Schweigeminute
"Ein wunderschönes Liebesbuch, wie es schon lange keins mehr gab."
Frankfurter Allgemeine
Siegfried Lenz, einer der letzten großen Nachkriegsautoren, hat eine wunderbare Novelle geschrieben über die Liebe...
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Produktinformationen zu „Schweigeminute “
"Ein wunderschönes Liebesbuch, wie es schon lange keins mehr gab."
Frankfurter Allgemeine
Siegfried Lenz, einer der letzten großen Nachkriegsautoren, hat eine wunderbare Novelle geschrieben über die Liebe des 18-jährigen Gymnasiasten Christian zu seiner Englischlehrerin Stella Petersen. Eine Geschichte über das Erwachsenwerden und das Erwachsensein. Und eine Geschichte, in der unbeschreibliches Glück neben tief empfundener Trauer steht.
"Ein poetisches Buch. Vielleicht ist es sein schönstes."
Marcel Reich-Ranicki
Lese-Probe zu „Schweigeminute “
Schweigeminute von Siegfried Lenz LESEPROBE »Wir setzen uns mit Tränen nieder«, sang unser Schülerchor zu Beginn der Gedenkstunde, dann ging Herr Block, unser Direktor, zum bekränzten Podium. Er ging langsam, warf kaum einen Blick in die vollbesetzte Aula; vor Stellas Photo, das auf einem hölzernen Gestell vor dem Podium stand, verhielt er, straffte sich, oder schien sich zu straffen, und verbeugte sich tief.
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Wie lange er in dieser Stellung verharrte, vor deinem Photo, Stella, über das ein geripptes schwarzes Band schräg hinlief, ein Trauerband, ein Gedenkband; während er sich verbeugte, suchte ich dein Gesicht, auf dem das gleiche nachsichtige Lächeln lag, das wir, die ältesten Schüler, aus deiner Englischstunde kannten. Dein kurzes schwarzes Haar, das ich gestreichelt, deine hellen Augen, die ich geküßt habe auf dem Strand der Vogelinsel: Ich mußte daran denken, und ich dachte daran, wie du mich ermuntert hast, dein Alter zu erraten. Herr Block sprach zu deinem Photo hinab, er nannte dich liebe, verehrte Stella Petersen, er erwähnte, daß du fünf Jahre zum Lehrerkollegium des Lessing-Gymnasiums gehörtest, von den Kollegen geschätzt, bei den Schülern beliebt. Herr Block vergaß auch nicht, deine verdienstvolle Tätigkeit in der Schulbuchkommission zu erwähnen, und schließlich fiel ihm ein, daß du ein allzeit fröhlicher Mensch gewesen warst: »Wer ihre Schulausflüge mitmachte, schwärmte noch lange von ihren Einfällen, von der Stimmung, die alle Schüler beherrschte, dies Gemeinschaftsgefühl, Lessingianer zu sein; das hat sie gestiftet, dies Gemeinschaftsgefühl.«
Ein Zischlaut, ein Warnlaut von der Fensterfront, von dort her, wo unsere Kleinen standen, die Quartaner, die nicht aufhörten, sich darüber auszutauschen, was sie interessierte. Sie bedrängten, sie schubsten sich, sie hatten einander etwas zu zeigen; der Klassenlehrer war bemüht, Ruhe zu stiften. Wie gut du aussahst auf dem Photo, den grünen Pullover kannte ich, kannte auch das seidene Halstuch mit den Ankern, das trugst du auch damals, am Strand der Vogelinsel, an die es uns antrieb im Gewitter.
