Mutter bei die Fische
Ein Küsten-Roman
Es geht rund auf Heisterhoog! Strandkorbvermieter wider Willen Falk Thomsen bekommt Besuch von seiner Mutter und sie will den ganzen Sommer bleiben. Bald bandelt sie mit Piet vom Fischimbiss an. Und das ruft schließlich Falks verschollenenen Vater auf den Plan.
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Mutter bei die Fische “
Es geht rund auf Heisterhoog! Strandkorbvermieter wider Willen Falk Thomsen bekommt Besuch von seiner Mutter und sie will den ganzen Sommer bleiben. Bald bandelt sie mit Piet vom Fischimbiss an. Und das ruft schließlich Falks verschollenenen Vater auf den Plan.
Klappentext zu „Mutter bei die Fische “
'Es geht rund auf Heisterhoog! Falk Thomsen, Strandkorbvermieter wider Willen, freut sich auf seine zweite Saison auf der schönen Nordseeinsel. Doch dann kommt seine Mutter zu Besuch. Sie will den ganzen Sommer bleiben. Schon bald bandelt sie heftig mit Piet vom Fischimbiss an. Da taucht unerwartet Falks verschollener Vater auf, der bisher nie etwas von seiner Familie wissen wollte. Nun will er Versöhnung. Piet findet das gar nicht lustig, Falk flüchtet zwischen seine Strandkörbe. Und Zeit für seine große Liebe Gina hat er auch nicht mehr. Das Drama ist perfekt, und Falk wünscht sich, er wäre adoptiert worden.
Lese-Probe zu „Mutter bei die Fische “
Mutter bei die Fische von Marie MatisekProlog
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Genüsslich vergrub Falk Thomsen die Zehen im Sand, der sich in der Mittagssonne so stark aufgeheizt hatte, dass die Haut an den Füßen zu prickeln begann. Falk liebte das Gefühl, er ließ sich ganz in den feinen weißen Sand fallen und schloss die Augen. Hinter seinen Lidern glühte es rot von der Sonne, die auf ihn herunterbrannte. Lange würde er es nicht aushalten, aber im Moment gefiel es ihm, dass sein Körper sich anfühlte wie ein Brötchen im Backofen.
Falk machte eine Pause von seiner harten Arbeit. Er war gerade dabei, die erste Sandburg seines Erwachsenenlebens zu bauen. Den Wassergraben hatte er bereits ausgehoben und daneben einen ansehnlichen Schutzwall errichtet. Auf diesem hatte er mit dem pinkfarbenen Zinnenförmchen der Kinder die Mauer der Vorburg aufgebaut. Im Inneren erhob sich stolz die Thomsen-Feste: ein großer Haufen aus feuchtem Sand, der darauf wartete, durch Falks Hände zu Mauern, Erkern, Höfen und Türmen geformt zu werden. Aber jetzt war erst mal eine Pause angesagt.
Falk drehte sich zur Seite und warf einen Blick in Richtung Wasser, wo sich die Badenden tummelten. Irgendwo da vorne war Gina mit den Jungs. Falk würde gleich die beiden Minibademäntel bereitlegen, um die Zwillinge darin einzuwickeln und zu knuddeln, wenn sie aus der frischen Nordsee kämen, kleine bibbernde Wonneproppen.
Vorne an der Wasserkante wuselten unzählige Mamis und Papis mit ihren Kindern herum, man hörte das babylonische Ermahnungswirrwarr bis hier hinten. Als von rechts ein orangefarbenes Sonnensegel angeflogen kam, dem eine verzweifelte Mittfünfzigerin folgte, wurde er jäh aus seinen Betrachtungen gerissen.
Die mollige Frau hatte die Hände ausgestreckt und versuchte vergeblich, einen Zipfel der langen Stoffbahn zu erhaschen, aber immer wenn sie es mit den Fingerspitzen berührte, wurde das Segel von einem Windstoß ergriffen und flog weiter davon. Die beklagenswerte Verfolgerin hatte nur Augen für das Segel und bemerkte dadurch nicht, dass sie auf die straff gespannte Schnur einer Strandmuschel zulief. Falk sprang auf und wollte die Frau warnen, aber sein Ruf kam zu spät, und so flog die Geplagte in hohem Bogen bäuchlings in den Sand. Der Besitzer der Strandmuschel kam sofort aus der grellfarbenen Nylonhöhle geschossen und zeigte der Frau einen Vogel. Dann kümmerte er sich hingebungsvoll um den Hering, den die Frau bei ihrem Sturz herausgerissen hatte, anstatt ihr aufzuhelfen. Falk hatte Mitleid mit der geplagten Dame und hechtete dem Sonnensegel hinterher, das in Armesbreite an ihm vorbeiflog. Er konnte es einfangen und kehrte zu der Frau zurück, die sich mittlerweile erhoben hatte und sich kleinlaut beim Strandmuschelbesitzer entschuldigte. Als Falk ihr das Sonnensegel übergab, bedankte sie sich überschwänglich und eilte dann sofort zu ihrem Liegeplatz zurück. Falk blickte ihr nach.
Sie wurde bereits von ihrem Ehemann erwartet, der die Alustangen für das Segel ineinandergesteckt und samt der Schnüre und der Heringe in der exakten späteren Standposition des Segels auf dem Sand ausgebreitet hatte. Er empfing seine Frau mit Vorwürfen. Einige Fetzen seiner Beschimpfungen - »wie kann man sich nur so blöd anstellen«, »dusselige Kuh« - drangen bis an Falks Ohr. Falk schüttelte den Kopf und ging die paar Schritte zu seinem Strandkorb zurück.
Niemals würde er in diesem Ton mit seiner Liebsten reden, auch nicht nach fünfzig Jahren Ehe. Er war noch immer bis über beide Ohren in Gina verliebt, ja vielleicht noch mehr denn je, seit sie die Zwillinge geboren hatte. Falk kuschelte sich in den hellblauen Strandkorb mit der Nummer 105 und dem geschwungenen Schriftzug »Thomsens Strandkörbe« auf der Rückseite, als er sie kommen sah. Louis war natürlich der Erste, er rannte, so schnell ihn seine kleinen Beinchen über den heißen Sand trugen, hatte die Arme ausgestreckt und schrie: »Papaaa!« Hinter ihm lief Lino, er hatte die Arme um seinen Oberkörper geschlungen und zitterte am ganzen Körper. Gina, ganz die stolze Mama, kam hinter den beiden und trug die Schwimmflügel, das Gummikrokodil, einen roten Eimer und zwei Schäufelchen.
Falk stand auf, ging erwartungsvoll in die Hocke und breitete seine Arme weit aus, um Louis in Empfang zu nehmen. Aber dieser rannte einfach an ihm vorbei, ohne ihn nur eines Blickes zu würdigen, auf das DLRG-Häuschen zu, direkt in die Arme des Strandsheriffs Thies Hoop, der den kleinen Wicht hochhob und sich mit ihm einmal um die eigene Achse drehte. Louis jubelte laut, und nun beeilte sich Lino ebenfalls und rief: »Papa, will auch!«
Der lang aufgeschossene Lucky-Luke-Verschnitt mit dem tiefschwarzen Outfit und der noch schwärzeren Zigarette im Mundwinkel setzte Louis ab, wirbelte nun den anderen Zwilling in die Luft und schloss dann Gina in seine Arme. Er ließ seine Hände über ihren schlanken Körper und den wohlgeformten Po gleiten und küsste Gina dabei lange und innig auf den Mund, bis ... Mit einem erstickten Schrei wachte Falk auf. Er war schweißgebadet und musste sich erst einmal in der Schwärze der Nacht orientieren. Was für ein Alptraum! Falk blinzelte und tastete mit seiner rechten Hand neben sich im Bett umher. Er fühlte das zerknautschte Laken, die warme Höhle der Bettdecke und schließlich Ginas Rücken darunter. Bedeckt von einem T-Shirt und gottlob ohne die tatschenden Hände von Thies Hoop darauf. Erleichtert atmete Falk durch.
