Schatten der Versuchung / Dark Carpathians Bd.13
Roman. Deutsche Erstausgabe
Natalya Shonski kämpft gegen Unsterbliche. Dann wird sie von Vikirnoff, einem Karpatianer, entführt.
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Produktinformationen zu „Schatten der Versuchung / Dark Carpathians Bd.13 “
Natalya Shonski kämpft gegen Unsterbliche. Dann wird sie von Vikirnoff, einem Karpatianer, entführt.
Klappentext zu „Schatten der Versuchung / Dark Carpathians Bd.13 “
Seit jeher jagt Natalya die Kreaturen der Nacht und nimmt Rache für deren unschuldige Opfer. Bei ihrer Suche nach den Unsterblichen trifft sie in Rumänien auf den Karpatianer Vikirnoff. Der ist schon weit in die Dunkelheit versunken und droht, sich in einenVampir zu verwandeln. Für Natalya ist er ein Feind. Doch kann sie dem verführerischen Fremden widerstehen?Vikirnoff dachte, dass ihn nichts mehr überraschen könnte. Doch dann begegnet er Natalya, einer Frau, die ihn augenblicklich fasziniert und in ihren Bann schlägt. Aber ist diese furchtlose Vampirjägerin wirklich seine Seelengefährtin? Ist sie diejenige, die das Volk der Karpatianer vor dem Untergang bewahren und sein Herz vor der Dunkelheit retten kann?
Lese-Probe zu „Schatten der Versuchung / Dark Carpathians Bd.13 “
Schatten der Versuchung von Christine FeehanKAPITEL 1
Natalya Shonski zog ihre schwarze Lederhose über Beine und Hüften, wo sie sich eng an ihren Körper schmiegte. Leder schützte vor Verletzungen im Kampf, und Natalya war sicher, dass sie heute Nacht noch Ärger bekommen würde. Während sie in ein weiches Lederhemd schlüpfte, schaute sie sich in dem sauberen Zimmer um, das sie in dem kleinen Gasthof gemietet hatte. Der Raum war nicht groß, aber mit farbenfrohen Wandbehängen ausgestattet, und auf dem Bett lag ein fröhlich gemusterter Überwurf. Natalyas Waffen waren sorgfältig auf der schönen gewebten Decke ausgebreitet.
Sie machte sich daran, die verschiedenen Waffen in die speziell angefertigten Taschen und Schlingen ihrer Hose zu stecken. Wurfsterne mit rasiermesserscharfen Kanten sowie mehrere Messer. Dazu ein Gürtel, der Platz für weitere Waffen und Zusätzliche Munition für die zwei Pistolen bot, die Natalya in die beiden Halfter unter ihren Achselhöhlen schob. Sie zog eine ihrer neuen weiten Folkloreblusen und darüber eine bunt bestickte Schaffellweste an, wie sie die einheimischen Frauen zum Schutz gegen die Kälte trugen und die Natalyas Arsenal gut verbarg. Der lange Rock verdeckte nicht nur die Lederhosen, sondern half ihr auch, unter den Einheimischen nicht aufzufallen. Sie hatte sich für einen Rock in bunten Farben entschieden, statt einen der schlichten schwarzen zu nehmen, den ältere Frauen häufig trugen. Zum Schluss band sie ein Tuch um ihr goldbraunes Haar, um sich noch weiter unkenntlich zu machen.
Nachdem Natalya zufrieden festgestellt hatte, dass sie sich äußerlich kaum von einer Einheimischen unterschied, steckte sie zwei Arnis-Stöcke in die ausgeleierten Schlaufen ihres Rucksacks und öffnete die Balkontür. Sie hatte bewusst ein Zimmer im ersten Stock gewählt.
... mehr
Ihren zahlreichen Feinden würde es schwerfallen, sich unbemerkt zu nähern, während sie selbst leicht nach unten entkommen oder übers Dach flüchten könnte.
Natalya stützte ihre Hände auf die Balkonbrüstung und betrachtete die Landschaft. Das kleine Dorf schmiegte sich an den Ausläufer eines der hohen Berggipfel des eindrucksvollen Gebirgszugs der Karpaten. Eine Anzahl kleiner Gehöfte war auf den wogenden, grünen Hügeln verstreut, und auf den Wiesen lagen bis hinauf zur Baumgrenze Heuballen. Über den dichten Wäldern ragten steile Gipfel empor, auf denen immer noch Schnee glitzerte. Natalya hatte angesichts der bescheidenen Katen und der ländlichen Lebensweise das Gefühl, eine Reise in die Vergangenheit angetreten zu haben, und doch fühlte sie sich, als wäre sie nach Hause gekommen. Und irgendwie stimmte das sogar. Sie hatte kein Zuhause.
