Resilienz
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Christina Berndt geht in ihrem Bestseller „Resilienz" den Fragen nach:
- Wie können manche Menschen alle großen und kleinen Krisen des Lebens erfolgreich meistern?
- Kann jeder von den neuesten Forschungen zur psychischen Widerstandsfähigkeit profitieren?
- Wie stärkt man sich und seine Familie?
Bewusst geistigen Widerstand leisten und aus deprimierenden Situationen ins Leben zurückkehren - und das voller Optimismus und in kürzester Zeit: Wieso gelingt dies manchen Menschen und manchen nicht? Resilienz heißt die geheimnisvolle Kraft, die glückliche Menschen von klein an in sich tragen. Hier erzählt die Wissenschaftsjournalistin Christina Berndt mit vielen Beispielen, wie die Resilienz aussieht. Und sie zeigt anhand neuester Forschung, wie Menschen Resilienz erlangt haben. Dazu gibt es praktische Ratschläge, wie jeder von uns diese Widerstandfähigkeit erlangen kann: von Fundamenten in frühester Kindheit bis zu Aufbau und Aushärtung bei Erwachsenen durch die richtigen Strategien.
Lesen auch Sie das Buch „Resilienz". Der Überraschungs-Bestseller über das Geheimnis der psychischen Widerstandskraft.
'Resilienz' nennen Psychologen die geheimnisvolle Kraft, aus einer deprimierenden Situation wieder ins volle Leben zurückzukehren, Widerstand zu leisten gegen die Zumutungen der Umwelt; den Blick optimistisch nach vorn zu lenken, aus einer Selbstsicherheit heraus zu handeln, die den Großteil der Kritik abprallen lässt und gezielt nur das verwertet, was konstruktiv ist. Die Wissenschaftsjournalistin Christina Berndt erzählt mit vielen Beispielen, welch hilfreiches Rüstzeug manchen Menschen von Natur aus mitgegeben ist, und geht anhand der neuesten Forschungen der Frage nach, wie es dazu gekommen ist. Sie gibt aber auch ganz praktischen Rat und zeigt Wege auf, wie man sich künftig besser durch die großen und kleinen Krisen des Lebens manövrieren kann. Denn obwohl die Fundamente der psychischen Widerstandskraft schon in frühester Kindheit gelegt werden, so lassen sie sich doch auch später noch aushärten, falls man die richtigen Strategien kennt.
Einleitung
Das Leben ist hart geworden im 21. Jahrhundert. Trotz großen Wohlstands, geringer körperlicher Belastungen und allerlei technischer Errungenschaften, die das Leben eigentlich leichter machen sollten, fühlen sich die Menschen ständig unter Druck. Hoch sind die Ansprüche an Schnelligkeit, Professionalität und Akkuratesse im Berufsalltag. Wer früher eine Woche lang Zeit hatte, einen gut durchdachten Geschäftsbrief zu formulieren, muss sich heute schon entschuldigen, wenn er erst am folgenden Tag auf eine E-Mail-Anfrage antwortet. Gnadenlos ist oft die Kritik von Vorgesetzten oder Kunden, die in schnell dahingeschriebenen Computerbotschaften eintrudelt. „Wir pflegen einen offenen Kommunikationsstil", heißt so etwas in modernen Unternehmen. Zugleich wächst der Umfang der Arbeit mehr und mehr und die Angst sie zu verlieren auch - schon allein, weil die Zahl der Kollegen aufgrund des stetig steigenden Kostendrucks in den meisten Branchen tatsächlich immer weiter sinkt. Wer nicht Schritt halten kann, muss um seinen Job fürchten. Und die seit Jahren immer wieder auftretenden Währungskrisen und Rezessionen machen die ständige Bedrohung für das wirtschaftliche und seelische Lebensgefüge nicht kleiner. Doch nicht nur im Arbeitsalltag lauert das Monster der Leistungsspirale. Eine Beziehung - und bitte schön, nicht irgendeine, sondern eine glückliche - gehört ganz selbstverständlich zum Repertoire, das ein Mensch von heute vorzuweisen hat, um den gesellschaftlichen Ansprüchen zu genügen. Und ganz nebenbei sollen die perfekten Partner und Arbeitnehmer auch noch besonders gute Mütter und herausragend engagierte Väter sein, die ihre Kinder nicht nur liebevoll, sondern auch freiheitlich und pädagogisch