Er lauschte auf Ginas leises Schnarchen und schlug die Bettdecke zurück. Es war kalt in der Kate, trotzdem stand er auf und ging barfuß zum Fenster. Es war März, und sie hatten noch einmal einen Wintereinbruch auf Heisterhoog, so kurz vor Ostern. Fasziniert beobachtete Falk durch die Butzenscheiben, wie dicke Schneeflocken leise und dicht vom Himmel fielen. Sie blieben auf den Sanddünen liegen und ließen diese wie eine Landschaft aus Zuckerbaisers aussehen. Falk lächelte. Zum Glück hatte er nur geträumt. Er drehte sich zum Bett und betrachtete verliebt Ginas Gestalt: zusammengekuschelt und bis über die Ohren zugedeckt. Ob er wohl jemals mit dieser Frau Kinder haben würde?
»Öh ... Ich war in der Halle, mit Nille. Wir haben ein paar Auszugsschienen der Fußteile entrosten müssen und ...« Gina seufzte. »Also auf gut Deutsch: nichts.« Falk wusste daraufhin selten etwas Sinnvolles zu erwidern, was nicht sofort in einen Streit münden würde, also zog er es jedes Mal vor, nicht zu widersprechen, und fragte freundlich nach Ginas Tagesgeschäft. Daraufhin begann seine reizende Freundin aufzuzählen, womit sie sich den lieben langen Tag herumgeschlagen hatte während der 12-Stunden-Plackerei im Architekturbüro. Welche Schikanen ihr Chef Gerd Jonkers sich heute wieder ausgedacht hatte, welche Sonderwünsche der extravagante Kunde geäußert hatte, wie blöd die Kollegen waren und dass all dieser Ärger schließlich dazu führte, dass Gina praktisch stündlich daran dachte, wie es wäre, einfach aufzuhören. Falk schwieg immer dazu und ließ das Gewitter an sich vorbeiziehen. Er wusste, was er an Gina hatte. Wie schön es war, wenn sie zusammen waren, was leider höchstens einmal im Monat vorkam, denn die Strecke Heisterhoog-Berlin ließ sich dank Fähre und Bummelzug nicht unter sieben Stunden bewältigen.
Falk hatte nicht das nötige Kleingeld, um öfter nach Berlin zu pendeln, und Gina hatte dank des anstrengenden Jobs keine Zeit. Also telefonierten sie jeden Abend miteinander. Gina rief ihn an, kaum dass sie das hippe Büro in Berlin- Kreuzberg verlassen hatte. Da lag Falk oftmals schon im Bett. Aber er wusste, dass die abendlichen Telefonate mit ihm wichtig für den Aggressionsabbau waren. Denn Gina, aufstrebende und ehrgeizige Architektin, litt seit langem darunter, dass sie es mit Ende zwanzig noch nicht zu einer Festanstellung gebracht hatte. Letzten Sommer war sie kurz davor gewesen, doch dann hatte sich - nicht zuletzt wegen Falk - alles zerschlagen. Das gleiche Architekturbüro Jonkers & Jonkers engagierte sie nun immer wieder, für Wettbewerbe oder besondere Aufträge als Teamverstärkung. Schlecht bezahlt und ausgenutzt. Gina ärgerte sich völlig zu Recht, am meisten aber ärgerte sie sich über sich selbst, weil sie sich nicht aus der künstlerischen Knechtschaft befreien konnte. Also ließ sie bei den fernmündlichen Gesprächen Berlin-Heisterhoog bei ihrem Freund Dampf ab und war am Ende des Telefonats wieder so besänftigt, dass sie den Kampf am nächsten Arbeitstag von neuem aufnehmen konnte. Insgeheim befand Falk allerdings, dass er seine Funktion als Klagemauer selbst verschuldet hatte. Er hatte im vergangenen Sommer tatsächlich ein Millionengeschäft ausgeschlagen und es vorgezogen, sein Dasein als mittelloser Strandkorbvermieter zu fristen.
Als Millionär hätte er Gina einfach einen Antrag gemacht, sie finanziell unterstützt und ihr so einen Start in die Selbständigkeit ermöglicht. Stattdessen saß er auf Heisterhoog und lebte davon, dass der örtliche Immobilienhai und Bauunternehmer Hubsi von Boistern ihn ab und an als Hausmeister, Baugehilfe und Putzmann beschäftigte.
Aber nun kam der Frühling, und Falk sah der kommenden Saison frohen Mutes entgegen. Er würde diesen Sommer in nur vier Monaten mit seiner Strandkorbvermietung und dem dazugehörigen Kiosk bestimmt so viel verdienen, dass er mühelos den nächsten Winter überstehen könnte. Falk wurde jäh aus seinen Gedanken gerissen, als Jörn Krümmel vorne am Pult streng über seine Halbbrille schaute und rief: »Ich erwarte also eure Kooperation und vor allem: üben, üben, üben!« Obwohl Falk nicht mitbekommen hatte, worum es ging, nickte er so engagiert wie möglich. Fischbrat-Piet, der Seeräuber unter den Insulanern, grinste Falk breit an. »Wegen der CD«, raunte er Falk zu, während sich der Chor zerstreute und nach und nach das Pfarrhaus verließ. Falk guckte verständnislos, und Piet klärte ihn auf. »Jörn will mal wieder eine CD aufnehmen«, erläuterte er Falk mit gesenkter Stimme und zwinkerte mit einem Auge verschwörerisch.
Seit er im letzten Sommer entschieden hatte, dass er die Strandkorbvermietung seines verstorbenen Onkels Sten übernehmen würde, dann aber durch eine Sturmflut die Einnahmen der gesamten Saison verloren hatte, kümmerten sich die Heisterhooger reizend um Falk. Was hieß, dass sie ihm alle mit Job- angeboten unter die Arme griffen, allen voran eben Hubsi von Boistern, der sich Falks Arbeitskraft auch am ehesten leisten konnte. Oftmals waren die Arbeitsangebote zwar gut gemeint, aber trafen nicht unbedingt Falks Kernkompetenzen. So hatte Falk schon der Töpferin Silke Söderbaum bei der jährlichen Inventur ihres durch und durch chaotischen Ladens geholfen, sich bei Ole Reents in der »Rum-Ba-Bar« als Barkeeper versucht und gemeinsam mit dem Vogelwart und selbsternannten Strandsheriff Thies Hoop Zugvögel beringt. Nichts von alledem war besonders vielversprechend gelaufen, und Falks Bedarf an »Almosen-Jobs« war eigentlich gedeckt.
