Schiffbruch mit Tiger
Pi Patel, der Sohn eines indischen Zoobesitzers und...
- Lastschrift, Kreditkarte, Paypal, Rechnung
- Kostenlose Rücksendung
Pi Patel, der Sohn eines indischen Zoobesitzers und praktizierender Hindu, Christ und Muslim erleidet mit einer Hyäne, einem Orang-Utan, einem verletzten Zebra und einem 450 Pfund schweren bengalischen Tiger namans Richard Parker Schiffbruch. Bald sind alle erledigt - alle, außer Pi.
Alleine treiben sie in einem Rettungsboot auf dem Ozean. Eine wundersame, abenteuerliche Odyssee beginnt.
''Schnell und rasant und voller Witz und Seele.''
Die Welt
Mit dem Booker Award 2002 ausgezeichnet!
Pi Patel, der Sohn eines indischen Zoobesitzers und praktizierender Hindu, Christ und Muslim erleidet mit einer Hyäne, einem Orang-Utan, einem verletzten Zebra und einem 450 Pfund schweren bengalischen Tiger namens Richard Parker Schiffbruch. Bald hat der Tiger alle erledigt - alle, außer Pi. Alleine treiben sie in einem Rettungsboot auf dem Ozean.
Eine wundersame, abenteuerliche Odyssee beginnt.
»Martel schreibt wie ein leidenschaftlicher Paul Auster.«
Times Literary Supplement
»Eine Reminiszenz an Italo Calvino.«
Independent on Sunday
Schiffbruch mit Tiger von Yann Martel
LESEPROBE
Ich hatteso viel gelitten, ich war ein finsterer und trauriger Mensch geworden.
WissenschaftlicheArbeit und der Trost der Religion brachten mich allmählich ins Leben zurück.Meinem Glauben, so abwegig er manch einem auch vorkommen mag, bin ich treugeblieben. Nach einem Jahr auf der High School ging ich an die Universität vonToronto und schrieb mich für einen Bachelor-Studiengang mit zwei Hauptfächernein. Die beiden Fächer waren Religionswissenschaften und Zoologie. Im erstenwidmete ich meinen Examensessay gewissen Aspekten der Kosmogonie Isaak Lurias,des großen Kabbalisten, der im 16. Jahrhundert in Safed tätig war. Als Abschlussarbeit in Zoologie schriebich eine Funktionsanalyse der Schilddrüse des Dreifingerfaultiers. Ich wähltedas Faultier, weil es mit seinem Lebenswandel - ruhig, still, in sich gekehrt- meinem zerrütteten Ich ein wenig Trost bot.
Es gibtZweifingerfaultiere und es gibt Dreifingerfaultiere, wobei dasUnterscheidungsmerkmal die Vorderbeine sind, denn an den Hinterbeinen habenalle Faultiere drei Finger. Ich hatte das große Glück, dass ich einen Sommerlang das Dreifingerfaultier in den Dschungeln von Äquatorialbrasilien in situ studieren konnte. Es ist ein äußerstfaszinierendes Geschöpf. Im Grunde ist die Trägheit sein einziger Wesenszug. Esschläft oder ruht im Durchschnitt zwanzig Stunden am Tag. Unser Teamuntersuchte die Schlafgewohnheiten von fünf wild lebenden Dreifingerfaultieren,indem wir ihnen am frühen Abend, wenn sie eingeschlafen waren, leuchtend rote,mit Wasser gefüllte Plastikschälchen auf die Köpfe stellten. Wir konntensehen, dass sie am nächsten Morgen, wenn sich im Wasser schon die Insektentummelten, noch immer an Ort und Stelle waren. Am regsten ist das Faultier beiSonnenuntergang, wobei das Wort rege hier mit größtmöglicher Relativitätzu verstehen ist. Das Tier bewegt sich in seiner charakteristischen hängendenHaltung mit einer Geschwindigkeit von etwa 400 Metern die Stunde den Ast einesBaumes entlang. Am Boden kriecht es, wenn es motiviert ist, mit einem Tempo von250Metern die Stunde zuseinem nächsten Baum, das heißt 440-mal langsamer als ein motivierter Gepard.Unmotiviert legt es vier bis fünf Meter die Stunde zurück.
