Nie wirst du vergessen
Niewirst du vergessenvon Lisa Jackson
LESEPROBE
Laurensletzte Hoffnung, ihre Kinder noch einmal wiederzusehen, war Zachary Winters,daran bestand nicht der geringste Zweifel. Sie zog den Schlüssel aus demZündschloss ihres Wagens und schloss die Augen. Verzweifelt kämpfte sie gegendie Tränen an, die ihr in die Augen stiegen. Nein, sie wollte nicht schonwieder weinen.
Wie oftschon war sie von Tränen überwältigt worden? Wie oft hatten sich alleHoffnungen, Alicia und Ryan zu finden, zerschlagen? Aber diesmal würde es ihrgelingen, nahm sie sich fest vor. Und wenn Zachary Winters tatsächlich ihreletzte Hoffnung war, wollte sie ihm ihren Fall übergeben und sich nicht um dieGerüchte kümmern, die über ihn im Umlauf waren.
Als Laurenaus dem Auto stieg, wurde ihr plötzlich klar, wie wenig sie über den Mannwusste, in dessen Hände sie ihr Schicksal legen würde. In den vergangenen zweiWochen hatte sie nicht gerade viel über ihn erfahren können. Nur dass er inSeattle geboren war und früher zu den besten Rechtsanwälten im pazifischenNordwesten gezählt hatte. Doch die Gerüchte besagten, dass seit derSkandalgeschichte um den Tod seiner Frau nicht nur sein persönlicher Ruf,sondern auch der als Anwalt sehr gelitten habe.
Laurenkümmerte sich nicht um diese Gerüchte. Ihr ging es einzig und allein um ihreKinder und deren Wohl. Wenn es eine Möglichkeit geben sollte, an Wintersheranzukommen, würde sie ihm ihren Fall übertragen - falls er einverstandenwar.
Lauren gingzum Elliott-Gebäude, in dem sich die Kanzlei der Rechtsanwälte Zachary Wintersund Joshua Tate befand. Es hatte zu regnen begonnen, und in der Luft, die derWind vom Willamette River herüberwehte, ahnte man schon den Winter. Dabei wares erst Ende September. Graue Wolken hingen über Portland, und auf den Straßenund Bürgersteigen glänzten Pfützen.
Die schwereEichentür des einst eleganten Gebäudes knarrte in den Angeln, als Laureneintrat. Sie durchquerte die Halle, stieg in den Lift und drückte auf den Knopfdes achten Stockwerks. Nachdenklich lehnte sie sich während der Fahrt an dieWand. Wenn Zachary Winters ihren Fall ablehnte, was dann? Dann wäre die letztekleine Hoffnung, Alicia und Ryan je wiederzusehen, auch noch zerstört. LähmendeAngst schnürte ihr bei diesem Gedanken die Kehle zu, und sie schloss für einenMoment die Augen.
DreizehnMonate waren schon vergangen, doch es kam Lauren vor, als hätte sie erstgestern die Haustür aufgeschlossen und entdeckt, dass ihre beiden Kinder undderen Sachen verschwunden waren.
Mit einemRuck hielt der Fahrstuhl an, und Lauren riss sich in die Gegenwart zurück. DasKinn energisch vorgeschoben, ging sie zielstrebig zu einer Glastür. Doch direktdavor blieb sie stehen. Bitte sei da, Zachary Winters, flehte sie stumm. Seida, ich brauche dich. Dann stieß sie die Tür auf und trat in den Empfangsraumder Anwaltskanzlei.
Einerothaarige Frau von etwa fünfundzwanzig Jahren blickte vom Schreibtisch auf undlächelte liebenswürdig. "Kann ich Ihnen helfen?"
Befangenund nervös erwiderte Lauren das Lächeln. "Ich möchte Mr. Winters sprechen.Mein Name ist Lauren Regis."
Als dieSekretärin den Namen hörte, runzelte sie die Stirn. "Mrs. Regis? Ach ja,ich erinnere mich. Sie haben schon angerufen, nicht wahr?"
"Ja,mehrere Male. Ist Mr. Winters da?"
Die rothaarigeFrau, die Amanda Nelson hieß, wie Lauren an dem Namensschild erkannte,schüttelte den Kopf. "Es tut mir leid. Aber ich rechne heute Morgen nichtmehr mit Mr. Winters."
"Erwar weder gestern noch vor zwei Tagen da. Ist er verreist?", erkundigtesich Lauren ungeduldig.
"Nein.Mr. Winters ist , er ist sehr beschäftigt."
"Ichmöchte nicht aufdringlich erscheinen, Mrs. Nelson, aber ich muss ihn unbedingtsprechen. Es ist sehr wichtig. Könnte ich eine Verabredung mit ihmausmachen?"
Amandaspielte mit dem Kugelschreiber. "Wie ich schon sagte, er hat viel zu tun.Geben Sie mir Ihre Telefonnummer, dann kann er sich mit Ihnen in Verbindungsetzen."
"Warumkönnen Sie mir denn keinen Termin geben?", fragte Lauren verwundert.Langsam hatte sie dieses Katz-und-Maus-Spiel satt.
"Normalerweiseschon", erwiderte Mrs. Nelson steif. "Aber im Moment ist Mr. Wintersnicht erreichbar. Lassen Sie mich Ihre Telefonnummer und Ihren Namennotieren."
"Nein."
"Wiebitte?" Der Ausdruck in Mrs. Nelsons Augen wurde hart.
"Ichhabe vergangene Woche angerufen und meine Nummer mitgeteilt. Aber Mr. Wintershat sich nicht gemeldet. Dann rief ich vor zwei Tagen noch einmal an und"
"Undauch da konnten Sie Mr. Winters nicht erreichen?" Die Sekretärin schiennicht überrascht zu sein.
"Nein."Lauren bekam das Gefühl, dass in der Kanzlei Winters & Tate etwas nichtstimmte, Amanda Nelson schaute so seltsam drein.
"Ichmuss ihn so schnell wie möglich sprechen", bemerkte Lauren ein bisschensanfter. "Aber das hören Sie bestimmt sehr oft. Übrigens wurde Mr. Wintersmir von meinem Anwalt Patrick Evans empfohlen."
"So?"
"Störtes Sie, wenn ich hier warte?"
Amandazuckte die Schultern. "Ich glaube nicht, dass er heute noch in die Kanzleikommt."
"Nun,ich habe etwas Zeit", erwiderte Lauren. "Also kann ich noch eineWeile bleiben."
Sie danktedem Himmel für ihren Bankkollegen und Freund Bob Harding, der ihr versprochenhatte, sich während ihrer Abwesenheit um ihre Kunden zu kümmern.
© VerlagMira
Übersetzung:Robyn Peters
- Autor: Lisa Jackson
- 2007, 300 Seiten, Maße: 12,3 x 18,4 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Peters, Robyn
- Herausgegeben: Stefanie Kruschandl
- Übersetzer: Robyn Peters
- Verlag: MIRA Taschenbuch
- ISBN-10: 3899413954
- ISBN-13: 9783899413953
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