Natalya seufzte und schloss einen Moment lang die Augen. Um mehr als alles andere beneidete sie die Menschen hier um ihre Familien. Um ihr Lachen und ihre Kinder und die Liebe, die in ihren Augen und auf ihren Gesichtern leuchtete. Sie sehnte sich danach, irgendwohin zu gehören. Von jemandem gebraucht zu werden. Von einem Menschen wahrhaft geliebt zu werden. Einfach die sein zu können, die sie war, ein echtes Gespräch führen zu können . . .
Ihre Finger ertasteten tiefe Kerben im Geländer, und sie ertappte sich dabei, mit ihren Fingerspitzen fast liebevoll über die Vertiefungen in dem polierten Holz zu streichen. Dann untersuchte sie die Stellen näher. Es sah aus, als hätte ein großer Vogel seine Krallen tief in das Geländer geschlagen, obwohl die Kerben alt waren und die Wirtsleute das kunstvoll geschnitzte Geländer kräftig mit Politur bearbeitet hatten und keine Splitter zu ertasten waren.
Natalya atmete die Nachtluft ein und starrte zu dem Berggipfel hinauf. Irgendwo dort oben befand sich ihr Ziel. Sie hatte keine Ahnung, was sie an diese bestimmte Stelle geführt hatte, aber sie vertraute ihrem Instinkt. Sie musste auf diesen Gipfel steigen und herausfinden, was es war, das ihr seit einiger Zeit keine Ruhe mehr ließ. Dichter Nebel hüllte die Bergspitze ein und umgab sie mit einer undurchdringlichen Wolke. Ob es sich bei der Wolke um ein normales Wetterphänomen oder so etwas wie eine übernatürliche Warnung handelte, spielte keine Rolle. Sie hatte keine andere Wahl, als diesen Berg zu besteigen. Der Zwang, der sie dazu trieb, war viel zu stark, als dass sie ihn hätte ignorieren können.
Natalya warf einen letzten Blick auf die wirbelnden weißen Nebelschwaden und ging in ihr Zimmer zurück. Es hatte keinen Sinn, die Sache noch länger hinauszuzögern. Sie hatte die letzte Woche damit verbracht, mit den Dorfbewohnern bekannt zu werden, mit einigen der Frauen Freundschaft zu schließen und sich mit der Umgebung vertraut zu machen. Obwohl sie eine Einzelgängerin war, stellte sie fest, dass sie menschliche Gesellschaft brauchte. Sie genoss es, mit den Frauen aus dem Dorf zusammen zu sein, und hatte schon einige Informationen von ihnen bekommen, aber es bekümmerte sie, dass ihre Freundschaften nie über das Oberflächliche hinausgehen konnten.
Dadurch war ihr Leben einsam, und sie wünschte sich so sehr, irgendwo dazuzugehören, jemandem wie Slavica Ostojic zu erzählen, wer und was sie war – sich den Luxus zu gönnen, zu jemandem, den sie wirklich mochte, völlig ehrlich zu sein.
Gang und Treppe waren sehr eng und führten nach unten in den Aufenthaltsraum, der sich zwischen Speisesaal und Schankraum befand. Viele der Einheimischen kamen abends nach einem harten Arbeitstag auf ein Bier und ein Schwätzchen hierher.
Natalya winkte zwei, drei Leuten, die sie kannte, zu, wobei ihr Blick automatisch die Räume absuchte, um Ausgänge, Fenster und vor allem neue Gesichter zu überprüfen. Ein paar Männer, die an der Theke saßen, schauten zu ihr. Sie registrierte die gefurchten Gesichter, das freundliche Lächeln und die prüfenden Blicke und speicherte sicherheitshalber alles in ihrem Gedächtnis.
Ein Augenpaar, das über ihr Gesicht huschte, machte sie stutzig.
Die Musterung war schnell, aber gründlich. Der Mann schätzte Sie genauso ab, wie sie ihn abschätzte. Ihr Rucksack mit den zwei Arnis-Stöcken und ihr auffallender Wanderstock waren ihm bestimmt nicht entgangen. Natalya drehte sich mit einem raschen Lächeln zu der Besitzerin des Gasthofs um, froh, dass sie diesem prüfenden Blick entkommen konnte. Falls sie überwacht wurde, musste der Betreffende nicht unbedingt ihre Pläne kennen.