Über dieAußenwelt erfährt das Dreifingerfaultier nicht viel. Auf einer Skala von 2 bis 10, bei der die 2 für außerordentliche Dumpfheit undl0 für extreme Wachheit steht, stufte Beebe (1926) den Tast-, Geschmacks- und Gesichtssinnund das Gehör des Faultiers mit 2 ein, den Geruchssinn mit 3. Trifft man auf freierWildbahn auf ein schlafendes Dreifingerfaultier, so genügt es in der Regel, eszwei oder dreimal anzustoßen, um es zu wecken. Es wird sich dann schläfrig injede erdenkliche Richtung umsehen, nur nicht in die, aus der der Stoß kam.Warum es sich umsieht, weiß man allerdings nicht, denn das Faultier sieht wieMr Magoo alles nur durch einen Nebel. Was das Gehör angeht, ist ein Faultiernicht wirklich taub; es interessiert sich nur nicht für Geräusche. Beebeberichtet, dass er neben schlafenden oder fressenden Faultieren Gewehreabfeuerte und kaum eine Reaktion damit hervorrief. Und den etwas höherentwickelten Geruchssinn eines Faultiers sollte man auch nicht überschätzen. Esheißt, sie könnten abgestorbene Äste riechen und dann meiden, doch Bullock (1968) berichtet, dass Faultiere »häufig«zu Boden fallen, weil sie sich an abgestorbenen Ästen festhalten.
Man fragtsieh, wie ein solches Tier überleben kann.
Esüberlebt, weil es so langsam ist. Trägheit und Schläfrigkeit schützen es vorallen Gefahren, sie sorgen dafür, dass ein Jaguar oder Ozelot, dass Harpyienund Anakondas das Faultier überhaupt nicht wahrnehmen. Im Pelz des Faultiersgedeiht eine Algenart, die in der Trockenzeit braun und in der Regenzeit grünist, und so fügt sieh das Tier stets in das Moos und Blattwerk seiner Umgebungein und wirkt wie ein Ameisen- oder Eichhörnchennest oder einfach nur wie einTeil des Baumes.
DasDreifingerfaultier lebt ein friedliches Vegetarierleben in vollkommenemEinklang mit seiner Umgebung. »Stets hat es ein gutmütiges Lächeln auf denLippen«, schreibt Tirler (1966). Es ist ein Lächeln, das ich mit meineneigenen Augen gesehen habe. Ich bin keiner, der leichtfertig menschlicheCharakterzüge oder Gefühlsregungen auf Tiere projiziert, doch viele Male, wennich in jenem Monat in Brasilien ein ruhendes Faultier betrachtete, hatte ichden Eindruck, dass ich in der Gegenwart eines an den Füßen hängenden, tief inseine Meditation versenkten Jogis war oder eines ganz dem Gebet ergebenenEremiten, in der Gegenwart von Wesen großer Weisheit, deren inneres Lebenjenseits all meiner wissenschaftlichen Forschungen lag.
Manchmalgerieten mir meine beiden Studienfächer durcheinander. Manche meinerKommilitonen bei den Religionswissenschaftlern - wirrköpfige Agnostiker, dienicht wussten, welche Seite oben war, allesamt der Vernunft ergeben, jenemKatzengold der Intelligenz - erinnerten mich an das Dreifingerfaultier, und dasDreifingerfaultier, ein so perfektes Beispiel für das Wunder des Lebens, erinnertemich an Gott.
Mit meinenNaturkundekollegen war das Leben leicht. Naturwissenschaftler sind einfreundliches, gottloses, hart arbeitendes, biertrinkendes Volk, dessen Verstandmit Sex, Schach und Baseball beschäftigt ist, wenn er einmal nicht anWissenschaft denkt.
© 2003 S. Fischer Verlag GmbH, für die deutsche Ausgabe
Übersetzung: Manfred Allié und Gabriele Kempf-Allié
Autoren-Porträtvon Yann Martel
Yann Martel wurde 1963 in Spanien geboren. Seine Elternsind Diplomaten. Er wuchs in Costa Rica, Frankreich, Mexiko, Alaska und Kanadaauf und lebte später im Iran, in der Türkei und in Indien. Er studierte Philosophieund wohnt derzeit in Montreal. "Schiffbruch mit Tiger" ist seindritter Roman, er war nominiert für den Governor General Award und denCommonwealth Writers Prize und gewann den Booker Prize 2002.
