Narrenwinter
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Narrenwintervon Alfred Komareks
LESEPROBE
Wiederim Zimmer, versuchte Daniel Käfer zu lesen,
dochseine Gedanken schrieben verwirrende Zeilen
zwischendie Zeilen im Buch. Also schlug er sein Notizheft
auf,fand seine Notizen banal und strich sie durch. Dann
fielsein Blick auf die beiden Betten, die diesseits und
jenseitsder Sitzgarnitur dicht an der Wand standen.
Käferrückte den Tisch und die Sessel zum Fenster
hinund schob dann energisch eines der Betten quer
durchden Raum zum anderen Bett. Aufatmend legt
ersich hin und schloss die Augen. Ein neuer Anfang
inder Mitte seines Lebens, wenn es überhaupt die Mitte war ...
Erdachte an seine Studentenzeit in Graz. Als er eines
Nachtswieder einmal in seinen unveröffentlichten
Manuskriptenblätterte, war er zur Überzeugung gelangt,
dasser sie der Welt nicht länger vorenthalten konnte.
Natürlichdurfte sein erster journalistischer, nein, literarischer
Auftrittnicht irgendwo stattfinden. Damals galt die von Henning
Mertens in Berlin herausgegebene Pöbelpostilleals
linksintellektuellesLustobjekt ohnegleichen. Daniel Käfer gab
alsoam nächsten Morgen seine Texte, begleitet von einem
selbstbewusstenBrief, zur Post. Einige Tage später berichtete
seineZimmervermieterin, dass ein Herr Mertens angerufen hätte,
ein merkwürdiger Mensch mit einerverbesserungswürdigen
Ausdrucksweise.Käfer rief zurück. Nach einigen Versuchen
erreichteer den damals bereits berühmten Publizisten, hörte
dessenStimme, die er von Radio-Interviews kannte. "Sie haben
mir Texte geschickt. Was soll ich mit demZeug?"
"Ichdachte, na ja, ich ..."
"So,Sie dachten." Mertens schwieg unerträglich lange. Dann
hörteKäfer ein Lachen. So hatten vermutlich römische Imperatoren
gelacht, bevor sie den Daumen nach untenkippten. "Ich stelle
Ihneneine unlösbare Aufgabe, junger Freund. Wenn Sie so gut sind,
wie Sie glauben, können Sie dennoch nicht dranscheitern. Der
Muttertagkommt immer so plötzlich. Schreiben Sie doch ein
hübsches,kleines Feuilleton zum Thema und geben Sie es morgen
früh zur Post. Wer nicht auch unter Druck gutist, ist nie gut."
Derjunge Daniel Käfer erzählte seiner Zimmervermieterin, dass er
denDurchbruch geschafft habe, dann erzählte er es halb Graz.
Amspäten Abend fand er sich euphorisch und nicht mehr ganz
nüchternin einem schäbigen Kaffee am Griesplatz wieder und
gerietan einen Zuhälter, der eigentlich gerne Lyriker geworden
wäre.Gemeinsam zogen sie weiter, bis Käfer dann doch unsicheren
Schrittessein Zimmer erreichte. Er kochte Kaffe, setzte sich zur
Schreibmaschine,warf den Kopf in den Nacken, schloss kurz die
Augenund schrieb dann, von unirdischer Leichtigkeit umweht und
vondunkler Klarheit durchdrungen. Am frühen Morgen wurde er von
argen Kopfschmerzen aufgeweckt, spülte Aspirinmit Bier hinunter
und griff zu seinem nächtlichen Manuskript:Grandios, in der Tat!
Vonda an kaufte er die Pöbelpostille Woche um Woche am Tag des
Erscheinens, blätterte leichthin, doch mitbebender Hand darin und
hoffteauf die nächste Ausgabe - so lange bis der Muttertag vorüber
war.Er rief Mertens an, immer wieder, erreichte ihn nicht, wurde
vertröstet.Endlich war es so weit. Ob er denn das Manuskript nicht
erhaltenhabe?Wieder dieses Lachen. "Doch junger Freund. Ich
habees gelesen. Atemberaubend."
"Wirklich?"
"Ichhätte nie im Leben geglaubt, dass man sich so unsäglich peinlich
ransülzenkann. Wohl besoffen gewesen, Oberkante Unterkiefer?" Und
wieder dieses bösartige Schweigen. Doch dann:"Unfähig sind Sie aber nicht.
BleibenSie dran. Und Tschüss."
Voneinigen Telefongesprächen abgesehen hatte Käfer mit Mertens nie
persönlichKontakt gehabt, verfolgte aber mit Interesse dessen
schwindelerregende Karriere.Dann aber gab es dieses Verfahren wegen
Kokainmissbrauchs. Mertens fiel später nurnoch durch mehr oder weniger
originelleSkandale auf. Einmal hatte er Käfer in der Redaktion der IQ angerufen.
"Siesind jetzt ganz oben, junger Freund. Ich warte auf Sie. Ganz unten."«
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© Haymon Verlag
- Autor: Alfred Komarek
- 2006, 199 Seiten, Maße: 13,2 x 21 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Haymon Verlag
- ISBN-10: 3852185106
- ISBN-13: 9783852185101
- Erscheinungsdatum: 25.08.2006
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