Projekt: Babylon
Roman
Das fulminante Romandebüt eines jungen deutschen Autors: Voller Spannung, Action, Abenteuer und Mystik. Wage zu wissen! In einer Felshöhle im Languedoc verfällt ein Schäfer plötzlich dem Wahnsinn. Was hat es mit der geheimnisvollen Höhle auf sich, deren...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Projekt: Babylon “
Das fulminante Romandebüt eines jungen deutschen Autors: Voller Spannung, Action, Abenteuer und Mystik. Wage zu wissen! In einer Felshöhle im Languedoc verfällt ein Schäfer plötzlich dem Wahnsinn. Was hat es mit der geheimnisvollen Höhle auf sich, deren Wände mit rätselhaften Botschaften in allen Sprachen der Welt versehen sind? Ein Forscherteam macht sich daran, die mysteriösen Inschriften zu entschlüsseln. Schon bald heften sich Freimaurer und okkulte esoterische Zirkel an ihre Fersen... »Ein deutscher Autor, der ein faszinierend gutes Debüt hinlegt!« (BamS)
Klappentext zu „Projekt: Babylon “
Weitere Informationen zum Inhalt folgen in Kürze.
Wage zu wissen!
Im Languedoc verfällt ein Schäfer plötzlich dem Wahnsinn. Und drei Forscher geraten in Lebensgefahr, als sie der Lösung des Rätsels um eine geheimnisvolle Höhle in Südfrankreich immer näher kommen...
Blitz und Donner über den Bergen des Languedoc reißen einen Schäfer aus dem Schlaf. In einer Felshöhle sucht er Schutz vor dem drohenden Unwetter - doch als er sie wieder verlässt, ist er dem Wahnsinn verfallen. Sofort wird das Gebiet um die Felsen abgesperrt und streng bewacht.
Was hat es mit der geheimnisvollen Höhle auf sich, deren Wände mit rätselhaften Botschaften in allen Sprachen der Welt versehen sind? Und woher rührt das eigenartige Leuchten tief in ihrem Inneren? Im Auftrag der UN machen sich ein englischer Historiker, ein französischer Ingenieur und eine attraktive, aber eigenartig unnahbare deutsche Sprachwissenschaftlerin daran, die mysteriösen Inschriften zu entschlüsseln.
Schon bald heften sich Freimaurer und okkulte esoterische Zirkel an ihre Fersen. Und je näher die drei Forscher der Lösung des Mysteriums kommen, desto bedrohlicher wird ihre Lage. Da wird die junge Deutsche plötzlich von einer skrupellosen Sekte entführt...
Das fulminante Romandebüt eines jungen deutschen Autors: Voller Spannung, Action, Abenteuer und Mystik!
"Über weite Strecken ist 'Projekt: Babylon' ein sehr spannender, sehr unterhaltsamer und vor allem auf intellektuellen Spielereien und nicht blanker Aktion basierender Roman. Für seinen Erstling insbesondere wegen der außergewöhnlichen Handlungsführung ein überzeugendes Debüt.." - SF-RADIO
"Ein deutscher Autor, der ein faszinierend gutes Debüt hinlegt!" - BILD AM SONNTAG
Im Languedoc verfällt ein Schäfer plötzlich dem Wahnsinn. Und drei Forscher geraten in Lebensgefahr, als sie der Lösung des Rätsels um eine geheimnisvolle Höhle in Südfrankreich immer näher kommen...
Blitz und Donner über den Bergen des Languedoc reißen einen Schäfer aus dem Schlaf. In einer Felshöhle sucht er Schutz vor dem drohenden Unwetter - doch als er sie wieder verlässt, ist er dem Wahnsinn verfallen. Sofort wird das Gebiet um die Felsen abgesperrt und streng bewacht.
Was hat es mit der geheimnisvollen Höhle auf sich, deren Wände mit rätselhaften Botschaften in allen Sprachen der Welt versehen sind? Und woher rührt das eigenartige Leuchten tief in ihrem Inneren? Im Auftrag der UN machen sich ein englischer Historiker, ein französischer Ingenieur und eine attraktive, aber eigenartig unnahbare deutsche Sprachwissenschaftlerin daran, die mysteriösen Inschriften zu entschlüsseln.
Schon bald heften sich Freimaurer und okkulte esoterische Zirkel an ihre Fersen. Und je näher die drei Forscher der Lösung des Mysteriums kommen, desto bedrohlicher wird ihre Lage. Da wird die junge Deutsche plötzlich von einer skrupellosen Sekte entführt...
Das fulminante Romandebüt eines jungen deutschen Autors: Voller Spannung, Action, Abenteuer und Mystik!
"Über weite Strecken ist 'Projekt: Babylon' ein sehr spannender, sehr unterhaltsamer und vor allem auf intellektuellen Spielereien und nicht blanker Aktion basierender Roman. Für seinen Erstling insbesondere wegen der außergewöhnlichen Handlungsführung ein überzeugendes Debüt.." - SF-RADIO
"Ein deutscher Autor, der ein faszinierend gutes Debüt hinlegt!" - BILD AM SONNTAG
Lese-Probe zu „Projekt: Babylon “
110. April, gebirgige Weide im südfranzösischen Languedoc
Der Schäfer erwachte plötzlich mit Herzrasen. Etwas hatte ihn aus dem Schlaf gerissen wie ein Paukenschlag, vielleicht ein Geräusch, vielleicht auch eine Vorahnung oder etwas, was er geträumt hatte.
Er richtete sich auf und blickte sich nervös um. Seine Tiere grasten in kleinen Gruppen um ihn herum und unter den Bäumen und Sträuchern. Kaum einer aus dem Dorf kam jemals so weit herauf, aber Jacques scherte sich nicht um das Gerede der anderen. Er wusste, wo es noch saftige, friedliche Flecken für die Schafe gab, und diese dankten es ihm. Aber sie waren unruhiger als sonst. Sein Blick wanderte zum Himmel, und da sah er es. Wie eine dunkle Wand schoben sich mächtige Regenwolken aus dem Osten über den Berg.
