Ruf ins Jenseits
Roman. Deutsche Erstausgabe
Constance ist Erbin von Wraxford Hall. Auf dem Anwesen liegt ein Fluch, der bereits Menschenleben forderte.
Kann sie ihn brechen?
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Buch
Produktdetails
Produktinformationen zu „Ruf ins Jenseits “
Constance ist Erbin von Wraxford Hall. Auf dem Anwesen liegt ein Fluch, der bereits Menschenleben forderte.
Kann sie ihn brechen?
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Klappentext zu „Ruf ins Jenseits “
"Verkaufen Sie das Haus oder brennen Sie es nieder. Sie dürfen niemals darin wohnen."Constance Langdon ist Erbin von Wraxford Hall, einem düsteren und verrufenen Anwesen in Suffolk. John Montague, Anwalt der Familie, erzählt der neuen Hausherrin von der schaurigen Geschichte des Hauses: Vor Jahren war es Schauplatz eines okkulten Experiments, das mehrere Menschenleben forderte. Montague überlässt Constance die Tagebücher der jungen Eleanor, die nach dem Experiment spurlos verschwand. Eleanor hatte eine schreckliche Begabung: In düsteren Visionen sah sie, wer dem Tod geweiht war. Constance ahnt, dass ihr eigenes Schicksal mit dem Eleanors zusammenhängt. Allen Warnungen zum Trotz geht sie mit einer Gruppe von Spiritisten nach Wraxford, um das verhängnisvolle Experiment von damals zu vollenden ...
Lese-Probe zu „Ruf ins Jenseits “
Ruf ins Jenseits von John HarwoodLESEPROBE
Erster TeilConstance Langtons ErzählungJanuar 1889
Wäre meine Schwester Alma am Leben geblieben, hätte ich diese Rufe ins Jenseits, diese Séancen, nie begonnen.
Sie starb an Scharlach, bald nach ihrem zweiten Geburtstag, als ich fünf Jahre alt war. An die Zeit vor ihrem Tod kann ich mich nur bruchstückhaft erinnern: Mama, die Alma auf ihren Knien wippt und dazu singt, wie sie es nie wieder tun wird; ich lese Mama aus meiner Fibel vor, während sie Almas Wiege mit dem Fuß schaukelt; ich gehe neben unserer Kinderfrau Annie her, die den Kinderwagen am Waisenhaus vorbeischiebt, und halte mich dabei am Rahmen fest. Ich erinnere mich daran, wie ich nach einem solchen Spaziergang Alma am Kamin im Wohnzimmer halten durfte, dass ich die Hitze der Flammen auf meiner Wange spürte, während ich sie auf dem Arm hatte. Ich erinnere mich auch daran – aber vielleicht wurde mir das auch nur erzählt –, wie ich in meinem Kinderbett lag und zitterte, den Blick auf das Fenster gerichtet, das sehr klein und weit entfernt schien, und jemanden weinen hörte, gedämpft, wie durch dicke Baumwolle.
... mehr
Ich weiß nicht, wie lange ich selbst krank war, aber in der Erinnerung ist es, als hätte ich nach dem Aufwachen das Haus in Dunkelheit gehüllt vorgefunden und meine Mutter bis zur Unkenntlichkeit verwandelt. Über Monate, während deren mir nur kurze Besuche gestattet waren, blieb sie in ihrem Zimmer. Der Raum war stets abgedunkelt; oft schien sie meine Gegenwart kaum zu bemerken. Und als sie schließlich wieder aufstand und ihr Zimmer verließ – gebeugt wie eine alte Frau, ihr Haar dünn und strähnig –, blieb sie in finsteren Kummer versunken. Manchmal ließ sie nach mir rufen und wusste dann aber nicht mehr, warum sie mich hatte kommen lassen, ganz so, als hätte sie jemand anderen erwartet. Was ich auch sagte, es wurde von ihr mit derselben leblosen Gleichgültigkeit registriert, und wenn ich still dasaß, konnte ich die Last ihres Grames spüren, die sich auf mich legte, bis ich zu ersticken fürchtete.
