Opus Dei
Jenseits von Ideologie, Fantasie und Polemik stellt John L. Allen die konservative katholische Organisation vor. Fesselnd analysiert er Historie und Entwicklung der Gesellschaft und enthüllt zugleich sachlich Mythen über die Katholische Kirche,...
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Jenseits von Ideologie, Fantasie und Polemik stellt John L. Allen die konservative katholische Organisation vor. Fesselnd analysiert er Historie und Entwicklung der Gesellschaft und enthüllt zugleich sachlich Mythen über die Katholische Kirche, den Vatikan sowie die Weltanschung des Opus Dei.
Opus Dei von JohnL. Allen
LESEPROBE
Einführung
Das Opus Dei, eine 1928 in Spanienvom heiligen Josefmaria Escrivá gegründete religiöseOrganisation, dürfte derzeit im römischen Katholizismus die umstrittenste Kraftsein. Man könnte es, in eine Metapher gefasst, ganz gut als das »Guinness ExtraStout« der katholischen Kirche bezeichnen. Das»Guinness Extra Stout« ist ein starkes Bier von sehrausgeprägtem Geschmack, der zweifellos nicht jedem liegt.
Wenn ich mit diesem Vergleichbeginne, laufe ich natürlich Gefahr, oberflächlich zu bleiben; außerdem tueich dem Opus Dei schwer Unrecht. Das Opus Dei ist schließlich keine Ware,sondern ein spiritueller Weg. An diesen Weg halten sich weltweit rund 85.000Menschen mit großer Treue und moralischer Ernsthaftigkeit. Millionen andererbewundern ihn. Hinzu kommt, dass das Opus Dei in der öffentlichen Meinunginner- wie außerhalb der katholischen Kirche auf energische Ablehnung stößt.Außerdem könnte mein Vergleich des Opus Dei mit einer Biermarke wie eine Verharmlosungwirken. Aber trotzdem: Das Bild vom »Guinness Extra Stout«veranschaulicht etwas Wesentliches über die Rolle des Opus Dei in derkatholischen Landschaft. Darum lohnt es sich meiner Überzeugung nach, mit ihmnoch ein bisschen weiter zu spielen.
Wenn derzeit der Biermarkt mit»Diät«- und »Leicht«-Biermarken überschwemmt wird, dann bietet »Guinness ExtraStout« genau das Gegenteil. Es steht ganz offen zuseinen Kalorien und seinem hohen Alkoholgehalt. Es bietet einen schaumigen,bitteren Geschmack; manche Spötter behaupten, es schmecke wie Motorenöl mitSchuss. Aus dem Grund, weil es dem Modegeschmack widersteht, erfreut es sichunter Puristen eines Kults von Anhängern, die genau dies schätzen, dass esunerschütterlich so bleibt, wie es ist. Wer seinen Geschmack scheußlich findet,wird ihm natürlich keine besonderen Verkaufschancen geben, wenn es unveränderlichso bleibt, wie es ist. Aber gerade weil »Extra Stout«vermutlich nie den Markt beherrschen wird, wird es immer eine loyaleAnhängerschaft behalten.