durchdacht erziehen, dabei aber keine Chance verpassen, sie durch Förderung vor allem im sprachlichen, künstlerischen und sportlichen Bereich so gut wie möglich auf das globalisierte Berufsleben vorzubereiten. Dass es traditionelle Großfamilienstrukturen - und mit ihnen die helfenden Hände der Tanten, Onkel und Großeltern - kaum mehr gibt, macht die Ansprüche umso weniger erfüllbar. Misserfolge, Kritik und ständige Selbstkritik sind bei diesem Alltagsprogramm schlicht mitprogrammiert. Das hat nicht selten gravierende Folgen. Die Krankmeldungen aufgrund psychischer Leiden haben einen nie dagewesenen Höchststand erreicht. Zunehmend werden auch Fälle von Burn-out und Depressionen von Popgrößen und Fußballprofis bekannt - Menschen also, die vor ihrem seelischen Zusammenbruch im Beruf extrem erfolgreich waren. Nun kann man den Anforderungen der modernen Welt nicht so einfach entfliehen. Als soziale Wesen lassen wir uns unweigerlich beeinflussen von den Wertvorstellungen und Ansprüchen der Menschen um uns herum und machen sie uns allzu leicht auch selbst zu eigen. Ohnehin drohen letztlich sogar demjenigen Schicksalsschläge und Frustrationen, der sich für den Rückzug auf eine Alm oder für eine Auszeit in einem Zen-Kloster entscheidet. Die Abgeschiedenheit kann wohl beruflichen Druck nehmen, aber sie verhindert keine persönlichen Niederlagen, schweren Krankheiten oder den Verlust des geliebten Partners. Probleme, mitunter schwerwiegende, kommen unweigerlich auf jeden Menschen zu, immer wieder und ständig neu - und oft dann, wenn man gar nicht mit ihnen rechnet. Wie gut wäre es also, so etwas wie Hornhaut auf der Seele zu haben! Ein Rüstzeug, das schützt vor den ständigen Spitzen im fordernden Berufsleben und den oft kaum zu bewältigenden Ansprüchen des Alltags. Eine Lebenseinstellung, die den Blick freudig nach vorn lenkt statt in Trauer zurück. Eine Selbstsicherheit, die den Großteil der Kritik abprallen lässt und gezielt nur das verwertet, was konstruktiv ist. Es gibt Menschen, die all diese Eigenschaften haben. Wie Felsen in der Brandung sind sie kaum zu erschüttern. Resilienz nennen Psychologen ihre geheimnisvolle Kraft, Widerstand zu leisten gegen die Zumutungen der Umwelt oder aus einer deprimierenden Situation wieder ins volle Leben zurückzukehren. Eines der anrührendsten Beispiele unserer Zeit ist wohl die Geschichte von Natascha Kampusch, jener jungen Österreicherin, die als Zehnjährige auf dem Weg von der Schule nach Hause entführt und acht Jahre lang in einem Verlies festgehalten wurde (siehe Seite 59 ff.). Als sie nur zwei Wochen nach ihrer Flucht im Fernsehen auftrat, machte sie die Zuschauer sprachlos. Ein hilfloses Opfer hatten die Menschen erwartet, stattdessen präsentierte sich eine selbstbewusste, sich selbst reflektierende junge Frau. Nun mag es sein, dass es Natascha Kampusch nur gut gelang, die Wunden in ihrem Innersten zu verbergen. Doch bedurfte selbst das in ihrer Situation einer psychischen Stärke, die Bewunderung verdient. Der Frage nach der Kraft der Resilienz verschaffte ihr Auftritt im Fernsehen jedenfalls eine ganz neue Dimension. Wie kann es sein, dass ein junges Mädchen ein solches Martyrium übersteht, während andere Menschen schon nach viel kleineren Schicksalsschlägen den Lebensmut verlieren? Weshalb sprudelt ein Unternehmer nach dem Bankrott seiner Firma gleich wieder vor neuen Ideen, während sich ein anderer aufgibt? Warum nagt ein falscher Satz eines Kollegen an der einen drei Tage lang, während eine andere ihn kaum hört? Weshalb landet ein Mann am Ende einer großen Liebe im Suff, während ein anderer bald neuen Sinn im Leben findet? Die Frage, was manche Menschen so stark macht, ist eines der großen Rätsel, auf das Psychologen, Pädagogen und Neurowissenschaftler zunehmend Antworten finden. Viel zu lange haben sie sich nur mit den Abgründen der Seele