Ungewöhnlich schnell. Deswegen war er aufgewacht. Ein herannahendes Gewitter spürte er ebenso wie seine Herde.
Er stand auf, schulterte seine Ledertasche und begann, die Tiere zusammenzutreiben. Der Nachteil dieses hoch gelegenen Plätzchens war, dass man sich auf das Wetter verlassen musste, denn die nächste Hütte mit notdürftigem Pferch lag einige Kilometer weiter unten im Schutz des Waldes.
Der Schäfer sah verärgert zum Himmel empor, als schon die ersten Regentropfen fielen, obwohl die Wolkenfront noch nicht da war. Dies würde kein bloßer Schauer sondern ein Sturm werden.
10. April, Palais de Molière nahe Paris Nur wenige Gäste sahen nach draußen, als auf der Rasenfläche vor dem Palais ein Hubschrauber landete. Zwei Sicherheitsleute standen an der Freitreppe vor dem Eingang und beobachteten die Landung. Einer der beiden erhielt Instruktionen über seinen Kopfhörer, bestätigte diese durch ein verstecktes Mikrofon und machte dann eine Geste nach hinten. Auf dieses Zeichen hin kamen zwei Bedienstete aus der Villa und liefen mit gebückter Haltung auf den Hubschrauber zu, dessen Rotorblätter gerade zum Stillstand kamen. Die Männer öffneten die Seitentür, und aus dem Inneren stiegen eine Frau
... mehr
und ein Mann, beide etwa Mitte dreißig, elegant aber zurückhaltend gekleidet, und bedeuteten den Bediensteten, beiseite zu treten. Hinter ihnen trat eine imposante Erscheinung ins Freie. In einen dunkelgrauen Dreiteiler gekleidet, mit weißem Halstuch, weißen Gamaschen und einem schwarzen Mantel mit Überwurf machte der hoch gewachsene Mann einen fast antiquierten Eindruck.
Seine Kleidung war von höchster Qualität und der Ausdruck auf dem mit einem weißen Vollbart umrahmten Gesicht von einer überlegenen Seriosität. Seine jüngeren Begleiter folgten ihm, als er gemessenen Schrittes auf das herrschaftliche Gebäude zuging.
Der Präsident gab wie jedes Jahr im Palais de Molière seinen Frühjahrsempfang. Als Mann des Volkes wollte er nicht aus einem Elfenbeinturm der Politik regieren, sondern stets im direkten Kontakt mit den Machern seines Landes, den Größen aus Wirtschaft, Medien und Kultur bleiben. Die meisten Gäste kannten einander nicht persönlich, sondern überwiegend nur aus der Presse. So war es für die Geladenen ein aufregendes Sehen und Gesehenwerden, und nur wenige hatten ein zweites Mal die Ehre.
Als der weißbärtige Herr und seine Begleitung durch das Foyer schritten, machte ihnen die Gesellschaft unwillkürlich Platz, einige Gespräche verstummten, ein paar Gäste nickten den Neuankömmlingen grüßend zu. Die drei begaben sich in eine ruhige Ecke, wo man durch eine mannshohe Scheibenfront in die Gärten des Palais sehen konnte, während ein Kellner ihnen Getränke auf einem Tablett anbot.
Draußen dämmerte es bereits, obwohl es noch nicht spät war. Aber der Himmel war wolkenverhangen. Es würde bald regnen.
"Was für ein Zeitpunkt", sagte der jüngere Mann. "Aber sicher ist es nicht."
"Nichts ist jemals sicher", antwortete der ältere, "aber nie sahen wir mehr Zeichen."
"Steffen, man verlangt nach Ihnen." Die Frau trat einen Schritt zur Seite.
"Wir ziehen uns inzwischen zurück."
Präsident Michaut hatte sich freundlich aus dem Gespräch mit zwei Wirtschaftsberatern befreien können, als er den Grafen und seine beiden Begleiter eintreten sah. Ohne den Eindruck von allzu großer Hast erwecken zu wollen, griff er sich noch ein Glas Port, bevor er zu seinem Gast hinüberging.
"Monsieur le Comte, es freut mich außerordentlich, dass Sie es so schnell noch möglich machen konnten!"
"Die Freude ist ganz meinerseits, Monsieur le Président! Doch was für einen Moment in der Zeit haben Sie gewählt ..."
"In der Tat, eine bunte Gesellschaft wie diese heute ist vielleicht nicht der beste Rahmen für unsere Gespräche, doch handelt es sich um Dinge von besonderer Dringlichkeit. Oder meinten Sie das Wetter?"
"Beides - und nichts davon." Der Mann, den der Präsident als Graf bezeichnete, betrachtete seinen Gesprächspartner mit einem feinsinnigen Lächeln. Einem Außenstehenden musste es vorkommen, als stünde der Präsident einem weisen Riesen gegenüber, dem er wie einem überragenden Mentor Respekt zollte. Vielleicht war es so, doch niemand außer ihm kannte den Grafen oder die Art ihrer Verbindung.
Der Wind hatte nun deutlich aufgefrischt. In kalten Böen fegte er heran, brachte immer dickere Regentropfen mit sich und den Geruch nach nasser Erde.
Es drohte ein schweres Gewitter zu werden. Mit immer größerer Eile trieb der Schäfer seine nervös blökenden Tiere zusammen. Ein Blick zum Himmel verriet ihm, dass nicht mehr viel Zeit blieb. Hinter der Gebirgskuppe war es nun vollständig dunkel geworden. Ein tiefes Donnergrollen drang herüber.
"Mist!", fluchte der Schäfer, als ihm klar wurde, dass das Unwetter mit einer solchen Geschwindigkeit über die Berge fegte, dass er ihm unmöglich entrinnen konnte. "Schnell, kommt schnell!" Er trieb die Schafe an, darauf bedacht, sie zumindest gesammelt als Herde zurück auf den Pfad zu bringen, den sie kannten und dem sie alleine folgen konnten.