»Slavica.«Sie nahm die Hände der Wirtin in ihre. »Vielen Dank für die köstliche Mahlzeit.« Sie sprach Englisch, weil Slavica hart daran arbeitete, ihre Sprachkenntnisse zu verbessern, und ständig übte. Bewusst führte sie die Frau von der Theke in eine ruhigere Ecke des Aufenthaltsraumes, wo neugierige Ohren ihr Gespräch nicht belauschen konnten. »Ich mache mich jetzt auf den Weg in die Berge. Meine Exkursionen dauern oft tagelang. Mach dir keine Sorgen um mich. Ich komme schon zurück. Gib mir mindestens eine Woche Zeit, ehe du in Panik gerätst.«
Slavica schüttelte den Kopf. »Es ist schon nach Sonnenuntergang, Natalya. In den Bergen und Wäldern hier kann es nachts . . .« Die Wirtin zögerte und suchte nach dem richtigen Wort. ». . . beunruhigend sein. Es ist besser, du machst deine Forschungen am Tag, wenn die Sonne scheint und Leute in der Nähe sind.« Sie blickte auf und lächelte, als sie dem Blick ihres Mannes begegnete.
Natalya spürte sofort einen Anflug von Neid. Sie beobachtete die Wirtin gern im Umgang mit ihrem Mann Mirko und ihrer Tochter Angelina. Ihre Liebe zueinander zeigte sich deutlich in den vielen kleinen Blicken, die sie wechselten, und den liebevollen Gesten.
»Ich bin jeden Abend ausgegangen, und du hattest noch nie etwas dagegen«, erinnerte Natalya sie. »Und das war fast immer nach Sonnenuntergang.«
Slavica lächelte schwach. »Heute Abend fühle ich einen Unterschied.
Du denkst bestimmt, ich bin abergläubisch, aber irgendetwas stimmt nicht heute Abend, und es ist besser, wenn du hier bei uns bleibst.« Sie tätschelte Natalyas Arm. »Hier gibt es viel zu tun. Mirko kann mit dir Schach spielen. Er ist ziemlich gut. Oder ich erzähle dir etwas über unsere Kräuter und ihre heilende Wirkung.« Slavica war Krankenschwester und in der ganzen Gemeinde für ihre medizinischen Kenntnisse und ihr Wissen über Heilkräuter und deren Anwendung bekannt. Das Thema faszinierte Natalya, und es machte ihr Freude, wenn Slavica sich zu ihr setzte und ihr Wissen an sie weitergab.
Natalya schüttelte bedauernd den Kopf. Slavica war die Art Frau, die in ihr das schmerzhafte Verlangen weckte, selbst Teil einer Familie und Gemeinschaft zu sein. »Danke, Slavica, aber ich habe einen Schutz.« Sie zog das Kreuz hervor, das an einer dünnen Silberkette unter ihrem Hemd baumelte. »Es ist lieb von dir, dass du dir Sorgen um mich machst, aber ich komme schon klar.«
Slavica schien etwas einwenden zu wollen, presste jedoch nur die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf.
»Ich weiß, was ich tue«, versicherte Natalya ihr. »Ich schlüpfe zur Küche hinaus, wenn es dir nichts ausmacht. Ich habe genug zu essen und zu trinken für mehrere Tage dabei, und Mitte nächster Woche bin ich wieder da, wenn nicht früher.«
Slavica begleitete sie durch den Speisesaal. Natalya spähte verstohlen zu dem Fremden, der an der Theke saß und sich mit Mirko unterhielt. Er schien völlig ins Gespräch vertieft, aber sie traute ihm nicht. Er hatte Interesse an ihr gezeigt, und es war nicht das normale Interesse eines Mannes an einer Frau gewesen. Sie hatte keine Ahnung, was dahinter steckte, doch sie würde kein Risiko eingehen. Sie nickte kurz in seine Richtung. »Wer ist das? Ich habe ihn hier noch nie gesehen.«
»Er kommt oft hier vorbei, wenn er geschäftlich unterwegs ist.« Slavicas Gesichtsausdruck verriet nichts. »Er ist eher wortkarg.