Interview mit YannMartel
Da Ihre Eltern Diplomaten waren, verbrachten Sie IhreKindheit in vielen verschiedenen Ländern, u.a. in Costa Rica, Mexiko,Frankreich und Alaska. Auch später packte Sie offensichtlich immer wieder dasFernweh - Sie lebten in Indien, in der Türkei und im Iran. Heute wohnen Sie inKanada. Welchen Ort würden Sie als Ihre "Heimat" bezeichnen?
Mein Sinn für Orte ist nicht sehrstark ausgeprägt - mit anderen Worten: Ich fühle mich nahezu überallgleichermaßen vertraut und fremd. Wenn ich sage, dass ich Kanadier bin, danndeswegen, weil ich mich in Kanada besonders aufgehoben und wohl fühle und sehrstolz auf die offene und großzügige Gesellschaft bin, die sich in Kanadaentwickelt hat. Ich liebe Indien, Spanien, Frankreich, Polen, Mexiko,Deutschland - die Liste ist lang. Kanada ist für mich Heimat im weitestenSinne, aber ich fühle mich auch in Berlin, Mexiko City oder in Bombay nichtfehl am Platz. Jeder Ort, an dem ich gelebt habe, war auf seine eigene Weisebedeutsam für meine Entwicklung. Paris, San José und Costa Rica haben mir inmeiner Kindheit Geist und Augen geöffnet. Indien dagegen hat mich alsSchriftsteller absolut fasziniert.
Pi, der Held Ihres Buches, sieht sich nach einemSchiffbruch dem 230 kg schweren Tiger Richard Parker ausgeliefert, der dieHyäne, den Orang-Utan und das Zebra, die sich anfangs auch an Bord desRettungsbootes befanden, bereits erledigt hat. Wie kamen Sie auf die Idee zudieser Figurenkonstellation, die stark an die Arche Noah erinnert?
1990 las ich eine Rezension übereinen brasilianischen Roman, in dem ein Mann zusammen mit einem Panther aufeinem Boot ausharren musste. Mir gefiel der Gedanke, Noahs Arche auf einenMenschen und ein Tier zu reduzieren. Jahre später, als ich mich gerade aufeiner Reise nach Indien befand, erinnerte ich mich plötzlich wieder daran. Esschien mir eine perfekte Geschichte zu sein, um Themen wie Glauben, Religionund das Erzählen von Geschichten zu reflektieren. Ich nahm also diesen Ansatzund machte meine eigene Geschichte daraus. Allein zwei Jahre habe ich mit derRecherche verbracht - über Schiffbrüchige, Religion und Zoologie, und dann hates noch mal zwei Jahre gedauert, alles zusammenzubringen und einen Roman darauszu machen.
Pi, Sohn eines indischen Zoodirektors, ist gleichzeitigHindu, Moslem und Christ und vereint so die drei großen Religionen in sich. Istdies eher ein literarisches Experiment oder glauben Sie tatsächlich, dass sichAnhänger dieser drei Glaubensrichtungen eines Tages einander annähern könnten?Welcher Religion fühlen Sie sich zugehörig?
Ich glaube, dass es zwischen denReligionen wirkliches gegenseitiges Verstehen geben kann, wenn deren Anhängerdanach suchen. Religion kann wie alles, was in der Hand von Menschen liegt,dazu dienen, Frieden zu schaffen oder eben auch Kriege zu führen. Es liegtsicherlich nicht in der Natur des Islam, den Tod von Unschuldigen gut zuheißen. Diese Tatsache ändert jedoch nichts daran, dass es Menschen gibt, dieim Namen des Islam unschuldige Menschen töten. Das gilt genauso für Christen,Juden, Hindus, etc. Es ist extrem schwer, wahrhaftig im Geiste einer Religionzu leben, denn das erfordert unaufhörliche, absolute Hingabe und harte Arbeit.Es ist viel einfacher, selbstgerecht zu sein und seine eigenen moralischen Schwächenunter dem Mäntelchen des Christentums zu verstecken. Für mich fühlt es sichnatürlich und gut an, Christ zu sein. Religion beinhaltet ja immer auch einesoziokulturelle Komponente. Ich bin in der westlichen Welt geboren undaufgewachsen, und der Westen ist eben größtenteils christlich geprägt. Zu eineranderen Religion überzutreten wäre für mich, als würde ich in ein anderes Landauswandern. Manchen Menschen gelingt das, aber mir nicht. Also schaue ich zuChristus auf und versuche, wenigstens ein bisschen so zu sein wie er.
