Rückkehr nach Missing
Roman
Ein meisterhaftes Epos über Familie, Intimität und die wundersame Schönheit, die darin liegt, andere zu heilen.Äthiopien in den sechziger Jahren: Marion und Shiva Stone, eineiige Zwillingsbrüder, wachsen als Waisenkinder in einem Missionshospital in Addis...
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Produktinformationen zu „Rückkehr nach Missing “
Klappentext zu „Rückkehr nach Missing “
Ein meisterhaftes Epos über Familie, Intimität und die wundersame Schönheit, die darin liegt, andere zu heilen.Äthiopien in den sechziger Jahren: Marion und Shiva Stone, eineiige Zwillingsbrüder, wachsen als Waisenkinder in einem Missionshospital in Addis Abeba auf, der Kaiserstadt Haile Selassies. Ihre Mutter, eine schöne indische Nonne, starb bei ihrer Geburt, ihr Vater, ein britischer Chirurg, verschwand spurlos. Marion und Shiva sind unzertrennlich, und sie verbindet die Faszination für die Medizin, doch als sie zu jungen Männern heranwachsen, treibt die Liebe - ihre Leidenschaft für dieselbe Frau - einen Keil zwischen die beiden. Marion muß aus seinem von politischen Unruhen geschüttelten Heimatland fliehen, kommt nach Amerika und geht in seiner Arbeit in einem New Yorker Krankenhaus auf. Doch dann holt ihn die Vergangenheit ein, und er muß sein Leben ausgerechnet in die Hände der beiden Männer legen, denen er am wenigsten vertraut: seinem Vater, der ihn im Stich gelassen, und seinem Bruder, der ihn betrogen hat.Rückkehr nach Missing erzählt die unvergeßliche Geschichte einer großen Liebe: zu den Menschen und zur Medizin. Eine packende Familiensaga über Afrika und Amerika, Ärzte und Patienten, Exil und Heimat.
Lese-Probe zu „Rückkehr nach Missing “
Rückkehr nach Missing von Abraham VergheseProlog
Die Ankunft
Nach acht im Dunkel des Schoßes unserer Mutter verbrachten
Monaten kamen mein Bruder Shiva und ich
am spten Nachmittag des dreißigsten September im Jahr der
Gnade, 1954, auf die Welt. Wir taten unsere ersten Atemzüge
auf einer Höhe von dreitausend Metern in der dünnen Luft von
Addis Abeba, der Hauptstadt von Äthiopien.
Das Wunder unserer Geburt ereignete sich im Operationssaal
3 des Missing Hospital, in demselben Raum, in dem unsere
Mutter, SchwesterMary Joseph Praise, den Großteil ihrer Stunden
verbrachte, bei einer Arbeit, in der sie Erfüllung fand.
Als bei unserer Mutter, einer Nonne des BischÇflichen Karmeliterordens
von Madras, an jenem Septembermorgen Åberraschend
die Wehen einsetzten, hatte der schwere Regen aufgehört.
Das Prasseln auf die verrosteten Blechdächer des
Krankenhauses brach so abrupt ab, wie ein Plappermaul mitten
im Satz verstummt. ber Nacht erblühten in der plötzlichen
Stille die Meskel-Blumen und vergoldeten die Hügel von
Addis Abeba. Auf den Wiesen triumphierte das Riedgras über
den Morast, und jetzt erstreckte sich ein leuchtender Teppich
bis zum gepflasterten Eingang des Missing und versprach etwas,
das wichtiger war als Kricket, Krocket oder Federball.
Das Missing Hospital stand auf einer grünen Anhöhe, eine
unübersichtliche Ansammlung von weiß getünchten ein- und
zweigeschossigen Gebäuden, die aussahen, als seien sie bei
denselben geologischen Verwerfungen an die Erdoberfläche
geschoben worden, die auch das Plateau des Entoto hervorgebracht
hatten. Muldenartige Blumenbeete, die von dem aus
den Dachrinnen überlaufenden Wasser lebten, umzogen die
geduckten Gebäude wie ein Burggraben. Die Rosen der Oberin
Hirst okkupierten die Mauern, ihre dunkelroten Blüten
... mehr
rahmten
alle Fenster und kletterten bis ans Dach. So fruchtbar war
der lehmige Boden, daß die Oberin – die kluge und besonnene
Leiterin des Krankenhauses – uns mahnte, nicht barfuß darauf
zu laufen, falls wir nicht wollten, daß uns neue Zehen sprossen.