Aber Jörn zog ihn schon aus dem Pfarrhaus und kündigte an, Falk ein Angebot zu machen, das dieser keinesfalls ablehnen konnte: »Komm, wir gehen zu Gino, und ich lade dich ein.« Eineinhalb Stunden und drei Gänge von Ginos köstlicher süditalienischer Küche später goss Jörn den letzten Tropfen sizilianischen Rotwein in Falks Glas und sah ihn gespannt an. »Und? Was sagst du?«, erkundigte er sich. Falk sagte erst einmal gar nichts, in seinem benebelten Gehirn jagten sich die Gedanken. Er sollte Marita ersetzen? In der Kurverwaltung? »Nur für acht Wochen«, hatte Jörn ihm versichert. Solange Marita noch im Mutterschutz war. »Aber ich habe von Tourismusmanagement keine Ahnung«, wandte Falk vorsichtig ein. »Marita doch auch nicht!«, wischte Jörn den Einwurf fröhlich beiseite und orderte bei Gino eine zweite Flasche von dem guten Roten. »Du musst einfach nur darauf achten, dass die Anzeigen rechtzeitig geschaltet werden, dass die Infos auf der Website immer aktualisiert sind, dass die Künstler, die in dieser Saison bei uns gastieren, ihre Verträge rechtzeitig zurückschicken und so. Wenn die heiße Phase kommt, ist Marita wieder zurück, das hat sie mir zugesichert.« Falk mümmelte nachdenklich an einer mit Olivenpaste bestrichenen Bruschetta und überlegte. Eigentlich war das ein lahmer Job, bei dem er gut verdiente. Seine Strandkörbe hatte er dank seines Gehilfen Nille so weit alle saisonfertig gemacht. Was noch an Arbeit blieb, schaffte Nille allein. Der war in handwerklicher Hinsicht ohnehin viel besser als Falk. Und die Bezahlung, die Jörn ihm für die acht Wochen Halbtagsstelle angeboten hatte, war absolut okay. »Ich mach's.« Falk hielt Jörn optimistisch die Hand hin, welche dieser sogleich erfreut ergriff. »Super, vielen Dank, Falk. Du wirst sehen, da kann gar nichts mehr schiefgehen!«
Das abendliche Telefongespräch mit Gina, welches Falk mit schwerer Zunge führte, verlief zum ersten Mal ganz anders als die vorhergehenden. »Falk, das ist ja super! Wer weiß, vielleicht ist das genau das Richtige für dich. Dann kannst du ja später eine Zusatzausbildung machen oder ein Fernstudium oder so und dich bei Jörn auf eine feste Stelle bewerben. Tourismusmanager werden da oben auf den Inseln immer gebraucht, das wäre doch mal eine Perspektive!« Falk gab sich alle Mühe, Gina zu bremsen. Tourismusmanager wurden seines Wissens gar nicht gebraucht, jedenfalls nicht auf Heisterhoog, wo Marita den Job in der Kurverwaltung einfach so übernommen hatte, ohne irgendetwas in der Richtung gelernt zu haben. Sie machte den Job perfekt und mit Schwung und würde bestimmt bis zur Rente die Stelle besetzen. Aber Gina war dauernd auf der Suche nach einer irgendwie akademisch angehauchten Perspektive für ihn, während Falk ganz zufrieden damit war, wie es eben war.
Sein Onkel Sten hatte die Strandkorbvermietung auch bis ans Ende seines Lebens geschmissen, und Falk hatte nie das Gefühl gehabt, dass dem Alten etwas im Leben gefehlt hatte. Aber er wollte Gina nicht das Gefühl geben, dass er keinen Wert auf »Perspektive« legte, also dämpfte er ihren Enthusiasmus nur wenig. »So superinteressant ist der Job jetzt aber auch nicht ...« »Aber ein Einstieg!« Ginas Stimme war hell vor Begeisterung. »Gina, es sind nur acht Wochen. Da ist alles vorbereitet, ich muss einfach nur aufpassen, dass nichts schiefgeht. Ich kann praktisch nichts verkehrt machen.« »Du kannst den Job doch kreativ gestalten. Dir was ausdenken, ein Event vielleicht.« »Ich glaube nicht, dass das gewollt ist«, wandte Falk ein. »Die Saison ist schon verplant. Und ich muss mich dann ja wieder full-time um die Strandkorbvermietung kümmern.« »Okay«, Gina seufzte. »Dich muss man wirklich zu deinem Glück tragen.« Falk, der die leichte Enttäuschung in ihrer Stimme hörte, sah sich zur Verteidigung gezwungen. »Ich glaube nicht, dass diese Stelle mein großes Glück ist«, sagte er und schob liebevoll hinterher: »Das bist doch du.« Schon wenige Wochen später sollte sich zeigen, wie recht Falk mit dieser Einschätzung hatte.
© Verlag List
Genüsslich vergrub Falk Thomsen die Zehen im Sand, der sich in der Mittagssonne so stark aufgeheizt hatte, dass die Haut an den Füßen zu prickeln begann. Falk liebte das Gefühl, er ließ sich ganz in den feinen weißen Sand fallen und schloss die Augen. Hinter seinen Lidern glühte es rot von der Sonne, die auf ihn herunterbrannte. Lange würde er es nicht aushalten, aber im Moment gefiel es ihm, dass sein Körper sich anfühlte wie ein Brötchen im Backofen.
Falk machte eine Pause von seiner harten Arbeit. Er war gerade dabei, die erste Sandburg seines Erwachsenenlebens zu bauen. Den Wassergraben hatte er bereits ausgehoben und daneben einen ansehnlichen Schutzwall errichtet. Auf diesem hatte er mit dem pinkfarbenen Zinnenförmchen der Kinder die Mauer der Vorburg aufgebaut. Im Inneren erhob sich stolz die Thomsen-Feste: ein großer Haufen aus feuchtem Sand, der darauf wartete, durch Falks Hände zu Mauern, Erkern, Höfen und Türmen geformt zu werden. Aber jetzt war erst mal eine Pause angesagt.
Falk drehte sich zur Seite und warf einen Blick in Richtung Wasser, wo sich die Badenden tummelten. Irgendwo da vorne war Gina mit den Jungs. Falk würde gleich die beiden Minibademäntel bereitlegen, um die Zwillinge darin einzuwickeln und zu knuddeln, wenn sie aus der frischen Nordsee kämen, kleine bibbernde Wonneproppen.
Vorne an der Wasserkante wuselten unzählige Mamis und Papis mit ihren Kindern herum, man hörte das babylonische Ermahnungswirrwarr bis hier hinten. Als von rechts ein orangefarbenes Sonnensegel angeflogen kam, dem eine verzweifelte Mittfünfzigerin folgte, wurde er jäh aus seinen Betrachtungen gerissen.
Die mollige Frau hatte die Hände ausgestreckt und versuchte vergeblich, einen Zipfel der langen Stoffbahn zu erhaschen, aber immer wenn sie es mit den Fingerspitzen berührte, wurde das Segel von einem Windstoß ergriffen und flog weiter davon. Die beklagenswerte Verfolgerin hatte nur Augen für das Segel und bemerkte dadurch nicht, dass sie auf die straff gespannte Schnur einer Strandmuschel zulief. Falk sprang auf und wollte die Frau warnen, aber sein Ruf kam zu spät, und so flog die Geplagte in hohem Bogen bäuchlings in den Sand. Der Besitzer der Strandmuschel kam sofort aus der grellfarbenen Nylonhöhle geschossen und zeigte der Frau einen Vogel. Dann kümmerte er sich hingebungsvoll um den Hering, den die Frau bei ihrem Sturz herausgerissen hatte, anstatt ihr aufzuhelfen. Falk hatte Mitleid mit der geplagten Dame und hechtete dem Sonnensegel hinterher, das in Armesbreite an ihm vorbeiflog. Er konnte es einfangen und kehrte zu der Frau zurück, die sich mittlerweile erhoben hatte und sich kleinlaut beim Strandmuschelbesitzer entschuldigte. Als Falk ihr das Sonnensegel übergab, bedankte sie sich überschwänglich und eilte dann sofort zu ihrem Liegeplatz zurück. Falk blickte ihr nach.