Ich weiß nicht, in welcher Branche er arbeitet.«
»Ist er verheiratet?«
Die Wirtin machte ein beunruhigtes Gesicht. »Dieser Mann ist nichts für dich, Natalya. Er ist hier willkommen, wie alle Reisenden es sind, aber er ist nichts für dich.«
Natalya riskierte keinen Blick mehr in die Richtung des Mannes. Er beobachtete viel zu scharf, und sie wollte nicht seine Aufmerksamkeit erregen. Sie ging durch den Speisesaal in die kleine Küche mit dem unvermeidlichen Schafskäse und den Körben voller Kartoffeln. »Keine Sorge, ich halte nicht Ausschau nach einem Mann.«
»Ich habe die Sehnsucht auf deinem Gesicht und in deinen Augen gesehen, wenn du Kinder anschaust. Wenn du Ehepaare siehst«, sagte Slavica sanft. »Du wünschst dir eine eigene Familie. «
Natalya zuckte nachlässig die Schultern, wich aber dem Blick der anderen aus, weil sie nicht das Mitleid in ihren Augen sehen wollte. Waren ihre geheimen Wünsche so offensichtlich? Wann war es für sie zu einem Problem geworden, ihre Gefühle hinter ihrer sorgfältig kultivierten, forschen Persönlichkeit zu verbergen?
»Ich bin gern auf Reisen. Ich wäre nicht gern angebunden.« Das war eine himmelschreiende Lüge, und sie wusste, dass sie sich zum ersten Mal in ihrem Leben verraten hatte.
»Es ist ganz normal, sich einen Mann und eine Familie zu wünschen. Ich habe auf den Richtigen gewartet«, erzählte Slavica. »Auch als meine Eltern und die Nachbarn fanden, dass ich zu alt wäre und ihm nie begegnen würde, hielt ich es für besser zu warten, als mich an jemanden zu binden, mit dem ich nicht mein ganzes Leben zusammen sein wollte. Ich habe auf Mirko gewartet, und das war richtig. Wir haben eine schöne Tochter und dieses Gasthaus, und das ist genug. Wir sind glücklich miteinander. Du verstehst, Natalya? Nimm nicht einfach irgendeinen Mann, bloß weil du glaubst, deine Zeit läuft ab.«
Natalya nickte feierlich. »Ich verstehe, was du meinst, und bin ganz deiner Meinung. Aber ich bin wirklich nicht verzweifelt auf der Suche nach einem Mann, ganz im Gegenteil. Wir sehen uns bald.« Sie stieß die Küchentür auf, winkte der besorgt blickenden Gastwirtin zu und eilte hinaus.
Nach der Wärme des Gasthofs war die Nachtluft kalt, doch darauf war Natalya vorbereitet. Mit forschen Schritten ging sie die schmale Straße hinunter, die zu dem Bergpfad führte. Als ein unbeladenes Pferdefuhrwerk an ihr vorbeirumpelte, rief sie dem Mann zu, ob sie mitfahren könne. Der Bauer zögerte kurz, bevor er anhielt. Natalya raffte ihren Rock und lief zu ihm, ehe er es sich anders überlegen konnte. Die meisten Einheimischen benutzten Pferdewagen statt Autos. Es waren einfache Gefährte, Karren auf Rädern, die von einem oder zwei Pferden gezogen und von Umzügen bis zum Transport großer Heuballen praktisch für alles verwendet wurden.
»Danke schön«, sagte sie, während sie ihren Wanderstock auf die Ladefläche warf und hinterherkletterte. Sie lehnte sich an die Rückwand des Karrens, da sie dem Bauern nicht noch mehr Unbehagen bereiten wollte, als er anscheinend ohnehin schon dabei empfand, eine fremde Frau auf der Straße aufzulesen. Zu ihrer Überraschung sprach er sie an. Die meisten älteren, verheirateten Männer waren in Gegenwart junger, alleinstehender Frauen eher reserviert. »Was machen Sie denn noch so spät draußen? Die Sonne ist schon untergegangen.« Er schaute sich nervös um.
»Ja, das stimmt«, bestätigte sie, ohne auf seine Frage einzugehen.
»Sie sind auch noch spät unterwegs.«
»Ist nicht gut«, sagte er. »Nicht heute Nacht.« Er senkte seine Stimme, doch seine Sorge war nicht zu überhören. »Sie sollten heute Nacht lieber bei mir und meiner Frau unterkriechen. Ich könnte Sie auch zum Gasthof bringen.« Sorgenvoll betrachtete er den Mond und die Wolken, die über den Himmel wirbelten und teilweise das Mondlicht verdeckten. Es war offensichtlich, dass er nicht gern umkehren würde. Er schüttelte die Zügel, damit das Pferd schneller lief.