Als stünde der Weltuntergang bevor, wurde aus den vereinzelten Tropfen, die der Wind vor sich her trieb, innerhalb weniger Augenblicke ein heftiger Platzregen. Im selben Maße, wie der Regen die Sicht in einem grauen Schleier verschwimmen ließ, schienen jetzt die Gewitterwolken die letzten Reste des Lichts zu nehmen.
Gerade wollte der Schäfer zu einem erneuten Fluch ansetzen, als ihn ein Blitz jäh zusammenzucken ließ, unmittelbar gefolgt von einem ohrenbetäubenden Donner direkt über ihm. Die Schafe blökten verängstigt, einige sprangen panisch übereinander, andere drängten sich gegenseitig beiseite. Eine Hand voll rannte den Hang hinauf, und der Schäfer setzte ihnen ohne zu zögern nach.
Es war kein Leichtes, die wild gewordenen Tiere im strömenden Regen nicht aus den Augen zu verlieren. Er folgte ihnen über den immer steiniger werdenden Boden, an Ginsterbüschen und Gräsern vorbei. Der sintflutartige Regen verwandelte den Boden schnell in eine glitschige Rutschbahn. Mehr als einmal stürzte er und musste sich zwischen Schlamm und scharfkantigem Geröll abfangen. Der Untergrund wurde zunehmend uneben und stieg immer steiler bergan. Wie Gämsen mussten die verstörten Schafe hier entlanggehetzt sein.
Eines der Tiere sah er vor sich am Berghang hinter einem Felsen verschwinden, vielleicht waren die anderen schon längst den Hang hinabgestürzt.
Verbissen kletterte der Schäfer hinterher. Er dachte nicht daran, dass er den Rest der Herde zurückgelassen hatte oder dass er selbst abstürzen könnte. Für ihn zählten nur die ausgerissenen Tiere, denen er mit ebenso viel Sorge wie Wut folgte. Bald musste er auf allen vieren seinen Weg finden, um den stetig steiler werdenden Felshang überhaupt bezwingen zu können. Zwischen den Gesteinsbrocken, von denen er hoffte, dass sie sein Gewicht halten würden, rannen ganze Bäche Regenwasser hinab.
Seine Hände waren aufgedunsen, rot und eiskalt, als er sich mit letzter Kraft einen Sims hochzog. Erschöpft verweilte er einen Augenblick, schnaubte einmal durch die Nase und fuhr sich mit dem Ärmel über das Gesicht, wie um den ständigen Regen fortzuwischen. Er blickte zurück und erschrak, als er sah, welche Höhe er erklommen und wie weit er die Weiden und die Baumgrenze hinter sich gelassen hatte. Er hatte eine Passage überwunden, für die schon unter normalen Umständen ein Seil nötig gewesen wäre - und das bei diesem Regen. Welcher Teufel hatte ihn nur geritten? Doch nun saß er hier, zitternd, bis auf die Haut durchnässt und erschöpft. Wahrscheinlich würde er sich eine Lungenentzündung zuziehen, und niemand konnte ihm sagen, wann das Gewitter vorbei sein würde, noch, wie um alles auf der Welt er den Weg wieder zurückklettern könnte.
Ein Blöken ließ ihn herumfahren, und da entdeckte er es. Nur wenige Meter von ihm entfernt befand sich ein geräumiger Höhleneingang. Die guten Tiere!
Sie waren ihrem Instinkt gefolgt, hatten diesen Unterschlupf gefunden und mussten hineingeflüchtet sein. Mit neuer Kraft raffte er sich auf, kletterte das letzte Stück und betrat den Eingang der Höhle.
"Verzeihung, was sagten Sie?"
"Ich fragte, ob Sie meine Rede während des EU-Gipfels im Fernsehen verfolgt haben."
"Ich bitte um Entschuldigung, Monsieur le Président, ich war für einen Augenblick abgelenkt. Wenn man in Ihre wundervollen Gärten blickt, sieht man so vieles ..."
Der Präsident sah nun auch hinaus. Der Regen lief von außen in golden glitzernden Streifen an den Fensterscheiben hinab. In ihnen spiegelten sich die Lüster und Kerzenflammen der Säle, während die dahinter liegenden Gartenanlagen nun im Dunkel lagen.
"... aber ja, ich habe Ihre Rede verfolgt", fuhr der Weißbärtige fort. "Ich bewundere Ihre Offenheit. Sagen Sie mir, wie sie von den anderen aufgenommen wurde."
"Ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten, aber ich habe den Eindruck, dass Sie mit den Gedanken woanders sind. Wir können uns gern zu einem späteren Zeitpunkt unterhalten, Monsieur le Comte."
"In der Tat, das bin ich. Ich danke Ihnen für Ihr Verständnis. Tatsächlich würde ich mich gerne etwas später zu Ihnen gesellen, wenn es Ihnen recht ist."
"Selbstverständlich, ich werde mich unterdessen um die anderen Gäste kümmern. Scheuen Sie sich nicht, zum rechten Augenblick einfach auf sich aufmerksam zu machen."
"Das werde ich. Nochmals vielen Dank, Monsieur le Président."
Kaum hatte der Präsident sich von ihm entfernt, erschienen die beiden Begleiter wieder, und die drei traten wie in stillem Einverständnis vor die Fenster und sahen in den regnerischen Abend hinaus.