befasst. Haben erkundet, welche Faktoren im späteren Leben Wahnvorstellungen, Depressionen und Panikattacken begünstigen, bis sich Ende der 1990er-Jahre einzelne Abtrünnige der Positiven Psychologie zuwandten. Sie erkunden nun, wie sich die Lebenstüchtigen durch Krisen manövrieren, und sie haben sich auf die Suche nach den Strategien und Ressourcen gemacht, die die Starken dafür nutzen und bereithalten. Dieses Buch will an Beispielen erzählen, welch hilfreiches Rüstzeug manchen Menschen mitgegeben ist; es erkundet anhand neuester Forschungen, wie es zu dieser Widerstandskraft gekommen ist; und es soll all jenen, die diese Stärke mitunter vermissen, Wege aufzeigen, wie sie nach dem Vorbild der Lebenstüchtigen künftig die großen und kleinen Krisen des Lebens besser bewältigen können. Denn wenngleich die Fundamente der psychischen Widerstandskraft schon in frühester Kindheit gelegt werden, so lassen sie sich doch auch später noch gießen. Man muss nur wissen, wie.
Hier ist Stärke gefragt
Einfach mal faul sein ist völlig out geworden, Langeweile das Schreckgespenst der Leistungsgesellschaft. „Ich bin ja so im Stress", ist ein so häufig gehörter Satz, dass ihn schon Kleinkinder begeistert nachplappern. Sie spüren, dass all jene, die dies sagen, irgendwie wichtig und anerkannt sind. Dass aber Faulsein und Langeweile erst neue Kraft und Kreativität zutage bringen, wird gemeinhin ignoriert. Hohes Ansehen erlangt dagegen, wer parallel in Beruf, Partnerschaft und aufsehenerregenden Hobbys Erfolge vorweisen kann. Dabei schadet ein bisschen Stress gewiss nicht. Er fördert die Leistungsfähigkeit und verschafft letztlich jenes wohlige Gefühl, etwas unter Hochdruck geschafft zu haben. Doch die ständigen überhöhten Anforderungen, wie sie heute in vielen Bereichen des Lebens herrschen, führen auf Dauer zu einem durch und durch negativen Gefühl, das irgendwann gar nicht mehr weichen will. Erfolg kann nicht eintreten, wenn die Ansprüche so hoch sind, dass sie sich kaum erfüllen lassen. Wer psychisch stark genug ist, erlebt den Stress nicht als negativ oder lässt sich davon nicht unterkriegen. Doch wer weniger stabil ist, für den stellen die ständigen Stresserlebnisse schließlich ein Gesundheitsrisiko dar. Oft schlägt sich das Leiden der Seele zunächst noch mit eher unauffälligen Symptomen auf den Körper und seine Organe nieder: Das Kreuz schmerzt, der Bauch grimmt. Bei anhaltender Ignoranz folgt dann aber oft der psychische Zusammenbruch. Mehr seelische Widerstandskraft brauchen längst nicht mehr nur Manager in besonders hart umkämpften Branchen, die sich täglich gegen Konkurrenten behaupten müssen, oder Menschen, die besonders schwere Schicksalsschläge erleiden. Hohe Anforderungen herrschen überall - am einfachen Arbeitsplatz der Sachbearbeiterin, in der Kleinfamilie, in der Partnerschaft und natürlich auch angesichts von persönlichen Krisen wie Liebeskummer, Arbeitslosigkeit, Geldsorgen, Krankheit, Trauer und Verlust. Oft reicht die Energie nicht mehr aus, sich neben beruflichen Problemen gleichzeitig auch privaten konstruktiv zu stellen. Depressionen und Burn-out werden längst als Volkskrankheiten angesehen. Gerade an diesen Leiden zeigt sich, dass der Grat zwischen Stärke und Schwäche schmal geworden ist. Viele Menschen suchen ihr Heil in Drogen. Nur mit der abendlichen Flasche Rotwein schaffen sie es noch, sich endlich einmal wohlig und frei zu fühlen. Man braucht schon ein gesundes Selbstbewusstsein, ein Selbstwertgefühl, das nach Art einer Sprungfeder konstruiert ist, oder wenigstens hilfreiche Techniken, um die ständigen Angriffe auf die eigene psychische Gesundheit abwehren zu können. Das Kapitel verdeutlicht, wie sich unterschiedliche Bedrohungen auf die seelische Gesundheit auswirken, und zeigt Menschen, die es trotzdem geschafft haben, aus den so entstandenen Tiefs wieder herauszukommen.
