtige Kaventsmänner, so dick wie Aale. Diesmal wusste Andrea allerdings, worauf Sailer anspielte. Vor einigen Wochen hatten sie Beschwerden von Anwohnern und Spaziergängern bekommen, weil auf einem Anwesen in relativer Alleinlage in Krün anscheinend ein paar Hunde so schauerlich bellten und heulten wie der Spukhund von Baskerville. Offenbar stank es dort auch bestialisch. Es war sogar schon die eine oder andere Streife vorbeigefahren, im Anwesen hinter den hohen Hecken hatten sie aber niemanden angetroffen.
Andrea wusste : So etwas wurde eher halbherzig verfolgt, denn wen interessierte es wirklich, ob sich in Krün ein paar Hunde die Seele aus dem Leib bellten ? Besonders stark besiedelt war die kleine Stichstraße am Waldrand nicht gerade, die Belästigung hielt sich also in Grenzen. Außerdem waren die Anrufe dann abgeflaut.
Allerdings war heute in der Früh ein anonymer Anruf eingegangen. Mit verstellter Stimme und unterdrückter Rufnummer hatte jemand gesagt, die Polizei solle besser mal dort hinfahren. Der Anrufer hatte sofort wieder aufgelegt.
» Und warum sollen wir da jetzt doch hin ? Gerade heute, wo wir eh hier Stalldienst haben ? «, wollte Andrea wissen.
» Weil aa no eine Nachbarin ang'rufen und g'sagt hat, dass da scho seit heut früh ein Jeep steht und die Hund noch irrer bellen als sonst. «
Dabei sprach er den Jeep wie » Chip « aus, und Andrea musste sich ein Grinsen verkneifen.
» Ich weiß zwar nicht, was das bringen soll, aber von mir aus «, meinte sie dann.
Draußen jagte ein scharfer Wind Regenschauer durch die Luft. Es war kalt, so kalt, dass der Niederschlag weiter oben sicher schon in Schneeregen überging. Andrea war wirklich eine wetterfeste Bauerstochter, aber vier Grad und Nässe von überallher wirkten selbst auf sie extrem lähmend. Es war ein typischer bayerischer Sommer. Hitze, die sich feucht und schwer aufbaute und sich fast jeden Abend in gewaltigen Gewittern entlud. Gewaltig und gewalttätig in ihrer dröhnenden Macht. Gerade wieder war so ein Gewitter mit einer Sturmfront durchgezogen, und es war schlagartig um gut zwanzig Grad kälter geworden.
Immerhin war der Wind abgeflaut und der Regen legte gerade eine Pause ein, als Andrea und Sailer in Krün am Ende der besagten Stichstraße ankamen. Die Straße war stetig leicht angestiegen, vor ihnen lag nun ein kleiner Wendeplatz, der in der Mitte wie eine Verkehrsinsel gestaltet war, auf der ein elender Birkenstängel wuchs. Ein dürres, krankes Gewächs, das sich seiner Blätter entledigt hatte. Dahinter befand sich das Grundstück. Sie starrten auf ein offenes Tor. Rechts und links von dem geöffneten Stahltor erhoben sich hohe Mauern, die fast vollständig von Thujahecken überwuchert waren. Noch außerhalb des Tors lehnte sich ein kleiner alter Schuppen an die Mauer, dahinter begann Dickicht.
Eine Frau kam herangeeilt, die den Kragen ihrer Jacke so fest zuhielt, dass man meinen konnte, sie wollte sich selbst erwürgen. Sie stellte sich als Frau Sanktjohanser vor. Ihrer abgehackten Rede war zu entnehmen, dass der Geländewagen schon seit den frühen Morgenstunden da stehe. Dass jemand wie wild gehupt habe. Und dass es nun wirklich reiche !
Andrea sah sich um. In etwa fünfzig Metern Entfernung gab es eine zweite Mauer und ein zweites Tor aus Gitterstäben, das ebenfalls offen stand. Dazwischen parkte ein großer Wagen auf der gekiesten Zufahrt.
» Sind Sie reingegangen ? «, erkundigte sich Andrea.