Um jetzt dieses Bild auf diekatholische Kirche anzuwenden: Die vier Jahrzehnte seit dem ZweitenVatikanischen Konzil (19621965) waren ebenfalls ein gutes Stück weit von einemGeist des »weniger ist mehr« gekennzeichnet. Grob gesprochen, ging es beim II. Vaticanum darum, die Fenster der Kirche aufzureißen, dieKirche zu verjüngen und auf den Stand der Zeit zu bringen. Man wollte zu deneinfachen Grundprinzipien des Evangeliums zurückkehren und gleichzeitigoffener für die Welt werden. Außerdem wollte man eine größere Eintracht unterder gespaltenen Christenfamilie und mit der gesamten Menschheit finden. Manvereinfachte die Riten und Rituale der Kirche stark, gab das Latein alsHauptsprache im Gottesdienst auf und führte die Volkssprache ein. Viele traditionelleFrömmigkeitsformen und Übungen kamen außer Gebrauch, spirituelle Disziplinenwie das Gebot des Freitagsfastens wurden gelockert.An die Stelle der Apologetik trat der ökumenische und interreligiöse Dialogals vorrangiger Weg, Menschen anderer Konfessionen und religiöser Traditionenzu begegnen. Die Priester und Ordensleute legten weithin ihre besondere religiöseKleidung ab, denn sie befürchteten, das werde als Zeichen einer Privilegierungaufgefasst, oder als Ausdruck der Absicht, auf Distanz zu den Menschen zubleiben, denen sie dienen wollten. Der Auftrag der Kirche wurde einer breitenÖffentlichkeit weithin so vermittelt, dass sie im Hier und Jetzt die humane undsoziale Entwicklung fördern wolle. Man hatte die Sorge, wenn man zu viel vonGebet und Sakramenten rede, werde das als weltflüchtige Spiritualisierungverstanden. Im katholischen Unterricht wurde das Auswendiglernen der Lehreweithin dadurch ersetzt, dass man sie analytisch und kritisch vorstellte. Manbeschränkte sich auch nicht mehr nur auf karitatives Wirken, sondern hob insBewusstsein, dass die globalen Unrechtszustände eine strukturelle Dimension hätten,die man als »soziale Sünde« bezeichnete. Alles hier Aufgezählte mag komplexetheologische und kirchliche Trends überstark vereinfachen, dürfte jedoch dieGrundlinien der Entwicklung deutlich machen.
In diesem Zeitalter neuerkirchlicher Brauprodukte bietet das Opus Dei eine robuste klassischeAlternative an. Trotz seines beträchtlichen Bekanntheitsgrades ist der »Marktanteil«des Opus Dei im globalen Katholizismus bemerkenswert klein, genau wie derjenigedes Guinness-Bieres auf der Welt. Nach dem AnnuarioPontificio, dem offiziellen statistischenJahrbuch des Vatikans für 2004, zählt das Opus Dei weltweit 1850 Priester und 83.641Laien, also insgesamt 85.491 Mitglieder. Das sind 0,008 Prozent der Gesamtzahlder Katholiken von 1,1 Milliarden. (55 Prozent der Mitglieder des Opus Deisind übrigens Frauen.) Um dieses Verhältnis noch deutlicher zuveranschaulichen: Die Erzdiözese Hobart auf deraustralischen Insel Tasmanien zählt 87.691 Mitglieder, das heißt, dass schonsie allein größer ist als weltweit das Opus Dei.
Das Opus Dei, dessen lateinischeBezeichnung übersetzt »Werk Gottes« lautet, wird formell als die einzige »Personalprälatur« in der katholischen Kirche klassifiziert.Das bedeutet, dass der in Rom ansässige oberste Leiter der Gemeinschaft,derzeit Bischof Javier Echevarria Rodriguez, dieJurisdiktion über seine Mitglieder für alles ausübt, was das interne Leben desOpus Dei angeht. In Dingen, die alle Katholiken betreffen, bleiben dieMitglieder des Opus Dei unter der Jurisdiktion ihres Ortsbischofs. Doch gewöhnlichwird das Opus Dei als eine jener vielen von Laien ins Leben gerufenen undgeleiteten Bewegungen und Gemeinschaften gesehen, die im Lauf des 20.Jahrhunderts entstanden. Seinen internationalen Ruf erlangte es in der Zeitnach dem Zweiten Vatikanischen Konzil.