Der tägliche Stress
„Ich bin ja so im Stress." Heute spricht ihn jeder mindestens einmal pro Woche aus, diesen Satz, den vor 75 Jahren noch niemand kannte. Erst 1936 erfand der in Wien geborene Arzt Hans Selye den Begriff Stress, der uns heute so vertraut ist. „Ich habe allen Sprachen ein neues Wort geschenkt", sagte Selye am Ende seines Lebens. 1700 Fachartikel und 39 Bücher hatte er da bereits über jenes Phänomen verfasst, das zuvor wissenschaftlich nicht beschrieben worden war. Gleichwohl ist Stress seit der Steinzeit bekannt. Schließlich gab es für Menschen immer schwierige und anstrengende Situationen, und nicht wenige davon waren gewiss schwerer zu ertragen als die Belastungen von heute. Die Verzweiflung bei der erfolglosen Suche nach etwas Essbarem dürfte auf der Skala negativer Gefühle jedenfalls weiter oben liegen als die Sorge, bei einem Vortrag vor großem Publikum zu versagen. Und vor einem angreifenden Säbelzahntiger davonzulaufen schlägt allgemeinem Konsens zufolge den Stresspegel bei der Hetze zur morgendlichen Besprechung. Genau dafür ist Stress nämlich eigentlich da: dass wir in einer schwierigen Situation schnell handeln, statt uns einfach fressen zu lassen. Dazu steigen Blutdruck und Puls, die Atmung wird schneller. Das Hormon Adrenalin schwärmt aus und sorgt dafür, dass Gehirn und Muskeln gut mit Energie versorgt werden. Der Körper ist bereit zu kämpfen - oder auch zu fliehen. „Stress sorgt dafür, dass wir in den unterschiedlichsten Umgebungen zu Höchstleistungen fähig sind", fasst es der Biopsychologe Clemens Kirschbaum zusammen. Nur sollten all diese körperlichen Reaktionen möglichst bald auch wieder abebben, wenn die Gefahr vorüber ist. Heute aber ist Stress Teil des Alltags. „Es gehört fast schon zum guten Ton zu wiederholen, dass man nicht unterbeschäftigt, sondern wichtig sei und viel zu tun habe", sagt die Psychologin Monika Bullinger. „So wird nicht mehr unterschieden zwischen dem anregenden Gefühl, hin und wieder etwas aus der Puste zu sein, und dem permanent negativen Gefühl, das entsteht, wenn keine Erfolgserlebnisse am Ende der Stressreaktion stehen. Es wird unterschätzt, dass dieser nicht zu bewältigende Stress ein Gesundheitsrisiko darstellt." Wenn der Körper andauernd in Alarmbereitschaft versetzt wird, sind die Folgen zunächst oft mental zu spüren: Die Gestressten fühlen sich unwohl, sind ängstlich oder auch traurig. Andere reagieren gereizt und launisch, werden schnell ungerecht. Wer unter chronischem Stress leidet, kann meist nicht mehr zur Ruhe kommen. Phasen ohne Druck findet er fast schon unerträglich. Er hat schlicht verlernt, sich zu erholen. Auf Dauer kommen zu den ersten mentalen Alarmzeichen auch körperliche Probleme hinzu. Welche das sind, kann von Person zu Person extrem unterschiedlich sein. „Jeder hat da seine ganz persönliche Achillesferse", sagt der Präventionsspezialist Christoph Bamberger. Zum Schluss ist die Last auf der Seele nicht mehr zu leugnen. Dann treten psychische Störungen wie Depressionen oder das in letzter Zeit oft gehörte Burnout auf, bei dem es sich meist um nichts anderes als eine milde Form der Depression handelt. Wie stressig aber ist ein voller, fordernder, hektischer Tag? Das erlebt jeder Mensch höchst individuell. Dem Ersten mag es schon zu viel sein, zwei Termine zu koordinieren, der Zweite gerät erst in Bedrängnis, wenn es offenkundig Ärger gibt. Und dem Dritten ist selbst das egal. Wie viel Stress und Druck ein