» Da geh ich doch nicht rein ! «, entrüstete sich Frau Sanktjohanser. » Was weiß ich denn, was das für Bestien sind ? « Es folgte eine lange Tirade über ständigen Lärm und nächtens vorfahrende Lastwagen. » Der letzte Transport ist erst vor drei Tagen gekommen. Vielleicht wird da mit Drogen oder Frauen gehandelt ! «
» Die bellen aber ned «, brummte Sailer.
Andrea war ihm fast dankbar für diesen Satz, der sie ein wenig heiterer stimmte. Denn ihr war seit der Fahrt übel, was natürlich auch am Mittagessen liegen konnte, das aus Junkfood vom Drive-in bestanden hatte.
Währenddessen echauffierte sich die Frau weiter und erzählte, dass der Jeep schon öfter hier gewesen sei. Sonst würde er aber immer nur so reinhuschen. Im Übrigen stehe heute zum ersten Mal das Stahltor offen.
» Und da warn S' ned neugierig ? «, fragte Sailer.
» I ch geh da nicht rein. Dafür ist die Polizei da ! «
Sie verschwand nebenan in einer Einfahrt, vor der zwei Löwen mit bayerischem Wappen auf zwei Säulen hockten - Kitsch as Kitsch can.
Der Wind blies unvermindert, während sie auf den Geländewagen zugingen. Sailer pfiff durch die Zähne.
» A Hummer H zwoa «, sagte er.
Andrea hatte so ein Auto noch nie live gesehen, sondern nur im Fernsehen. In der Fernsehserie » CSI «, wo die Farben immer so bunt waren wie bei einem Musikvideo. Die Menschen alle leicht bekleidet und makellos schön. Wo immer Sommer war.
Anders als hier. Die Kälte kroch unerbittlich in ihre Jacke. Ihre Finger waren klamm.
» Koscht sicher siebzigtausend «, meinte Sailer ehrfürchtig.
Das monströse Fahrzeug war abgeschlossen, kein Mensch war zu sehen, was aber lauter wurde, war das Gebell. Andrea ließ den Blick schweifen. Rechts von der Einfahrt lagen drei Einzelgebäude mit Flachdächern, von dort schien auch das Bellen zu kommen. Der Weg wandte sich jenseits der Häuser in einer Linkskurve leicht bergan und schien zu einer Pferdekoppel zu führen.
Sailer rief gegen den Wind : » Hallo, is einer da ? «
Doch niemand antwortete.
Sie ließen die Gebäude fürs Erste rechts liegen und näherten sich einem Gehege.
In dem Moment, als sie vor der Pferdekoppel standen, wusste Andrea, dass sie dieses Bild ihr Leben lang nicht mehr vergessen würde. Dass es sie anspringen würde, dass es ihr Leben vergiften würde und ihr den Schlaf rauben.
Sie vermochte nicht zu sagen, wie viele es waren. Die Tiere standen bis über die Fesseln in tiefem Matsch und Mist. Sie waren abgemagert bis auf die Knochen. Andrea sah nur noch Rippenbögen. Jemand hatte wohl vor gar nicht langer Zeit in dieses Matschloch Heu und Stroh geworfen, das zertrampelt war und kaum noch als Nahrung dienen konnte. Es hatte einfach zu viel geregnet. Der Schimmel, dessen Kopf über den Zaun hing, als würde er nur von einem Gummiband gehalten, hatte eine Wunde an der Flanke, aus der Maden krochen.
Andreas Tränen vermischten sich mit dem Regen, der wieder eingesetzt hatte. Trotzdem musste sie immer wieder hinsehen zu all den Kreaturen mit den leeren Augen. Bis ihr Blick in der Ecke dieses Foltergefängnisses hängen blieb. Dort wo ein windschiefer Unterstand fast einen Meter hoch mit Mist und Strohresten gefüllt war, lag ein Fohlen. Ein geschecktes Fohlen. Es lag im Matsch, das Köpfchen irgendwie noch herausgereckt. Als hätte es um sein Leben gekämpft. Als hätte es sagen wollen : » A ber ich will noch nicht sterben, ich bin doch noch kein halbes Jahr alt. Warum hilft mir denn keiner ? « Sie hatten es zertrampelt in ihrer verzweifelten Suche nach Futter und Wasser.