Ich wünschte, ich könnte sagen, dass auch mein Vater trauerte; aber sollte er es getan haben, sah ich keinerlei Anzeichen davon. Mama gegenüber war er immer höflich und besorgt, ganz ähnlich wie Doktor Warburton, der uns von Zeit zu Zeit aufsuchte und kopfschüttelnd wieder davonging. Papa war nie ungehalten oder verärgert, immer hatte er sich ganz in der Gewalt, und genauso wenig, wie er mit ungewachsten Schnurr- bartspitzen an die Öffentlichkeit getreten wäre, hob er jemals seine Stimme. An manchem Morgen, wenn ich von Annie meine Milch und meine Scheibe Brot bekommen hatte, schlich ich mich nach unten und beobachtete Papa und Mama durch einen Spalt in der Esszimmertür.
«Ich hoffe, du fühlst dich heute ein bisschen besser, Liebling?», mag Papa gesagt haben, woraufhin Mama sich müde aufrichtete und entgegnete, ja, ihr sei wohler, und dann las er in der Times, bis es an der Zeit für ihn war, sich auf den Weg zum British Museum zu machen, wo er täglich an seinem Buch arbeitete. Zu Abend aß er meist auswärts, und sonntags, wenn das Museum geschlossen war, blieb er in seinem Arbeitszimmer. In die Kirche ging er nicht wegen seiner Arbeit (so erzählte man mir zumindest), und Mama konnte in ihrem Zustand nicht gehen, und so gingen Annie und ich jeden Sonntag alleine.
Annie erklärte mir, dass Mama trauerte, weil Gott Alma in den Himmel geholt hatte, was ich sehr grausam von Ihm fand. Andererseits, wenn Alma glücklich war und nie wieder krank sein würde und wir eines Tages alle wieder beieinander wären, warum war Mama dann so furchtbar unglücklich? Weil sie Alma so inniglich liebte, antwortete Annie, und es nicht aushielt, von ihr getrennt zu sein. Aber wenn die Zeit der Trauer vorüber wäre, würde Mama sich wieder erholt haben. Solange blieb uns nichts anderes übrig, als Mama zu begleiten, sobald sie sich in der Lage sah, das Haus zu verlassen, und mit ihr zu dem einzigen Ort zu gehen, den sie je besuchte: dem Friedhof neben dem Waisenhaus, wo sie frische Blumen auf Almas Grab legte. Ich verstand nicht, warum Gott Almas Körper hiergelassen und nur ihre Seele zu sich genommen hatte, und wollte wissen, ob Er sich um Mamas Seele kümmerte, bis diese sich erholt haben würde. Aber Annie verweigerte die Antworten auf diese Fragen und vertröstete mich: Wenn ich älter wäre, würde ich das verstehen.
Annie hatte dunkelbraunes Haar, das sie streng zurückgebunden trug, und dunkle Augen, und sie sprach leise. Ich fand sie – ihrem beständigen Widerspruch zum Trotz – ausgesprochen hübsch. Sie war in einem Dorf in Somerset als Tochter eines Steinmetzen zusammen mit vier Brüdern und drei Schwestern aufgewachsen; fünf weitere Kinder waren sehr früh gestorben. Als sie mir davon zum ersten Mal erzählte, nahm ich an, dass ihre Mutter weit stärker vom Kummer geschlagen gewesen sein musste als meine. Aber nein, sagte Annie, es habe keine Zeit zum Trauern gegeben; ihre Mutter sei viel zu beschäftigt damit gewesen, sich um die verbliebenen Kinder zu kümmern. Und nein, sie hätten keine Kinderfrau gehabt. Dafür seien sie viel zu arm gewesen. Die Lage habe sich nun allerdings deutlich gebessert, seit drei ihrer Brüder Soldaten waren und ihre beiden älteren Schwestern wie sie selbst als Dienstmädchen arbeiteten; sie alle (außer einem Bruder, der in schlechte Gesellschaft geraten war) schickten ihrer Mutter Geld.