Auch Natalya starrte zum Himmel hinauf und bemerkte die Düsteren Wolken, die vor einigen Minuten noch nicht da gewesen waren. Die dichten Nebelschwaden, die über den Berggipfeln hingen, schienen wie bleiche Knochenhände nach dem Mond und dem Wald zu langen. Ein Blitzschlag überzog die Ränder der Nebelwand mit goldenen Lichtbögen. In der Ferne grollten Donnerschläge. Über den Bergen schien sich ein Gewitter zu entladen.
Natalya schob eine Hand in ihre Fellweste und berührte den Griff ihrer Pistole. »Das Wetter hat heute Abend schnell umgeschlagen. « Und dieser Umschwung hatte keine natürliche Ursache.
»So ist es nun mal in den Bergen«, bemerkte der Bauer und schnalzte mit der Zunge, um sein Pferd anzutreiben. »Am besten geht man in Deckung, bis sich alles wieder beruhigt hat.«
Natalya gab keine Antwort. Sie musste auf den Berg. Hatten Spione ihre Feinde davon verständigt, dass sie in der Nähe war? Wurde sie schon erwartet? Sie wandte ihre Aufmerksamkeit der Landschaft zu, die rasch vorbeizog. Bewegte sich dort im Schatten etwas? Falls es so war, musste sie den Bauern beschützen. Sie hatten das Dorf weit hinter sich gelassen und befanden sich mitten in dem weitläufigen Hügelland mit seinen vereinzelten Gehöften.
Übersetzung: Britta Evert
© 2009 by Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, Bergisch Gladbach
Natalya stützte ihre Hände auf die Balkonbrüstung und betrachtete die Landschaft. Das kleine Dorf schmiegte sich an den Ausläufer eines der hohen Berggipfel des eindrucksvollen Gebirgszugs der Karpaten. Eine Anzahl kleiner Gehöfte war auf den wogenden, grünen Hügeln verstreut, und auf den Wiesen lagen bis hinauf zur Baumgrenze Heuballen. Über den dichten Wäldern ragten steile Gipfel empor, auf denen immer noch Schnee glitzerte. Natalya hatte angesichts der bescheidenen Katen und der ländlichen Lebensweise das Gefühl, eine Reise in die Vergangenheit angetreten zu haben, und doch fühlte sie sich, als wäre sie nach Hause gekommen. Und irgendwie stimmte das sogar. Sie hatte kein Zuhause.
Natalya seufzte und schloss einen Moment lang die Augen. Um mehr als alles andere beneidete sie die Menschen hier um ihre Familien. Um ihr Lachen und ihre Kinder und die Liebe, die in ihren Augen und auf ihren Gesichtern leuchtete. Sie sehnte sich danach, irgendwohin zu gehören. Von jemandem gebraucht zu werden. Von einem Menschen wahrhaft geliebt zu werden. Einfach die sein zu können, die sie war, ein echtes Gespräch führen zu können . . .
Ihre Finger ertasteten tiefe Kerben im Geländer, und sie ertappte sich dabei, mit ihren Fingerspitzen fast liebevoll über die Vertiefungen in dem polierten Holz zu streichen. Dann untersuchte sie die Stellen näher. Es sah aus, als hätte ein großer Vogel seine Krallen tief in das Geländer geschlagen, obwohl die Kerben alt waren und die Wirtsleute das kunstvoll geschnitzte Geländer kräftig mit Politur bearbeitet hatten und keine Splitter zu ertasten waren.
Natalya atmete die Nachtluft ein und starrte zu dem Berggipfel hinauf. Irgendwo dort oben befand sich ihr Ziel. Sie hatte keine Ahnung, was sie an diese bestimmte Stelle geführt hatte, aber sie vertraute ihrem Instinkt. Sie musste auf diesen Gipfel steigen und herausfinden, was es war, das ihr seit einiger Zeit keine Ruhe mehr ließ. Dichter Nebel hüllte die Bergspitze ein und umgab sie mit einer undurchdringlichen Wolke. Ob es sich bei der Wolke um ein normales Wetterphänomen oder so etwas wie eine übernatürliche Warnung handelte, spielte keine Rolle. Sie hatte keine andere Wahl, als diesen Berg zu besteigen. Der Zwang, der sie dazu trieb, war viel zu stark, als dass sie ihn hätte ignorieren können.