Der zentrale Gedanke des Opus Dei,den Escrivá entwickelte, ist, dass man seine Alltagsarbeitheiligen könne. Das heißt, man könne Gott in seiner beruflichen Tätigkeitfinden, als Anwalt, Ingenieur, Arzt, Müllarbeiter oder Postbote, sofern man nurdiese Arbeit im richtigen christlichen Geist verrichte. Um aus diesem Geistleben zu können, erhalten die Mitglieder des Opus Dei eine gründliche Schulungin der Glaubenslehre und im geistlichen Leben. Sie machen es sich imAllgemeinen bei ihrem Bemühen um Heiligkeit nicht einfach. So ist etwa dieÜbung, während der Woche immer wieder einmal in die Kirche zu gehen und instiller Anbetung vor dem Allerheiligsten Altarsakrament zu verweilen, bei denmeisten Katholiken außer Brauch gekommen; die Mitglieder des Opus Dei dagegensollten täglich Zeit dafür finden. Oder die meisten Katholiken beten auchnicht mehr den Rosenkranz, während das die Mitglieder des Opus Dei jeden Tagtun. In Kenia sagte mir Erzbischof Raphael S. Ndingivon Nairobi im Scherz, wenn man früher in Afrika habe herausfinden wollen, werMitglied des Opus Dei sei, habe man nur jemanden im Auto irgendwohin mitnehmenmüssen. Wenn der oder die Betreffende dann gebeten habe, schon anderthalbKilometer vor dem Ziel abgesetzt zu werden, um noch im Gehen den Rosenkranzbeten zu können, habe man gewusst, dass es sich um ein Opus Dei-Mitgliedhandle. Viele Katholiken nehmen heute zumindest manche Aspekte der kirchlichenLehre nicht mehr ganz so genau, aber die Opus Dei-Mitgliederwerden angehalten, »mit der Kirche zu denken«, das heißt, zur gesamten Lehreder Kirche über Glauben und Moral zu stehen.
Im Klerus des Opus Dei wird starkdie priesterliche Disziplin der alten Schule betont. Die Priester tragen dieSoutane, beten das Brevier und verbringen viel Zeit im Beichtstuhl. Ein Zeichendafür, wie ernst sie alles nehmen, ist die Tatsache, dass bis dato kein einzigerPriester des Opus Dei in den USA des sexuellen Missbrauchs angeklagt wurde odernach den vom Vatikan 2002 für die Amerikanische Kirche approbiertenSonderregeln aus seinem Amt hätte entfernt werden müssen.
Es ist nicht ganz zutreffend, wennman dies eine »traditionelle« Alternative zu einem »liberaleren« nachkonziliaren Katholizismus nennt, denn aus historischerSicht ist das Opus Dei ganz und gar nicht traditionell. Seine Sicht, dass Laienund Priester, Frauen und Männer alle die gleiche Berufung hätten und Teil ameinen Leib Christi seien, und dass alle über die Freiheit verfügten, diese Berufungin ihrem beruflichen Umfeld nach ihrem Vermögen auszugestalten, war derartinnovativ, dass Escrivá im Spanien der 1940erJahreder Häresie angeklagt wurde. Innerhalb des Opus Dei sind die meisten Mentorender Priester Laien, was einen Bruch mit der traditionellen klerikalen Kulturdarstellt. Auch sind die Laien des Opus De], Männer wie Frauen, bei der Wahlihres Prälaten (also des Bischofs, der sie leitet) stimmberechtigt. Das kommtin der heutigen katholischen Kirche dem Ideal, den Bischof auf demokratischemWeg zu wählen, bereits so nahe wie nur möglich. Auch war das Opus Dei die ersteEinrichtung in der katholischen Kirche, die 1950 vom Vatikan die Erlaubnisbeantragte und erhielt, Nichtkatholiken und sogar Nichtchristen als»Mitarbeiter« aufzunehmen, das heißt als Förderer, die nicht Mitglieder sind.
Grundsätzlich gesehen wurde eine Artkopernikanischer Wende im Katholizismus eingeleitet, als Escriváden Gedanken in den Mittelpunkt stellte, es seien in erster Linie die Laien inihren zivilen Berufen, die den Auftrag Christi erfüllten, das Evangelium in dieWelt hineinzutragen. Bis dahin hatte man in der Kirche dazu geneigt, die Laienals eine Art Statisten im spirituellen Drama zu sehen, während dessenHauptakteure die Priester und Ordensleute seien. In Folge der innerkirchlichenRichtungskämpfe in der Zeit nach dem 11. Vaticanumwurden die Beteiligten in die beiden Kategorien von »Linken« und »Rechten«eingeteilt, was dem Opus Dei nicht gerecht wurde und seine originellenspirituellen Einsichten in den Hintergrund drängte. Im Allgemeinen sieht manheute am Opus Dei fast nur noch seine kompromisslose Orthodoxie und seineLoyalität zum Papst. Für seine eigentliche Botschaft hat man gar keinen Blickmehr.