Der Schäfer entzündete sein Feuerzeug und suchte den Boden des Höhleneingangs nach Brennbarem ab. Schließlich gelang es ihm, ein Bündel dürrer Zweige als notdürftige Fackel in Brand zu setzen. Im Schein der Flammen entdeckte er eines seiner Tiere. Es kauerte in einer Nische der Wand und blickte verängstigt in das Licht. Mit besänftigenden Worten ging er auf das Schaf zu und streckte seine Hand aus. Es scheute vor ihm zurück, doch der Schäfer hatte reichlich Erfahrung und wusste, wie er das Tier beruhigen konnte. Langsam trat er auf die Nische zu und sprach dabei weiter auf das Tier ein. Mit vorsichtigen Bewegungen holte er aus seiner Jackentasche ein Bündel aufgeweichter Kräuter hervor. Die Pflanzen linderten bei den Schafen Magenverstimmungen und verbesserten die Verdauung; sie fraßen sie gierig, wo immer sie sie fanden, doch da es hier oben auf den Weiden diese Heilkräuter nicht gab, hatte er immer welche dabei. Wie erwartet, begann das Schaf interessiert zu schnuppern, und der Schäfer konnte sich ihm weiter nähern.
Bald hatte er das Tier erreicht, so dass es die Kräuter fressen und an seiner Hand riechen konnte. Eine ganze Weile stand er so da und ließ den Blick neugierig umherschweifen. Die Höhle war hier wenig mehr als mannshoch, doch dem Hall der Geräusche nach zu urteilen musste sie sich noch ein gutes Stück in den Berg hineinziehen. Vielleicht wurde sie dort auch geräumiger.
Er hatte wenig Interesse, sie auszukundschaften. Sicher, es gab hier keine wilden Tiere, Bären oder Wölfe, die er zu fürchten hätte, doch allein mit einer Fackel ausgerüstet überkam ihn bei der Vorstellung einer Expedition in die Tiefe der Dunkelheit ein unbehagliches Gefühl.
Der Boden der Höhle war sehr eben, nur ein wenig Geröll, das sich im Laufe von Hunderten, vielleicht Tausenden von Jahren von der Decke gelöst hatte, lag umher. Der Schäfer beugte sich hinunter: Es sah aus, als sei der Untergrund einst absichtlich geglättet und gereinigt worden. Auch die Wände: Sie waren viel zu glatt, um natürlichen Ursprungs zu sein. Als er die Wand musterte, schrak er plötzlich zurück. Keine Armlänge entfernt war der Fels mit allerlei Malereien bedeckt! Er war also tatsächlich nicht der erste Mensch, der diesen Unterschlupf gefunden hatte. Ob es Zeichnungen der Urmenschen waren, wie man sie ja schon an anderen Stellen in Frankreich gefunden hatte, Lascaux oder Chauvet? Er hatte einige Male davon in der Zeitung gelesen, und es hatte ihn besonders interessiert, weil er sich immer gewünscht hatte, er würde auch einmal so eine Entdeckung machen und berühmt werden. Nicht weit von hier, irgendwo bei Perpignan, soweit er sich erinnerte, hatten sie sogar mal einen Mann aus der Steinzeit gefunden. Er machte einen Schritt zur Seite und erhellte ein weiteres Stück der Wand. Wie die Felszeichnungen von Lascaux sah das jedenfalls nicht aus. Es waren keine Bilder von Pferden oder Hirschen, und es gab auch keine Abdrücke von Händen oder Punktmuster. Das waren Schriftzeichen! Allerdings waren es Symbole und Buchstaben einer Sprache, die er nicht kannte. Nein, das sind keine alten Malereien, überlegte er enttäuscht. Vielleicht hatten sich mal ein paar Touristen hierher verirrt und die Wände angemalt? Auch andere Stellen waren verziert. Er schritt die Höhlenwand entlang und staunte, wie viel Mühe man sich hier gemacht hatte. Je weiter er ging, umso dichter wurden die Zeichnungen, die Höhle war von oben bis unten davon übersät! Es gab aufwendig verzierte Schriftzüge, kurze Wortbilder, zum Teil waren aber auch lange Texte dabei. Es musste eine ganze Reisegruppe hier gewesen sein, nicht nur, weil es so unsagbar viele Malereien waren, sondern auch, weil es sehr unterschiedliche Schriftzeichen waren, so als hätten die Touristen verschiedene Sprachen gesprochen.
Mit einem Mal flackerten die Flammen der behelfsmäßigen Fackel und erloschen. Der Schäfer stand in völliger Dunkelheit. Ärgerlich kramte er nach seinem Feuerzeug, als er einen bläulichen Schein wahrnahm. Zunächst wunderte er sich, woher denn jetzt schon Mondlicht kommen könne, da es doch gerade erst zu dämmern begonnen hatte und der Himmel zudem noch wolkenverhangen sein müsste. Doch dann wurde ihm bewusst, dass der Schein nicht vom Höhleneingang, sondern aus dem Inneren kam. Und während sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnten, machte er mehr Einzelheiten aus. Der Gang weitete sich und führte um eine Ecke, hinter der der Schein am stärksten war.
Die Neugier siegte über seine Bedenken, und der Schäfer wagte sich tiefer in die Höhle hinein, wie magisch angezogen vom schimmernden blauen Licht.
Die Festlichkeiten im Palais de Molière erreichten ihren Höhepunkt, als das Büfett eröffnet wurde. Die anwesenden Gäste vergaßen für wenige Augenblicke ihre gute Erziehung und häuften sich mit spitzen Fingern ihre Teller voll.
Obwohl sie sich bemühten, sich dem Anlass und ihrer eigenen eleganten Kleidung gemäß zu verhalten, gelang es nur den wenigsten, sich halbwegs würdevoll aus der Affäre zu ziehen. Die einen bekleckerten sich mit Sauce, anderen fiel eine Gabel oder ein Messer zu Boden, wieder andere gaben ihre Teller zurück, als hätte darauf ein unappetitliches Gemetzel stattgefunden.
Nicht so die drei Gestalten am Fenster. Reglos standen sie da und blickten hinaus in die Gärten, mit einem eigenartigen Leuchten in den Augen. Die Spekulationen der Gäste über die sonderbaren Fremden waren nun jedoch ihrem Interesse an Krabbensalat und Kaviarhäppchen gewichen.