Fünf Wege verliefen, von schulterhohen Büschen flankiert,
vom Hauptgebäude des Krankenhauses wie die Speichen eines
Rads zu fünf strohgedeckten Bungalows, die über und über von
Dickicht, Hecken, wildem Eukalyptus und roten Zierbananen
umstanden waren. Nach dem Willen der Oberin sollte das
Krankenhaus aussehen wie ein Arboretum oder wie ein Teil
von Kensington Gardens (wo sie, bevor sie nach Afrika kam,
als junge Nonne spazierengegangen war) oder wie der Garten
Eden vor dem Sündenfall.
Das Missing hieß eigentlich Mission Hospital, einWort, das
die thiopische Zunge mit einem Zischen aussprach, wodurch
es wie Missing klang. Ein Angestellter im Gesundheitsministerium,
frisch von der Highschool, hatte auf dem Formular zur
amtlichen Zulassung »The Missing Hospital« getippt, in, was
ihn betraf, phonetisch korrekter Schreibung. Ein Reporter des
Ethiopian Herald hatte diesen Rechtschreibfehler dann in die
Welt getragen. Als sich die Oberin Hirst an den Angestellten im
Ministerium wandte, um den Fehler korrigieren zu lassen, zog
der sein maschinengeschriebenes Originaldokument hervor.
»Sehen Sie selbst, Madam. Quod erat demonstrandum. Es
heißt Missing«, sagte er, so als habe er bewiesen, daß der Satz
des Pythagoras stimmt, daß die Sonne den Mittelpunkt des
Sonnensystems bildet, daß die Erde rund ist und daß das Missing
genau dort ist, wo man es sich denkt. Also blieb es bei
Missing.
Kein Schrei und kein Stöhnen drang aus Schwester Mary Joseph
Praises Mund, als die Krämpfe der Wehen einsetzten.
Gleich hinter der Schwingtür, in dem an den Operationssaal
3 angrenzenden Raum aber, rief der große Dampfkochtopf
(gespendet von der Lutherischen Kirche in Zürich) fauchend
nach meiner Mutter; sein heißer Dampf sterilisierte die chirurgischen
Instrumente und die Tücher, mit denen man sich später
an ihr zu schaffen machen würde. In einem Winkel dieses Sterilisationsraums,
gleich neben dem Ungeheuer aus rostfreiem
Stahl, hatte meine Mutter in den sieben Jahren, die sie vor
unserer unschönen Ankunft im Missing gearbeitet hatte, ein
Eckchen für sich selbst eingerichtet. Dort stand ihr Schreibpult
an der Wand, bestehend aus Tisch und Klappstuhl, die fest
miteinander verbunden waren, geborgen aus einer nicht mehr
bestehenden Missionsschule und mit seinen Furchen und Kerben
vom Frust diverser Schüler gezeichnet. Ihre weiße Strickjacke,
die sie sich, wie man mir erzählt hat, in den Pausen
zwischen Operationen oft über die Schulter warf, hing über
der Stuhllehne.
An die Gipswand über ihrem Tisch hatte meine Mutter ein
Kalenderfoto von Berninis berühmter Skulptur der Theresa
von Övila geheftet. Die heilige Theresa lagert erschlafft, so
als sei sie ohnmchtig, die Lippen vor Verzückung geöffnet,
die Augen blicklos, die Lider halb geschlossen. Von beiden
Seiten blickt aus Nischen in der Kirchenwand ein voyeuristischer
Chor auf sie hinab. Mit feinem Lächeln und einem Körper,
der muskulöser ist, als es seinem jugendlichen Gesicht angemessen
erscheint, steht ein männlicher Engel über der
heiligen, sinnlichen Schwester. Mit den Fingerspitzen seiner
Linken hebt er den Saum des Tuches, das ihren Busen bedeckt.