Natalya warf einen letzten Blick auf die wirbelnden weißen Nebelschwaden und ging in ihr Zimmer zurück. Es hatte keinen Sinn, die Sache noch länger hinauszuzögern. Sie hatte die letzte Woche damit verbracht, mit den Dorfbewohnern bekannt zu werden, mit einigen der Frauen Freundschaft zu schließen und sich mit der Umgebung vertraut zu machen. Obwohl sie eine Einzelgängerin war, stellte sie fest, dass sie menschliche Gesellschaft brauchte. Sie genoss es, mit den Frauen aus dem Dorf zusammen zu sein, und hatte schon einige Informationen von ihnen bekommen, aber es bekümmerte sie, dass ihre Freundschaften nie über das Oberflächliche hinausgehen konnten.
Dadurch war ihr Leben einsam, und sie wünschte sich so sehr, irgendwo dazuzugehören, jemandem wie Slavica Ostojic zu erzählen, wer und was sie war – sich den Luxus zu gönnen, zu jemandem, den sie wirklich mochte, völlig ehrlich zu sein.
Gang und Treppe waren sehr eng und führten nach unten in den Aufenthaltsraum, der sich zwischen Speisesaal und Schankraum befand. Viele der Einheimischen kamen abends nach einem harten Arbeitstag auf ein Bier und ein Schwätzchen hierher.
Natalya winkte zwei, drei Leuten, die sie kannte, zu, wobei ihr Blick automatisch die Räume absuchte, um Ausgänge, Fenster und vor allem neue Gesichter zu überprüfen. Ein paar Männer, die an der Theke saßen, schauten zu ihr. Sie registrierte die gefurchten Gesichter, das freundliche Lächeln und die prüfenden Blicke und speicherte sicherheitshalber alles in ihrem Gedächtnis.
Ein Augenpaar, das über ihr Gesicht huschte, machte sie stutzig.
Die Musterung war schnell, aber gründlich. Der Mann schätzte Sie genauso ab, wie sie ihn abschätzte. Ihr Rucksack mit den zwei Arnis-Stöcken und ihr auffallender Wanderstock waren ihm bestimmt nicht entgangen. Natalya drehte sich mit einem raschen Lächeln zu der Besitzerin des Gasthofs um, froh, dass sie diesem prüfenden Blick entkommen konnte. Falls sie überwacht wurde, musste der Betreffende nicht unbedingt ihre Pläne kennen.
»Slavica.«Sie nahm die Hände der Wirtin in ihre. »Vielen Dank für die köstliche Mahlzeit.« Sie sprach Englisch, weil Slavica hart daran arbeitete, ihre Sprachkenntnisse zu verbessern, und ständig übte. Bewusst führte sie die Frau von der Theke in eine ruhigere Ecke des Aufenthaltsraumes, wo neugierige Ohren ihr Gespräch nicht belauschen konnten. »Ich mache mich jetzt auf den Weg in die Berge. Meine Exkursionen dauern oft tagelang. Mach dir keine Sorgen um mich. Ich komme schon zurück. Gib mir mindestens eine Woche Zeit, ehe du in Panik gerätst.«
Slavica schüttelte den Kopf. »Es ist schon nach Sonnenuntergang, Natalya. In den Bergen und Wäldern hier kann es nachts . . .« Die Wirtin zögerte und suchte nach dem richtigen Wort. ». . . beunruhigend sein. Es ist besser, du machst deine Forschungen am Tag, wenn die Sonne scheint und Leute in der Nähe sind.« Sie blickte auf und lächelte, als sie dem Blick ihres Mannes begegnete.
Natalya spürte sofort einen Anflug von Neid. Sie beobachtete die Wirtin gern im Umgang mit ihrem Mann Mirko und ihrer Tochter Angelina. Ihre Liebe zueinander zeigte sich deutlich in den vielen kleinen Blicken, die sie wechselten, und den liebevollen Gesten.
»Ich bin jeden Abend ausgegangen, und du hattest noch nie etwas dagegen«, erinnerte Natalya sie. »Und das war fast immer nach Sonnenuntergang.«
Slavica lächelte schwach. »Heute Abend fühle ich einen Unterschied.
Du denkst bestimmt, ich bin abergläubisch, aber irgendetwas stimmt nicht heute Abend, und es ist besser, wenn du hier bei uns bleibst.« Sie tätschelte Natalyas Arm. »Hier gibt es viel zu tun. Mirko kann mit dir Schach spielen. Er ist ziemlich gut. Oder ich erzähle dir etwas über unsere Kräuter und ihre heilende Wirkung.« Slavica war Krankenschwester und in der ganzen Gemeinde für ihre medizinischen Kenntnisse und ihr Wissen über Heilkräuter und deren Anwendung bekannt. Das Thema faszinierte Natalya, und es machte ihr Freude, wenn Slavica sich zu ihr setzte und ihr Wissen an sie weitergab.
