Pompeji
Eine tickende Zeitbombe im Römischen Reich 79 vor Christus: Wie jeden Sommer treffen sich die Reichen und Schönen Roms in Pompeji.
Doch die Vorboten einer ungeheuren Katastrophe werfen bereits ihre Schatten: Das Wasser versiegt, denn das...
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Eine tickende Zeitbombe im Römischen Reich 79 vor Christus: Wie jeden Sommer treffen sich die Reichen und Schönen Roms in Pompeji.
Doch die Vorboten einer ungeheuren Katastrophe werfen bereits ihre Schatten: Das Wasser versiegt, denn das mächtige Aquädukt Acqua Augusta zeigt einen Bruch. Der junge Wasserbaumeister Attilius aus Rom soll den Schaden reparieren und kommt dabei dem skrupellosen Geschäftsmann Ampliatus auf die Spur, der mit einem ''Wassermonopol'' das große Geld machen will. Ausgerechnet dessen Tochter Corelia steht Attilius zur Seite, der dabei ist, im verruchten Sündenpfuhl Pompeji eine ungeheuerliche Verschwörung aufzudecken - und der plötzlich eine Menge einflussreicher Leute zu Feinden hat.
Pompeji von Robert Harris
LESEPROBE
MARS
22. August
Zwei Tagevor dem Ausbruch
Conticinium
[04.21 Uhr]
»Es hat sich herausgestellt, dasszwischen der Gewalt eines Ausbruchs und der Länge der voraufgegangenen Ruhezeitein enger Zusammenhang besteht. Fast alle großen Ausbrüche in geschichtlicherZeit ereigneten sich bei Vulkanen, die jahrhundertelang geruht hatten.«
Jacques-MarieBardintzeff,
AlexanderR. McBirneyVolcanology
Sieverließen den Aquädukt zwei Stunden vor Sonnenaufgang und erklommen beiMondschein die Berge oberhalb des Hafens - sechs Männer, einer hinter demanderen, mit dem Wasserbaumeister an der Spitze. Er hatte sie selbst aus denBetten geworfen - mit noch steifen Gliedern und mürrischen, verschlafenenGesichtern -, und jetzt hörte er, wie sie sich hinter seinem Rücken beklagten.Ihre Stimmen trugen in der warmen, stillen Luft weiter, als ihnen bewusst war.»Ein Hirngespinst«, murmelte jemand. »Knaben sollten bei ihren Büchernbleiben«, sagte ein anderer. Er ließ seine Schritte länger werden. Lass sieschwatzen, dachte er. Schon jetzt konnte er spüren, wie sich die Hitze desMorgens aufbaute, Vorbote eines weiteren Tages ohne Regen. Er war jünger alsdie meisten Männer seines Trupps und auch kleiner: gedrungen, muskulös, mitkurz geschnittenem braunem Haar. Die Stiele der Werkzeuge, die er auf derSchulter trug - eine schwere Bronzehacke und eine Holzschaufel - scheuerten anseinem von der Sonne verbrannten Hals. Trotzdem zwang er sich, mit seinen nacktenBeinen so weit auszuholen, wie es ging. Er kletterte schnell von einem sicherenPunkt zum nächsten, und erst als er sich hoch über Misenum befand, an einerStelle, an der sich der Pfad gabelte, entledigte er sich seiner Last undwartete darauf, dass die anderen ihn einholten. Er wischte sich mit dem Ärmelseiner Tunika den Schweiß von den Augen. Was für einen flimmernden, fiebrigenHimmel die hier im Süden hatten! Selbst jetzt, kurz vor Tagesanbruch, wölbtesich eine gewaltige Halbkugel von Sternen bis zum Horizont hinab. Er konnte dieHörner des Stiers sehen und den Gürtel und das Schwert des Orion; da warenSaturn und der Große Bär und auch das Sternbild, das sie den Winzer nannten unddas immer für Caesar am zweiundzwanzigsten Tag des August aufging, gleich nachdem Fest der Vinalia; Zeichen dafür, dass die Zeit für die Traubenerntegekommen