Niemand außer seinen Begleitern hörte deshalb auch, wie der Graf mit ungewohnt erregter Stimme sagte: "Es ist so weit."
Ein gellender Schrei hallte durch die Höhle. Augenblicke später hetzte der Schäfer ins Freie. Seine Augen waren weit aufgerissen, seine Hände umklammerten seinen Kopf, rasend raufte er sich die Haare, zerkratzte sich die Kopfhaut mit den Fingernägeln, so dass ihm Blut die Schläfe hinablief.
Und dann stürzte er den steilen Geröllhang hinab, versuchte, sich an den Steinen und Felsen festzuhalten, erwischte hin und wieder mal einen Felsbrocken, der seinen Sturz für kurze Zeit bremste, sich dann jedoch löste und mit dem Schäfer weiter in die Tiefe polterte, bis er in einer Lawine aus Matsch, Steinen und Blut schließlich flacheres Gelände erreichte. Seine Kleidung war zerschunden, er blutete aus zahlreichen Wunden, ein Arm war gebrochen, Rippensplitter bohrten sich in seine Lunge, aus einer Platzwunde am Kopf strömte Blut über sein Gesicht. Doch er blieb keinen Augenblick liegen. Heulend und schreiend richtete er sich auf, wankte einen Moment und stolperte dann in manischer Umnachtung in den Wald.
2
21. April, Museum für Völkerkunde, Hamburg
Peter Lavell saß in seinem Arbeitszimmer und korrigierte die Aufstellung der Exponate, die für die kommende Sonderausstellung "5000 Jahre Schrift"
ausgewählt worden waren. Der Professor ergänzte gerade eine Vitrinenszene um einige ägyptische Tafeln, die er mit Sicherheit im Fundus wusste und die die Besonderheiten der Hieroglyphen deutlich machten, wenn sie aus Gründen der Optik und der Symmetrie zum Teil seitenverkehrt oder in ungewöhnlicher Reihenfolge angebracht wurden. Die Katalognummern kannte er natürlich nicht, aber er kritzelte einen Vermerk und eine kleine, ziemlich präzise Skizze auf das Blatt, als es an der Tür klopfte.
Carsten Thommas trat ein, ein Mann Anfang dreißig, der erst seit zwei Jahren in Hamburg war, aber die Aufsätze und Vorlesungen Professor Lavells seit seiner Studienzeit verfolgte. Nach dem Studium in Marburg und einigen Jahren Feldforschung in Äthiopien und der Türkei war er an die Universität Hamburg gekommen, um dem Professor möglichst nahe zu sein. Aus demselben Grund hatte er sich auch um eine Stelle im wissenschaftlichen Beirat des Museums beworben. Er bewunderte Professor Lavell um sein Gesamtwissen, den Überblick, seinen Sinn für Zusammenhänge, die die Spezialisten der einzelnen Fachrichtungen selten aufzeigen konnten, und hatte sich mit dessen etwas zurückhaltender aber bisweilen zynischer Art abgefunden, die auch in den Vorlesungen und noch viel häufiger in Diskussionen - öffentlich wie privat - hervorkam. Ein Wesenszug, der Lavell nicht überall beliebt machte und der die Kritik der wissenschaftlichen Kollegen an seinen oftmals gewagten Thesen geradezu herausforderte. Aber der aufstrebende Historiker und Anthropologe hatte schon oft erlebt, dass der gebürtige Engländer Lavell, den auch die schärfste Kritik nicht aus der Ruhe zu bringen vermochte, am Ende Rechtbehalten sollte.
Seine Kleidung war von höchster Qualität und der Ausdruck auf dem mit einem weißen Vollbart umrahmten Gesicht von einer überlegenen Seriosität. Seine jüngeren Begleiter folgten ihm, als er gemessenen Schrittes auf das herrschaftliche Gebäude zuging.
Der Präsident gab wie jedes Jahr im Palais de Molière seinen Frühjahrsempfang. Als Mann des Volkes wollte er nicht aus einem Elfenbeinturm der Politik regieren, sondern stets im direkten Kontakt mit den Machern seines Landes, den Größen aus Wirtschaft, Medien und Kultur bleiben. Die meisten Gäste kannten einander nicht persönlich, sondern überwiegend nur aus der Presse. So war es für die Geladenen ein aufregendes Sehen und Gesehenwerden, und nur wenige hatten ein zweites Mal die Ehre.
Als der weißbärtige Herr und seine Begleitung durch das Foyer schritten, machte ihnen die Gesellschaft unwillkürlich Platz, einige Gespräche verstummten, ein paar Gäste nickten den Neuankömmlingen grüßend zu. Die drei begaben sich in eine ruhige Ecke, wo man durch eine mannshohe Scheibenfront in die Gärten des Palais sehen konnte, während ein Kellner ihnen Getränke auf einem Tablett anbot.
Draußen dämmerte es bereits, obwohl es noch nicht spät war. Aber der Himmel war wolkenverhangen. Es würde bald regnen.
"Was für ein Zeitpunkt", sagte der jüngere Mann. "Aber sicher ist es nicht."
"Nichts ist jemals sicher", antwortete der ältere, "aber nie sahen wir mehr Zeichen."
"Steffen, man verlangt nach Ihnen." Die Frau trat einen Schritt zur Seite.
"Wir ziehen uns inzwischen zurück."
Präsident Michaut hatte sich freundlich aus dem Gespräch mit zwei Wirtschaftsberatern befreien können, als er den Grafen und seine beiden Begleiter eintreten sah. Ohne den Eindruck von allzu großer Hast erwecken zu wollen, griff er sich noch ein Glas Port, bevor er zu seinem Gast hinüberging.
"Monsieur le Comte, es freut mich außerordentlich, dass Sie es so schnell noch möglich machen konnten!"
"Die Freude ist ganz meinerseits, Monsieur le Président! Doch was für einen Moment in der Zeit haben Sie gewählt ..."