Sie wurde bereits von ihrem Ehemann erwartet, der die Alustangen für das Segel ineinandergesteckt und samt der Schnüre und der Heringe in der exakten späteren Standposition des Segels auf dem Sand ausgebreitet hatte. Er empfing seine Frau mit Vorwürfen. Einige Fetzen seiner Beschimpfungen - »wie kann man sich nur so blöd anstellen«, »dusselige Kuh« - drangen bis an Falks Ohr. Falk schüttelte den Kopf und ging die paar Schritte zu seinem Strandkorb zurück.
Niemals würde er in diesem Ton mit seiner Liebsten reden, auch nicht nach fünfzig Jahren Ehe. Er war noch immer bis über beide Ohren in Gina verliebt, ja vielleicht noch mehr denn je, seit sie die Zwillinge geboren hatte. Falk kuschelte sich in den hellblauen Strandkorb mit der Nummer 105 und dem geschwungenen Schriftzug »Thomsens Strandkörbe« auf der Rückseite, als er sie kommen sah. Louis war natürlich der Erste, er rannte, so schnell ihn seine kleinen Beinchen über den heißen Sand trugen, hatte die Arme ausgestreckt und schrie: »Papaaa!« Hinter ihm lief Lino, er hatte die Arme um seinen Oberkörper geschlungen und zitterte am ganzen Körper. Gina, ganz die stolze Mama, kam hinter den beiden und trug die Schwimmflügel, das Gummikrokodil, einen roten Eimer und zwei Schäufelchen.
Falk stand auf, ging erwartungsvoll in die Hocke und breitete seine Arme weit aus, um Louis in Empfang zu nehmen. Aber dieser rannte einfach an ihm vorbei, ohne ihn nur eines Blickes zu würdigen, auf das DLRG-Häuschen zu, direkt in die Arme des Strandsheriffs Thies Hoop, der den kleinen Wicht hochhob und sich mit ihm einmal um die eigene Achse drehte. Louis jubelte laut, und nun beeilte sich Lino ebenfalls und rief: »Papa, will auch!«
Der lang aufgeschossene Lucky-Luke-Verschnitt mit dem tiefschwarzen Outfit und der noch schwärzeren Zigarette im Mundwinkel setzte Louis ab, wirbelte nun den anderen Zwilling in die Luft und schloss dann Gina in seine Arme. Er ließ seine Hände über ihren schlanken Körper und den wohlgeformten Po gleiten und küsste Gina dabei lange und innig auf den Mund, bis ... Mit einem erstickten Schrei wachte Falk auf. Er war schweißgebadet und musste sich erst einmal in der Schwärze der Nacht orientieren. Was für ein Alptraum! Falk blinzelte und tastete mit seiner rechten Hand neben sich im Bett umher. Er fühlte das zerknautschte Laken, die warme Höhle der Bettdecke und schließlich Ginas Rücken darunter. Bedeckt von einem T-Shirt und gottlob ohne die tatschenden Hände von Thies Hoop darauf. Erleichtert atmete Falk durch.
Er lauschte auf Ginas leises Schnarchen und schlug die Bettdecke zurück. Es war kalt in der Kate, trotzdem stand er auf und ging barfuß zum Fenster. Es war März, und sie hatten noch einmal einen Wintereinbruch auf Heisterhoog, so kurz vor Ostern. Fasziniert beobachtete Falk durch die Butzenscheiben, wie dicke Schneeflocken leise und dicht vom Himmel fielen. Sie blieben auf den Sanddünen liegen und ließen diese wie eine Landschaft aus Zuckerbaisers aussehen. Falk lächelte. Zum Glück hatte er nur geträumt. Er drehte sich zum Bett und betrachtete verliebt Ginas Gestalt: zusammengekuschelt und bis über die Ohren zugedeckt. Ob er wohl jemals mit dieser Frau Kinder haben würde?
»Öh ... Ich war in der Halle, mit Nille. Wir haben ein paar Auszugsschienen der Fußteile entrosten müssen und ...« Gina seufzte. »Also auf gut Deutsch: nichts.« Falk wusste daraufhin selten etwas Sinnvolles zu erwidern, was nicht sofort in einen Streit münden würde, also zog er es jedes Mal vor, nicht zu widersprechen, und fragte freundlich nach Ginas Tagesgeschäft. Daraufhin begann seine reizende Freundin aufzuzählen, womit sie sich den lieben langen Tag herumgeschlagen hatte während der 12-Stunden-Plackerei im Architekturbüro. Welche Schikanen ihr Chef Gerd Jonkers sich heute wieder ausgedacht hatte, welche Sonderwünsche der extravagante Kunde geäußert hatte, wie blöd die Kollegen waren und dass all dieser Ärger schließlich dazu führte, dass Gina praktisch stündlich daran dachte, wie es wäre, einfach aufzuhören. Falk schwieg immer dazu und ließ das Gewitter an sich vorbeiziehen. Er wusste, was er an Gina hatte. Wie schön es war, wenn sie zusammen waren, was leider höchstens einmal im Monat vorkam, denn die Strecke Heisterhoog-Berlin ließ sich dank Fähre und Bummelzug nicht unter sieben Stunden bewältigen.
Falk hatte nicht das nötige Kleingeld, um öfter nach Berlin zu pendeln, und Gina hatte dank des anstrengenden Jobs keine Zeit. Also telefonierten sie jeden Abend miteinander. Gina rief ihn an, kaum dass sie das hippe Büro in Berlin- Kreuzberg verlassen hatte. Da lag Falk oftmals schon im Bett. Aber er wusste, dass die abendlichen Telefonate mit ihm wichtig für den Aggressionsabbau waren. Denn Gina, aufstrebende und ehrgeizige Architektin, litt seit langem darunter, dass sie es mit Ende zwanzig noch nicht zu einer Festanstellung gebracht hatte. Letzten Sommer war sie kurz davor gewesen, doch dann hatte sich - nicht zuletzt wegen Falk - alles zerschlagen. Das gleiche Architekturbüro Jonkers & Jonkers engagierte sie nun immer wieder, für Wettbewerbe oder besondere Aufträge als Teamverstärkung. Schlecht bezahlt und ausgenutzt. Gina ärgerte sich völlig zu Recht, am meisten aber ärgerte sie sich über sich selbst, weil sie sich nicht aus der künstlerischen Knechtschaft befreien konnte. Also ließ sie bei den fernmündlichen Gesprächen Berlin-Heisterhoog bei ihrem Freund Dampf ab und war am Ende des Telefonats wieder so besänftigt, dass sie den Kampf am nächsten Arbeitstag von neuem aufnehmen konnte. Insgeheim befand Falk allerdings, dass er seine Funktion als Klagemauer selbst verschuldet hatte. Er hatte im vergangenen Sommer tatsächlich ein Millionengeschäft ausgeschlagen und es vorgezogen, sein Dasein als mittelloser Strandkorbvermieter zu fristen.
Als Millionär hätte er Gina einfach einen Antrag gemacht, sie finanziell unterstützt und ihr so einen Start in die Selbständigkeit ermöglicht. Stattdessen saß er auf Heisterhoog und lebte davon, dass der örtliche Immobilienhai und Bauunternehmer Hubsi von Boistern ihn ab und an als Hausmeister, Baugehilfe und Putzmann beschäftigte.