Nach unserem Direktor sollte auch ein Schüler sprechen, sie forderten zuerst mich auf, wohl deswegen, weil ich Klassensprecher war, ich verzichtete, ich wußte, daß ich es nicht würde tun können nach allem, was geschehen war. Da ich ablehnte, sollte Georg Bisanz sprechen, er bat sogar darum, ein paar Worte sagen zu dürfen für Frau Petersen, Georg war schon immer der Lieblingsschüler, seine Referate bekamen höchstes Lob. Was hättest du gedacht, Stella, wenn du seinen Bericht von der Klassenreise gehört hättest, von diesem Ausflug auf eine nordfriesische Insel, wo uns ein alter Leuchtturmwärter mit seiner Arbeit bekannt machte und wo wir im Watt Butt peddeten, jauchzend, mit schlammbedeckten Beinen, auch deine schlammbedeckten Beine erwähnte er und deinen hochgezogenen Rock und daß du die meisten Flachfische mit den Füßen ertastet hast. Den Abend im Fährhaus überging er ebenfalls nicht. Als er die gebratenen Flundern rühmte, sprach er für uns alle, und ich stimmte ihm auch bei, als er den Abend mit Shanty-Musik begeistert in Erinnerung rief.
Wir sangen mit damals, wir kannten ja My Bonnie und Wir lagen vor Madagaskar und all die anderen Shanties. Ich trank zwei Gläser Bier, und zu meinem Erstaunen trank auch Stella Bier. Manchmal glaubte ich, du seist eine von uns, eine Mitschülerin, du freutest dich, worüber wir uns freuten, du hattest deinen Spaß daran, als einer von uns den ausgestopften Seevögeln, die überall herumstanden, Mützen aufsetzte, Papiermützen, die er geschickt faltete. »Uns alle, liebe Kollegen, hat es gefreut, daß zwei Schüler ein Stipendium für Oxford gewannen«, sagte der Direktor, und um die Bedeutung hervorzuheben, nickte er Stellas Bild zu und wiederholte leise »ein Stipendium für Oxford«. Als könnte diese Aussage aber auch anders verstanden werden, war plötzlich ein Schluchzen zu hören, der Mann, der hinter vorgehaltener Hand schluchzte, war Herr Kugler, unser Kunsterzieher, wir hatten sie oft auf ihrem gemeinsamen Heimweg gesehen, Stella und ihn. Gelegentlich hatte sie sich bei ihm eingehakt, und da er sehr viel größer war als sie, hatte es mitunter den Anschein, als schleppte er sie ab. Einige der Schüler stießen sich an und machten
einander auf den schluchzenden Lehrer aufmerksam, zwei Quartaner konnten nur mit Mühe das Kichern unterdrücken.
Er war nicht unter den Zuschauern, als wir am Wellenbrecher arbeiteten, Herr Kugler war auf einem Segelboot unterwegs in der dänischen Inselwelt. Unter den Zuschauern, die wir an jedem Tag hatten, wäre mir der hochgewachsene Mann mit seiner besorgniserregenden Magerkeit sogleich aufgefallen. Die meisten Zuschauer waren Sommergäste.
Sie kamen, manche in Badeanzügen, den Strand herauf vom Hotel Seeblick, stiegen auf die Mole und pilgerten den ganzen Bogen hinaus bis zum Molenkopf, wo sie sich einen Platz suchten beim Blinkfeuer oder auf den mächtigen Steinbuckeln. Unser schwarzer, zerschrammter, für den Steintransport gerüsteter Lastkahn lag schon neben der Einfahrt von Hirtshafen, gehalten von zwei Ankern, bis in Deckshöhe beladen mit schlamm- und algenbedeckten Steinen, die wir geborgen hatten, um den Wellenbrecher zu verbreitern und aufzustocken und die Mole, aus der die Winterstürme manch ein Stück herausgeschlagen hatten, auszubessern. Mäßiger Nordost versprach verläßliches Sommerwetter.