"In der Tat, eine bunte Gesellschaft wie diese heute ist vielleicht nicht der beste Rahmen für unsere Gespräche, doch handelt es sich um Dinge von besonderer Dringlichkeit. Oder meinten Sie das Wetter?"
"Beides - und nichts davon." Der Mann, den der Präsident als Graf bezeichnete, betrachtete seinen Gesprächspartner mit einem feinsinnigen Lächeln. Einem Außenstehenden musste es vorkommen, als stünde der Präsident einem weisen Riesen gegenüber, dem er wie einem überragenden Mentor Respekt zollte. Vielleicht war es so, doch niemand außer ihm kannte den Grafen oder die Art ihrer Verbindung.
Der Wind hatte nun deutlich aufgefrischt. In kalten Böen fegte er heran, brachte immer dickere Regentropfen mit sich und den Geruch nach nasser Erde.
Es drohte ein schweres Gewitter zu werden. Mit immer größerer Eile trieb der Schäfer seine nervös blökenden Tiere zusammen. Ein Blick zum Himmel verriet ihm, dass nicht mehr viel Zeit blieb. Hinter der Gebirgskuppe war es nun vollständig dunkel geworden. Ein tiefes Donnergrollen drang herüber.
"Mist!", fluchte der Schäfer, als ihm klar wurde, dass das Unwetter mit einer solchen Geschwindigkeit über die Berge fegte, dass er ihm unmöglich entrinnen konnte. "Schnell, kommt schnell!" Er trieb die Schafe an, darauf bedacht, sie zumindest gesammelt als Herde zurück auf den Pfad zu bringen, den sie kannten und dem sie alleine folgen konnten.
Als stünde der Weltuntergang bevor, wurde aus den vereinzelten Tropfen, die der Wind vor sich her trieb, innerhalb weniger Augenblicke ein heftiger Platzregen. Im selben Maße, wie der Regen die Sicht in einem grauen Schleier verschwimmen ließ, schienen jetzt die Gewitterwolken die letzten Reste des Lichts zu nehmen.
Gerade wollte der Schäfer zu einem erneuten Fluch ansetzen, als ihn ein Blitz jäh zusammenzucken ließ, unmittelbar gefolgt von einem ohrenbetäubenden Donner direkt über ihm. Die Schafe blökten verängstigt, einige sprangen panisch übereinander, andere drängten sich gegenseitig beiseite. Eine Hand voll rannte den Hang hinauf, und der Schäfer setzte ihnen ohne zu zögern nach.
Es war kein Leichtes, die wild gewordenen Tiere im strömenden Regen nicht aus den Augen zu verlieren. Er folgte ihnen über den immer steiniger werdenden Boden, an Ginsterbüschen und Gräsern vorbei. Der sintflutartige Regen verwandelte den Boden schnell in eine glitschige Rutschbahn. Mehr als einmal stürzte er und musste sich zwischen Schlamm und scharfkantigem Geröll abfangen. Der Untergrund wurde zunehmend uneben und stieg immer steiler bergan. Wie Gämsen mussten die verstörten Schafe hier entlanggehetzt sein.
Eines der Tiere sah er vor sich am Berghang hinter einem Felsen verschwinden, vielleicht waren die anderen schon längst den Hang hinabgestürzt.
Verbissen kletterte der Schäfer hinterher. Er dachte nicht daran, dass er den Rest der Herde zurückgelassen hatte oder dass er selbst abstürzen könnte. Für ihn zählten nur die ausgerissenen Tiere, denen er mit ebenso viel Sorge wie Wut folgte. Bald musste er auf allen vieren seinen Weg finden, um den stetig steiler werdenden Felshang überhaupt bezwingen zu können. Zwischen den Gesteinsbrocken, von denen er hoffte, dass sie sein Gewicht halten würden, rannen ganze Bäche Regenwasser hinab.
Seine Hände waren aufgedunsen, rot und eiskalt, als er sich mit letzter Kraft einen Sims hochzog. Erschöpft verweilte er einen Augenblick, schnaubte einmal durch die Nase und fuhr sich mit dem Ärmel über das Gesicht, wie um den ständigen Regen fortzuwischen. Er blickte zurück und erschrak, als er sah, welche Höhe er erklommen und wie weit er die Weiden und die Baumgrenze hinter sich gelassen hatte. Er hatte eine Passage überwunden, für die schon unter normalen Umständen ein Seil nötig gewesen wäre - und das bei diesem Regen. Welcher Teufel hatte ihn nur geritten? Doch nun saß er hier, zitternd, bis auf die Haut durchnässt und erschöpft. Wahrscheinlich würde er sich eine Lungenentzündung zuziehen, und niemand konnte ihm sagen, wann das Gewitter vorbei sein würde, noch, wie um alles auf der Welt er den Weg wieder zurückklettern könnte.
Ein Blöken ließ ihn herumfahren, und da entdeckte er es. Nur wenige Meter von ihm entfernt befand sich ein geräumiger Höhleneingang. Die guten Tiere!
Sie waren ihrem Instinkt gefolgt, hatten diesen Unterschlupf gefunden und mussten hineingeflüchtet sein. Mit neuer Kraft raffte er sich auf, kletterte das letzte Stück und betrat den Eingang der Höhle.
"Verzeihung, was sagten Sie?"
"Ich fragte, ob Sie meine Rede während des EU-Gipfels im Fernsehen verfolgt haben."
"Ich bitte um Entschuldigung, Monsieur le Président, ich war für einen Augenblick abgelenkt. Wenn man in Ihre wundervollen Gärten blickt, sieht man so vieles ..."
Der Präsident sah nun auch hinaus. Der Regen lief von außen in golden glitzernden Streifen an den Fensterscheiben hinab. In ihnen spiegelten sich die Lüster und Kerzenflammen der Säle, während die dahinter liegenden Gartenanlagen nun im Dunkel lagen.