Aber nun kam der Frühling, und Falk sah der kommenden Saison frohen Mutes entgegen. Er würde diesen Sommer in nur vier Monaten mit seiner Strandkorbvermietung und dem dazugehörigen Kiosk bestimmt so viel verdienen, dass er mühelos den nächsten Winter überstehen könnte. Falk wurde jäh aus seinen Gedanken gerissen, als Jörn Krümmel vorne am Pult streng über seine Halbbrille schaute und rief: »Ich erwarte also eure Kooperation und vor allem: üben, üben, üben!« Obwohl Falk nicht mitbekommen hatte, worum es ging, nickte er so engagiert wie möglich. Fischbrat-Piet, der Seeräuber unter den Insulanern, grinste Falk breit an. »Wegen der CD«, raunte er Falk zu, während sich der Chor zerstreute und nach und nach das Pfarrhaus verließ. Falk guckte verständnislos, und Piet klärte ihn auf. »Jörn will mal wieder eine CD aufnehmen«, erläuterte er Falk mit gesenkter Stimme und zwinkerte mit einem Auge verschwörerisch.
Seit er im letzten Sommer entschieden hatte, dass er die Strandkorbvermietung seines verstorbenen Onkels Sten übernehmen würde, dann aber durch eine Sturmflut die Einnahmen der gesamten Saison verloren hatte, kümmerten sich die Heisterhooger reizend um Falk. Was hieß, dass sie ihm alle mit Job- angeboten unter die Arme griffen, allen voran eben Hubsi von Boistern, der sich Falks Arbeitskraft auch am ehesten leisten konnte. Oftmals waren die Arbeitsangebote zwar gut gemeint, aber trafen nicht unbedingt Falks Kernkompetenzen. So hatte Falk schon der Töpferin Silke Söderbaum bei der jährlichen Inventur ihres durch und durch chaotischen Ladens geholfen, sich bei Ole Reents in der »Rum-Ba-Bar« als Barkeeper versucht und gemeinsam mit dem Vogelwart und selbsternannten Strandsheriff Thies Hoop Zugvögel beringt. Nichts von alledem war besonders vielversprechend gelaufen, und Falks Bedarf an »Almosen-Jobs« war eigentlich gedeckt.
Aber Jörn zog ihn schon aus dem Pfarrhaus und kündigte an, Falk ein Angebot zu machen, das dieser keinesfalls ablehnen konnte: »Komm, wir gehen zu Gino, und ich lade dich ein.« Eineinhalb Stunden und drei Gänge von Ginos köstlicher süditalienischer Küche später goss Jörn den letzten Tropfen sizilianischen Rotwein in Falks Glas und sah ihn gespannt an. »Und? Was sagst du?«, erkundigte er sich. Falk sagte erst einmal gar nichts, in seinem benebelten Gehirn jagten sich die Gedanken. Er sollte Marita ersetzen? In der Kurverwaltung? »Nur für acht Wochen«, hatte Jörn ihm versichert. Solange Marita noch im Mutterschutz war. »Aber ich habe von Tourismusmanagement keine Ahnung«, wandte Falk vorsichtig ein. »Marita doch auch nicht!«, wischte Jörn den Einwurf fröhlich beiseite und orderte bei Gino eine zweite Flasche von dem guten Roten. »Du musst einfach nur darauf achten, dass die Anzeigen rechtzeitig geschaltet werden, dass die Infos auf der Website immer aktualisiert sind, dass die Künstler, die in dieser Saison bei uns gastieren, ihre Verträge rechtzeitig zurückschicken und so. Wenn die heiße Phase kommt, ist Marita wieder zurück, das hat sie mir zugesichert.« Falk mümmelte nachdenklich an einer mit Olivenpaste bestrichenen Bruschetta und überlegte. Eigentlich war das ein lahmer Job, bei dem er gut verdiente. Seine Strandkörbe hatte er dank seines Gehilfen Nille so weit alle saisonfertig gemacht. Was noch an Arbeit blieb, schaffte Nille allein. Der war in handwerklicher Hinsicht ohnehin viel besser als Falk. Und die Bezahlung, die Jörn ihm für die acht Wochen Halbtagsstelle angeboten hatte, war absolut okay. »Ich mach's.« Falk hielt Jörn optimistisch die Hand hin, welche dieser sogleich erfreut ergriff. »Super, vielen Dank, Falk. Du wirst sehen, da kann gar nichts mehr schiefgehen!«
Das abendliche Telefongespräch mit Gina, welches Falk mit schwerer Zunge führte, verlief zum ersten Mal ganz anders als die vorhergehenden. »Falk, das ist ja super! Wer weiß, vielleicht ist das genau das Richtige für dich. Dann kannst du ja später eine Zusatzausbildung machen oder ein Fernstudium oder so und dich bei Jörn auf eine feste Stelle bewerben. Tourismusmanager werden da oben auf den Inseln immer gebraucht, das wäre doch mal eine Perspektive!« Falk gab sich alle Mühe, Gina zu bremsen. Tourismusmanager wurden seines Wissens gar nicht gebraucht, jedenfalls nicht auf Heisterhoog, wo Marita den Job in der Kurverwaltung einfach so übernommen hatte, ohne irgendetwas in der Richtung gelernt zu haben. Sie machte den Job perfekt und mit Schwung und würde bestimmt bis zur Rente die Stelle besetzen. Aber Gina war dauernd auf der Suche nach einer irgendwie akademisch angehauchten Perspektive für ihn, während Falk ganz zufrieden damit war, wie es eben war.
Sein Onkel Sten hatte die Strandkorbvermietung auch bis ans Ende seines Lebens geschmissen, und Falk hatte nie das Gefühl gehabt, dass dem Alten etwas im Leben gefehlt hatte. Aber er wollte Gina nicht das Gefühl geben, dass er keinen Wert auf »Perspektive« legte, also dämpfte er ihren Enthusiasmus nur wenig. »So superinteressant ist der Job jetzt aber auch nicht ...« »Aber ein Einstieg!« Ginas Stimme war hell vor Begeisterung. »Gina, es sind nur acht Wochen. Da ist alles vorbereitet, ich muss einfach nur aufpassen, dass nichts schiefgeht. Ich kann praktisch nichts verkehrt machen.« »Du kannst den Job doch kreativ gestalten. Dir was ausdenken, ein Event vielleicht.« »Ich glaube nicht, dass das gewollt ist«, wandte Falk ein. »Die Saison ist schon verplant. Und ich muss mich dann ja wieder full-time um die Strandkorbvermietung kümmern.« »Okay«, Gina seufzte. »Dich muss man wirklich zu deinem Glück tragen.« Falk, der die leichte Enttäuschung in ihrer Stimme hörte, sah sich zur Verteidigung gezwungen. »Ich glaube nicht, dass diese Stelle mein großes Glück ist«, sagte er und schob liebevoll hinterher: »Das bist doch du.« Schon wenige Wochen später sollte sich zeigen, wie recht Falk mit dieser Einschätzung hatte.
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Autoren-Porträt von Marie Matisek
Marie Matisek führt einen chaotischen Haushalt mit Mann, Kindern und Tieren im idyllischen Umland von München. Neben dem Muttersein und dem Schreiben pflegt sie ihre Hobbys: kochen, ihren Acker umgraben und Kröten über die Straße helfen. Ihre große Leidenschaft allerdings gehört der schönsten aller Inseln: Heisterhoog (die in Wirklichkeit Amrum heißt, aber das ist geheim).
Autoren-Interview mit Marie Matisek
Fragebogen an Marie Matisek
1. Wer sind Sie? Wie würden Sie Ihre Biographie erzählen?
Ich bin eine Frau, Mitte vierzig, verheiratet, zwei Kinder. Obwohl ich schon einige andere Sachen beruflich gemacht habe, würde ich rückblickend sagen, dass ich mich all die Jahre auf das Schreiben vorbereitet habe. Ich war am Theater und habe viele Jahre für das Fernsehen geschrieben - eine solide Ausbildung für die Schriftstellerei.