Mensch empfindet, hängt in erheblichem Maße von seiner psychischen Widerstandskraft ab, die er von Kindesbeinen an entwickelt. Persönliche Eigenschaften tragen ebenso dazu bei wie das soziale Umfeld und die Erziehung. Es gibt aber auch hilfreiche Strategien, die den Umgang mit dem tagtäglichen Stress erleichtern und so die persönliche Widerstandskraft gegen die Unbill des Lebens auch später noch stärken. Zunehmend kommen Persönlichkeitspsychologen nämlich zu dem Schluss, dass unser Wesen weniger in Stein gemeißelt ist, als gemeinhin angenommen wird: Menschen können sich sehr wohl ändern! (Siehe Seite 183 ff.) Professionelle Anti-Stress-Trainer versuchen ihren Klienten etwas zu vermitteln, was sie „Stresskompetenz" nennen. Die Kursteilnehmer sollen lernen, die verschiedenen Typen Stress zu erkennen, die ihnen tagtäglich begegnen - den negativen, zerstörerischen Stress ebenso wie den konstruktiven, der einem hilft, schwierige Situationen besser zu bestehen. Denn nur wer den einen vom anderen zu unterscheiden weiß, kann den krank machenden Stress gezielt bewältigen (siehe Seite 214 ff.). Bei akutem, destruktivem Stress sind Techniken unverzichtbar, die sofort und gleich Entspannung ermöglichen. Viele Trainer setzen auf Entspannungsverfahren wie das Autogene Training oder die Progressive Muskelentspannung nach Jacobson. Andere nutzen fernöstliche Methoden wie Yoga, verschiedene Meditationstechniken, zu denen auch das Achtsamkeitstraining gehört, oder Entspannungsübungen in Bewegung wie beim Qigong und Taijiquan. Und manche Menschen finden auch ihre eigenen, ganz persönlichen Wege - ausgedehnte Spaziergänge etwa oder eine erzwungene Auszeit täglich um 12 Uhr. Welche Methode am effektivsten ist, hängt nicht nur von den aktuellen Problemen ab, sondern auch von den Vorlieben derjenigen, die Hilfe gegen den Stress suchen. In jedem Fall geht es um Folgendes: Blutdruck, Herzschlag und Hirnströme runter, Gelassenheit, Zufriedenheit und Wohlbefinden rauf! In welcher Reihenfolge dies geschehen soll, davon haben die Erfinder der verschiedenen Entspannungsverfahren ganz unterschiedliche Vorstellungen entwickelt. So setzen die eher körperlich orientierten Verfahren wie die Progressive Muskelentspannung nach Jacobson darauf, dass sich die psychischen Stressvorgänge ändern, wenn man an den körperlichen Funktionen arbeitet. Wer sich so entspannen will, der übt, einzelne Muskelgruppen gezielt anzuspannen und wieder loszulassen. Die Konzentration darauf bringt den Geist zur Ruhe; es ist weder Raum noch Zeit, an die belastenden Aufgaben von morgen zu denken; unweigerlich beschäftigt man sich nur noch mit sich selbst. Beim Autogenen Training wird versucht, die seelischen Vorgänge zu verändern und dadurch Einfluss auf die Körperfunktionen zu nehmen statt umgekehrt. So betreibt der Gestresste Autosuggestion, indem er sich auf die immer gleichen Vorstellungen konzentriert, die er in Gedanken langsam wiederholt. „Die Arme und Beine sind schwer", versichert er sich, oder „die Atmung geht ruhig und gleichmäßig". Wer das mit viel Hingabe immer wieder übt, der kann das eines Tages auch wahr werden lassen. Und wie soll man nebenher noch an das denken, was einen stresst? Die Gefahr allerdings ist: Sobald man wieder an die noch unerledigten Aufgaben denkt, ist der Stress auch schon zurück. Da können Techniken wie das Achtsamkeitstraining helfen (siehe Seite 221 ff.). Sie können für einen neuen Blick auf den Alltag