Die Woge kam ohne Vorwarnung. Andrea spie den Burger aus, die Essiggurke schier unverdaut. Sie spie und spie und hoffte auf Gnade. Wie konnte jemand so respektlos sein, so mit Tieren umgehen ?
Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war. Irgendwann reichte ihr Sailer ein Taschentuch, drehte sie um und schob sie behutsam den Weg hinunter. Bis zum Polizeiauto. Dort drückte er sie auf den Beifahrersitz. Orderte per Funk Verstärkung, Tierschutz, Veterinäramt. Schließlich rief er Irmi an. Andrea hörte ihn aus weiter Ferne, als hätte sie Watte in den Ohren.
» Frau Irmengard, tut mir leid, wenn i stör, aber Sie müssen kommen. Sofort, i schaff des ned, und so was schafft sowieso keiner allein. Bitte. « Er nannte die Adresse und erklärte, dass er schon alle alarmiert habe. » Einfach alle ! «
© 2012 Pendo Verlag in der Piper Verlag GmbH, München
Diese verdammten Köter. Unnützes kläffendes Gschwerl. Da bringt man ihnen was zu Fressen, und die Viecher beißen einem den halben Arm ab. Sein rechter Arm sah aus wie durch den Fleischwolf gedreht. Eiterte, schmerzte. Alles nur wegen der Köter. Da lobte er sich seine Lieblinge. Stumm und elegant. Vor ein paar Tagen waren neue gekommen. Nachts natürlich. Die deutschen Behörden waren so unflexibel ...
Ihre Gegenwart war ein Fest für ihn, das er regelrecht zelebrierte. Er sah sie an. Lange. Er würde umbauenmüssen, ja, das würde er als Nächstes tun. Sie waren so schön. Er nahm die rasche Bewegung kaum wahr. Sie kam aus dem Nichts. Wieder schmerzte sein Arm. Stärker. Anders diesmal. Er riss an dem Verband, der längst schon in Fetzen hing, doch sein linker Arm gehorchte ihm nicht, erlahmte auf einmal. Da ahnte er etwas, wollte loslaufen und sackte im nächsten Raum zusammen. Dachte dabei an einen Boxkampf von Klitschko gegen irgendwen, der - kaum hatte er begonnen - wieder zu Ende gewesen war.
Er mochte Boxen. Boxen war männlich. Kraftvoll und gewaltig. Und es ging ums Bluffen, um große Worte und große Gesten. Es ging darum, sich nicht in die Karten schauen zu lassen. Das hatte auch er immer vermieden. Er hatte die Karten in der Hand behalten, das Ass stets im Ärmel gehabt. Die Welt war so leicht zu manipulieren. Die Menschen waren so gutgläubig. Sie bettelten doch fast darum, betrogen zu werden.
Nun aber war er bewegungslos. Das letzte Ass war ihm abhandengekommen. Er lag am Boden, wie festgenagelt. Aber sein Gehirn gab immer noch Botenstoffe ab. Es dachte. Es fühlte. Es lehnte sich auf. Angst und Panik fluteten ein. Er hätte schreien wollen, aber kein Laut kam aus seiner Kehle. Er starrte zu den Heizungsrohren an der Decke und hörte die Kläffer da drüben. Deutlich hörte er sie. Gefangen in seinem Körper.
Die Brust wurde ihm eng, ein gewaltiger Felsbrocken schien sich auf ihn zu wälzen. Dann sah er ein Augenpaar, und er wusste alles. So zu verlieren. Gegen so einen Gegner. Er wusste, dass es noch dauern würde. Nicht sehr lange, und doch eine grauenvolle Ewigkeit.
Bis das Ende kam.
Das gnädige Ende.
1
Andrea war nahe dran gewesen, das Foto wegzuwerfen. Kathi konnte aber auch ätzend sein. » Hanni und Andreanni ! «, hatte sie gerufen. » Dick und Dalli und die Ponys ! « Dabei hatte sie sie provozierend angesehen und offen gelassen, in welcher Rolle bei den » Mädels vom Immenhof « sie Andrea sah.
Diese hatte sich vorgenommen, Kathis Attacken zu ignorieren. War sie wirklich ein kindisches Ponymädel, bloß weil sie ein Bild ihres Pferdes auf dem Schreibtisch stehen hatte ? Keinen Mann, keinen Lover, keine Kinder.