Auf ein Handzeichen meines Vaters schwenkte Frederik, sein Arbeitsmann, den Ladebaum aus, senkte den Greifer, brachte die Metallzähne so über einen Stein, daß er fest umschlossen war, und als die Winsch ansprang und der Koloß sich ruckend aus dem Frachtraum erhob und leicht pendelnd über die Bordkante schwenkte, blickten die Zuschauer gebannt zu uns herüber; einer hob seinen Photoapparat. Wieder gab mein Vater ein Zeichen, die Metallzähne des Greifers öffneten sich, entließen den Koloß, und dort, wo er aufschlug, schwappte das Wasser hoch, mit einem brodelnden Geräusch warfen sich Wellen auf, Kippwellen, die sich nur langsam verliefen.
Ich nahm die Klarsichtscheibe, ließ mich neben der Bordwand ins Wasser, um die Lage der Steine zu begutachten, doch ich mußte warten, bis die Wolke aus Schlamm und Sand sich in der leichten Strömung fortgewälzt und abgesetzt hatte, da erst erkannte ich, daß der große Stein gut lag. Er lastete quer auf anderen Steinen, zwischen ihnen jedoch gab es Lücken und Spalten, wie berechnet für ablaufendes Wasser, für den Spülstrom. Auf den anfragenden Blick meines Vaters hin konnte ich ihn beruhigen: Alles lag, wie es sollte, wie der Wellenbrecher es erforderte. Ich kletterte an Bord, und Frederik hielt mir sein Zigarettenpäckchen hin und gab mir Feuer. (…)
© Hoffmann und Campe Verlag
Ein Zischlaut, ein Warnlaut von der Fensterfront, von dort her, wo unsere Kleinen standen, die Quartaner, die nicht aufhörten, sich darüber auszutauschen, was sie interessierte. Sie bedrängten, sie schubsten sich, sie hatten einander etwas zu zeigen; der Klassenlehrer war bemüht, Ruhe zu stiften. Wie gut du aussahst auf dem Photo, den grünen Pullover kannte ich, kannte auch das seidene Halstuch mit den Ankern, das trugst du auch damals, am Strand der Vogelinsel, an die es uns antrieb im Gewitter.
Nach unserem Direktor sollte auch ein Schüler sprechen, sie forderten zuerst mich auf, wohl deswegen, weil ich Klassensprecher war, ich verzichtete, ich wußte, daß ich es nicht würde tun können nach allem, was geschehen war. Da ich ablehnte, sollte Georg Bisanz sprechen, er bat sogar darum, ein paar Worte sagen zu dürfen für Frau Petersen, Georg war schon immer der Lieblingsschüler, seine Referate bekamen höchstes Lob. Was hättest du gedacht, Stella, wenn du seinen Bericht von der Klassenreise gehört hättest, von diesem Ausflug auf eine nordfriesische Insel, wo uns ein alter Leuchtturmwärter mit seiner Arbeit bekannt machte und wo wir im Watt Butt peddeten, jauchzend, mit schlammbedeckten Beinen, auch deine schlammbedeckten Beine erwähnte er und deinen hochgezogenen Rock und daß du die meisten Flachfische mit den Füßen ertastet hast. Den Abend im Fährhaus überging er ebenfalls nicht. Als er die gebratenen Flundern rühmte, sprach er für uns alle, und ich stimmte ihm auch bei, als er den Abend mit Shanty-Musik begeistert in Erinnerung rief.