sorgen, bislang Störendes wird neu gewichtet und bestenfalls nicht länger als unerwünscht empfunden. Auch fördern sie die Wahrnehmung, an welchen unangenehmen Ereignissen sich etwas ändern lässt und welche nun einmal unvermeidlich sind. Zwischen Wichtigem und Unwichtigem zu unterscheiden, das ist eine der Schlüsselbotschaften, die Fachleute in Sachen Stressbewältigung ihren Klienten vermitteln. Dazu gehört es auch, sich ein Stück weit wieder jene klare Trennung von Beruf und Freizeit zurückzuerobern, die früher so selbstverständlich war. In einer Arbeitswelt zwischen Smartphones und Tablet- Computern mit ständiger Erreichbarkeit per Telefon und E-Mail ist es ein unglaublich entspannender Schritt, sich abends einfach mal von den elektronischen Sklaventreibern abzukoppeln. „Ich bin dann mal offline" - das ist wie ein kleiner Urlaub für die Seele. Ohnehin sind Ruhephasen wichtig. Viele Dauer-Gestresste haben das vergessen. Sie sollten neu lernen, wie gut es tut, einfach einmal abzuschalten (siehe Seite 225 ff.). Bei all dem Anti-Stress-Training muss man ja nicht gleich in die Ehrgeizlosigkeit verfallen: Ein gewisses Maß an Stress ist sogar gut. Stress bedeutet schließlich - wie auch schon beim Anblick des Säbelzahntigers - Ansporn, Kreativität und Energie. Stress wird nur dann zum Feind des Menschen, wenn er zu lange anhält und nicht mehr ausreichend durch Müßiggang, Bewegung und Entspannung abgelöst wird. Mit irgendeiner Form von Stress muss ohnehin jeder zurechtkommen. Denn es gibt genügend Strapazen und Belastungen, denen man schlicht nicht entgehen kann. Beziehungen können enden, Kinder können einem den letzten Nerv rauben, der Arbeitgeber lagert seine Produktion plötzlich ins Ausland aus. Arbeitslos zu werden gehört zu den schlimmsten Negativereignissen im Leben eines Menschen. Das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden, frisst so stark am Selbstwertgefühl wie kaum eine andere Lebenskrise. Die Psychologen Michael Eid und Maike Luhmann haben das näher untersucht. Die Arbeitslosigkeit erleben die meisten Menschen auch dann nicht als weniger schlimm, wenn sie zum zweiten oder zum dritten Mal eintritt. Jahrzehntelang hatten Wissenschaftler geglaubt, dass sich Menschen mit allem arrangieren, auch wenn es ihr Leben noch so sehr verändern mag. Kurze Zeit nach einem Lottogewinn oder einem Unfall, der sie querschnittsgelähmt machte, werteten Befragte einer berühmten Studie ihr eigenes Lebensglück wieder in ähnlicher Weise wie zuvor. „Aber es gibt sie doch nicht immer, diese Gewöhnung", betonen Eid und Luhmann. „Die Zeit heilt eben nicht alle Wunden." Bei der Arbeitslosigkeit scheint es sogar so etwas wie einen Sensibilisierungseffekt zu geben. „Das ist wie eine Spirale, die immer weiter nach unten zieht", sagt der Entwicklungspsychologe Denis Gerstorf. Fachleute wie die drei wissen längst: Der Verlust der Arbeit geht nicht nur mit einem Verlust des Selbstwertgefühls einher, sondern auch mit dem Verlust sozialer Kontakte. Oft werden auch die Konflikte mit Freunden und Angehörigen schärfer, wenn das Geld fehlt. Die Teilhabe an vielen Aktivitäten ist nicht mehr möglich. „Deshalb braucht unsere Gesellschaft dringend Programme, die die Folgen mehrmaliger Arbeitslosigkeit abfedern", so Eid und Luhmann. Schließlich kommt es gar nicht mehr so selten vor, dass Menschen wiederholt ihren Job verlieren. Doch Stress lauert auch dort, wo er zunächst gar nicht so einfach zu erkennen ist. Allein das