Natürlich hätte sie kontern können und sollen : » Besser ein netter Gaul als deine ständig wechselnden Lover. So schnell kannst du die Bilder ja gar nicht austauschen. « Das wäre gut gewesen, aber die guten Sachen fielen ihr nie ein, wenn die schlanke Kathi sich vor ihr aufbaute.
Sie hätte auch sagen können : » Wie praktisch, dass du ein Foto deiner Tochter aufgestellt hast, da siehst du sie wenigstens ab und zu mal. Die kennt ihre Mutter doch eh kaum, sondern bloß die Oma. « So eine Bemerkung hätte Kathi getroffen, denn das war ihre verwundbare Stelle : Sie hatte nie Zeit für ihre Tochter Sophia. Das wäre richtig fies gewesen, aber Andrea war nicht fies.
Letztlich hatte sie das Bild von Moritz, dem braunen süddeutschen Kaltblut, dann doch stehen lassen und empfand das als Sieg. Als Sieg über Kathis Ätzereien.
Während Andrea sinnierend vor dem Foto saß, kam ihr Kollege Sailer zur Tür herein.
» Andrea, mir müssen. «
» Was müssen wir ? «
» Raus. «
» Raus wohin ? «
» Die Frau Irmengard und die Kathi san ja auf Weilheim zu einer Besprechung. Und sonst is auch keiner verfügbar außer unsereinem. «
Zwei weitere Kollegen waren zu einem Nachbarschaftsstreit unterwegs, bei dem es seit Monaten um einen renitenten Gockel ging, zwei andere waren auf Fortbildung.
» Und wohin sollen wir, Sailer ? «
» Zu dem Gebelle. «
» Hä ? «
» Da, wo die Hund immer bellen wie verruckt. «
Sailer war der Meister kryptischer Reden, der Erfinder der Minimalkonversation. Das waren keine Würmer, die man ihm aus der Nase ziehen musste, sondern richtige Kaventsmänner, so dick wie Aale. Diesmal wusste Andrea allerdings, worauf Sailer anspielte. Vor einigen Wochen hatten sie Beschwerden von Anwohnern und Spaziergängern bekommen, weil auf einem Anwesen in relativer Alleinlage in Krün anscheinend ein paar Hunde so schauerlich bellten und heulten wie der Spukhund von Baskerville. Offenbar stank es dort auch bestialisch. Es war sogar schon die eine oder andere Streife vorbeigefahren, im Anwesen hinter den hohen Hecken hatten sie aber niemanden angetroffen.
Andrea wusste : So etwas wurde eher halbherzig verfolgt, denn wen interessierte es wirklich, ob sich in Krün ein paar Hunde die Seele aus dem Leib bellten ? Besonders stark besiedelt war die kleine Stichstraße am Waldrand nicht gerade, die Belästigung hielt sich also in Grenzen. Außerdem waren die Anrufe dann abgeflaut.
Allerdings war heute in der Früh ein anonymer Anruf eingegangen. Mit verstellter Stimme und unterdrückter Rufnummer hatte jemand gesagt, die Polizei solle besser mal dort hinfahren. Der Anrufer hatte sofort wieder aufgelegt.
» Und warum sollen wir da jetzt doch hin ? Gerade heute, wo wir eh hier Stalldienst haben ? «, wollte Andrea wissen.
» Weil aa no eine Nachbarin ang'rufen und g'sagt hat, dass da scho seit heut früh ein Jeep steht und die Hund noch irrer bellen als sonst. «
Dabei sprach er den Jeep wie » Chip « aus, und Andrea musste sich ein Grinsen verkneifen.
» Ich weiß zwar nicht, was das bringen soll, aber von mir aus «, meinte sie dann.
Draußen jagte ein scharfer Wind Regenschauer durch die Luft. Es war kalt, so kalt, dass der Niederschlag weiter oben sicher schon in Schneeregen überging. Andrea war wirklich eine wetterfeste Bauerstochter, aber vier Grad und Nässe von überallher wirkten selbst auf sie extrem lähmend. Es war ein typischer bayerischer Sommer. Hitze, die sich feucht und schwer aufbaute und sich fast jeden Abend in gewaltigen Gewittern entlud. Gewaltig und gewalttätig in ihrer dröhnenden Macht. Gerade wieder war so ein Gewitter mit einer Sturmfront durchgezogen, und es war schlagartig um gut zwanzig Grad kälter geworden.