Abgesehen davon wirken tatsächlich,gemessen an heutigen gängigen Vorstellungen, die Spiritualität und dieLehrüberzeugungen der meisten Opus Dei-Mitgliederweitgehend »traditionell«, schon allein deshalb, weil sie weiterhin altüberlieferte Gebete, Praktiken und Übungen pflegen, dieheute die meisten anders verstehen oder ganz aufgegeben haben. Von daher wirktdas Opus Dei auf eine bestimmte Art des heutigen Selbstverständnisses derKatholiken anstößig, ganz zu schweigen davon, dass ein säkularisiertes Denken miteiner institutionalisierten Religion oft nicht mehr viel anfangen kann.
Vielleicht wegen dieses seinesAnsehens als eine Art »StarkbierKatholizismus« wurdedem Opus Dei im Hin und Her der allgemeinen Richtungskämpfe in Kirche undGesellschaft sein fester Platz zugewiesen. Katholiken, die sich selbst als»Liberale« bezeichnen, mögen das Opus Dei gewöhnlich nicht, ja lehnen es ab.Die »Konservativen« dagegen neigen im Allgemeinen dazu, es zu verteidigen, undsei es nur, weil sie seine Kritiker so entschieden verabscheuen.Weit über die Kirche hinaus ist das Opus Dei zum Inbegriff einer geschlossenenGeheimgesellschaft mit elitärem Flair geworden, ein bisschen wie die Freimaureroder in den USA die »Skull and Bones«. Dank desUmstands, dass Dan Browns Roman »The Da Vinci Code«(deutsch: »Sakrileg«) zum Kassenschlager wurde, haben diese Vorstellungen überdas Opus Dei ein Massenpublikum erreicht.
Weil das Opus Dei für seineMitglieder die Messlatte recht hoch anlegt, kann die Landung besonders hartsein, wenn etwas schief läuft. Viele Ex-Mitglieder, und zwar genügend viele, ummit Grund vermuten zu lassen, dass das mehr als nur ein Gerücht sei, berichten,dass sie von ihren Erfahrungen geschädigt seien. Sie berichten, dass sie anden Rand der physischen und emotionalen Erschöpfung getrieben worden seien;man habe ihre Kontakte mit der Außenwelt stark gedrosselt und ihre Beziehungsowohl zum Opus Dei als auch ganz allgemein zur Autorität sei in Richtung einesGehorsams ohne kritisches Denken gelenkt worden. Das Ergebnis ist, dass eingewisser Prozentsatz seiner ehemaligen Mitglieder das Opus Dei mit einerverblüffend wütenden Leidenschaft kritisiert; manche sprechen von »spirituellemMissbrauch« oder sogar von der Verletzung ihrer Menschenrechte. Sie behaupten, dasinterne Klima im Opus Dei - das sie als defensiv, insular und zuweilenquasi-apokalyptisch beschreiben -unterscheide sich sehr stark von dem Image,das das Opus Dei nach außen hin an den Tag lege. Im englischen Sprachraum istdas »Opus Dei Awareness Network«zum Sprachrohr der Vertreter dieser Ansichten geworden; auf Spanisch übt diegleiche Funktion die Website www.opuslibros.orgaus. Diese Beschreibungen werden von Zehntausenden zufriedener Mitgliederbestritten sowie auch von ehemaligen Mitgliedern, die weiterhin ein gutesVerhältnis zum Opus Dei haben. Es kann sein, dass beide Gruppen mehr oderweniger die gleiche Realität beschreiben, sie jedoch mit unterschiedlicherBrille sehen: Während die eine Gruppe überzeugt ist, das Opus Dei sei tatsächlichein »Werk Gottes«, vertritt die andere mit der gleichen festen Überzeugung, dasOpus Dei sei in beträchtlichem Ausmaß ein von Menschen entworfenes Kontroll-und Machtinstrument.
© Gütersloher Verlagshaus
Übersetzung: BernardinSchellenberger
- Autor: John L. Allen
- 2006, 495 Seiten, Maße: 13,5 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Gütersloher Verlagshaus
- ISBN-10: 3579069365
- ISBN-13: 9783579069364
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