"Schiffbruch mit Tiger" wurde 2002 mit dem Booker Prize, dem wichtigstenenglischen Literaturpreis ausgezeichnet. Manche Kritiker behaupten dagegen, IhrBuch bleibe an der Oberfläche und es gelinge Ihnen nicht, sich wirklich in dieindische Mentalität einzufühlen. Wie begegnen Sie einer solchenKritik?
Wahres Verständnis - sei es für einePerson, für eine Religion oder ein Buch - kann nur dann entstehen, wenn mansich den Dingen vorurteilsfrei und in gutem Glauben nähert. Alles andere führtdazu, dass man seine Vorurteile überträgt, und dann kommt es zuMissverständnissen. Ich habe festgestellt, dass vor allem diejenigen mein Buchnegativ beurteilt haben, die zwar sehr viel über Religion wissen, aber nichtsdafür empfinden. Sie glauben, intellektuelles Wissen sei alles. Aber sieverwechseln - um ein Beispiel zu nennen - den historischen Christus mit demChristus des Glaubens. Solche Leute tendieren dazu, auf intellektueller Ebenesehr scharf zu urteilen. Aber ihrem Einfallsreichtum sind Grenzen gesetzt. Siesind schnell überfordert von einem Roman, für den sie ihre Fantasie und nichtso sehr ihren Verstand benutzen müssen. Also bezeichnen sie ihn alsoberflächlich. Ich habe aber eher den Eindruck, dass die Art und Weise, wie sieein Buch lesen, oberflächlich ist. Mein Buch ist wie ein Spiegel: Sei vollerWunder, und du wirst die Wunder in "Schiffbruch mit Tiger" erkennen.Sei verdrießlich und abgestumpft, und du wirst deinen Missmut bestätigt finden.Die Kritik, ich könne mich nicht wirklich in die indische Mentalität einfühlen,hatte ich vorher noch nicht gehört. Ich vermute, dieser Vorwurf kommt vonLeuten, die zwei Wochen in Indien Urlaub gemacht haben, dort über dieherrschende Armut schockiert waren und nun glauben, jedes Buch über Indienmüsse sich automatisch mit dieser Armut auseinandersetzen. Das wäre gerade so,als müsse jedes Buch über Deutschland automatisch auch von Nazis handeln. Ichfand die wenigen negativen Kritiken, die ich gelesen habe, sehr interessant.Ein paar Mal habe ich versucht, mein Buch aus der Sicht eines Kritikers zubeurteilen. Ich wollte überprüfen, ob ich einen kreativen Fehler gemacht hatteund ob da irgendetwas war, was ich lernen konnte. Es wurden mittlerweile jedochso viele Artikel und Rezensionen über "Schiffbruch mit Tiger"geschrieben, dass ich die meisten - positive oder negative - gar nicht mehr zurKenntnis nehme. Mein Blick richtet sich eher in die Zukunft.
Im Wintersemester 2002/2003 kamen Sie als Samuel Fischer-Gastprofessor für Literaturnach Deutschland und unterrichteten an der Freien Universität Berlin. Wieempfanden Sie diese Zeit? Welche besonderen Erfahrungen haben Sie inDeutschland gemacht?
Ich habe es wirklichgeliebt, in Deutschland zu sein. Berlin ist eine absolut faszinierende Stadt:Einerseits wurde sie vom Krieg und der Teilung erschüttert. Andererseits wirktsie durch die Menschen, die dort leben, absolut lebendig. Aber gerade mal dreiWochen, bevor ich nach Berlin kam, gewann ich den BookerPrize. Dadurch wurde mein Leben zu einem Chaos ausInterviews und Kurztrips durch ganz Europa. Das Semester war vorüber -schneller als ich mit den Augen zwinkern konnte. Ich war traurig, Berlin soschnell wieder verlassen zu müssen, und hoffe, dass ich noch einmal dorthinzurückkehre.
Die Fragen stellte Roland Große Holtforth, literaturtest.de.
- Autor: Yann Martel
- 2004, 21. Aufl., 384 Seiten, Maße: 12,5 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Manfred Allié, Gabriele Kempf-Allié
- Verlag: FISCHER Taschenbuch
- ISBN-10: 3596156653
- ISBN-13: 9783596156658
- Erscheinungsdatum: 22.07.2004
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
3.5 von 5 Sternen
5 Sterne 1Schreiben Sie einen Kommentar zu "Schiffbruch mit Tiger".
Kommentar verfassen