In seiner Rechten hlt er einen Pfeil, so zärtlich, wie ein Violinist
seinen Bogen hült.
Warum dieses Bild? Warum die heilige Theresa, Mutter?
Als kleiner Junge von vier Jahren habe ich mich in diesen
fensterlosen Raum gestohlen und das Bild betrachtet. Mit
Mut allein ließ sich die schwere Tür nicht überwinden, doch
das Gefühl, daß sie dort war, mein unbedingterWille, die Nonne
kennenzulernen, die meine Mutter war, verlieh mir Kraft.
Deutsche Ausgabe Insel Verlag Frankfurt am Main 2009
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das
der bersetzung, des Öffentlichen Vortrags sowie der bertragung
durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.
Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form
(durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren)
ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert
oder unter Verwendung elektronischer Systeme
verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Satz: Jouve Germany, Kriftel
Druck: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm
Printed in Germany
ISBN 978-3-458-17450-9
alle Fenster und kletterten bis ans Dach. So fruchtbar war
der lehmige Boden, daß die Oberin – die kluge und besonnene
Leiterin des Krankenhauses – uns mahnte, nicht barfuß darauf
zu laufen, falls wir nicht wollten, daß uns neue Zehen sprossen.
Fünf Wege verliefen, von schulterhohen Büschen flankiert,
vom Hauptgebäude des Krankenhauses wie die Speichen eines
Rads zu fünf strohgedeckten Bungalows, die über und über von
Dickicht, Hecken, wildem Eukalyptus und roten Zierbananen
umstanden waren. Nach dem Willen der Oberin sollte das
Krankenhaus aussehen wie ein Arboretum oder wie ein Teil
von Kensington Gardens (wo sie, bevor sie nach Afrika kam,
als junge Nonne spazierengegangen war) oder wie der Garten
Eden vor dem Sündenfall.
Das Missing hieß eigentlich Mission Hospital, einWort, das
die thiopische Zunge mit einem Zischen aussprach, wodurch
es wie Missing klang. Ein Angestellter im Gesundheitsministerium,
frisch von der Highschool, hatte auf dem Formular zur
amtlichen Zulassung »The Missing Hospital« getippt, in, was
ihn betraf, phonetisch korrekter Schreibung. Ein Reporter des
Ethiopian Herald hatte diesen Rechtschreibfehler dann in die
Welt getragen. Als sich die Oberin Hirst an den Angestellten im
Ministerium wandte, um den Fehler korrigieren zu lassen, zog
der sein maschinengeschriebenes Originaldokument hervor.
»Sehen Sie selbst, Madam. Quod erat demonstrandum. Es
heißt Missing«, sagte er, so als habe er bewiesen, daß der Satz
des Pythagoras stimmt, daß die Sonne den Mittelpunkt des
Sonnensystems bildet, daß die Erde rund ist und daß das Missing
genau dort ist, wo man es sich denkt. Also blieb es bei
Missing.
Kein Schrei und kein Stöhnen drang aus Schwester Mary Joseph
Praises Mund, als die Krämpfe der Wehen einsetzten.
Gleich hinter der Schwingtür, in dem an den Operationssaal
3 angrenzenden Raum aber, rief der große Dampfkochtopf
(gespendet von der Lutherischen Kirche in Zürich) fauchend
nach meiner Mutter; sein heißer Dampf sterilisierte die chirurgischen
Instrumente und die Tücher, mit denen man sich später
an ihr zu schaffen machen würde. In einem Winkel dieses Sterilisationsraums,
gleich neben dem Ungeheuer aus rostfreiem
Stahl, hatte meine Mutter in den sieben Jahren, die sie vor
unserer unschönen Ankunft im Missing gearbeitet hatte, ein
Eckchen für sich selbst eingerichtet. Dort stand ihr Schreibpult
an der Wand, bestehend aus Tisch und Klappstuhl, die fest
miteinander verbunden waren, geborgen aus einer nicht mehr
bestehenden Missionsschule und mit seinen Furchen und Kerben
vom Frust diverser Schüler gezeichnet. Ihre weiße Strickjacke,
die sie sich, wie man mir erzählt hat, in den Pausen
zwischen Operationen oft über die Schulter warf, hing über
der Stuhllehne.