Natalya schüttelte bedauernd den Kopf. Slavica war die Art Frau, die in ihr das schmerzhafte Verlangen weckte, selbst Teil einer Familie und Gemeinschaft zu sein. »Danke, Slavica, aber ich habe einen Schutz.« Sie zog das Kreuz hervor, das an einer dünnen Silberkette unter ihrem Hemd baumelte. »Es ist lieb von dir, dass du dir Sorgen um mich machst, aber ich komme schon klar.«
Slavica schien etwas einwenden zu wollen, presste jedoch nur die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf.
»Ich weiß, was ich tue«, versicherte Natalya ihr. »Ich schlüpfe zur Küche hinaus, wenn es dir nichts ausmacht. Ich habe genug zu essen und zu trinken für mehrere Tage dabei, und Mitte nächster Woche bin ich wieder da, wenn nicht früher.«
Slavica begleitete sie durch den Speisesaal. Natalya spähte verstohlen zu dem Fremden, der an der Theke saß und sich mit Mirko unterhielt. Er schien völlig ins Gespräch vertieft, aber sie traute ihm nicht. Er hatte Interesse an ihr gezeigt, und es war nicht das normale Interesse eines Mannes an einer Frau gewesen. Sie hatte keine Ahnung, was dahinter steckte, doch sie würde kein Risiko eingehen. Sie nickte kurz in seine Richtung. »Wer ist das? Ich habe ihn hier noch nie gesehen.«
»Er kommt oft hier vorbei, wenn er geschäftlich unterwegs ist.« Slavicas Gesichtsausdruck verriet nichts. »Er ist eher wortkarg.
Ich weiß nicht, in welcher Branche er arbeitet.«
»Ist er verheiratet?«
Die Wirtin machte ein beunruhigtes Gesicht. »Dieser Mann ist nichts für dich, Natalya. Er ist hier willkommen, wie alle Reisenden es sind, aber er ist nichts für dich.«
Natalya riskierte keinen Blick mehr in die Richtung des Mannes. Er beobachtete viel zu scharf, und sie wollte nicht seine Aufmerksamkeit erregen. Sie ging durch den Speisesaal in die kleine Küche mit dem unvermeidlichen Schafskäse und den Körben voller Kartoffeln. »Keine Sorge, ich halte nicht Ausschau nach einem Mann.«
»Ich habe die Sehnsucht auf deinem Gesicht und in deinen Augen gesehen, wenn du Kinder anschaust. Wenn du Ehepaare siehst«, sagte Slavica sanft. »Du wünschst dir eine eigene Familie. «
Natalya zuckte nachlässig die Schultern, wich aber dem Blick der anderen aus, weil sie nicht das Mitleid in ihren Augen sehen wollte. Waren ihre geheimen Wünsche so offensichtlich? Wann war es für sie zu einem Problem geworden, ihre Gefühle hinter ihrer sorgfältig kultivierten, forschen Persönlichkeit zu verbergen?
»Ich bin gern auf Reisen. Ich wäre nicht gern angebunden.« Das war eine himmelschreiende Lüge, und sie wusste, dass sie sich zum ersten Mal in ihrem Leben verraten hatte.
»Es ist ganz normal, sich einen Mann und eine Familie zu wünschen. Ich habe auf den Richtigen gewartet«, erzählte Slavica. »Auch als meine Eltern und die Nachbarn fanden, dass ich zu alt wäre und ihm nie begegnen würde, hielt ich es für besser zu warten, als mich an jemanden zu binden, mit dem ich nicht mein ganzes Leben zusammen sein wollte. Ich habe auf Mirko gewartet, und das war richtig. Wir haben eine schöne Tochter und dieses Gasthaus, und das ist genug. Wir sind glücklich miteinander. Du verstehst, Natalya? Nimm nicht einfach irgendeinen Mann, bloß weil du glaubst, deine Zeit läuft ab.«
Natalya nickte feierlich. »Ich verstehe, was du meinst, und bin ganz deiner Meinung. Aber ich bin wirklich nicht verzweifelt auf der Suche nach einem Mann, ganz im Gegenteil. Wir sehen uns bald.« Sie stieß die Küchentür auf, winkte der besorgt blickenden Gastwirtin zu und eilte hinaus.