Leben in der Großstadt ist schon eine Gefahr für die seelische Gesundheit: Großstadtmenschen sind weitaus häufiger psychisch krank als Menschen, die in ländlicher Abgeschiedenheit leben - und das, obwohl die medizinische Versorgung in der Stadt in der Regel besser ist als auf dem Land. Für die negativen Auswirkungen des Stadtlebens spielt vermutlich die ständige Reizüberflutung eine Rolle und dass man den lieben langen Tag zahllosen Menschen begegnet, die man eigentlich nie treffen wollte. Menschliche Gesichter sind für das Gehirn interessant, es versucht möglichst viele von ihnen wahrzunehmen; wer mit Hunderttausenden auf relativ engem Raum lebt, will sie paradoxerweise aber zugleich auch meiden. Deshalb scheinen jene Hirnregionen bei Großstädtern, die für die Stressverarbeitung und die Kontrolle der Emotionen verantwortlich sind, dauernd unter Höchstleistung zu arbeiten. Die Folge: Das Risiko, an einer Depression zu erkranken, ist bei ihnen um 39 Prozent erhöht, das Risiko, eine Angststörung zu entwickeln, um 21 Prozent. Und die Wahrscheinlichkeit, dass jemand eine Schizophrenie entwickelt, ist umso höher, je größer die Stadt ist, in der ein Mensch lebt, wie Florian Lederbogen und Andreas Meyer-Lindenberg herausgefunden haben. Die beiden Psychiater konnten sogar belegen, dass die Großstädter per se gestresster sind. Sie steckten psychisch gesunde Menschen in die Röhre eines funktionellen Kernspintomographen und beobachteten, was in ihren Gehirnen passierte, wenn sie übel beschimpft wurden und zugleich schwierige Rechenaufgaben lösen sollten. Das bedeutete für alle Versuchsteilnehmer Stress: Ihr Herz schlug schneller, der Blutdruck stieg, das Stresshormon Cortisol schwamm vermehrt in ihrem Blut. Doch die Nervenzellen im Angstzentrum des Gehirns - einer mandelförmigen Struktur namens Amygdala - feuerten umso aktiver, je größer die Stadt war, aus der die Person kam. Es gilt inzwischen als sicher, dass die Amygdala an verschiedenen psychischen Störungen beteiligt ist. Immerhin: Ein Umzug aufs Land kann helfen - aber es dauert einige Jahre, bis die erhöhte Hirnaktivität sich langsam wieder beruhigt. Was also ist zu tun? Soll man sich zur Stressreduktion ins beschauliche Kloster, in ein abgelegenes Dorf oder auf eine einsame Insel zurückziehen? Sich aus Angst vor dem Rausschmiss lieber gleich selbstständig machen? Den Partner immer bestens behandeln, damit er einen ja nicht verlässt? Gerade das macht schon wieder Stress. Die unendlichen Wahlmöglichkeiten, welche das Leben von heute den Menschen
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Christina Berndt studierte Biochemie und promovierte in Heidelberg. Als Wissenschaftsredakteurin der 'Süddeutschen Zeitung' beschäftigt sie sich mit den Themenbereichen Medizin, Psychologie und Gesellschaft. Sie erhielt zahlreiche Auszeichnungen, u.a. 2019 den Medienpreis der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie und 2013 den angesehenen Wächterpreis. Sie wurde mehrfach unter die Wissenschaftsjournalisten des Jahres gewählt, zuletzt 2021 (Platz 1). Ihr Bestseller 'Resilienz' wurde in dreizehn Sprachen übersetzt.
»Sie ist eine der renommiertesten Wissenschaftsjournalistinnen in Deutschland.« Markus Kampp, BR Alpha-Forum
- Autor: Christina Berndt
- 2013, 13. Aufl., 280 Seiten, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: DTV
- ISBN-10: 3423249765
- ISBN-13: 9783423249768
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