An die Gipswand über ihrem Tisch hatte meine Mutter ein
Kalenderfoto von Berninis berühmter Skulptur der Theresa
von Övila geheftet. Die heilige Theresa lagert erschlafft, so
als sei sie ohnmchtig, die Lippen vor Verzückung geöffnet,
die Augen blicklos, die Lider halb geschlossen. Von beiden
Seiten blickt aus Nischen in der Kirchenwand ein voyeuristischer
Chor auf sie hinab. Mit feinem Lächeln und einem Körper,
der muskulöser ist, als es seinem jugendlichen Gesicht angemessen
erscheint, steht ein männlicher Engel über der
heiligen, sinnlichen Schwester. Mit den Fingerspitzen seiner
Linken hebt er den Saum des Tuches, das ihren Busen bedeckt.
In seiner Rechten hlt er einen Pfeil, so zärtlich, wie ein Violinist
seinen Bogen hült.
Warum dieses Bild? Warum die heilige Theresa, Mutter?
Als kleiner Junge von vier Jahren habe ich mich in diesen
fensterlosen Raum gestohlen und das Bild betrachtet. Mit
Mut allein ließ sich die schwere Tür nicht überwinden, doch
das Gefühl, daß sie dort war, mein unbedingterWille, die Nonne
kennenzulernen, die meine Mutter war, verlieh mir Kraft.
Deutsche Ausgabe Insel Verlag Frankfurt am Main 2009
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das
der bersetzung, des Öffentlichen Vortrags sowie der bertragung
durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.
Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form
(durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren)
ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert
oder unter Verwendung elektronischer Systeme
verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Satz: Jouve Germany, Kriftel
Druck: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm
Printed in Germany
ISBN 978-3-458-17450-9
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Autoren-Porträt von Abraham Verghese
Abraham Verghese wurde als Sohn indischer Eltern in Äthiopien geboren. Er wuchs in der Nähe von Addis Abeba auf und studierte Medizin. Nach seiner Übersiedlung in die USA arbeitete er als Arzt, unter anderem in einer Klinik für Aids-Patienten, zu einer Zeit, in den achtziger Jahren, als noch wenig für sie getan werden konnte. Über diese Erfahrung schrieb er sein erstes Buch, My Own Country. A Doctor's Story, das in den Vereinigten Staaten zum Bestseller wurde. Ein zweites, ebenfalls erfolgreiches Sachbuch folgte: The Tennis Partner. A Story of Friendship and Loss, eine intime Auseinandersetzung mit der Drogensucht eines Freundes und den dunklen Seiten des ärztlichen Berufes. Verghese veröffentlicht regelmäßig Artikel, in denen er die Wichtigkeit und die wunderbare Erfahrung der persönliche Beziehung zwischen Arzt und Patient in einer Welt der hochgerüsteten Maschinenmedizin beschreibt. Seit 2007 ist Abraham Verghese Professor für Theorie und Praxis der Medizin an der Stanford University. Er lebt in Palo Alto, Kalifornien.Silvia Morawetz, geboren 1954 in Gera, studierte Germanistik, Anglistik und Amerikanistik. Heute ist sie als freie Übersetzerin tätig.
Bibliographische Angaben
- Autor: Abraham Verghese
- 2009, 770 Seiten, Maße: 13,1 x 21,4 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzer: Silvia Morawetz
- Verlag: INSEL VERLAG
- ISBN-10: 3458174508
- ISBN-13: 9783458174509
- Erscheinungsdatum: 06.07.2009
Rezension zu „Rückkehr nach Missing “
»Rückkehr nach Missing ist ein wohltuend altmodisches Buch, bei dessen Lektüre die Augen nicht immer trocken bleiben. Mit Nachdruck und nicht ohne Pathos beschwört es jenes missing link zwischen Medizin und Leben, das der Autor in den Zwängen der Gesundheitssysteme und der überfrachteten medizinischen Ausbildung bedroht sieht: Zuhören und Erzählen.«
Kommentar zu "Rückkehr nach Missing"
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