war. Morgen Nacht würde der Mond voll sein. Er streckte die Handhimmelwärts, wobei sich seine plumpen Finger schwarz und scharf vor denfunkelnden Sternbildern abzeichneten - er spreizte sie, ballte sie, spreiztesie abermals -, und einen Augenblick lang hatte er das Gefühl, dass er derSchatten, das Nichts war; das Licht war die Substanz. Vom Hafen unten kam dasKlatschen der Ruder, die Nachtwache war zwischen den vertäuten Triremenunterwegs. Die gelben Laternen zweier Fischerboote funkelten auf dem Golf. EinHund bellte, ein anderer antwortete. Und dann die Stimmen der Arbeiter, dielangsam den Pfad unterhalb von ihm heraufkamen: der grobe lokale Akzent desAufsehers Corax - »Seht euch das an - unser neuer Aquarius winkt den Sternenzu!« - und das Schnaufen und Keuchen der Sklaven und freien Männer, diein diesem Moment gleichrangig waren in ihrem Groll, wenn auch in nichts sonst.Der Wasserbaumeister ließ die Hand sinken. »Bei so einem Himmel«, sagte er,»brauchen wir wenigstens keine Fackeln.« Plötzlich war er voll neuer Tatkraft,bückte sich nach seinem Werkzeug und packte es sich wieder auf die Schulter.»Wir müssen weiter.« Er schaute in die Dunkelheit hinein. Der eine Pfad würdesie nach Westen bringen, um den Rand des Kriegshafens herum. Der andere führtenach Norden, auf den Küstenort Baiae zu. »Ich denke, hier sollten wirabbiegen.« »Er denkt«, höhnte Corax. Der Wasserbaumeister war schon am Vortagzu dem Schluss gekommen, dass es am besten war, den Aufseher zu ignorieren.Wortlos kehrte er dem Meer und den Sternen den Rücken zu und begann, dieschwarze Masse der Bergflanke hinaufzusteigen. Was war Führerschaft schließlichanderes als die blinde Wahl einer Route und die selbstsichere Behauptung, dassdie Entscheidung auf Vernunft beruht hat? Hier war der Pfad steiler. Er mussteihn seitwärts hinaufklettern, manchmal seine freie Hand benutzen, um sichhochzuziehen; wenn seine Füße abrutschten, prasselten Schauer von losen Steinenin die Dunkelheit. Die Leute hielten diese braunen, von sommerlichenBuschfeuern versengten Berge für trocken wie Wüsten, aber der Wasserbaumeisterwusste es besser. Dennoch spürte er, wie seine frühere Gewissheit ins Wankengeriet, und er versuchte sich zu erinnern, wie der Pfad im Gleißen dergestrigen Nachmittagssonne ausgesehen hatte, als er ihn zum ersten Mal erkundethatte. Der gewundene Pfad, kaum breit genug für ein Maultier. Die Streifen vonversengtem Gras. Und dann, an einer Stelle, an der das Gelände ebener wurde,Flecken von blassem Grün in der Schwärze - Anzeichen von Leben, bei denen essich, wie sich herausstellte, um Efeu handelte, der sich an einem Felsbrockenhinaufrankte. Nachdem er eine Anhöhe halb hinaufgestiegen und wiederhinabgeklettert war, blieb er stehen und drehte sich langsam im Kreis herum.Entweder hatten sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt, oder derTagesanbruch war jetzt nahe, was bedeutete, dass es fast zu spät geworden war.Die anderen waren hinter ihm stehen geblieben. Er hörte ihr schweres Atmen.Noch so eine Geschichte, die sie in Misenum erzählen konnten - wie ihr neuer,junger Aquarius sie aus den Betten geworfen und dann mitten in der Nacht in dieBerge geführt hatte, und das alles nur wegen eines Hirngespinstes. Inseinem Mund war ein Geschmack nach Asche. »Haben wir uns verirrt, hübscherKnabe?