Immerhin war der Wind abgeflaut und der Regen legte gerade eine Pause ein, als Andrea und Sailer in Krün am Ende der besagten Stichstraße ankamen. Die Straße war stetig leicht angestiegen, vor ihnen lag nun ein kleiner Wendeplatz, der in der Mitte wie eine Verkehrsinsel gestaltet war, auf der ein elender Birkenstängel wuchs. Ein dürres, krankes Gewächs, das sich seiner Blätter entledigt hatte. Dahinter befand sich das Grundstück. Sie starrten auf ein offenes Tor. Rechts und links von dem geöffneten Stahltor erhoben sich hohe Mauern, die fast vollständig von Thujahecken überwuchert waren. Noch außerhalb des Tors lehnte sich ein kleiner alter Schuppen an die Mauer, dahinter begann Dickicht.
Eine Frau kam herangeeilt, die den Kragen ihrer Jacke so fest zuhielt, dass man meinen konnte, sie wollte sich selbst erwürgen. Sie stellte sich als Frau Sanktjohanser vor. Ihrer abgehackten Rede war zu entnehmen, dass der Geländewagen schon seit den frühen Morgenstunden da stehe. Dass jemand wie wild gehupt habe. Und dass es nun wirklich reiche !
Andrea sah sich um. In etwa fünfzig Metern Entfernung gab es eine zweite Mauer und ein zweites Tor aus Gitterstäben, das ebenfalls offen stand. Dazwischen parkte ein großer Wagen auf der gekiesten Zufahrt.
» Sind Sie reingegangen ? «, erkundigte sich Andrea.
» Da geh ich doch nicht rein ! «, entrüstete sich Frau Sanktjohanser. » Was weiß ich denn, was das für Bestien sind ? « Es folgte eine lange Tirade über ständigen Lärm und nächtens vorfahrende Lastwagen. » Der letzte Transport ist erst vor drei Tagen gekommen. Vielleicht wird da mit Drogen oder Frauen gehandelt ! «
» Die bellen aber ned «, brummte Sailer.
Andrea war ihm fast dankbar für diesen Satz, der sie ein wenig heiterer stimmte. Denn ihr war seit der Fahrt übel, was natürlich auch am Mittagessen liegen konnte, das aus Junkfood vom Drive-in bestanden hatte.
Währenddessen echauffierte sich die Frau weiter und erzählte, dass der Jeep schon öfter hier gewesen sei. Sonst würde er aber immer nur so reinhuschen. Im Übrigen stehe heute zum ersten Mal das Stahltor offen.
» Und da warn S' ned neugierig ? «, fragte Sailer.
» I ch geh da nicht rein. Dafür ist die Polizei da ! «
Sie verschwand nebenan in einer Einfahrt, vor der zwei Löwen mit bayerischem Wappen auf zwei Säulen hockten - Kitsch as Kitsch can.
Der Wind blies unvermindert, während sie auf den Geländewagen zugingen. Sailer pfiff durch die Zähne.
» A Hummer H zwoa «, sagte er.
Andrea hatte so ein Auto noch nie live gesehen, sondern nur im Fernsehen. In der Fernsehserie » CSI «, wo die Farben immer so bunt waren wie bei einem Musikvideo. Die Menschen alle leicht bekleidet und makellos schön. Wo immer Sommer war.
Anders als hier. Die Kälte kroch unerbittlich in ihre Jacke. Ihre Finger waren klamm.
» Koscht sicher siebzigtausend «, meinte Sailer ehrfürchtig.
Das monströse Fahrzeug war abgeschlossen, kein Mensch war zu sehen, was aber lauter wurde, war das Gebell. Andrea ließ den Blick schweifen. Rechts von der Einfahrt lagen drei Einzelgebäude mit Flachdächern, von dort schien auch das Bellen zu kommen. Der Weg wandte sich jenseits der Häuser in einer Linkskurve leicht bergan und schien zu einer Pferdekoppel zu führen.