2. Wieso schreiben Sie? Wollten Sie schon immer Schriftsteller werden oder gab es einen Auslöser für Ihr Schreiben?
Ich habe immer schon gerne Geschichten erfunden, aber auch gelesen. Die Zeit am Theater war in dieser Hinsicht ein Traum; mit der Beschäftigung mit Figuren und Stücken habe ich diese Leidenschaft zum Beruf gemacht. Als ich dann zum Fernsehen wechselte, habe ich gelernt, meine Phantasien und Geschichten nicht nur zu Papier zu bringen, sondern sie auch so aufzuschreiben, dass sie ein größeres Publikum interessieren. Aber ich hätte mich NIEMALS an ein Buch getraut! Erst als die Agentin meines Mannes mich ansprach, habe ich mich an ein Exposé gewagt.
3. Es gibt diverse Angebote, kreatives Schreiben zu lernen, sei es an Unis oder bei Schriftstellern. Ist alles Handwerk, kann man alles daran lernen oder sitzt es in einem? Wie haben Sie gelernt zu schreiben?
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Wie oben schon erwähnt: Grundlage war die Beschäftigung mit Dramen. Ich bin Dramaturgin und erkenne (bei anderen :-)) schnell, ob ein Spannungsbogen stimmt, wo ein Wendepunkt sein müsste, wie man am höchsten Punkt aus einer Szene geht etc. Das ist Handwerk. Und wie jedes Handwerk in vielen Jahren gereift, erprobt und professionalisiert. Dennoch glaube ich, dass man mehr braucht, um schreiben zu können. Empathie, Leidenschaft, Phantasie, Intuition... Und Durchhaltevermögen! Vor allem dann, wenn einen gerade alles verlassen hat: Handwerk, Empathie, Leidenschaft, Phantasie, Intuition...
4. Wie sieht Ihr Schreibprozess aus? Schreiben Sie einfach drauf los oder recherchieren Sie erst, planen, legen Notizen an, bevor Sie zu schreiben beginnen?
Ich habe eine Geschichte und die Figuren im Kopf. Dazu gibt es meistens eine drei bis fünf Seiten lange Skizze. Dann schreibe ich drauflos, völlig planlos und bekomme spätestens in der Mitte totale Panik, ob und wie ich das Buch fertig bringe. Und nehme mir fest vor, das nächste Mal aber einen genauen Plan zu machen. Aber dann... s.o.
5. Wann und wo schreiben Sie?
Wenn die Kinder zur Schule gehen, gehe ich mit dem Hund eine Stunde Gassi. Das ist eigentlich der Arbeitsbeginn. Ohne diese mentale Vorbereitung kann ich nur sehr schlecht schreiben. Sobald ich nach Hause komme, gibt es eine Kanne Kaffee, Obst und Schokolade. Das brauche ich zum Schreiben. Ebenso einen Strauß Blumen und eine Kerze. Das steht dann alles auf dem Esstisch, um mein
Laptop drapiert. Ich gucke beim Schreiben in den Garten, höre das Schnarchen von Hund und Katze, dann geht es los. Es ist immer das gleiche Ritual, jeden Tag zur gleichen Zeit, außer am Wochenende. Ich brauche diese Gleichförmigkeit. Am Nachmittag, Abend oder Wochenende arbeite ich auch, aber nicht kreative Schreibarbeit. Dann werden E-Mails geschrieben, die Facebook-Seite gepflegt, recherchiert, redigiert, Fragebögen ausgefüllt...
6. Hat ein Schriftsteller je Feierabend oder Ferien? Wie schalten Sie ab?
Ich trage immer Figuren und Geschichten mit mir herum. Ich höre aufmerksam zu, bekomme die Inspiration für meine Geschichten eigentlich von überall. Also arbeite ich genaugenommen zu jeder Zeit. Das Bedürfnis, abzuschalten habe ich eigentlich nicht. Entspannen kann ich aber durchaus! Geben Sie mir ein Sofa und ich schlafe ein.
7. Was bedeutet es für Sie, Autor zu sein? Womit kämpfen Sie als Schriftsteller, was sind die Freuden?
Es ist für mich die Erfüllung schlechthin. Ich schreibe seit knapp vier Jahren. Seit einem Jahr ausschließlich, d.h. ohne mit etwas anderem Geld zu verdienen. Das ist nicht einfach, der Buchmarkt ist sehr schnellebig geworden, die Halbwertzeit eines Buches ist leider kurz. Es gibt so viele Titel, man geht schnell unter. Das finde ich schwierig. Die äußeren Umstände - Vertrieb, Marketing, Anforderungen des Verlags - das ist alles nicht einfach. Dafür habe ich beim Schreiben die größte Freiheit - und das lässt mich auch die Unanehmlichkeiten aushalten.
Autor sein bedeutet für mich: ganz bei sich sein. Es ist mein Traumberuf, ich möchte nichts anderes mehr machen, bis ich eines Tages in Grab falle - an meine Tastatur gekrallt.
8. Woher holen Sie die Ideen für Ihr Schreiben? Natürlich erlebt man viel, sieht man viel. Aber wie
entsteht plötzlich eine Geschichte daraus? Was inspiriert Sie?
Alles! Alles! Alles! Es ist Selbsterlebtes, Gelesenes, Gehörtes, Gesehenes. Ich habe keine Notizbücher, schreibe nichts auf. Weil ich glaube, dass die Geschichten oder Figuren, Namen und Orte, die bei mir hängen bleiben, irgendwann den Weg in ein Buch finden. Manchmal gibt es nur einen Namen, manchmal eine Figur, die man im Kopf hat. Jahre später kommt eine andere Figur hinzu, eine Geschichte setzt sich zusammen. Es muss in mir lebendig werden, nur dann kann ich ein Buch daraus machen. Ich verbringe schließlich viel Zeit damit, da muss es stimmig sein.
9. Selfpublishing und E-Books haben den Buchmarkt in Aufregung versetzt. Man
hört kritische Stimmen gegen Verlage wie auch abschätzige gegen
Selfpublisher. Wie ist Ihre Meinung dazu?
Ich kann gut verstehen, dass jemand, der entweder keinen Verlag gefunden hat oder mit seinem Ärger hatte, den Weg des Selfpublishing geht. Das ist richtig und es ist auch wichtig, dass es heute mit finziell geringerem Aufwand möglich ist, als früher mit Books on Demand o.ä. Trotzdem wäre das für mich kein Weg. Der Verlag hält mir den Rücken frei und macht all die Sachen für mich, die ich nicht tun möchte. Ich muss mich (fast) nur mit dem Schreiben beschäftigen. Alles andere belastet mich und lähmt den kreativen Prozess. Die Vorstellung, dass ich ein Buch selbst vertreiben und bewerben müsste, wäre ein Horror für mich und würde Energien verbrauchen, die ich lieber ins Schreiben investiere. Außerdem bin ich existenziell auf die Vorschüsse der Verlage angewiesen -
mein Mann ist ebenfalls Autor und wir müssen davon eine vierköpfige Familie durchbringen. Ein Buch komplett zu schreiben, ohne dafür bezahlt zu werden, könnte ich mir gar nicht leisten. Insofern finde ich den Selfpublishing Markt auch etwas bedrohlich.
10. Goethe sagte, alles Schreiben sei autobiographisch. Das stimmt sicher in Bezug
darauf, dass man immer in dem drin steckt in Gedanken, was man schreibt. Wie
viel Marie Matisek steckt in ihren Geschichten? Stecken Sie auch in Ihren
Figuren? Gibt es eine, mit der Sie sich speziell identifizieren?