Wenn das Wetter schön war, gingen Annie und ich am Nachmittag spazieren. Unser Haus lag in der Great James Street, und bei diesen Spaziergängen machten wir manchmal am Waisenhaus halt, um den Mädchen in ihren weißen Kitteln und braunen Serge-Umhängen beim Spielen zuzuschauen. Das Haus sah aus wie ein Palast mit seiner Allee von Gaslaternen, mit Fenstern, mehr als man zählen konnte, und der Skulptur eines Engels vor dem Eingang. Die Findelkinder, erzählte mir Annie (sie hatte eine Freundin, die hier aufgewachsen war und jetzt in Holborn im Dienst stand), waren als Säuglinge von ihren Müttern, die zu arm oder krank waren, um für sie zu sorgen, hierhergebracht worden. Und ja, es war sehr traurig für die Mütter, dass sie ihre Kleinen abgeben mussten, aber die Kinder hatten im Waisenhaus ein sehr viel besseres Leben. Alle Kinder wurden in gute Familien gegeben, bis sie fünf oder sechs Jahre alt waren, dann kamen sie zu ihrer Ausbildung zurück. Dreimal in der Woche gab es Fleisch zum Essen und sonntags Roastbeef, und wenn sie alt genug waren, ließ man die Jungen Soldaten, die Mädchen Zofen werden.
Ich wollte alles über die Mütter wissen, die ihre Kinder im Waisenhaus abgegeben hatten. Annies Mutter war schließlich auch sehr arm gewesen und hatte ihre Kinder trotzdem alle bei sich behalten. Annie antwortete nur zögerlich, aber dann erzählte sie mir doch, dass die meisten Kinder hier waren, weil ihre Väter davongelaufen waren und die Mütter alleingelassen hatten.
«Wenn Papa also wegginge», fragte ich, «käme ich dann ins Waisenhaus?»
«Natürlich nicht, mein Kind», sagte Annie, «dein Vater wird nicht weggehen, und ich kümmere mich ja um dich.»
© Rowohlt Verlag
Übersetzung: Anja Burghardt
Ich wünschte, ich könnte sagen, dass auch mein Vater trauerte; aber sollte er es getan haben, sah ich keinerlei Anzeichen davon. Mama gegenüber war er immer höflich und besorgt, ganz ähnlich wie Doktor Warburton, der uns von Zeit zu Zeit aufsuchte und kopfschüttelnd wieder davonging. Papa war nie ungehalten oder verärgert, immer hatte er sich ganz in der Gewalt, und genauso wenig, wie er mit ungewachsten Schnurr- bartspitzen an die Öffentlichkeit getreten wäre, hob er jemals seine Stimme. An manchem Morgen, wenn ich von Annie meine Milch und meine Scheibe Brot bekommen hatte, schlich ich mich nach unten und beobachtete Papa und Mama durch einen Spalt in der Esszimmertür.
«Ich hoffe, du fühlst dich heute ein bisschen besser, Liebling?», mag Papa gesagt haben, woraufhin Mama sich müde aufrichtete und entgegnete, ja, ihr sei wohler, und dann las er in der Times, bis es an der Zeit für ihn war, sich auf den Weg zum British Museum zu machen, wo er täglich an seinem Buch arbeitete. Zu Abend aß er meist auswärts, und sonntags, wenn das Museum geschlossen war, blieb er in seinem Arbeitszimmer. In die Kirche ging er nicht wegen seiner Arbeit (so erzählte man mir zumindest), und Mama konnte in ihrem Zustand nicht gehen, und so gingen Annie und ich jeden Sonntag alleine.
Annie erklärte mir, dass Mama trauerte, weil Gott Alma in den Himmel geholt hatte, was ich sehr grausam von Ihm fand. Andererseits, wenn Alma glücklich war und nie wieder krank sein würde und wir eines Tages alle wieder beieinander wären, warum war Mama dann so furchtbar unglücklich? Weil sie Alma so inniglich liebte, antwortete Annie, und es nicht aushielt, von ihr getrennt zu sein. Aber wenn die Zeit der Trauer vorüber wäre, würde Mama sich wieder erholt haben. Solange blieb uns nichts anderes übrig, als Mama zu begleiten, sobald sie sich in der Lage sah, das Haus zu verlassen, und mit ihr zu dem einzigen Ort zu gehen, den sie je besuchte: dem Friedhof neben dem Waisenhaus, wo sie frische Blumen auf Almas Grab legte. Ich verstand nicht, warum Gott Almas Körper hiergelassen und nur ihre Seele zu sich genommen hatte, und wollte wissen, ob Er sich um Mamas Seele kümmerte, bis diese sich erholt haben würde. Aber Annie verweigerte die Antworten auf diese Fragen und vertröstete mich: Wenn ich älter wäre, würde ich das verstehen.