Sailer rief gegen den Wind : » Hallo, is einer da ? «
Doch niemand antwortete.
Sie ließen die Gebäude fürs Erste rechts liegen und näherten sich einem Gehege.
In dem Moment, als sie vor der Pferdekoppel standen, wusste Andrea, dass sie dieses Bild ihr Leben lang nicht mehr vergessen würde. Dass es sie anspringen würde, dass es ihr Leben vergiften würde und ihr den Schlaf rauben.
Sie vermochte nicht zu sagen, wie viele es waren. Die Tiere standen bis über die Fesseln in tiefem Matsch und Mist. Sie waren abgemagert bis auf die Knochen. Andrea sah nur noch Rippenbögen. Jemand hatte wohl vor gar nicht langer Zeit in dieses Matschloch Heu und Stroh geworfen, das zertrampelt war und kaum noch als Nahrung dienen konnte. Es hatte einfach zu viel geregnet. Der Schimmel, dessen Kopf über den Zaun hing, als würde er nur von einem Gummiband gehalten, hatte eine Wunde an der Flanke, aus der Maden krochen.
Andreas Tränen vermischten sich mit dem Regen, der wieder eingesetzt hatte. Trotzdem musste sie immer wieder hinsehen zu all den Kreaturen mit den leeren Augen. Bis ihr Blick in der Ecke dieses Foltergefängnisses hängen blieb. Dort wo ein windschiefer Unterstand fast einen Meter hoch mit Mist und Strohresten gefüllt war, lag ein Fohlen. Ein geschecktes Fohlen. Es lag im Matsch, das Köpfchen irgendwie noch herausgereckt. Als hätte es um sein Leben gekämpft. Als hätte es sagen wollen : » A ber ich will noch nicht sterben, ich bin doch noch kein halbes Jahr alt. Warum hilft mir denn keiner ? « Sie hatten es zertrampelt in ihrer verzweifelten Suche nach Futter und Wasser.
Die Woge kam ohne Vorwarnung. Andrea spie den Burger aus, die Essiggurke schier unverdaut. Sie spie und spie und hoffte auf Gnade. Wie konnte jemand so respektlos sein, so mit Tieren umgehen ?
Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war. Irgendwann reichte ihr Sailer ein Taschentuch, drehte sie um und schob sie behutsam den Weg hinunter. Bis zum Polizeiauto. Dort drückte er sie auf den Beifahrersitz. Orderte per Funk Verstärkung, Tierschutz, Veterinäramt. Schließlich rief er Irmi an. Andrea hörte ihn aus weiter Ferne, als hätte sie Watte in den Ohren.
» Frau Irmengard, tut mir leid, wenn i stör, aber Sie müssen kommen. Sofort, i schaff des ned, und so was schafft sowieso keiner allein. Bitte. « Er nannte die Adresse und erklärte, dass er schon alle alarmiert habe. » Einfach alle ! «
© 2012 Pendo Verlag in der Piper Verlag GmbH, München
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Autoren-Porträt von Nicola Förg
Nicola Förg, Bestsellerautorin und Journalistin, hat mittlerweile zweiundzwanzig Kriminalromane verfasst, an zahlreichen Krimi-Anthologien mitgewirkt, einen Island- sowie einen Weihnachtsroman vorgelegt. Die gebürtige Oberallgäuerin, die in München Germanistik und Geografie studiert hat, lebt heute mit Familie sowie Ponys, Katzen und anderem Getier auf einem Hof in Prem am Lech - mit Tieren, Wald und Landwirtschaft kennt sie sich aus. Sie bekam für ihre Bücher mehrere Preise für ihr Engagement rund um Tier- und Umweltschutz.
Bibliographische Angaben
- Autor: Nicola Förg
- 2013, 6. Aufl., Maße: 12 x 19 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: Piper
- ISBN-10: 3492303129
- ISBN-13: 9783492303125
- Erscheinungsdatum: 16.04.2013
Rezension zu „Mordsviecher / Kommissarin Irmi Mangold Bd.4 “
Ein spannender Krimi (...), aktuell und raffiniert aufgebaut.« Sempacher Woche 20120719
Kommentare zu "Mordsviecher / Kommissarin Irmi Mangold Bd.4"
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