"... aber ja, ich habe Ihre Rede verfolgt", fuhr der Weißbärtige fort. "Ich bewundere Ihre Offenheit. Sagen Sie mir, wie sie von den anderen aufgenommen wurde."
"Ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten, aber ich habe den Eindruck, dass Sie mit den Gedanken woanders sind. Wir können uns gern zu einem späteren Zeitpunkt unterhalten, Monsieur le Comte."
"In der Tat, das bin ich. Ich danke Ihnen für Ihr Verständnis. Tatsächlich würde ich mich gerne etwas später zu Ihnen gesellen, wenn es Ihnen recht ist."
"Selbstverständlich, ich werde mich unterdessen um die anderen Gäste kümmern. Scheuen Sie sich nicht, zum rechten Augenblick einfach auf sich aufmerksam zu machen."
"Das werde ich. Nochmals vielen Dank, Monsieur le Président."
Kaum hatte der Präsident sich von ihm entfernt, erschienen die beiden Begleiter wieder, und die drei traten wie in stillem Einverständnis vor die Fenster und sahen in den regnerischen Abend hinaus.
Der Schäfer entzündete sein Feuerzeug und suchte den Boden des Höhleneingangs nach Brennbarem ab. Schließlich gelang es ihm, ein Bündel dürrer Zweige als notdürftige Fackel in Brand zu setzen. Im Schein der Flammen entdeckte er eines seiner Tiere. Es kauerte in einer Nische der Wand und blickte verängstigt in das Licht. Mit besänftigenden Worten ging er auf das Schaf zu und streckte seine Hand aus. Es scheute vor ihm zurück, doch der Schäfer hatte reichlich Erfahrung und wusste, wie er das Tier beruhigen konnte. Langsam trat er auf die Nische zu und sprach dabei weiter auf das Tier ein. Mit vorsichtigen Bewegungen holte er aus seiner Jackentasche ein Bündel aufgeweichter Kräuter hervor. Die Pflanzen linderten bei den Schafen Magenverstimmungen und verbesserten die Verdauung; sie fraßen sie gierig, wo immer sie sie fanden, doch da es hier oben auf den Weiden diese Heilkräuter nicht gab, hatte er immer welche dabei. Wie erwartet, begann das Schaf interessiert zu schnuppern, und der Schäfer konnte sich ihm weiter nähern.
Bald hatte er das Tier erreicht, so dass es die Kräuter fressen und an seiner Hand riechen konnte. Eine ganze Weile stand er so da und ließ den Blick neugierig umherschweifen. Die Höhle war hier wenig mehr als mannshoch, doch dem Hall der Geräusche nach zu urteilen musste sie sich noch ein gutes Stück in den Berg hineinziehen. Vielleicht wurde sie dort auch geräumiger.
Er hatte wenig Interesse, sie auszukundschaften. Sicher, es gab hier keine wilden Tiere, Bären oder Wölfe, die er zu fürchten hätte, doch allein mit einer Fackel ausgerüstet überkam ihn bei der Vorstellung einer Expedition in die Tiefe der Dunkelheit ein unbehagliches Gefühl.
Der Boden der Höhle war sehr eben, nur ein wenig Geröll, das sich im Laufe von Hunderten, vielleicht Tausenden von Jahren von der Decke gelöst hatte, lag umher. Der Schäfer beugte sich hinunter: Es sah aus, als sei der Untergrund einst absichtlich geglättet und gereinigt worden. Auch die Wände: Sie waren viel zu glatt, um natürlichen Ursprungs zu sein. Als er die Wand musterte, schrak er plötzlich zurück. Keine Armlänge entfernt war der Fels mit allerlei Malereien bedeckt! Er war also tatsächlich nicht der erste Mensch, der diesen Unterschlupf gefunden hatte. Ob es Zeichnungen der Urmenschen waren, wie man sie ja schon an anderen Stellen in Frankreich gefunden hatte, Lascaux oder Chauvet? Er hatte einige Male davon in der Zeitung gelesen, und es hatte ihn besonders interessiert, weil er sich immer gewünscht hatte, er würde auch einmal so eine Entdeckung machen und berühmt werden. Nicht weit von hier, irgendwo bei Perpignan, soweit er sich erinnerte, hatten sie sogar mal einen Mann aus der Steinzeit gefunden. Er machte einen Schritt zur Seite und erhellte ein weiteres Stück der Wand. Wie die Felszeichnungen von Lascaux sah das jedenfalls nicht aus. Es waren keine Bilder von Pferden oder Hirschen, und es gab auch keine Abdrücke von Händen oder Punktmuster. Das waren Schriftzeichen! Allerdings waren es Symbole und Buchstaben einer Sprache, die er nicht kannte. Nein, das sind keine alten Malereien, überlegte er enttäuscht. Vielleicht hatten sich mal ein paar Touristen hierher verirrt und die Wände angemalt? Auch andere Stellen waren verziert. Er schritt die Höhlenwand entlang und staunte, wie viel Mühe man sich hier gemacht hatte. Je weiter er ging, umso dichter wurden die Zeichnungen, die Höhle war von oben bis unten davon übersät! Es gab aufwendig verzierte Schriftzüge, kurze Wortbilder, zum Teil waren aber auch lange Texte dabei. Es musste eine ganze Reisegruppe hier gewesen sein, nicht nur, weil es so unsagbar viele Malereien waren, sondern auch, weil es sehr unterschiedliche Schriftzeichen waren, so als hätten die Touristen verschiedene Sprachen gesprochen.
Mit einem Mal flackerten die Flammen der behelfsmäßigen Fackel und erloschen. Der Schäfer stand in völliger Dunkelheit. Ärgerlich kramte er nach seinem Feuerzeug, als er einen bläulichen Schein wahrnahm. Zunächst wunderte er sich, woher denn jetzt schon Mondlicht kommen könne, da es doch gerade erst zu dämmern begonnen hatte und der Himmel zudem noch wolkenverhangen sein müsste. Doch dann wurde ihm bewusst, dass der Schein nicht vom Höhleneingang, sondern aus dem Inneren kam. Und während sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnten, machte er mehr Einzelheiten aus. Der Gang weitete sich und führte um eine Ecke, hinter der der Schein am stärksten war.