Keine meiner Figuren ist autobiografisch, aber in jeder steckt Marie Matisek. Ich muss in die Rollen schlüpfen, um die Figuren schreiben zu können. Ich liebe sie alle! Auch die vermeintlich "Bösen" wie Hubsi von Boistern.
11. Ihre letzten beiden Romane, Nackt unter Krabben und Mutter bei die Fische, handeln vom Leben auf einer Nordseeinsel, von Familienschwierigkeiten und Liebesdramen, alles aber immer mit viel Humor beschrieben. Ist Humor, wenn man trotzdem lacht, oder was bewegt Sie zu dieser kunterbunten Mischung?
Ich versuche auch im Leben, jeder Situation etwas Komisches abzugewinnen - ohne etwas lächerlich machen zu wollen. Brachialkomik kann und will ich nicht schreiben, Drama schon eher. Aber kaum habe ich eine zu Herzen gehende Szene geschrieben, schleicht sich schon wieder etwas Komisches ein, da kann ich gar nichts gegen machen.
12. Wieso schreiben Sie über die Nordsee, wieso erbte Falk einen Strandkorbverleih und keinen Münchner Biergarten?
Weil mein Mann und ich die Idee zu dem Buch bei einem Nordseeurlaub hatten. Im Strandkorb.
13. Gibt es neue Projekte? Bleiben Sie Ihrem Genre treu oder finden wir uns bald in einem Krimi von Marie Matisek wieder?
Marie Matisek ist nicht nur ein Name und eine Autorin, sondern auch eine Marke. Und die steht für Nordseegeschichten. Ich habe natürlich auch ganz andere Geschichten auf Lager, aber ein Genrewechsel ist für Autoren sehr, sehr schwer und wird von den Verlagen nicht gerne gesehen. Das wird dann unter anderem Namen sein müssen.
Im Moment habe ich den dritten Nordseeroman abgeschlossen, im nächsten Jahr schreibe ich Nummer vier. Was danach kommt - mal sehen.
14. Nackt unter Krabben spricht nebenbei die Lokalpolitik der Insel Heisterhoog an, wenn auch immer mit einem Augenzwinkern. Wollten Sie eine politische Botschaft vermitteln? Viele Autoren heute und auch in der Vergangenheit haben sich (nicht nur in ihrer Literatur) politisch geäußert. Hat ein Autor einen politischen Auftrag in Ihren Augen?
Nackt unter Krabben ist natürlich zuallererst Unterhaltung. Ich wollte damit keine politische Botschaft vermitteln, aber meine Haltung vermittelt sich indirekt. Ich habe sehr großen Respekt vor Autoren, die radikal gesellschaftspolitisch schreiben, man macht sich dadurch ja auch immer angreifbar. Und man darf die Kraft des Wortes nicht unterschätzen - wie viele Schriftsteller wurden
und werden wegen ihrer Werke verfolgt! Tatsächlich sind aber oft gerade radikal persönliche Werke, in denen gesellschaftliche Realitäten einfach nur geschildert und nicht bewertet werden, sehr politisch. Ich glaube kaum, dass es einem Schriftsteller gelingt, seine Meinung vollkommen zu verbergen. Warum auch?
15. Was muss ein Buch haben, damit es Sie anspricht?
Wumms.
16. Gibt es Bücher/Schriftsteller, die Sie speziell mögen, die sie geprägt haben?
Ich hatte immer Phasen, in denen ich alles verschlungen habe, was ein Autor geschrieben hat. Das fing mit Agatha Christie an, ging über Dostojewski zu Siegfried Lenz und Paul Auster bis zu Arne Dahl. Sie sehen schon: alles dabei!
17. Wenn Sie einem angehenden Schriftsteller fünf Tipps geben müssten, welche wären es?
Nein, das kann ich nicht. Schriftstellerei ist etwas zutiefst Persönliches, es gibt so viele Werdegänge die dorthin führen, die unterschiedlichsten Biografien... Ich glaube, wer schreiben will, wird seinen Weg finden, so oder so.
Quelle ist http://denkzeiten.com/2013/08/25/marie-matisek-nachgefragt/,
die Fragen wurden gestellt von Sandra Matteotti
Wie oben schon erwähnt: Grundlage war die Beschäftigung mit Dramen. Ich bin Dramaturgin und erkenne (bei anderen :-)) schnell, ob ein Spannungsbogen stimmt, wo ein Wendepunkt sein müsste, wie man am höchsten Punkt aus einer Szene geht etc. Das ist Handwerk. Und wie jedes Handwerk in vielen Jahren gereift, erprobt und professionalisiert. Dennoch glaube ich, dass man mehr braucht, um schreiben zu können. Empathie, Leidenschaft, Phantasie, Intuition... Und Durchhaltevermögen! Vor allem dann, wenn einen gerade alles verlassen hat: Handwerk, Empathie, Leidenschaft, Phantasie, Intuition...
4. Wie sieht Ihr Schreibprozess aus? Schreiben Sie einfach drauf los oder recherchieren Sie erst, planen, legen Notizen an, bevor Sie zu schreiben beginnen?
Ich habe eine Geschichte und die Figuren im Kopf. Dazu gibt es meistens eine drei bis fünf Seiten lange Skizze. Dann schreibe ich drauflos, völlig planlos und bekomme spätestens in der Mitte totale Panik, ob und wie ich das Buch fertig bringe. Und nehme mir fest vor, das nächste Mal aber einen genauen Plan zu machen. Aber dann... s.o.
5. Wann und wo schreiben Sie?
Wenn die Kinder zur Schule gehen, gehe ich mit dem Hund eine Stunde Gassi. Das ist eigentlich der Arbeitsbeginn. Ohne diese mentale Vorbereitung kann ich nur sehr schlecht schreiben. Sobald ich nach Hause komme, gibt es eine Kanne Kaffee, Obst und Schokolade. Das brauche ich zum Schreiben. Ebenso einen Strauß Blumen und eine Kerze. Das steht dann alles auf dem Esstisch, um mein
Laptop drapiert. Ich gucke beim Schreiben in den Garten, höre das Schnarchen von Hund und Katze, dann geht es los. Es ist immer das gleiche Ritual, jeden Tag zur gleichen Zeit, außer am Wochenende. Ich brauche diese Gleichförmigkeit. Am Nachmittag, Abend oder Wochenende arbeite ich auch, aber nicht kreative Schreibarbeit. Dann werden E-Mails geschrieben, die Facebook-Seite gepflegt, recherchiert, redigiert, Fragebögen ausgefüllt...
6. Hat ein Schriftsteller je Feierabend oder Ferien? Wie schalten Sie ab?
Ich trage immer Figuren und Geschichten mit mir herum. Ich höre aufmerksam zu, bekomme die Inspiration für meine Geschichten eigentlich von überall. Also arbeite ich genaugenommen zu jeder Zeit. Das Bedürfnis, abzuschalten habe ich eigentlich nicht. Entspannen kann ich aber durchaus! Geben Sie mir ein Sofa und ich schlafe ein.
7. Was bedeutet es für Sie, Autor zu sein? Womit kämpfen Sie als Schriftsteller, was sind die Freuden?
Es ist für mich die Erfüllung schlechthin. Ich schreibe seit knapp vier Jahren. Seit einem Jahr ausschließlich, d.h. ohne mit etwas anderem Geld zu verdienen. Das ist nicht einfach, der Buchmarkt ist sehr schnellebig geworden, die Halbwertzeit eines Buches ist leider kurz. Es gibt so viele Titel, man geht schnell unter. Das finde ich schwierig. Die äußeren Umstände - Vertrieb, Marketing, Anforderungen des Verlags - das ist alles nicht einfach. Dafür habe ich beim Schreiben die größte Freiheit - und das lässt mich auch die Unanehmlichkeiten aushalten.