« Wieder die höhnische Stimme von Corax. Er machte den Fehler, den Köderzu schlucken. »Ich suche nach einem Felsbrocken.« Jetzt versuchten sie nicht einmal,ihr Gelächter zu unterdrücken. »Er rennt herum wie eine Maus im Nachttopf.« »Ermuss hier irgendwo sein. Ich habe ihn mit Kreide markiert.« Noch mehr Gelächter- und er wirbelte herum und musterte sie: den gedrungenen und breitschultrigenCorax; den langnasigen Becco, der Gipser war; den rundlichen Musa, dessenSpezialität das Verlegen von Ziegelsteinen war; und die beiden Sklaven, Politesund Corvinus. Sogar ihre undeutlichen Gestalten schienen ihn zu verspotten.»Lacht. Gut. Aber eines verspreche ich euch: Entweder wir finden ihn vorTagesanbruch, oder wir sind morgen Nacht wieder hier, dich eingeschlossen,Gavius Corax. Aber sieh zu, dass du dann nüchtern bist.« Schweigen. Dannspuckte Corax aus und trat einen halben Schritt nach vorn. Der Wasserbaumeistermachte sich auf einen Kampf gefasst. Seit er in Misenum angekommen war, schienes darauf hinauszulaufen. Keine Stunde war vergangen, in der Corax nichtversucht hatte, ihn vor den Männern herabzusetzen. Und wenn wir kämpfen, dachteder Wasserbaumeister, wird er gewinnen - es steht fünf gegen einen -, und siewerden meine Leiche über die Klippe werfen und sagen, ich wäre im Dunkelnausgerutscht. Aber wie würde das in Rom aufgefasst werden - wenn nach wenigerals vierzehn Tagen ein zweiter Aquarius der Aqua Augusta verschwand? Einenlangen Augenblick starrten sie sich an. Nicht mehr als ein Schritt war zwischenihnen. Sie standen so nahe beieinander, dass der Wasserbaumeister den schalenWein im Atem des Älteren riechen konnte. Plötzlich schrie einer der anderen -es war Becco - aufgeregt und zeigte mit der Hand. Hinter der Schulter vonCorax, kaum sichtbar, war ein Felsbrocken, in der Mitte deutlich mit einemdicken weißen Kreuz markiert. (...)
© Heyne
Übersetzung: Christel Wiemken
Interviewmit RobertHarris
RobertHarris wurde 1957 in Nottingham geboren. Nach seinem Geschichtsstudium inCambridge war er als Reporter tätig. Hierzulande berühmt wurde Harrisdurch historisch exakt recherchierte, und dennoch spannungsgeladene Romane wie„Vaterland“ und „Enigma“. Sein aktuelles Buch„Pompeji“ stand monatelang auf der Focus-Bestsellerliste.
Im Laufe der Menschheitsgeschichte war der Ausbruch desVesuvs 79 n. Chr. nicht der einzige Vulkanausbruch, der Menschenleben forderte.Trotzdem ist er weltweit ein Begriff und es ranken sich viele Geschichte darum.Warum wurde dieses Ereignis zum Mythos?
DieMenschen sind vom Ausbruch des Vesuvs genau so fasziniert wie vom Untergang derTitanic, und ich glaube, aus genau dem selben Grund. In beiden Fällenwurde das zerstört, was für den Höhepunkt der Zivilisationstand, und in beiden Fällen demonstrierte die Natur ihre Macht überden Menschen. Jeder, der auf die Überreste von Pompeji und Herculaneumblickt, wird sofort daran erinnert, wie zerbrechlich die menschlicheGemeinschaft ist und wie schnell sie überwältigt werden kann. DieseWahrnehmung hat die Vorstellung bestimmt, seit die Ruinen im 18. Jahrhundertausgegraben wurden, aber heute ist sie sogar noch gewaltiger: in Zeitenglobaler Erwärmung, in denen wir uns – trotz all unsererwissenschaftlichen Erfolge – konfrontiert sehen mit verrücktenWetterverhältnissen.
Worinliegt für Sie ganz persönlich die besondere Faszination diesesEreignisses?