Die Neugier siegte über seine Bedenken, und der Schäfer wagte sich tiefer in die Höhle hinein, wie magisch angezogen vom schimmernden blauen Licht.
Die Festlichkeiten im Palais de Molière erreichten ihren Höhepunkt, als das Büfett eröffnet wurde. Die anwesenden Gäste vergaßen für wenige Augenblicke ihre gute Erziehung und häuften sich mit spitzen Fingern ihre Teller voll.
Obwohl sie sich bemühten, sich dem Anlass und ihrer eigenen eleganten Kleidung gemäß zu verhalten, gelang es nur den wenigsten, sich halbwegs würdevoll aus der Affäre zu ziehen. Die einen bekleckerten sich mit Sauce, anderen fiel eine Gabel oder ein Messer zu Boden, wieder andere gaben ihre Teller zurück, als hätte darauf ein unappetitliches Gemetzel stattgefunden.
Nicht so die drei Gestalten am Fenster. Reglos standen sie da und blickten hinaus in die Gärten, mit einem eigenartigen Leuchten in den Augen. Die Spekulationen der Gäste über die sonderbaren Fremden waren nun jedoch ihrem Interesse an Krabbensalat und Kaviarhäppchen gewichen.
Niemand außer seinen Begleitern hörte deshalb auch, wie der Graf mit ungewohnt erregter Stimme sagte: "Es ist so weit."
Ein gellender Schrei hallte durch die Höhle. Augenblicke später hetzte der Schäfer ins Freie. Seine Augen waren weit aufgerissen, seine Hände umklammerten seinen Kopf, rasend raufte er sich die Haare, zerkratzte sich die Kopfhaut mit den Fingernägeln, so dass ihm Blut die Schläfe hinablief.
Und dann stürzte er den steilen Geröllhang hinab, versuchte, sich an den Steinen und Felsen festzuhalten, erwischte hin und wieder mal einen Felsbrocken, der seinen Sturz für kurze Zeit bremste, sich dann jedoch löste und mit dem Schäfer weiter in die Tiefe polterte, bis er in einer Lawine aus Matsch, Steinen und Blut schließlich flacheres Gelände erreichte. Seine Kleidung war zerschunden, er blutete aus zahlreichen Wunden, ein Arm war gebrochen, Rippensplitter bohrten sich in seine Lunge, aus einer Platzwunde am Kopf strömte Blut über sein Gesicht. Doch er blieb keinen Augenblick liegen. Heulend und schreiend richtete er sich auf, wankte einen Moment und stolperte dann in manischer Umnachtung in den Wald.
2
21. April, Museum für Völkerkunde, Hamburg
Peter Lavell saß in seinem Arbeitszimmer und korrigierte die Aufstellung der Exponate, die für die kommende Sonderausstellung "5000 Jahre Schrift"
ausgewählt worden waren. Der Professor ergänzte gerade eine Vitrinenszene um einige ägyptische Tafeln, die er mit Sicherheit im Fundus wusste und die die Besonderheiten der Hieroglyphen deutlich machten, wenn sie aus Gründen der Optik und der Symmetrie zum Teil seitenverkehrt oder in ungewöhnlicher Reihenfolge angebracht wurden. Die Katalognummern kannte er natürlich nicht, aber er kritzelte einen Vermerk und eine kleine, ziemlich präzise Skizze auf das Blatt, als es an der Tür klopfte.
Carsten Thommas trat ein, ein Mann Anfang dreißig, der erst seit zwei Jahren in Hamburg war, aber die Aufsätze und Vorlesungen Professor Lavells seit seiner Studienzeit verfolgte. Nach dem Studium in Marburg und einigen Jahren Feldforschung in Äthiopien und der Türkei war er an die Universität Hamburg gekommen, um dem Professor möglichst nahe zu sein. Aus demselben Grund hatte er sich auch um eine Stelle im wissenschaftlichen Beirat des Museums beworben. Er bewunderte Professor Lavell um sein Gesamtwissen, den Überblick, seinen Sinn für Zusammenhänge, die die Spezialisten der einzelnen Fachrichtungen selten aufzeigen konnten, und hatte sich mit dessen etwas zurückhaltender aber bisweilen zynischer Art abgefunden, die auch in den Vorlesungen und noch viel häufiger in Diskussionen - öffentlich wie privat - hervorkam. Ein Wesenszug, der Lavell nicht überall beliebt machte und der die Kritik der wissenschaftlichen Kollegen an seinen oftmals gewagten Thesen geradezu herausforderte. Aber der aufstrebende Historiker und Anthropologe hatte schon oft erlebt, dass der gebürtige Engländer Lavell, den auch die schärfste Kritik nicht aus der Ruhe zu bringen vermochte, am Ende Rechtbehalten sollte.
... weniger
Autoren-Porträt von Andreas Wilhelm
Andreas Wilhelm wurde 1971 in Solingen geboren und wuchs in Südafrika, der Schweiz, Nigeria und Portugal auf. Nach dem Abitur zog er nach Hamburg, wo er bald die Konzeptionsabteilung einer großen deutschen Multimedia-Agentur leitete. Nach mehreren erfolgreichen Sachbüchern für Kinder und Jugendliche ist "Projekt: Babylon" sein Debüt als Romanautor. Andreas Wilhelm lebt mit seiner Frau und Kindern bei Hamburg.
Bibliographische Angaben
- Autor: Andreas Wilhelm
- 2005, 446 Seiten, Maße: 14,5 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Limes
- ISBN-10: 3809024899
- ISBN-13: 9783809024897
Rezension zu „Projekt: Babylon “
"Fulminant! Voller Spannung, Action, Abenteuer und Mystik!"
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