Autor sein bedeutet für mich: ganz bei sich sein. Es ist mein Traumberuf, ich möchte nichts anderes mehr machen, bis ich eines Tages in Grab falle - an meine Tastatur gekrallt.
8. Woher holen Sie die Ideen für Ihr Schreiben? Natürlich erlebt man viel, sieht man viel. Aber wie
entsteht plötzlich eine Geschichte daraus? Was inspiriert Sie?
Alles! Alles! Alles! Es ist Selbsterlebtes, Gelesenes, Gehörtes, Gesehenes. Ich habe keine Notizbücher, schreibe nichts auf. Weil ich glaube, dass die Geschichten oder Figuren, Namen und Orte, die bei mir hängen bleiben, irgendwann den Weg in ein Buch finden. Manchmal gibt es nur einen Namen, manchmal eine Figur, die man im Kopf hat. Jahre später kommt eine andere Figur hinzu, eine Geschichte setzt sich zusammen. Es muss in mir lebendig werden, nur dann kann ich ein Buch daraus machen. Ich verbringe schließlich viel Zeit damit, da muss es stimmig sein.
9. Selfpublishing und E-Books haben den Buchmarkt in Aufregung versetzt. Man
hört kritische Stimmen gegen Verlage wie auch abschätzige gegen
Selfpublisher. Wie ist Ihre Meinung dazu?
Ich kann gut verstehen, dass jemand, der entweder keinen Verlag gefunden hat oder mit seinem Ärger hatte, den Weg des Selfpublishing geht. Das ist richtig und es ist auch wichtig, dass es heute mit finziell geringerem Aufwand möglich ist, als früher mit Books on Demand o.ä. Trotzdem wäre das für mich kein Weg. Der Verlag hält mir den Rücken frei und macht all die Sachen für mich, die ich nicht tun möchte. Ich muss mich (fast) nur mit dem Schreiben beschäftigen. Alles andere belastet mich und lähmt den kreativen Prozess. Die Vorstellung, dass ich ein Buch selbst vertreiben und bewerben müsste, wäre ein Horror für mich und würde Energien verbrauchen, die ich lieber ins Schreiben investiere. Außerdem bin ich existenziell auf die Vorschüsse der Verlage angewiesen -
mein Mann ist ebenfalls Autor und wir müssen davon eine vierköpfige Familie durchbringen. Ein Buch komplett zu schreiben, ohne dafür bezahlt zu werden, könnte ich mir gar nicht leisten. Insofern finde ich den Selfpublishing Markt auch etwas bedrohlich.
10. Goethe sagte, alles Schreiben sei autobiographisch. Das stimmt sicher in Bezug
darauf, dass man immer in dem drin steckt in Gedanken, was man schreibt. Wie
viel Marie Matisek steckt in ihren Geschichten? Stecken Sie auch in Ihren
Figuren? Gibt es eine, mit der Sie sich speziell identifizieren?
Keine meiner Figuren ist autobiografisch, aber in jeder steckt Marie Matisek. Ich muss in die Rollen schlüpfen, um die Figuren schreiben zu können. Ich liebe sie alle! Auch die vermeintlich "Bösen" wie Hubsi von Boistern.
11. Ihre letzten beiden Romane, Nackt unter Krabben und Mutter bei die Fische, handeln vom Leben auf einer Nordseeinsel, von Familienschwierigkeiten und Liebesdramen, alles aber immer mit viel Humor beschrieben. Ist Humor, wenn man trotzdem lacht, oder was bewegt Sie zu dieser kunterbunten Mischung?
Ich versuche auch im Leben, jeder Situation etwas Komisches abzugewinnen - ohne etwas lächerlich machen zu wollen. Brachialkomik kann und will ich nicht schreiben, Drama schon eher. Aber kaum habe ich eine zu Herzen gehende Szene geschrieben, schleicht sich schon wieder etwas Komisches ein, da kann ich gar nichts gegen machen.
12. Wieso schreiben Sie über die Nordsee, wieso erbte Falk einen Strandkorbverleih und keinen Münchner Biergarten?
Weil mein Mann und ich die Idee zu dem Buch bei einem Nordseeurlaub hatten. Im Strandkorb.
13. Gibt es neue Projekte? Bleiben Sie Ihrem Genre treu oder finden wir uns bald in einem Krimi von Marie Matisek wieder?
Marie Matisek ist nicht nur ein Name und eine Autorin, sondern auch eine Marke. Und die steht für Nordseegeschichten. Ich habe natürlich auch ganz andere Geschichten auf Lager, aber ein Genrewechsel ist für Autoren sehr, sehr schwer und wird von den Verlagen nicht gerne gesehen. Das wird dann unter anderem Namen sein müssen.
Im Moment habe ich den dritten Nordseeroman abgeschlossen, im nächsten Jahr schreibe ich Nummer vier. Was danach kommt - mal sehen.
14. Nackt unter Krabben spricht nebenbei die Lokalpolitik der Insel Heisterhoog an, wenn auch immer mit einem Augenzwinkern. Wollten Sie eine politische Botschaft vermitteln? Viele Autoren heute und auch in der Vergangenheit haben sich (nicht nur in ihrer Literatur) politisch geäußert. Hat ein Autor einen politischen Auftrag in Ihren Augen?
Nackt unter Krabben ist natürlich zuallererst Unterhaltung. Ich wollte damit keine politische Botschaft vermitteln, aber meine Haltung vermittelt sich indirekt. Ich habe sehr großen Respekt vor Autoren, die radikal gesellschaftspolitisch schreiben, man macht sich dadurch ja auch immer angreifbar. Und man darf die Kraft des Wortes nicht unterschätzen - wie viele Schriftsteller wurden
und werden wegen ihrer Werke verfolgt! Tatsächlich sind aber oft gerade radikal persönliche Werke, in denen gesellschaftliche Realitäten einfach nur geschildert und nicht bewertet werden, sehr politisch. Ich glaube kaum, dass es einem Schriftsteller gelingt, seine Meinung vollkommen zu verbergen. Warum auch?
15. Was muss ein Buch haben, damit es Sie anspricht?
Wumms.
16. Gibt es Bücher/Schriftsteller, die Sie speziell mögen, die sie geprägt haben?
Ich hatte immer Phasen, in denen ich alles verschlungen habe, was ein Autor geschrieben hat. Das fing mit Agatha Christie an, ging über Dostojewski zu Siegfried Lenz und Paul Auster bis zu Arne Dahl. Sie sehen schon: alles dabei!
17. Wenn Sie einem angehenden Schriftsteller fünf Tipps geben müssten, welche wären es?
Nein, das kann ich nicht. Schriftstellerei ist etwas zutiefst Persönliches, es gibt so viele Werdegänge die dorthin führen, die unterschiedlichsten Biografien... Ich glaube, wer schreiben will, wird seinen Weg finden, so oder so.
Quelle ist http://denkzeiten.com/2013/08/25/marie-matisek-nachgefragt/,
die Fragen wurden gestellt von Sandra Matteotti
... weniger
Bibliographische Angaben
- Autor: Marie Matisek
- 2013, 2, 272 Seiten, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: List
- ISBN-10: 3471350756
- ISBN-13: 9783471350751
- Erscheinungsdatum: 12.04.2013
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