In all meinen Romanen hat es mir sehr viel Freude bereiteteine detaillierte historische Welt wiederauferstehen zu lassen – wie zumBespiel Speers Berlin in „Vaterland“ oder das Code-Knack-Zentrum inBletchley Park in „Enigma“. Mein Interesse galt den vielenEinzelheiten des Lebens in Pompeji: den Straßen und Häusern dort,den Bädern und Tempeln, den Läden und Bürgern. Diese ganzekomplizierte Infrastruktur und die Art und Weise wie sie sich in die feudalerömische Welt in der Bucht von Neapel fügte, hat meine Fantasie beflügelt.Ich war wie ein Kind mit ein paar Spielzeugbauklötzen: Ich war in der Lagediese Welt aufzubauen und sie wieder zu zerstören.
Ist esrichtig, dass Sie während der Recherche zum Buch zum Vulkanismusexpertenwurden? Wie genau sahen Ihre Recherchen aus?
Ichmusste sehr viel über Vulkane lernen, weil ich wollte, dass der Vesuv fastzu einem Charakter des Buchs wird – ein Gott, der immer wütenderwird, ignoriert von den Menschen unter ihm - bis es zu spät ist. Dieschiere Größe des Ausbruchs – die der thermischen Energie von100000 Hiroshima-Atombomben entspricht – hat meine Vorstellungskraftgepackt und ich konnte viele neue wissenschaftliche Untersuchungen heranziehen.Erst seit den letzten zwanzig Jahren, seit dem Ausbruch von Mount St Helens inden USA, sind wir in der Lage zu verstehen, was mit dem Vesuv vor 2000 Jahrengeschah. Zum Beispiel hat sich niemand jemals die Mühe gemacht zu fragen,warum jede Leiche, die in Pompeji entdeckt wurde, auf Hausdachhöhe lag.Jetzt kennen wir die Antwort: Die Stadt hatte sich mit Asche und Gesteingefüllt, 16 oder 17 Stunden bevor sie endgültig von einem Wind mitOrkanstärke aus roten, heißen Gasen zerstört wurde. Alle Opferliefen auf den Überresten ihrer Häuser herum.
Ist das, was in Pompeji passierte, symptomatisch fürden Untergang eines Imperiums, das sich für unbesiegbar hält? WelcheParallelen zwischen den beiden Supermächten USA und dem RömischenReich sehen Sie?
Ichsehe sehr viele Prallen zwischen den USA und dem Römischen Reich.Tatsächlich hatte ich vor fünf Jahren die ursprüngliche Ideeeinen Roman über das Amerika der nahen Zukunft zu schreiben. Aber danndachte ich mir, dass ich besser über die USA schreiben könnte, wennich ein Sinnbild verwende, indem ich die Handlung nach Pompeji verlege. In derFolge versuchte ich eine andere Art von Rom-Roman zu schreiben, indem ichGladiatoren und Kaiser beiseite ließ und mich auf die Ähnlichkeitenmit der Gegenwart konzentrierte. Meine Hauptperson ist ein Ingenieur, dessenAufgabe es ist, eines der Wunder der technischen Errungenschaften Roms zumLaufen zu bringen: das große Aquädukt, das Aqua Augusta. Dabeibegegnet er einem Wissenschaftler (Pliny) und einem Bauträger (Ampliatus).Ich will die Parallelen mit der Gegenwart nicht überstrapazieren, aber ichglaube sie liegen auf der Hand.
Gibt esschon Pläne für eine Verfilmung von „Pompeji“?
ZweiHollywood-Studios haben dieses Jahr Angebote für Pompeji gemacht, aber ichhabe sie nicht angenommen, weil ich nicht den Eindruck hatte, dass sieernsthaft einen Film aus meinem Buch machen wollten. Ich hoffe, dass das einesTages jemand machen will – mit den Mitteln der modernen special effectskönnte das sehr eindrucksvoll werden.Die Fragen stellte Nicole Brunner / lorenzspringer medien
- Autor: Robert Harris
- 2006, 1, 378 Seiten, Maße: 13 x 19,1 cm, Geb. mit Su.
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3828987680
- ISBN-13: 9783828987685
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4.5 von 5 Sternen
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