Nach der Wärme des Gasthofs war die Nachtluft kalt, doch darauf war Natalya vorbereitet. Mit forschen Schritten ging sie die schmale Straße hinunter, die zu dem Bergpfad führte. Als ein unbeladenes Pferdefuhrwerk an ihr vorbeirumpelte, rief sie dem Mann zu, ob sie mitfahren könne. Der Bauer zögerte kurz, bevor er anhielt. Natalya raffte ihren Rock und lief zu ihm, ehe er es sich anders überlegen konnte. Die meisten Einheimischen benutzten Pferdewagen statt Autos. Es waren einfache Gefährte, Karren auf Rädern, die von einem oder zwei Pferden gezogen und von Umzügen bis zum Transport großer Heuballen praktisch für alles verwendet wurden.
»Danke schön«, sagte sie, während sie ihren Wanderstock auf die Ladefläche warf und hinterherkletterte. Sie lehnte sich an die Rückwand des Karrens, da sie dem Bauern nicht noch mehr Unbehagen bereiten wollte, als er anscheinend ohnehin schon dabei empfand, eine fremde Frau auf der Straße aufzulesen. Zu ihrer Überraschung sprach er sie an. Die meisten älteren, verheirateten Männer waren in Gegenwart junger, alleinstehender Frauen eher reserviert. »Was machen Sie denn noch so spät draußen? Die Sonne ist schon untergegangen.« Er schaute sich nervös um.
»Ja, das stimmt«, bestätigte sie, ohne auf seine Frage einzugehen.
»Sie sind auch noch spät unterwegs.«
»Ist nicht gut«, sagte er. »Nicht heute Nacht.« Er senkte seine Stimme, doch seine Sorge war nicht zu überhören. »Sie sollten heute Nacht lieber bei mir und meiner Frau unterkriechen. Ich könnte Sie auch zum Gasthof bringen.« Sorgenvoll betrachtete er den Mond und die Wolken, die über den Himmel wirbelten und teilweise das Mondlicht verdeckten. Es war offensichtlich, dass er nicht gern umkehren würde. Er schüttelte die Zügel, damit das Pferd schneller lief.
Auch Natalya starrte zum Himmel hinauf und bemerkte die Düsteren Wolken, die vor einigen Minuten noch nicht da gewesen waren. Die dichten Nebelschwaden, die über den Berggipfeln hingen, schienen wie bleiche Knochenhände nach dem Mond und dem Wald zu langen. Ein Blitzschlag überzog die Ränder der Nebelwand mit goldenen Lichtbögen. In der Ferne grollten Donnerschläge. Über den Bergen schien sich ein Gewitter zu entladen.
Natalya schob eine Hand in ihre Fellweste und berührte den Griff ihrer Pistole. »Das Wetter hat heute Abend schnell umgeschlagen. « Und dieser Umschwung hatte keine natürliche Ursache.
»So ist es nun mal in den Bergen«, bemerkte der Bauer und schnalzte mit der Zunge, um sein Pferd anzutreiben. »Am besten geht man in Deckung, bis sich alles wieder beruhigt hat.«
Natalya gab keine Antwort. Sie musste auf den Berg. Hatten Spione ihre Feinde davon verständigt, dass sie in der Nähe war? Wurde sie schon erwartet? Sie wandte ihre Aufmerksamkeit der Landschaft zu, die rasch vorbeizog. Bewegte sich dort im Schatten etwas? Falls es so war, musste sie den Bauern beschützen. Sie hatten das Dorf weit hinter sich gelassen und befanden sich mitten in dem weitläufigen Hügelland mit seinen vereinzelten Gehöften.
Übersetzung: Britta Evert
© 2009 by Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, Bergisch Gladbach
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Autoren-Porträt von Christine Feehan
Christine Feehan lebt gemeinsam mit ihrem Mann und ihren insgesamt elf Kindern in Kalifornien. Ihre Romane stürmen in den USA regelmäßig die Bestsellerlisten, und auch in Deutschland erfreut sich die Autorin einer stetig wachsenden Fangemeinde. Für ihre Serie über die Karpatianer hat sie 2002 beim "Romantic Times Award" den Preis für den besten Vampir-Liebesroman bekommen.
Bibliographische Angaben
- Autor: Christine Feehan
- 2009, 4. Aufl., Maße: 12,5 x 18,7 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Übersetzung: Evert, Britta
- Übersetzer: Britta Evert
- Verlag: Bastei Lübbe
- ISBN-10: 3404187458
- ISBN-13: 9783404187454
- Erscheinungsdatum: 14.11.2009
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