Annie hatte dunkelbraunes Haar, das sie streng zurückgebunden trug, und dunkle Augen, und sie sprach leise. Ich fand sie – ihrem beständigen Widerspruch zum Trotz – ausgesprochen hübsch. Sie war in einem Dorf in Somerset als Tochter eines Steinmetzen zusammen mit vier Brüdern und drei Schwestern aufgewachsen; fünf weitere Kinder waren sehr früh gestorben. Als sie mir davon zum ersten Mal erzählte, nahm ich an, dass ihre Mutter weit stärker vom Kummer geschlagen gewesen sein musste als meine. Aber nein, sagte Annie, es habe keine Zeit zum Trauern gegeben; ihre Mutter sei viel zu beschäftigt damit gewesen, sich um die verbliebenen Kinder zu kümmern. Und nein, sie hätten keine Kinderfrau gehabt. Dafür seien sie viel zu arm gewesen. Die Lage habe sich nun allerdings deutlich gebessert, seit drei ihrer Brüder Soldaten waren und ihre beiden älteren Schwestern wie sie selbst als Dienstmädchen arbeiteten; sie alle (außer einem Bruder, der in schlechte Gesellschaft geraten war) schickten ihrer Mutter Geld.
Wenn das Wetter schön war, gingen Annie und ich am Nachmittag spazieren. Unser Haus lag in der Great James Street, und bei diesen Spaziergängen machten wir manchmal am Waisenhaus halt, um den Mädchen in ihren weißen Kitteln und braunen Serge-Umhängen beim Spielen zuzuschauen. Das Haus sah aus wie ein Palast mit seiner Allee von Gaslaternen, mit Fenstern, mehr als man zählen konnte, und der Skulptur eines Engels vor dem Eingang. Die Findelkinder, erzählte mir Annie (sie hatte eine Freundin, die hier aufgewachsen war und jetzt in Holborn im Dienst stand), waren als Säuglinge von ihren Müttern, die zu arm oder krank waren, um für sie zu sorgen, hierhergebracht worden. Und ja, es war sehr traurig für die Mütter, dass sie ihre Kleinen abgeben mussten, aber die Kinder hatten im Waisenhaus ein sehr viel besseres Leben. Alle Kinder wurden in gute Familien gegeben, bis sie fünf oder sechs Jahre alt waren, dann kamen sie zu ihrer Ausbildung zurück. Dreimal in der Woche gab es Fleisch zum Essen und sonntags Roastbeef, und wenn sie alt genug waren, ließ man die Jungen Soldaten, die Mädchen Zofen werden.
Ich wollte alles über die Mütter wissen, die ihre Kinder im Waisenhaus abgegeben hatten. Annies Mutter war schließlich auch sehr arm gewesen und hatte ihre Kinder trotzdem alle bei sich behalten. Annie antwortete nur zögerlich, aber dann erzählte sie mir doch, dass die meisten Kinder hier waren, weil ihre Väter davongelaufen waren und die Mütter alleingelassen hatten.
«Wenn Papa also wegginge», fragte ich, «käme ich dann ins Waisenhaus?»
«Natürlich nicht, mein Kind», sagte Annie, «dein Vater wird nicht weggehen, und ich kümmere mich ja um dich.»
© Rowohlt Verlag
Übersetzung: Anja Burghardt
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Autoren-Porträt von John Harwood
John Harwood stammt aus Australien. Er lehrte Englische Literatur an der Universität von Southern Australia und lebt nun in Adelaide als freier Schriftsteller.
Bibliographische Angaben
- Autor: John Harwood
- 2008, 368 Seiten, mit Abbildungen, Maße: 11,3 x 18,8 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Burghardt, Anja
- Übersetzer: Anja Burghardt
- Verlag: Rowohlt TB.
- ISBN-10: 3499247550
- ISBN-13: 9783499247552
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