Wir sangen mit damals, wir kannten ja My Bonnie und Wir lagen vor Madagaskar und all die anderen Shanties. Ich trank zwei Gläser Bier, und zu meinem Erstaunen trank auch Stella Bier. Manchmal glaubte ich, du seist eine von uns, eine Mitschülerin, du freutest dich, worüber wir uns freuten, du hattest deinen Spaß daran, als einer von uns den ausgestopften Seevögeln, die überall herumstanden, Mützen aufsetzte, Papiermützen, die er geschickt faltete. »Uns alle, liebe Kollegen, hat es gefreut, daß zwei Schüler ein Stipendium für Oxford gewannen«, sagte der Direktor, und um die Bedeutung hervorzuheben, nickte er Stellas Bild zu und wiederholte leise »ein Stipendium für Oxford«. Als könnte diese Aussage aber auch anders verstanden werden, war plötzlich ein Schluchzen zu hören, der Mann, der hinter vorgehaltener Hand schluchzte, war Herr Kugler, unser Kunsterzieher, wir hatten sie oft auf ihrem gemeinsamen Heimweg gesehen, Stella und ihn. Gelegentlich hatte sie sich bei ihm eingehakt, und da er sehr viel größer war als sie, hatte es mitunter den Anschein, als schleppte er sie ab. Einige der Schüler stießen sich an und machten
einander auf den schluchzenden Lehrer aufmerksam, zwei Quartaner konnten nur mit Mühe das Kichern unterdrücken.
Er war nicht unter den Zuschauern, als wir am Wellenbrecher arbeiteten, Herr Kugler war auf einem Segelboot unterwegs in der dänischen Inselwelt. Unter den Zuschauern, die wir an jedem Tag hatten, wäre mir der hochgewachsene Mann mit seiner besorgniserregenden Magerkeit sogleich aufgefallen. Die meisten Zuschauer waren Sommergäste.
Sie kamen, manche in Badeanzügen, den Strand herauf vom Hotel Seeblick, stiegen auf die Mole und pilgerten den ganzen Bogen hinaus bis zum Molenkopf, wo sie sich einen Platz suchten beim Blinkfeuer oder auf den mächtigen Steinbuckeln. Unser schwarzer, zerschrammter, für den Steintransport gerüsteter Lastkahn lag schon neben der Einfahrt von Hirtshafen, gehalten von zwei Ankern, bis in Deckshöhe beladen mit schlamm- und algenbedeckten Steinen, die wir geborgen hatten, um den Wellenbrecher zu verbreitern und aufzustocken und die Mole, aus der die Winterstürme manch ein Stück herausgeschlagen hatten, auszubessern. Mäßiger Nordost versprach verläßliches Sommerwetter.
Auf ein Handzeichen meines Vaters schwenkte Frederik, sein Arbeitsmann, den Ladebaum aus, senkte den Greifer, brachte die Metallzähne so über einen Stein, daß er fest umschlossen war, und als die Winsch ansprang und der Koloß sich ruckend aus dem Frachtraum erhob und leicht pendelnd über die Bordkante schwenkte, blickten die Zuschauer gebannt zu uns herüber; einer hob seinen Photoapparat. Wieder gab mein Vater ein Zeichen, die Metallzähne des Greifers öffneten sich, entließen den Koloß, und dort, wo er aufschlug, schwappte das Wasser hoch, mit einem brodelnden Geräusch warfen sich Wellen auf, Kippwellen, die sich nur langsam verliefen.
Ich nahm die Klarsichtscheibe, ließ mich neben der Bordwand ins Wasser, um die Lage der Steine zu begutachten, doch ich mußte warten, bis die Wolke aus Schlamm und Sand sich in der leichten Strömung fortgewälzt und abgesetzt hatte, da erst erkannte ich, daß der große Stein gut lag. Er lastete quer auf anderen Steinen, zwischen ihnen jedoch gab es Lücken und Spalten, wie berechnet für ablaufendes Wasser, für den Spülstrom. Auf den anfragenden Blick meines Vaters hin konnte ich ihn beruhigen: Alles lag, wie es sollte, wie der Wellenbrecher es erforderte. Ich kletterte an Bord, und Frederik hielt mir sein Zigarettenpäckchen hin und gab mir Feuer. (…)
© Hoffmann und Campe Verlag
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Autoren-Porträt von Siegfried Lenz
Bibliographische Angaben
- Autor: Siegfried Lenz
- 126 Seiten, Maße: 12,8 x 20,8 cm, Soft-Cover (Weltbild Reader)
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3828993990
- ISBN-13: 9783828993990
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